Antwort auf: Eure Album-Top100

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vorgarten

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uff. na dann… ;)

gypsy-tail-windZu Miles: interessante Wahl, teils ganz typisch (KoB, IaSW), teils ziemlich abwegig (MwtH – war das eine Initialzündung in Sachen Jazz im Allgemeinen bei Dir? Meine Wahl, rein biographisch, wäre da „We Want Miles“, aber davon habe ich mich zu sehr entfernt, von den Post-Comeback-Alben kommt keines wirklich in Frage, vielleicht „Tutu“, aber da ist ja auch zuviel Schwaches drauf als dass das in der Top-300 oder auch Top-500 überleben würde). „E.S.P.“ finde ich ja bekanntlich vom „second quintet“ nicht das beste, da wären „Miles Smiles“ und „Nefertiti“ noch davor (und auch „Filles de Kilimanjaro“ und vermutlich auch „The Sorcerer“). „In Concert“ finde ich faszinierend, aber Lieblingsalbum-Status kriegt das Ding wohl nie.

ich habe ca 1991 angefangen, jazz zu hören, mein erstes album war, damals aktuell, AURA. WE WANT MILES war ein früher favorit, THE MAN WITH THE HORN kam später. und jetzt ist es das einzige album, das aus der comeback-zeit überlebt (neben STAR PEOPLE vielleicht; TUTU ist mir viel zu synthetisch, alles andere zu „produziert“). an MWTH liebe ich den garagen-sound, diese irre kombination mit den beiden pop-arrangements, vor allem aber, was da marcus miller und al foster miteinander machen. miller im ersten stück spielt meines erachtens nach den tollsten e-bass aller zeiten, es macht mich jedesmal fassungslos, wie er den funk da herauskitzelt (und dabei harmonisch elastisch bleibt).

gypsy-tail-windZu Coltrane: „Crescent“ ging ja doch nicht vergessen … wenn meine Liste mal überarbeitet würde, wäre das wohl die Nr. 1 (und zwar schon seit einer ganzen Weile). „Stellar Regions“ hat dafür bei mir bis heute nicht gezündet, da wären wohl 25 andere Alben davor (was heisst ganz viele Atlantic- und Prestige-Alben, nicht nur Impulse-Veröffentlichungen).

ein perfekteres coltrane-album als CRESCENT gibt es nicht. aber seine musik war ja überhaupt nicht auf perfektion angelegt – und wenn man das explorative nimmt, kommt man wohl immer wieder einerseits zu den village-vanguard-sachen mit dolphy aus oder eben zur letzten band. INTERSTELLAR SPACE ist da unverzichtbar, EXPRESSION auch, vieles aus der zwischenphase (ASCENCION, SUN SHIP, OM) ist mir zu ausufernd, auf STELLAR REGIONS bekommt alles wieder eine (außerirdische) lakonie, knappheit, schönheit – als wäre er da schon nicht mehr im irdischen. für mich ist es quasi das CRESCENT der schlussphase.

gypsy-tail-windZu Jarrett: die Blue Note-Box habe ich noch nicht oft gehört, aber ich finde sie gewiss ein Highlight aus der ausufernden Diskographie (zufällig heute die neue Box geordert, aber das wird dauern mit Hören). Deine Liebe zum Album auf #6 ist ja bekannt, ich teile sie nicht wirklich. Das Album auf #46 kenne ich hingegen noch viel zu schlecht.

gut, bei CHANGELESS bin ich mir wenigstens mit nail einig. EYES OF THE HEART dokumentiert etwas völlig verrücktes, was sich live ereignet. ich kenne nichts vergleichbares. mit der pointe, dass das ausgerechnet in einem solch perfektionistischem umfeld entsteht wie bei ecm und jarrett.

gypsy-tail-windLetzteres gilt auch für das das David Murray-Album … liegt aber auf meinem kleinen Murray-Stapel (der durch die CAM-Boxen recht ansehnlich wurde, davor aus weniger als einem Dutzend Alben bestand, darunter auch ein paar Black Saint-Aufnahmen, die dann geboxt wurden).

das murray-album fasst gut zusammen, was ich im jazz vor allem suche: eleganz und verzweiflung, das drängende und gleichzeitig lässige, alles zusammen in einem moment, in dem vier leute ungefähr gleich klicken und etwas kommunikativ herstellen, was größer ist als die einzelnen musiker. hier kommt noch diese merkwürdige murray-mischung aus kitschnahen kompositionen und punkiger krawall-lust dazu. und es ist das schönste, was ich vom pianisten hicks kenne.

