Sonny Stitt

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  • #8136947  | PERMALINK

    redbeansandrice

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    mein Senf: die Tune Up und Constellation mit Barry Harris würd ich dir ohne EInschränkung empfehlen, daneben wohl das Prestige Album mit Bud Powell, JJ Johnson und John Lewis (mehr wegen Powell als wegen Lewis, aber gern auch wegen beiden), die Salt and Pepper kenn ich noch nicht, werd ich mir sicherlich zulegen, wenn die neue Serie von Impulse Twofern rauskommt; die And the Top Brass ist ein bißchen durchwachsen, hat gypsy glaub ich im anderen thread schon zu geschrieben, Richard Carpenter Produktion (eine der weniger tollen) mit ziemlich zweifelhafter Organistin (da wo Duke Jordan aussetzt, was glaub ich die Mehrzahl der Stücke ist (?))

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      #8136949  | PERMALINK

      thelonica

      Registriert seit: 09.12.2007

      Beiträge: 3,945

      Danke für den Kommentar. Klar wegen beiden, denn Powell wäre mir genauso wichtig. In den 50ern hat Powell ja auch nicht soo viel mit Saxophonisten aufgenommen, gerade deswegen, John Lewis aber auch nicht. „Tune-Up!“ natürlich wegen Jones und Harris.

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      #8136951  | PERMALINK

      gypsy-tail-wind
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      Norman Granz, der Gründer und Produzent von Verve (und davor Norgran und Clef Records) war immer schon ein Fan von Jam Sessions. Schon in den 40ern veranstaltete er Konzerte, die unter dem Etikett „Jazz at the Philharmonic“ für Aufsehen sorgten – aber auch für Ablehnung von Seiten der soignierteren Jazz-Kritik. Jam Sessions organisierte er immer wieder auch im Studio, und Mitte der 50er Jahre hatte er so viele gestandene Jazzer bei seinem Label wie kein anderer es je hatte. Da waren alte Kämpen wie Coleman Hawkins, Lester Young, Ben Webster, Benny Carter, Johnny Hodges, Roy Eldridge, Harry „Sweets“ Edison, Teddy Wilson, Art Tatum oder Lionel Hampton und jüngere Musiker wie Charlie Parker, Dizzy Gillespie, Oscar Peterson oder Stan Getz. Granz nahm von 1952-54 eine Reihe von Studio Jam Sessions auf, die als „Norman Granz Jam Sessions“ bekannt wurden und auf neun LPs erschienen.

      Auch in den Jahren danach fanden unter Granz‘ Leitung regelmässig Jam Sessions statt, die extra für Platten-Aufnahmen einberufen wurden. Sonny Stitt nahm in den Jahren 1956 und 1957 an vier solchen Sessions Teil, die alle unter der Leitung seines alten Chefs Dizzy Gillespie stattfanden. Die erste wurde am 12. Januar 1956 in New York aufgezeichnet und später unter dem Titel The Modern Jazz Sextet veröffentlicht.
      Gillespie ist in grossartiger Form, kaum setzt er die Trompete an, sprühen förmlich die Funken. Stitt ist in der Frontline hier quasi der ruhende Pol, der Stabilität vermittelt neben dem rasenden Gillespie. Nach „Tour der Force“ – der Titel sagt schon alles über die Musik – und „Dizzy Meets Sonny“ folgt ein Balladen-Medley: Stitt spielt „Old Folks“, John Lewis folgt mit „What’s New“ und Dizzy endet mit „How Deep Is the Ocean?“. Dann folgt der alte Klassiker „Mean to Me“ und zum Abschluss „Blues for Bird“. Die Rhythmusgruppe besteht neben Lewis aus Skeeter Best (g), Percy Heath (b) und Charli Persip, dem damaligen Drummer von Dizzys Band.
      Das Album brauchte bei mir lange, um einzusinken – zu leicht war es, mit einem Schulterzucken zu sagen: „halt noch ein Bebop-Album“. Hört man richtig hin wird man allerdings belohnt: nicht nur ist Dizzy in stupender Form, auch Stitt (er spielt nur Altsax) trägt schöne Soli bei und die Rhythmusgruppe swingt sehr solide. Lewis ist für diese Art orthodoxen Bop ein sehr toller comper, er gefällt mir auch auf den Savoy-Sessions mit Parker hervorragend – und natürlich ist er ein toller Solist, der glasklare phrasiert und auf eine feine Art hart swingt. Heath und Persip ihrerseits gehören zu den unterschätzteren Musikern jener Zeit, werden selten wie es ihnen gebührt neben Paul Chambers oder Philly Joe Jones genannt. Skeeter Best bleibt – wie irgendwie fast immer, wenn er auftaucht – seltsam unbeschrieben… bestimmt ein guter Musiker (man kann das z.B. auf den Trio-Sessions von Lucky Thompson mit Oscar Pettiford hören), aber keiner, der es vermochte, den Sessions, an denen er beteiligt war, einen Stempel aufzudrücken oder sie zu prägen. Im Blues für Parker spielt er allerdings ein schönes Solo und lässt durchblicken, dass ihm auch die Bluesgitarre keineswegs fremd war.

