Antwort auf: Ich höre gerade … klassische Musik!

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soulpope
"Ever Since The World Ended, I Don`t Get Out As Much"

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clasjazMeine Zeit ist so sehr begrenzt gerade, ich kann mich gar nicht recht beteiligen. Gypsy, noch einmal das Wort „valide“ und ich schleppe Dich doch noch in die Bacon-Sache. Ich bin, wenn ich ihn einmal höre, stets völlig gebannt von Bruckner, so, dass ich ihn nur hören kann, wenn ich gebannt werden kann. Und das beschränkt sich bisher tatsächlich auf Bruckner VII und IX, ich habe noch ein paar andere hier, aber ich komme da nicht hin, komme nicht weiter, ich legs auf und – nichts. Nicht mal zu VIII, obwohl ich die ständig, kein Witz, mit VII verwechsele. Größtes Brucknererlebnis war die Siebte mit Celibidache, Münchner, hatte ich mal mitgeschnitten aus dem Fernsehen auf Kassette, kein Witz, und dann in einer Nachtfahrt von Holland nach Hause gehört. Nicht einmal die f-moll-Messe bringt mir was, das Quintett zog heillos vorbei. Wenigstens weiß ich jetzt, dass meine ständige Parallelbeschallung mit Wagners „Parsifal“-Vorspiel usw. und Bruckner irgendwas hat, also, wenn sie geschieht. Selten. Bei alledem steht Mahler weniger vor als hinter der Tür und wartet. Hier gerade viel Allan Pettersson, auch so einer, der einem das vorsichtige Hören beibringt, um nicht zu schnell begeistert zu sein.

Schön von Dir wieder zu lesen – weil Forum ist hier ja nicht (mehr) viel …. bei mir Bruckner der Architekt wichtig ab 4 bis 9. Präferenzen für V und VII – diese habe ich u.a sehr oft in diversen Interpretationen (und hier passt dieser Begriff vollinhaltlich) von Celibidache gehört und diesem Zauber – so dieser situativ gefragt ist – kann ich mich nicht entziehen …. VIII+IX sind Monumente welchen ich mich noch immer Schrittweise annähere – und wann immer ich näher wähne, öffnet sich eine neue Verästelung (in retrospektiv offensichtlicher Struktur) …. bleiben IV und VI, Letztere ein misteriös faszinierender „Dark Horse“ ohne (für mich) fasbare Ecken und Enden und die IVte welche je nach Deutung ganz unterschiedliche Gestalt annimmt – ich erwähnte meine Konzertbesuch am letzten Freit und fand dann im Netz folgenden Kritik :
Metzmacher macht aus Bruckners Vierter „Die Unromantische“

„Die Romantische“ hat Anton Bruckner selbst seine Vierte Symphonie getauft. Entsprechend wohlig-weich und in satten Farben malen die Orchester dieses Werk gern – in seiner berühmt gewordenen letzten Fassung mit dem allerberühmtesten „Jagdscherzo“ als drittem Satz. Wenig Musik scheint besser zu taugen als Klanguntermalung für Filme von wogenden Kornfelder und Waldesrauschen als diese; zumal der Komponist den ersten Takten sogar eine entsprechend pittoreske Bildbeschreibung mit auf den Weg gegeben hat.
Nun ist das, versteht sich, nur die halbe Wahrheit. Bruckner, den Gustav Mahler oder Hans von Bülow – die Forschung ist sich da nicht sicher – mit dem Epitheton „halb Genie, halb Trottel“ bezeichnet haben soll, war ja sogar demnach zumindest zur Hälfte auch Genie! Und als solches alleinverantwortlich für die letzte große Entwicklungsstufe der Symphonie-Form – und führte konsequent wie kein anderer Richard Wagners harmonische Innovationen in Richtung Moderne fort.

Das kann man bei einem Dirigenten wie Ingo Metzmacher auch hören, der mit den Wiener Symphonikern für das einstündige Sieben-Uhr-Konzert am Freitag der „Romantischen“ jegliche Romanik austrieb, nicht die geringsten Rubati zuließ, die nicht in den Noten stehen, und poetischen Klangzaubereien gar nicht erst hervorzurufen suchte. 
Stattdessen lichtete er die Klangbalance auf: Man hört bei Bruckner hierzulande selten so deutlich sämtliche Bläserstimmen und dermaßen rigoros befolgte dynamische Abstufungen. Die Schichtungstechnik, so ausgeleuchtet, macht aus der Vierten ein durchaus „modernes“ Stück, dessen Schroffheiten weit vorausweisen in die Klangwelten der Wiener Schule. Die kommt ja (auch) von Bruckner her; doch hörend kann man diese Binsenweisheit selten nachvollziehen.
Diesmal konnte man; wobei sich die Macht, die der Symphoniker-Klang in den großen Steigerungen entwickelt, durchaus ebenso beeindruckend zu entfalten schein wie in Wiedergaben, die stärker der wienerischen Spieltradition verpflichtet sind. 
Ein Aperçu vielleicht, aber doch bezeichnend: Anton Bruckner hat, um dem Publikum zu gefallen und sein Werk endlich hören zu dürfen, das ursprüngliche Scherzo, das inhaltlich inniger mit den drei anderen Sätzen verbunden war, gegen das dann tatsächlich höchst populäre „Taratta tatatata“ ersetzt – und Metzmacher bringt es fertig, dass diese nachkomponierte, gefälligere Musik plötzlich wild und ungezügelt klingt, nicht wie die „lustige Jägerei allhier auf grüner Heid“, sondern wie die heidnische Wilde Jagd; genau so, wie die Urfassung das ungeschminkt beabsichtigt hatte. Eine originelle musikhistorische Umwertung.

Und ja bezüglich der (Ver)bindung zu/an Wagner und Mahler …. das Parsifal Vorspiel (ich sage nur Kubelik) ist da eine treffliche Position – und und der Konnex zu Mahler belegt wiederum, wie modern – hier im Sinne einer Festlegung der eigenen Wurzeln (und deren Reflexion) als Ausgangspunkt für grenzenlose Suche – Bruckner tatsächlich war ….

P.S Allan Pettersson – bei mir „dark horse revisited“ ..

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