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Elektro Guzzi live am 24.11.2016 in der Kantine am Berghain. Wie der Name schon sagt tatsächlich die ehemalige Kantine des ehemaligen Heizkraftwerks und jetzigen Tempels des Hedonismus in Berlin-Friedrichshain. Ein übersichtlicher Raum, über fast die gesamte Längsseite ein langer Tresen, die Farbe blättert von der Decke ab, Fassungsvermögen 200-300 Leute. Clubatmosphäre.
Elektro Guzzi fangen erst um etwa 22:30 Uhr an. In meiner Erinnerung gibt der drummer einen beat vor, der Bassist steigt ein, der Gitarrist legt ein paar Effekte darüber. Nach einer Minute ist die Mensch-Maschine Elektro Guzzi auf Betriebstemperatur, nach zwei Minuten fängt das Publikum an zu tanzen und die Kantine kocht. Der Bassist zupft völlig stoisch seine dicken Saiten, der Drummer leistet wieselflinke Präzisionsarbeit. Optisch völlig gegensätzlich dazu tänzelt der Gitarrist – Löckchen, Schnauzer und ärmeloses Top in Tigeroptik – verzückt auf der Bühne herum, schraubt mal an elektronischem Gerät zu seinen Füssen und wirft hier und dort ein paar Patterns und Sounds dazu. Vielleicht 45 oder 50 Minuten lang hört sich das fast an wie ein DJ-Set mit mal nachlassender und mal wieder anziehender Intensität, aber viel organischer, unvorhersehbarer, fast ohne wiederkehrende Elemente, alles ständig im Fluss. Man erlebt einen Rausch und dann ist er auch schon wieder verflogen. Warum spielen Elektro Guzzi Techno auf konventionellen Instrumenten? Diese Frage stellt sich hier kein Mensch.
Elektro Guzzi lassen sich noch mal auf die Bühne zurückklatschen, spielen noch mal etwa 15 Minuten. Vorbei. Danach bei Band und Publikum erschöpfte und glückliche Gesichter. „When you hear music, after it’s over, it’s gone, in the air, you can never capture it again.“
Zwei Tage vorher hatte ich im Funkhaus Berlin The Necks gesehen. Ein anderes frei improvisierendes Trio – wenn auch auch aus einem ganz anderen Genre. @vorgarten schrieb hier etwas dazu.
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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)