      Am 16. Oktober 1956 trafen in Los Angeles erneut Gillespie, Stitt und Lewis zusammen. Das Septett bestand zudem aus Stan Getz, Herb Ellis, Ray Brown und Stan Levey. Das Resultat heisst For Musicians Only. Stitt beschränkte sich erneut aufs Altsax und spielt auf dem rasanten Opener „Bebop“ ein tolles Solo, das die Messlatte hoch legt. Für Gillespie und Getz ist das allerdings nicht weiter ein Problem. Levey treibt die Band mit einem festen aber leichten Beat – er war einer der ersten Drummer, die die Neuerungen von Kenny Clarke und Max Roach übernahmen und spielte schon 1945 mit Charlie Parker (und dürfte damit einer der ersten Weissen im inner circle des Bebop gewesen sein). Getz folgt mit einem leicht verhangenen Ton, zum Abschluss gibt es ein paar Runden exchanges von Dizzy und Levey.
      Es folgt „Dark Eyes“, ein altes russisches Stück, das viele Jazzer gerne spielten. Über gestrichenen Bass und Gitarren-Arpeggios spielt Gillespie das Tempo im Rubato. Dann fällt die Band ein und die Saxophone spielen über Leveys entspannten Latin-Beat eine Gegenmelodie. Getz bläst das erste Solo, der Beat wechselt in einen relaxt swingenden 4/4 und Getz dreht rasch auf. Er war wohl irgendwie in einer Art Interregnum, die grossen frühen Aufnahmen hatten schon fast ein Jahrzehnt davor begonnen, die Band mit Bob Brookmeyer war auch schon wieder Geschichte, bis zum Bossa Nova vergingen nochmal sechs, sieben Jahre… im Vorjahr war er in Schweden und nahm dort ein schönes Verve-Album mit Bengt Hallberg auf, in die Zeit von „For Musicians Only“ fallen aber auch die nicht so bekannten West Coast Sessions mit Lou Levy, Leroy Vinnegar, Shelly Manne bzw. auf der letzten Session Stan Levey sowie Conte Candoli in der ersten Session, die auf dem Album „West Coast Jazz“ zu hören ist. Die beiden anderen Alben heissen „The Steamer“ und „Award Winner“, diverse weitere Tracks sind auf „Getz & The Cool Sounds“ und anderen LPs erschienen – Getz war jedenfalls in phänomenaler Form. Stitt steht ihm kaum nach, wirkt enorm fokussiert, sein Ton voll zwar, aber an den Rändern weich, die Artikulation zwar sehr präzise aber auch sehr sanft. Es scheint Stitt gut getan zu haben, mal nicht den einsamen Wolf spielen zu müssen! Für den Auftakt von Gillespies Solo wechselt die Rhythmusgruppe in eine Art montuno, während Ellis seine patentierten Hufschlag-Sounds zum besten gibt. Auf der CD it zudem ein etwas kürzerer Alternate Take des Stückes zu finden, den Phil Schaap bei den Vorbereitungen für die CD von 1989 ausgegraben hat (ich hab’s bisher nie für nötig befunden, die Verve Master Edition Ausgabe des Albums zu kaufen).
      „Wee“ von Denzil Best ist der zweite Bop-Knaller, mit demm die zweite Seite des Albums beginnt. Wieder spielt Getz das erste Solo und sein Einstieg, direkt aus dem Thema heraus, ist pure Magie! Gillespie folgt und spielt ein unglaubliches Solo, sprühend vor Ideen und rhythmischen Impulsen. Er war in jener Zeit mit Sicherheit der beste Trompeter des Jazz! Stitt folgt und nimmt die Herausforderung nur zu gerne an – auch sein Solo ist voller Überraschungen, wenngleich rhythmisch viel organisierter als Dizzy, bei dem man manchmal das Gefühl kriegt, er könne zu jedem Zeitpunkt in absolut jede Richtung explodieren.
      „Lover Come Back to Me“ wird wie üblich im breackneck Tempo gespielt. Aber zunächst präsentiert Gillespie im Rubato und begleitet von gestrichenem Bass und einigen Piano-Akkorden das Thema. Getz übernimmt für ein Intermezzo, bevor das Rubato mit Gillespie zurückkehrt und das Thema abgeschlossen wird. Und danach ist kein Halten mehr… Stitt bläst ein unbegleitetes break und startet ein rasantes Solo, gefolgt von Dizzy und Getz.

      Im Dezember ging Gillespie zweimal mit denselben Leuten ins Studio: Sonny Rollins, Sonny Stitt, Ray Bryant, Tommy Bryant und Charli Persip. Stitt spielte dieses Mal fast nur Tenorsax. Am ersten Tag, dem 11. Dezember, spielte Gillespie im Duets mit Rollins oder Stitt. Das Album bestand wieder aus vier längeren Titeln, Rollins ist auf Seite 1 zu hören auf „Wheatleigh Hall“ und „Sumpin'“, Stitt auf Seite 2 mit „Con Alma“ (+ alt tk), „Haute Mon'“ sowie dem Outtake „Anythin'“.
      Persip eröffnet das exotisch klingende „Weatleigh Hall“ (irgendwas zwischen Wolga und Havah Nagilah?) mit einem zickigen Beat, aber rasch wechselt die Rhythmusgruppe in 4/4. Tommy Bryants Beat bleibt jedoch spürbar rauh, altmodisch mit viel „boom“ und Pausen zwischen den Tönen. Ray Bryant erdet die Musik enorm, sein bluesiges Spiel ist sofort bemerkbar. Rollins hebt zu einem grossartigen Solo an – die Alben vor und nach diesen Sessions waren immerhin „Saxophone Colossus“ und „Freedom Suite“, er war zwar erst 27 Jahre alt aber bereits ein gestandener Musiker von grosser Reife. Gillespie folgt und scheint von Rollins‘ motivischer Improvisation einiges abzuschauen.
      „Sumphin'“ ist wie der Titel erahnen lässt ein langsamer Blues. Nach einem Intro in 4/4 fällt die Rhythmusgruppe in 2/2 für die Unisono-Präsentation des Themas durch Dizzy und Sonny – ein klassischer Hardbop-Groove, den Bryant mit amen-chords untermalt. Bryant spielt dann auch das erste Solo, anfänglich begleitet von Riffs der beiden Bläser und dem riesigen Ton seines Bruders am Bass. Dann folgt Rollins mit riesigem Sound. Er steigt mit einer ganz simplen Phrase ein und lässt sich alle Zeit der Welt, sein Solo zu entwickeln. Grossartig, wie er der Rhythmusgruppe Raum lässt und langsam die Intensität steigert, seine Linien beschleunigt und verdichtet, aber nie den riesigen Sound aus den Augen verliert. Gillespie folgt, steigt verspielt ein und sprüht schon bald wieder nur so über vor Ideen. Aber auch er spielt immer wieder mit einfachsten Phrasen und Ideen. Dann riffen Sonny und Dizzy zusammen ins Thema zurück, das wieder von einem fetten Backbeat von Persip und rollendem Piano von Bryant begleitet wird.
      „Con Alma“ war natürlich 1957 schon ein Gillespie-Klassiker. Die fliessende, leicht melancholische Linie mit der zweiten Stimme, die zwischen Gegenmelodie und Harmonie schwankt wird vom üblichen ausgespaarten Latin-Beat begleitet. Auf der CD ist zuerst der damals neu gefundene Alternate Take programmiert, der etwas kürzer ausfällt. Stitt bläst muskulös, man hört gerade neben Rollins (und zuvor Getz) seinem Tenor die Wurzeln bei Lester Young deutlich an, es wird aber auch klar, dass er seinen eigenen Ton gefunden hat. Der Latin-Beat zieht sich durch sein Solo durch, Gillespie fällt zwischenzeitlich mit leisen Riffs ein, derweil Stitt double time Phrasen aneinanderhängt, dabei aber nie den melancholischen Unterton des Themas aus den Augen (oder eher: den Ohren) verliert. Dizzys Solo ist zwar sehr schön, aber es klingt auch irgendwie seltsam vertraut, als reihe er in diesem Stück stets die selben Versatzstücke aneinander. Beim Übergang zu Ray Bryants Piano-Solo gibt’s ein paar rhythmische Unsicherheiten zwischen Persip und Tommy Bryant.
      Im Master Take spielt Persip den Beat von Beginn an mit einem offeneren Sound (und einem Shaker wohl?). Dizzy entfernt zudem kurz vor Ende des Themas seinen Dämpfer, aber es ist wieder Stitt, der das erste Solo spielt. Dizzy folgt, sein Solo wirkt etwas frischer aber auch lyrischer, linearer. Die rhythmischen Unsicherheiten sind hier zudem verschwunden und Ray Bryant kann sein Solo ganz ohne Probleme in Angriff nehmen.
      Von der Stitt-Hälfte der Session hat Phil Schaap wie erwähnt neben dem alternate take von „Con Alma“ noch ein neues Stück gefunden, als er die CD-Ausgabe von 1988 einrichtete. Er berichtet in den Liner Notes, dass die Verve-Logs ein „untitled themeless blues“ als alternate take von „Haute Mon'“ verzeichneten. Das Stück ist aber ein anderes, und so habe er im April 1988 Dizzy informiert. Dieser habe ihn gefragt, warum er sich sicher sei, dass es kein alternate take sei (es ist in F-Dur, „Haute Mon'“ ist in G-moll). Dann habe Schaap ihn gefragt, wie er das Stück nennen sollte, worauf Dizzys Antwort lautete: „Anythin‘, ha, ha.“ Das Stück ist ein groovender Blues und das einzige Stück von den Dezember 1957 Sessions mit Dizzy, das Stitt am Altsax präsentiert. Gillespie öffnet a cappella, Stitt gibt ihm Antwort und die beiden spinnen einen Dialog, der sich zu einer kurzen Kollektivimprovisation steigert, als die Rhythmusgruppe einsteigt. Gillespie spielt das erste kurze Solo, dann folgt Stitt. Sein Ton auf dem Alt ist satt und seine Phrasierung fast wie am Tenor, leicht träge, aber stets bereit, loszurennen. Sehr effektvoll, wie Tommy Bryant zu pedal points übergeht, während Stitt (und mit ihm Persip) das Tempo verdoppeln. Gillespie folgt dann mit einem grossartigen zweiten Solo und auch Stitt kehrt zurück, dieses Mal am Tenorsax. Gillespie rifft leise unter ihm und bläst dann lange liegende Töne. Bryant spielt ein viel zu kurzes Piano-Solo mit toller Begleitung von Bruder Tommy am Bass, bevor diese tolle Nummer endet.
      Der Closer des Albums, der Blues „Haute Mon'“, ist von einer leicht mysteriösen Aura umgeben. Persip spielt zum Auftakt Kesselpauken und trommelt dann einen Latin-Beat, der sich mit dem rennenden Bass und den kontrapunktischen Linien von Trompete, Tenorsax und Piano verzahnt. Rhythmisch bleibt das Konstrukt auch unter den Soli erhalten. Der Kontrapunkt fällt zwar weg, dafür streut Bryant „amen“-Passagen ein. Tommy Bryant spielt mitten drin auch ein Solo, während Persip den Beat etwas variiert und auflockert. Es folgt dann wieder eine längere arrangierte Passage mit Ausbrüchen der Bläser und Varianten von Persip (da ist auch wieder dieser Shaker… hat da noch jemand mitgeholfen? Sonny Rollins vielleicht?). Am Ende wird die Musik quasi Schritt für Schritt langsam heruntergefahren, bis nur noch der Bass und die Kesselpauken übrig bleiben. Ein sehr toller Closer für ein tolles und zu unrecht völlig verkanntes Album, das durch den Bonustrack „Anythin'“ sehr dazugewinnt.

