Antwort auf: Red Hot Chili Peppers

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dengel

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Bericht über das Konzert in Frankfurt im „Boten“

Man kriegt nicht immer das, was man will
Rock: Die Red Hot Chili Peppers schwelgen in der ausverkauften Frankfurter Festhalle nicht in Nostalgie – Viel Schweiß und Action

Wie doof. Das sind die ers­ten Wor­te, die in den Sinn kom­men, als sich die Red Hot Chi­li Pep­pers nach nicht ein­mal zwei Stun­den mit »Gi­ve It Away« von ih­rem Frank­fur­ter Pu­b­li­kum ver­ab­schie­den. Die Fest­hal­le ist aus­ver­kauft an die­sem Abend, und die Buh­ru­fe las­sen dar­auf sch­lie­ßen: Die Men­ge woll­te mehr.
Dabei ging die Show immerhin mit einem absoluten Klassiker zu Ende: Vom »Blood Sugar Sex and Magik«-Album, das den Chili Peppers 1991 zum Durchbruch verholfen hatte. Von diesen Klassikern gab es aber nicht so viel an diesem Abend.
Ist ja auch irgendwo verständlich, dass eine Band ihr aktuelles Album promoten will. Dass sie von »The Getaway« möglichst viel zu Gehör bringen möchte. Und das funktioniert auch stellenweise: So wirkt »Dark Necessities« live wesentlich weniger langweilig und poppig als auf der Platte: Was war das für eine Enttäuschung, das Stück zum ersten Mal in der Studioversion gehört zu haben. Doch »Sick Love«, »Go Robot« und der Titelsong, »The Getaway«, sind zusammen genommen dann doch nur Einheits-Klangbrei. Es hört sich irgendwie alles gleich an. Das ist nichts Neues bei den Chili Peppers, war aber früher noch eher verzeihlich als heute. Nach zehn Studioalben darf man dann doch mal frische Ideen haben. Da nützt auch der neue Produzent, DJ Danger Mouse, nichts: Der hat alles nur unnötig weichgespült.
Der Bass haut rein
Immerhin: Bassist Flea haut immer noch ordentlich rein. Er sieht ohne T-Shirt ansehnlicher aus als Anthony Kiedis, aber gut, der kann seinen Bauchansatz auch nicht mit einem Bass verstecken. Fleas Soli jedenfalls fahren immer noch direkt in die Magengrube. Aber was ist mit der Gitarre? Gerade bei den wenigen Songs vom »Californication«-Album fehlt John Frusciante noch immer, der die Band 2010 verließ. Ein Ausnahmegitarrist, der einst Johnny Cashs Version von Neil Youngs »Heart Of Gold« eine zu Tränen rührende, besondere Note zu geben vermochte und den Chili Peppers wie zuvor Dave Navarro diesen speziellen Sound verlieh, kann nicht so leicht ersetzt werden, auch wenn sich Josh Klinghoffer noch so sehr Mühe gibt.
Was bleibt ist durchaus sehens- und hörenswert: Action gibt es genug an diesem Abend, es fließt eine Menge Schweiß auf der Bühne und auch im proppenvollen Innenraum. Und der eine oder andere genießt dann eben »By The Way« und die einzigen beiden Titel von »Californication«, »Otherside« und »Can’t Stop«. Und natürlich die originelle Lichtshow mit diesem Deckenteppich aus zylinderförmigen Lampen, die in Wellen herauf- und herabgelassen werden. Und doch fehlt etwas. Die eigentliche Nostalgie liefert an dieser Stelle nicht die Musik, sondern die eigenen Gedanken und Erinnerungen. An die Klassenfahrt in die Toscana, auf der die »Californication« rauf- und runterlief und es noch völlig egal war, dass die Songs sich alle ähnelten. Weil sie zu dieser Zeit für ein Lebensgefühl standen. Für Freiheit, Freundschaft, fantastische Pizza und furchtbare Hitze unter dem italienischen Himmel.
Normale Enttäuschung
So ist das eben mit Musik, sie ist unverweigerlich verbunden mit Episoden aus dem eigenen Leben. Die Enttäuschung darüber, dass der Wunsch, den Soundtrack zu diesen Episoden live zu hören, nicht in Erfüllung geht, ist da ganz natürlich. Man kriegt eben nicht immer das, was man will. Zum Glück kann man aber immer wieder neue Soundtracks finden, die wieder einen neuen Lebensabschnitt untermalen. Die müssen ja nicht von den Chili Peppers sein: Sie begleiten ja noch genug andere Leben musikalisch. Bestimmt auch mit dem neuen Album, und das ist völlig okay so.
Miriam Schnurr

zuletzt geändert von dengel

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