gypsy-tail-windSonny Rollins … das Album mit Hawkins kenne ich vergleichsweise nicht so lange, mein grosser Rollins-Moment war „Saxophone Colossus“, etwas weiter hinten (knapp über 100) taucht noch „A Night at the Village Vanguard“ auf (natürlich gemeint: die RVG-Doppel-CD) … mit der „Freedom Suite“ bin ich vergleichsweise nie so ganz warm geworden, trotz nahezu kultischer Roach-Verehrung als Teenager und bestem Schulfreund, der Bass spielte (aber Pettiford begriffen wir damals beide nicht recht). Wäre aber vermutlich trotzdem in einer Top-500 oder so drin (hinter „Our Man in Jazz“ – wo dann heute die 6-CD-Box gemeint/mitgedacht wäre – und wohl auch „Sonny Meets Hawk“).

an SAXOPHONE COLOSSUS nervt mich der mecky-messer-song (den finde ich in jeder jazzversion schrecklich), an den VILLAGE-VANGUARD-aufnahmen der dumpfe sound. trotzdem sind das natürlich grandiose alben. in der FREEDOM SUITE finde ich rollins am komplettesten wieder, „meinen“ rollins wahrscheinlich. das zusammentreffen mit hawk hat noch mal ganz andere qualitäten, die eben nur zum teil mit rollins zu tun haben.

gypsy-tail-wind#27, Getz/Gilberto, ist auch eher – im weitesten Sinn – biographisch zu erklären? Oder findest Du das mit etwas Distanz auch wirklich das beste von Getz‘ Bossa-Alben? Ich habe ja eine grosse Schwäche für „Jazz Samba Encore“ mit Luiz Bonfá. Nehme an, Du kennst die Alben alle?

klar kenne ich die alle. eine „schwäche“ habe ich eher für das album mit byrd, das viele ja so stumpf finden. aber warum das alles präferieren, wenn man getz plus jobim plus gilberto plus gilberto (plus milton banana) haben kann? bonfá kann ich als gitarristen nicht auf der höhe von gilberto diskutieren (almeida auch nicht). aber schön ist das alles. ich höre die GETZ/GILBERTO aber auch nicht als getz-album, sondern als perfekte synthese von sehr vielen sachen (jazz, pop, bossa, skurrilität und charme, perfektion und dilettantismus, kitsch und heiliger ernst…)

gypsy-tail-wind#34, Anita O’Day: Du weisst ja, wie sehr ich sie mag … aber dieses Album ist mir halt auch irgendwie etwas zu gepflegt, aber ich nähere mich allmählich an

mir nach wie vor komplett schleierhaft, wie man das album „gepflegt“ finden kann. ich kenne mit riesen abstand nichts kratzbürstigeres von day, nichts mit komplexeren arrangements, fetzigeren (aber vertrackten) rhythmen… eine riesen herausforderung für eine sängerin, die sie aber angeht, als sei sie gerade erst aufgestanden. und dann gibt es natürlich noch den titelsong…

gypsy-tail-wind#43, Joe Henderson: ist das wirklich ein Inselalbum oder einfach eine Wahl, um Henderson auf der Insel mitzuhaben? Ich tue mich mit ihm irgendwie schwerer als auch schon, die Schutzhülle, die er um sein Leben und seine Musik gelegt hat, ist nicht mehr so leicht zu penetrieren wie noch vor 10, 15 Jahren, wo ich wohl auch eines seiner Blue Note-Alben („In’n’Out“ wohl) in der Bestenliste gehabt hätte (und als Sideman wäre er damals auch noch mit „The Real McCoy“ dringewesen, aber auch Tyner fehlt in meiner Liste – beides konstante Musiker mit einer langen Reihe guter Alben, aber wenn ich wählen muss, fällt es mir schwer bzw. ich wähle bei anderen ähnlichen Fällen (Hank Mobley, Johnny Griffin – wobei ich gerade das Griffin-Album in meiner Liste, „The Congregation“, bestimmt nicht für sein bestes halte, aber der Titeltrack hat es mir hoffnungslos angetan, für alle Tage).

schwieriger fall. mir geht es wohl eher um die dorham/henderson-band, und da finde ich bis auf das erste album alle top-100-würdig. an PAGE ONE komme ich dann aber vor allem deshalb nicht vorbei, weil da die hits drauf sind und es insgesamt keinen moment hat, der nicht zum sterben schön wäre.

gypsy-tail-wind#48, Bach mit Milstein: warum Milstein? Ich liebe diese Werke über alles, habe diverse Einspielungen, Milstein ist aber gerade kein besonderer Favorit, wobei ich seine gelobten DG-Aufnahmen nicht gut kenne, die auf EMI etwas besser – ich nehme an, Du meinst jene auf DG? Mein Favorit wäre, wenn ich heute wählen müsste, Szigeti (Vanguard). Aber dicht dahinter u.a. Isabelle Faust, Hélène Schmitt, Ida Haendel, Johanna Martzy, Arthur Grumiaux, Henryk Szeryng, und ja, auch Jascha Heifetz. Ich liess Klassik ja einfach aussen vor, wäre zuviel geworden.