      Das vierte und letzte Album der kleinen Reihe entstand am 19. Dezember mit exakt derselben Band, aber dieses Mal war Dizzy quasi der Gastgeber einer tenor battle – und was für eine! Doch dazu morgen mehr…

      Eine kleine Fussnote zu den Covers noch: Es ist, als seien die vertauscht worden – auf „Duets“ sind zwar alle drei Protagonisten gemeinsam spielend abgebildet, aber sie spielen eben nur auf „Sonny Side Up“ wirklich zusammen. Und dort sind die beiden Sonnys auf kleinen Fotos neben dem grossen von Dizzy abgebildet, quasi jeder in seiner eigenen Schublade, gerade so wie die Musik auf „Duets“ organisiert ist. Was man sich da wohl überlegt hatte?

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      #8136953  | PERMALINK

      gypsy-tail-wind
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      redbeansandricemein Senf: die Tune Up und Constellation mit Barry Harris würd ich dir ohne EInschränkung empfehlen, daneben wohl das Prestige Album mit Bud Powell, JJ Johnson und John Lewis (mehr wegen Powell als wegen Lewis, aber gern auch wegen beiden), die Salt and Pepper kenn ich noch nicht, werd ich mir sicherlich zulegen, wenn die neue Serie von Impulse Twofern rauskommt; die And the Top Brass ist ein bißchen durchwachsen, hat gypsy glaub ich im anderen thread schon zu geschrieben, Richard Carpenter Produktion (eine der weniger tollen) mit ziemlich zweifelhafter Organistin (da wo Duke Jordan aussetzt, was glaub ich die Mehrzahl der Stücke ist (?))

      Zustimmung zu „Tune Up“ und „Constellation“. Das wären wohl neben den Sessions mit Powell meine Insel-Alben von Stitt.

      Die Prestige-Sessions mit Powell muss man haben, egal wo… diejenige von J.J. (ich glaub Stitt und Lewis waren da Sidemen) ist auch schön, daher bietet sich (grad für Vinyl-Käufer) die 12″-Ausgabe von Prestige natürlich an.
      Die erste Session stammt übrigens vom Dezember 1949, die zweite vom Janaur 1950…. Powell mit Bläsern in den 50ern ist das also auch nicht wirklich…

      Und es handelt sich um ca. die Hälfte von „Top Brass“. Ich würde wohl 30 andere Stitt-Alben vorher empfehlen… von den Alben mit Ensembles find ich jenes mit Giuffre sehr toll, die Richards- und Jones-Sessions für Roost muss ich demnächst wieder nachhören.

      Was den Impulse-Twofer betrifft… bin mir nicht sicher, muss ich zuerst nachhören ob man das haben muss. Ich für mich muss es eh haben wegen Gonsalves, aber ob man’s wegen Stitt wirklich haben muss kann ich nicht sagen (obwohl ich die CD schon zehn Jahre oder so habe… nehme daher an, die Antwort geht eher in Richtung „jein“ oder „nein“).

      (Sollen diese Posts – ab #7 – nicht besser in den „richtigen“ Stitt-Thread verschoben werden?
      EDIT: Dank an j.w. fürs verschieben!)

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      #8136955  | PERMALINK

      alexischicke

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      Vielen Dank für deine Eindrücke Gypsy!

      Schön,dass dich mein Thread dazu inspieriet hat dein Stitt Bild nochmals zu überdenken.

      Hab einige der Verve Alben und muss mal nach der „Giuffre“ Schallplate Ausschau halten.

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      #8136957  | PERMALINK

      gypsy-tail-wind
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      Sonny Side Up wurde am 19. Dezember 1957 in New York eingespielt. Mit Dizzy und den beiden Sonnys waren erneut die Brüder Ray und Tommy Bryant sowie Charl Persip. Die Scheibe ist durch und durch ein Klassiker. Wir hören Dizzy auf der Höhe seines Könnens, neben ihm zwei der hungrigsten Tenorsaxer der Zeit, den alten Gefährten Sonny Stitt sowie den jüngeren aber schon unglaublich reifen Sonny Rollins. Die resultierende Musik ist ein Fest für die Sinne, ein Vergnügen, dem ich mich endlos hingeben könnte!

      Zum Auftakt hören wir „On the Sunny Side of the Street“, einen alten Favoriten von Dizzy. Rollins öffnet mit einem fantastischen Solo, das sich Armstrong quasi einverleibt und darüber hinaus geht. Man kann seine typische motivische Improvisation (darüber werd ich im Rollins-Thread mal was schreiben) hören. Dann folgt Gillespie, verspielt, in hohen Lagen mit Dämpfer. Stitts Solo scheint stark von Rollins geprägt – das wundert nicht weiter, denn Stitt war einer, der den anderen immer zuhörte und genau begriff, was sie spielten. Zum Abschluss folgt Gillespies vocal mit Begleitung der Saxophone. Ein sehr entspannter Opener (den ich mir jetzt grad viermal nacheinander angehört habe).

      Es folgt das vierzehnminütige „The Eternal Triangle“ von Stitt – und damit die grosse tenor battle. Rollins soliert wieder zuerst und es ist schlicht umwerfend, ihm zu Lauschen! Das hier war seine allerbeste Zeit! Stitt folgt (bei 2:55), sein Sound ist schlanker, seine Phrasierung ebenmässiger. Ab 6:21 beginnt dann das richtige Feuerwerk, die exchanges von Rollins und Stitt. Schliesslich folgt Gillespie mit seinem Solo und es fällt ihm nicht schwer, mit den Sonnys mitzuhalten. Es folgt Ray Bryant, nochmal Dizzy und zu guter letzt Persip.

      Auf „After Hours“, einem fetten Blues mit 12/8-Beat kriegt endlich Ray Bryant Raum. Avery Parrish hatte das Stück mit Erskine Hawkins gespielt und es wurde auch bei den jungen Boppern beliebt. Dizzy soliert als nächster, gefolgt von Rollins und Stitt. Die ganze Reihe von Soli ist exzellent, aber am besten gefällt mir wieder Rollins. Am Ende steht wieder Bryant im Mittelpunkt.
      Das Stück dauert zwölf Minuten und kehrt damit quasi die Struktur von Seite A um: am Anfang und am Ende des Albums stehen zwei kürzere Stücke, in der Mitte zwei lange.

      Den Abschluss macht der Standard „I Know That You Know“. Wie schon der Opener ist auch das ein Stück, das schon Jahrzehnte lang von Jazzern gespielt wurde. Jimmie Noone und Earl Hines haben es 1928 gespielt. Rollins soliert als erster – über stop time, und der seinem Spiel innewohnende starke Beat wird sehr deutlich. Es folgt Dizzy, der einmal mehr zeigt, was er alles drauf hatte – einige seiner rhythmischen Figuren sind schwer zu glauben, erst recht nicht bei diesem halsbrecherischen Tempo! Den Abschluss macht Sonny Stitt mit einem flüssigen Solo, dem man aber – so bilde ich mir ein – erneut die Präsenz Rollins‘ anhört, vor allem in der Tonbildung.

      * * * * * * *

      Und weil er hier hinpasst (zu den Alben mit anderen Saxern) und gut geschrieben ist, hol ich redbeans‘ Post mal auszugsweise doch noch hier rüber:

      redbeansandriceSonny Stitt in Chicago

      In diesem Post drei Alben, jeweils Begegnungen von Sonny Stitt mit Chicagoer Saxophonisten, Johnny Board, Nicky Hill und Bunky Green.

      Sonny Stitt at the D.J. Lounge

      June 1961
      Sonny Stitt (as, ts), Johnny Board (ts), Eddie Buster (org), Joe Shelton (d)

      Move on Over

      June 7 1963
      Sonny Stitt (as, ts), Nicky Hill (as,ts), Joe Diorio (g), Eddie Buster (org), Gerald Donovan (d) [nicht ganz das Originalcover, ich weiß…]

      Soul in the night

      April 15 1966
      Bunky Green, Sonny Stitt (as), Bryce Roberson (g), Odell Brown (org), Maurice White (d)

      Sonny Stitts Position in der Jazz-Geschichte ist ein bißchen unglücklich. Als Charlie Parker in den vierziger Jahren die Sprache des Jazz grunderneuerte war Stitt einer der ersten, die ihm folgten, auf Aufnahmen aus den vierziger Jahren ist Stitt in der Tat vielleicht der einzige Altsaxophonist, den man ernsthaft mit Parkler verwechseln kann – und darauf wird er oft reduziert, viel mehr als dutzende Parker Schüler, die in den fünfziger Jahren folgten und die Parker in mancher Hinsicht durchaus näher waren. Dass Stitt neben Dexter Gordon und Wardell Gray als Tenorsaxophonist zu den einflussreichsten Musikern in der Generation vor Sonny Rollins zählte wird manchmal noch im Vorbeigehen erwähnt, ein wichtiger Einfluss unter anderem auf John Coltrane. Als sich Ende der fünfziger Jahre die Ästhetik des Jazz änderte, Miles Davis, John Coltrane, Bill Evans die atmosphärischen Meisterwerke schufen, die heute vielleicht als die zentralen Errungenschaften des Jazz gelten, machte Stitt nicht mit: Im wesentlichen soll jedes einzelne von Stitts (ca 150) Alben nur eine Sache beweisen, nämlich dass Sonny Stitt der verdammt nochmal beste Saxophonist der Welt ist. Viele seiner Alben, unter anderem die drei hier vorgestellten, sind Zusammentreffen mit anderen Saxophonisten – nicht deshalb weil zwei Saxophone nebeneinander so lieblich klingen, sondern weil ein Meister am klarsten zu erkennen ist, wenn neben ihm ein kompetenter Handwerker versagt. Diese sportliche Einstellung zu seiner Musik ist vielleicht zunächst befremdlich, implizit erwartet man von einem Bandleader, dass er sich darum kümmert, dass alles auf seinen Alben, in seinen Konzerten perfekt klingt; nicht dass er zum Beispiel bewusst Material auswählt, dem die Mitmusiker nicht gewachsen sind. Insofern ist es vielleicht hilfreich sich ins Gedächtnis zu rufen, dass Saxophonbattles eine lange Tradition im Jazz haben, dass die Jam Session Ästhetik, die ihre Wurzeln zum Beispiel im Kansas City Swing hatte, erst mit dem Hard Bop so richtig verdrängt wurde… und man könnte sicherlich versuchen zu behaupten, dass genau an diesem Wendepunkt Ende der fünfziger Jahre der Jazz seinen Rückhalt in der Black Community verloren hat (und nicht mit den Revolutionen von Bebop und Free Jazz), oder man könnte versuchen eine Brücke zur Hip Hop Kultur zu schlagen – aber für beides fehlen mir Zeit und wissen. (Und die Wahrheit ist sicherlich ein gutes Stück komplexer. Sehr unterhaltsam dieser Artikel von 1958, in dem sich Stitt über seine Kollegen Cannonball Adderley und Paul Desmond, die damals die meisten Umfragen anführten, äußert – man nennt das wohl Signifying. Interessant auch, dass Adderley volle Kanne mitmacht; und dass Adderleys Bandleader Miles Davis meint, John Coltrane sei der wahre Erbe Charlie Parkers…)