ich meine genau die DG-ausgabe, die du nicht kennst. sie hat für mich genau die richtige mischung aus struktur und emotion, die es braucht, um bach für mich absolut essentiell zu machen. ich habe, ehrlich gesagt, danach keine andere einspielung mehr gesucht.

gypsy-tail-wind#63, Herbie Hancock: auch bekannt, dass Du gerade dieses Album so sehr schätzt … bei mir stehen „Maiden Voyage“ und „Thrust“ irgendwo nach 100, aber heute müsste ich wohl „Inventions and Dimensions“ setzen statt dem ersteren, das hat sich nachhaltig als Favorit eingeprägt, wohingegen „Speak Like a Child“ mich immer noch relativ kalt lässt, mir fast wie „mood music“ reinkommt. Aber da bleibe ich dran!

eine späte liebe, auf jeden fall. wirklich schwache hancock-alben gibt es ja in der blue-note-phase nicht. vor THRUST kämen für mich auf jeden fall noch die mawandishi-sachen, SEXTANT vor allem. SPEAK LIKE A CHILD aber ist bei mir aber zur persönlichsten beziehung geworden, wegen der kristallinen rhythmusgruppe und den hintergründig komplexen arrangements. auch der gesamtsound ist ziemlich unvergleichbar. aber klar ist das mood music! (da hören wir vielleicht wirklich anders, aus einer hardbop-gewohnten perspektive gibt es sicher andere hancock-alben, die da nach oben drängen).

gypsy-tail-windHier noch die – nicht wenigen – Alben, die ich nicht kenne … müsste ich davon (von Fred Anderson, Bheki, Dilla, Yamashita, Grisey, Ulmer abgesehen) mal was unbedingt antesten, was meinst Du? Lobo, Veloso, Tricky? (Von letzterem kenne ich weiterhin nur „Maxinquaye“, schafft es aber in keine Lieblingsliste.)

vorgarten
7 talk talk: the laughing stock
10 talk talk: spirit of eden
11 chris garneau: music for tourists
19 federico mompou: musica callada (herbert henck)
23 steve coleman group: motherland pulse
30 caetano veloso: transa
35 kante: zombi
37 laika: silver apples of the moon
39 radiohead: in rainbows
40 mark hollis: mark hollis
50 here we go magic: here we go magic
51 ricardo villalobos: alcachofa
53 grace jones: nightclubbing
58 radiohead: amnesiac
60 propaganda: a secret wish
61 edu lobo: cantiga de longe
66 tindersticks: across six leap years
67 paul clayton: wailing & sailing songs
74 linda perhacs: parallelograms
84 tricky: angels with dirty faces
87 laika: good looking blues
98 the necks: piano, bass, drums
100 ryuichi sakamoto: beauty

hmm, schwer zu sagen, weil ich – außerhalb von jazz – nicht gut einschätzen kann, was dir gefällt. das tricky-album ist unvergleichlich düster, komplex und schleppend groovy (olivers sohn gene lake sitzt an den drums), in die beiden letzten talk-talk-album und das von mark hollis müsste man sich eigentlich aus einer jazzperspektive heraus sofort verlieben (in das kante-album vielleicht auch). laika war die beste triphop-band in der massive-attack-tricky-portishead-zeit, die keiner gehört hat, CANTINGA von edu lobo ist unter den brasil-alben vielleicht das ernsteste, MOTHERLAND PULSE aus steve colemans frühphase würde ich sehr empfehlen, weil es (wie auch das schon oft empfohlene debütalbum von cassandra wilson) noch eine mischung aus loft-avantgarde, garagensound und frühen m-base-ideen ist (komplett akustisch), ohne die spätere digitale coolness; das necks-album ist (neben AETHER) die perfekteste dokumentation der live-magie der band; ALCACHOFA ist das komplexeste, detailreichste techno-album, das ich kenne (mehr davon ist nicht in der liste, weil ich sowas schlecht von der club/körper-erfahrung trennen kann); TRANSA von veloso könnte dir gefallen, wenn du brasilianische psychedelia und die beatles magst ;) tindersticks sowieso ein ewiger tipp (plus die damit vernetzten filme von claire denis), der rest (garneau, clayton, propaganda, …) ist sehr persönlich, ich habe nicht den hauch einer idee, wie andere das hören.

edit. bei mompous MUSICA CALLADA würde ich noch am ehesten davon ausgehen, dass sie was für dich wäre. ein absoluter solitär in der klassik, einfach, hintergründig, selbstvergessen, harmonisch komplex (was man nicht hört). für sowas wurde eigentlich ecm new series erfunden. auch sonst für jede(n) ein tipp, die/der klassik nur ausschnittsweise hört (das gilt jetzt natürlich nicht für dich!).

zuletzt geändert von vorgarten

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