      Auf dem Boden der Tatsachen lässt sich jedenfalls feststellen, dass Stitt in den fünfziger und sechziger Jahre eine feste Größe auf den Seiten der afroamerikanischen Illustrierten JET war, während John Coltrane dort vor seinem Tod kaum erwähnt wurde (Archivsuche, sehr zu empfehlen!). Und dass in McKie’s DJ Lounge, dem Club des Disc Jockey’s McKie Fitzhugh, in dem das erste hier vorgestellte Album aufgenommen wurde regelmäßig Saxophonbattles mit den local heroes begleitet von Eddie Buster und seiner Combo stattfanden, auch wenn die Meister dieses Formats, Sonny Stitt und Gene Ammons nicht in der Stadt waren. Anzeigen aus dem Chicago Defender 1959/1960, von der Website der Red Saunders Foundation:

      Stitt selbst hat (glaube ich), nicht in Chicago gelebt, aber er war so viel dort, dass George Lewis ihn in einem AACM Buch als Teil der Chicagoer Hard Bop Szene auffasst; Steve Coleman erwähnt, dass Stitt so viel in Chicago war, dass Coleman ihn anfangs für einen Einheimischen hielt (dass er aber Leute in Detroit kennt, die den gleichen Eindruck hatten). Als Anschaungsmaterial bevor es richtig losgeht hier noch ein kleiner Auszug aus dem betreffenden, sehr guten, langen Coleman Interview, in dem er sich an seine Frühzeit Ende der siebziger Jahre in Chicago erinnert:

      I’ll tell you one story I saw with him [Stitt]. There was a saxophone player in Chicago, Guido Sinclair. […] this guy had certain keys that he could play in, like really, really fluently. He had these certain little phrases and things like that. He kept his fingers really close to the keys, it looked like his fingers weren’t moving. One time I saw him with Stitt. Here the guy was whipping all over the place. Stitt was kind of a gladiator kind of guy. So they were playing, and this guy was whipping all over the place, so Stitt saw what was happening and he analyzed the situation. And the next tune he just called off something that he knew the guy couldn’t play on. He didn’t even know the guy real good but he could tell, he knew just by listening to the way the guy played that he wouldn’t be able to handle this. So he called off a tune which was a normal tune but he started off real quickly in a key that he knew the guy couldn’t deal with. The guy fell out of his place, all of a sudden all the speed and everything came to a complete stop. And Stitt was still able to do all the Stitt shit.[..]

      Jetzt zu den drei Alben… vorneweg muss ich sagen, dass ich in der Sprache des Bop nicht so bewandert bin, dass ich sagen könnte, wer hier wo nach Punkten gewonnen hat – ganz so übel abgezogen wie Sinclair im obigen Zitat wird aber keiner der drei Partner.

      1) At the DJ Lounge, live eben dort aufgenommen, ist vermutlich das unspektakulärste der drei Alben. Stitts Opponent hier, Johnny Board, hat sonst so weit ich sehen kann, keinen Modern Jazz aufgenommmen und ist weitgehend vergessen. Damals war er aber lokal immerhin so bekannt, dass JET als Boards Vater und Mutter starben, eine Notiz für seine Leser abdruckte. Board war lange in Lionel Hamptons Band, spielte bei BB King, Bobby Blue Bland… steht aber ganz eindeutig in der Chicagoer Tenorsaxophontradition, blöd gesagt, ein etwas langsamerer, bluesigerer Johnny Griffin, der sich von dem flinkeren Stitt nicht beirren lässt. Es ist kein Fehler, dass dieses Album auf keiner Bestenliste des Jazz zu finden ist, aber es ist ein wunderbar solides, authentisches, bluesiges Dokument seiner Ära.

      2) Move on Over. Nicky Hill steht sehr weit oben auf der Liste der Names to drop, wenn man sich als Insider des Chicagoer Jazz ausgeben will. Er hat nicht viel aufgenommen, neben diesem Album vor allem als Sideman von Ira Sullivan, und verstarb weniger Wochen nach den Aufnahmen. (George Lewis illustriert in seinem Buch mit Hill, die Drogenprobleme, der damaligen Zeit…) Hill, der hier vorwiegend Altsaxophon spielt, ist ein deutlich interessanterer Solist als Board, so ein leicht quäkiger Sound, der an Von Freeman erinnert, dazu schnelle kurze Phrasen und ein gewisser Mut zur Hässlichkeit, der ihn möglicherweise vage als Pionier des Free Jazz ausweist. Mich packt er von den Saxophonisten, die auf disen Alben zu hören sind eindeutig am meisten. Stitt erhöht die Vergleichbarkeit, indem er sich als leichtfüßigen Altsaxophonisten präsentiert und nicht wie gegen Board als robuster Tenorsaxophonist – aber ich würde ihn hier nicht als Gewinner sehen, Hill überschreitet eindeutig Grenzen, an die sich Stitt nicht heranwagt, Mut zur Hässlichkeit ist im Hard Bop ohnehin relativ rar… Begleitband ist wieder Eddie Busters Band, was vage darauf hindeutet, dass sich auch dieses (Studio)-Album aus einem Battle in der DJ Lounge entwickelt hat. Am Schlagzeug sitzt Gerald Donovan der unter seinem neuen Namen Ajaramu bis heute Mitglied der AACM ist. Außerdem ist der virtuose Gitarrist Joe Diorio in die Band gekommen, ein absolut interessanter Musiker, ich krieg in nicht ganz gefasst, so elegant wie er spielt, sagt immer eine Stimme in meinem Hinterkopf „Burt Bacharach“, wenn er ins Zentrum rückt. Vielleicht ein ganz kleines bißchen ein Fremdkörper in der Band, aber ein guter. Hill kommt erst auf der zweiten Seite dazu, die erste Seite der LP ist im Quartet aufgenommen.

      Im Kontrast zu Hill und auf dem nächsten Album Bunky Green vielleicht noch ein Wort zu Sonny Stitt als Kopie von Charlie Parker. Dass er von den Phrasen her nah bei Parker ist, keine Frage, auch beim Ton kann ich das bis zu einem gewissen Grad einsehen… Aber irgendwie, um es blumig zu sagen, so wie Charlie Parker „der Gejagte“ genannt worden ist (Cortazar), so höre ich Stitt viel mehr als Jäger – die Geschwindigkeit mag die gleiche sein, aber Stitt bewegt sich viel raumgreifender, er wirkt nicht gehetzt, bei ihm ist die Geschwindigkeit viel mehr eine Demonstration von Stärke… in dieser Hinsicht höre ich Hill und Bunky Green fast näher bei Parker als Stitt…

      3) Soul in the Night. Während die Eddie Buster Combo auf den ersten beiden Alben ein grundsolides, unaufdringliches jazziges Orgeltrio im Stile von Jimmy Smith ist (vom sonderbaren Sixties-mäßigen Joe Diorio mal abgesehen), gehört dieses Album ganz eindeutig zur nächsten Generation von Orgelalben, die deutlicherer Funk und Soul Einflüsse aufweisen. Der Organist Odell Brown, der damals mit seiner Band den Organizers auch einige eigene Alben aufnahm, arbeitete später auch für Curtis Mayfield und Marvin Gaye, der Schlagzeuger Maurice White gründete Earth, Wind and Fire – das sagt wohl schon einiges… Der Altsaxophonist Bunky Green ist in den letzten Jahren wieder zunehmend aktiver auf der Jazz Szene, auch in Europa, 1960 war er nach Chicago gekommen, eine weitere interessante Übergangsfigur, zum Teil, grad vom Ton her, ganz klar ein Parker Schüler, aber doch mit deutlichen Einschlägen von John Coltrane in seinem Spiel. Mir ist die Rhythmusgruppe insgesamt ein bißchen starr, man könnte fast meinen, die Bläser seien ein Overdub, aber das rückt den Fokus umso mehr auf das Nebeneinander von Stitt und Green, die Schlagabtausche sind hier vielleicht am direktesten und intensivsten – wo gibt es das schon, ein Stück, das direkt mit Fours beginnt, an Stelle der Soli, die üblicherweise vorangehen… und Greens energisches Spiel sorgt dafür, dass auch bei Stitt ordentlich die Funken fliegen…

      At the DJ Lounge und Move on Over sind kürzlich zusammen auf CD erschienen („Move on Over. The Eddie Buster Sides“. Auch Soul in the Night ist auf einem Twofer wieder erschienen, den man hier hören kann (ab Track 8, Stitt auf dem linken Kanal, Green auf dem rechten); das erste Album auf dem Twofer ist ein Treffen mit dem Posaunisten Bennie Green, das einen gewissen Eindruck vom stilistischen Unterschied zwischen Soul in the Night und den beiden anderen Alben geben kann. Auch in Chicago aufgenommen, sitzt dort Eddies Bruder Bobby Buster an der Orgel, auch Joe Diorio ist dabei.

      […]

      Korrektur: Erstens ist Ajaramu 2006 verstorben, und zweitens war schon Gerold (oder Jerol) Donovan sein erster Künstlername. Ursprünglich hieß er Joe Shelton – die Schlagzeuger auf den beiden Alben mit Eddie Buster sind also die selbe Person…

      JPG-technisch weiteres im nächsten Post…

      * * * * * * *

      @alex: überdacht hab ich eigentlich nichts… es gibt gewisse Stitt-Scheiben, die ich immer lieben werden (Tune Up, Constellation, die Quartett-Sessions mit Bud Powell, Sonny Side Up). Nicht jeder Musiker, über den ich mal die Nase rümpfen mag, ist deswegen schlecht. Und ebensowenig ist jeder Musiker, dessen Musik ich schätze, ein absoluter Gigant oder so… mein Stitt-Bild bleibt jedenfalls zwiespältig, auch wenn sich doch in den Jahren erstaunlich viel von seiner Musik angesammelt hat und ich sie immer wieder gern höre.

      Mein Einstieg war übrigens (vor wohl fast 20 Jahren) die Doppel-CD „Constellation“ vom englischen Label Camden (da gab’s eine ganze Reihe mit Muse-Aufnahmen, sehr billig verpackt aber soweit ich weiss sauber lizenziert und in manchen Fällen – wie auch hier – aus vollständigen Alben bestehend). Darauf finden sich vier Alben (drei von 1975 und eins von 1980) mit Barry Harris, zwei davon im Quartett mit Sam Jones und Leroy Williams („My Buddy“) bzw. Billy Higgins („Blues for Duke“), eins mit Jimmy Heath, Richard Davis und Roy Haynes („Mellow“) und eins mit Ricky Ford, George Duvivier und Williams („Sonny’s Back“ von 1980). Kann ich empfehlen!

      --

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      Hier ist das oben verschwundene Cover von Move On Over……:

      Die drei Stücke mit Nicky Hill machen in der Tat grossen Spass, und wie redbeans im oben zitierten Post angemerkt hat, ist Hill eine dieser legendären Randfiguren des Jazz. Seine Alt-Soli auf den drei Stücken sind in der Tat sehr toll, sein Ton sehr lebendig und wie redbeans es oben formulierte, mit einem gewissen Mut zur Hässlichkeit. Auch Joe Diorio ist hervorragend. Joe Segal prophezeit ihm in seinen Liner Notes eine grosse Zukuft, dazu kam es jedoch leider nicht… der Markt für Jazz dieser Machart brach bald weg und Diorio bleibt bis heute ein Geheimtipp. Er hat übrigens auch an der berühmten Eddie Harris-Aufnahme von „Exodus“ (Vee Jay) mitgewirkt.

      * * * * * * *

      Von Nicky Hill gibt’s nur wenige Aufnahmen:

      1955-11-07 – Clifford Brown/Max Roach – live, Beehive, Chicago, IL
      Clifford Brown (tp) Sonny Rollins (ts), poss. unknown (ts-1) replaces Rollins, Nicky Hill (ts), Billy Wallace (p), Chris Anderson (p-2), replaces Wallace, Leo Blevins (g), George Morrow (b), Max Roach (d)

      I’ll Remember April (Pts 1 & 2) – Victor (Jap)SMJ-6185, Philology (It)W-1011-2 [CD]
      Hot House – Victor (Jap)SMJ-6185, Philology (It)W-1012-2 [CD]
      Woody’n You – Victor (Jap)SMJ-6185, Philology (It)W-1012-2 [CD]
      Cherokee (-2) – Victor (Jap)SMJ-6186, Philology (It)W-1011-2 [CD]
      Walkin‘ (-1) – Victor (Jap)SMJ-6186, Philology (It)W-1012-2 [CD]
      Fine and dandy (fragment) – Philology (It)W-1004-2 [CD]
      Night in Tunisia (fragment) – Philology (It)W-1005-2 [CD]
      Fine and dandy (extract) – Philology (It)W-1006-2 [CD]
      Billie’s bounce (extract) – Philology (It)W-1006-2 [CD]

      Victor (Jap)SMJ-6185, SMJ-6185: beide „Raw Genius“
      Philology (It)W-1011-2 [CD]: „Brownie’s Eyes, Vol. 10 (The Complete Bee Hive Session ’55, First Part)“.
      Philology (It)W-1012-2 [CD]: „Brownie’s Eyes, Vol. 11 (The Complete Bee Hive Session ’55, Second Part)“.
      erste 5 Stücke auch auf: Columbia JG35965, CBS (Eu)88453, Lonehill Jazz (Sp)LHJ10128 [CD].

      _________________________

      1957 – MJT + 3 – Chicago, IL
      Paul Serrano (tp), Nicky Hill (ts), Muhal Richard Adams (p), Bob Cranshaw (b), Walter Perkins (d)

      Ray’s Idea
      My One and Only Love
      End of the Line
      They Can’t Take That Away from Me
      Egypic
      No Name
      Temporarily out of Order
      Little Brother
      No Man’s Land

      alle:
      Argo LP 621: „MJT + 3“
      Cadet (Jap)PLP-5004

      Anm.: Muhal Richard Abrams als „Richard Abrams“
      _________________________

      1958-12-24 – Ira Sullivan – Chicago, IL
      Ira Sullivan (tp), Nicky Hill (ts), Jodie Christian (p), Victor Sproles (b), Wilbur Campbell (d)

      My Secret Love
      When Sunny Gets Blue
      Nicky’s Tune (take 3)
      Wilbur’s Tune (take 2)
      Mock and Roll Blues
      Nicky’s Tune (take 2)

      #1-4, 6:
      Delmark DS-422: „Nicky’s Tune“

      alle:
      Delmark DD-422 [CD]: „Nicky’s Tune“

      _________________________

      1962-03-12 – Ira Sullivan & The Chicago Jazz Quintet – live, Birdhouse, Chicago, IL
      Ira Sullivan (tp,fln) Nicky Hill (ts), Jodie Christian (p), Donald Rafael Garrett (b), Dorrell Anderson (d), Wilbur Campbell (d-1)

      Klactoveedesedstene
      Fly Me to the Moon (IS out)
      Shaw ’nuff
      Perhaps (-1)
      Love Letters (NH out, -1)
      Mohawk (-1)
      Si Si
      (Medley : Be-Bop [Dizzy’s Fingers] / Humpty Dumpty
      Milestones
      Sketches
      Omicron
      On the Alamo
      The Inchworm
      Back Home Blues
      For You, for Me, Forever

      #1-6:
      Vee-Jay VJLP-3033 (mono): „Bird Lives!“
      Vee-Jay VJLPS-3033, SR3033 (stereo): „Bird Lives!“
      Affinity (E)AFF71

      alle:
      Vee-Jay NVJ2-950 [2CD]

      _________________________

      1963-06-07 – Sonny Stitt – Chicago, IL
      Sonny Stitt (as,ts), Nicky Hill (as-1), Eddie Buster (org), Joe Diorio (g), Gerald Donovan (aka Ajaramu, né Joe Shelton) (d)

      12487 Dexter’s Deck
      12488 Shut the Back Door
      12489 The Lady Is a Tramp
      12490 Love Letters
      12491 My Mother’s Eyes
      12492 Stormy Weather
      12493 Move on Over
      12494 A Natural Fox

      alle:
      Argo LP-730 [mono]: „Move on Over“
      Argo LPS-730 [stereo]: „Move on Over“
      Cadet CA-730
      Jazz Beat (Eu)505 [CD]: „Move On Over… The Eddie Buster Sides“

      12494 auch auf:
      Cadet 2CA-50039

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      alexischicke

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      Hat Stitt auch mal Sänger begleitet?

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      #8136963  | PERMALINK

      gypsy-tail-wind
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      alexischickeHat Stitt auch mal Sänger begleitet?

      Nun ja…

      Er hat in der Band von Billy Eckstine gespielt und seine allererste Session machte er mit Tiny Bradshaw, der da auf zwei von vier Stücken sang.
      1972 gab’s in New York ein Wiedersehen mit Eckstine (auf irgendeiner Atlantic bzw. Cobblestone Scheibe, die ich nicht kenne – Radio Music Hall, NYC, 1. Juli 1972, Cobblestone CST9028, Atlantic ATL40439 scheint die UK-Ausgabe zu sein).

      Teddy Williams und Larry Townsend sangen ein paar Stücke mit der Stitt/Ammons Band (Williams am 5. März 1950 „A Touch of the Blues“ und „Dumb Woman Blues“, Townsend am 8. Oktober 1950 „To Think You’ve Chosen Me“) und auch Ammons selbst betätigte sich ein paar Mal als Vokalist („Sweet Jennie Lou“ am 27. Juli 1950 und „‚Round About One A.M.“ am 16. Januar 1951).

      Am 25. Oktober 1957 war Stitt zudem Teil der JATP-Package, die Ella Fitzgerald („At the Opera House“) am Ende für ein paar Stücke begleiteten.

      Stitt selbst kann man als Sänger auf dem Stück „That’s the Way to Be“ (9. Februar 1959) hören. Das Stück landete auf „Swings the Most“ (auf CD: „Don’t Call Me Bird“, Fresh Sound, s.o.), der Rest der Session (ohne Gesang) wurde als „The Hard Swing“ veröffentlicht. Ebenfalls singen hört man Stitt auf „Mama Don’t Allow“ (19. März 1964, auf „Shangri-La“, CD: „Low Flame – Legends of Acid Jazz“) und live im Ronnie Scott’s in London (Mai 1964, „Mother“, auf „Sonny’s Blues“ – kenne ich nicht).

      Im Jahr 1973 kann man Stitt mit den Kitty Howard Singers hören (vier Stücke auf „Soulgirl“, Pausa – auch das kenne ich nicht). Am Left Bank Jazz Society Konzert vom 24. Juni 1973 gesellte sich dann Etta Jones für zwei Stücke („Exactly Like You“ und „Don’t Go to Strangers“) zur Band (beide auf „Left Bank Encores“, die erste CD heisst „God Bless Jug and Sonny“).

      Im folgenden Jahr scheint’s Vocals auf „Never Can Say Goodbye“ (Cadet, die Vokaltruppe[?] nennt sich Master Cylinder), auf „Tornado“ (Jazz Masters, ein Stück daraus hat Friedrich oben verlinkt, das waren die Broadnax Voices) und auf „Portrait of a Legend“ (Jazz Masters, eine gewisse Ms. McCoy) gegeben zu haben.

      1975 wirkte Stitt an Big Joe Turners Pablo-Album „Everyday I Have the Blues“ mit.

      Und schliesslich ist er 1979 in Paris nochmal selbst als Sänger in Erscheinung getreten („I Can’t Get Started“, „Back to My Own Home Town“, „Duty Free“ und „Streamline Stanley“, die Scheibe von Black & Blue hiess „Back to My Own Home Town“).

      1980 in Toyko (16. November, vom 12. stammt eins der raren Stitt-Boots) sang Drummer Grady Tate auf „Body and Soul“ (zu hören auf Full House LP oder Evidence CD „Good Life“).

      Das war’s, soweit ich sagen kann… die beiden Tracks mit Etta Jones sind wohl das, was Deiner Frage am nahsten kommt. Hab die Stücke nicht grad im Ohr. Auf „Soul Summit“ (Ammons/Stitt/McDuff) sind auch ein paar Stücke von Jones untergebracht (die aber auch auf einer anderen Prestige-Scheibe zu hören sind, wenn ich mich nicht irre) aber nur Ammons spielt auf den betreffenden Stücken („Soul Summit Vol. 2“ war ein Album, das aus diversen Sessions ohne Zusammenhang gebastelt wurde… Ammons mit der Nelson-Band von „Late Hour Special“, Jones mit Bown, anscheinend extra eingespielt, sowie Ammons mit McDuff und Vick von der „Brother Jack Meets the Boss“ Session).

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      gypsy-tail-wind
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      Mein Post über At the D.J. Lounge hat sich soeben in Luft aufgelöst… in Kürze einiges davon nochmal…

      Zuerst ein paar Fragezeichen zur Jazz Beat CD („Move on Over… The Eddie Buster Sides“): warum sind die Stücke (gemäss den Liner Notes) derart durcheinander? In Joe Segals Notes für „Move on Over“ heisst es, „Shut the Back Door“ sie der Opener von Seite 2 der LP, er steht aber am Ende auf der Jazz Beat CD. Beim zweiten Album „At the D.J. Lounge“ ist das durcheinander noch viel grösser. Es beginnt mit der Ballade „I’m in the Mood for Love“ (Stitt am Alt, grossartig!) statt mit „McKie’s“, Am Ende sind zudem „Jay Tee“ (es stand gemäss Jack Tracys Liners an drittletzter Stelle, direkt vor „I’m in the Mood…“) und der ursprüngliche Closer „Free Chicken“ vertauscht.

      Zudem heisst es im Booklet – das ist mir erst heute aufgefallen – dass aus Zeitgründen Boards Solo in „Free Chicken“ (#13 der CD) gekürzt werden musste. WTF? Die CD dauert bloss 79:28, da wäre noch einiger Platz gewesen! Oder sind Rohlinge mit Platz für 82 Minuten für Piratenlabel nicht zugänglich? Zudem hat man im besten Stück des zweiten enthaltenen Albums gekürzt!

      Das Album gefällt mir, ist eher unauffällig aber gerade dadurch irgendwie direkt und ehrlich. Board spielte einige Zeit bei Lionel Hampton und darauf beschränkt sich auch fast schon seine Diskographie – und man kann nicht unbedingt sagen, dass er seinen Platz im Rampenlicht neben Stitt optimal nutzt. Nicht, dass er schlecht spielen würde, gar nicht. Bloss ist das hier irgendwie Musik, die einfach da ist, die nicht schreierisch um Aufmerksamkeit heischt. Gegen Ende – mit „Free Chicken“ und dem schnellen „Jay Tee“ – legt das Album deutlich zu.
      Ich kann meine Gedankengänge ohne alles nochmal zu hören schwer rekonstruieren, aber irgendwie drängte sich mir unterwegs mal der Vergleich zum Blue Note-Album von Clifford Jordan und John Gilmore auf – das ist auch einfach so da, völlig unspektakulär, vielleicht sogar eine Spur langweilig, wenn man nicht genau aufpasst und/oder die tiefe Tradition dieses Tenorspiels kennt und schätzt.
      Jack Tracy schreibt am Ende seiner Liner Notes (eine Box-Metapher, die er zuvor macht, wieder aufgreifend):

      The set-capper, Free Chicken, develops into a furiously stormy get-together, as Board’s solo triggers a bristling bunch of exchanges and hard rights that leaves the audience limp.
      It is the finishing touch to an album that almost physically drags you into an old-fashioned blowing session between two tenor saxophonists who know what it’s all about and who do not hesitate to jump into some deep musical waters to prove it. You’ll dig.

      Mir gefällt das Album insgesamt wohl etwas besser als „Move on Over“, auch wenn – wie redbeans schon schrieb – Nicky Hill bestimmt die spannendste Stimme ist. Das Album mit Board (der viel ausgiebiger zu hören ist) ist aber bedeutend ausgeglichener und irgendwie wirkt auch Stitt entspannter – vielleicht weil er Hill doch als grössere Gefahr wahrnahm?.

      Mein Schnelldurchgang durch Stitts Argo-Aufnahmen (es bleiben mir noch einige zu Entdecken) endet mit zwei halben Alben, die auf der schon erwähnten Compilation How High the Moon (oben das europäische, unten das US-Cover) zu finden sind.

      Mit Zoot Sims verband Stitt wohl mehr als mit den meisten anderen weissen Tenorsaxer aus der Brothers-Schule. Über den gemeinsamen Bezugspunkt Lester Young hinaus war Sims wie Stitt ein enorm swingender Musiker, der Ideen gleich im Dutzend aus dem Ärmel schütteln konnte. Sims scheint zudem eine ähnliche Art Hunger zu haben, wie Stitt. Auch er schreitet in seiner Musik stetig voran, ohne an mögliche Gefahren oder Hindernisse zu denken – mit unglaublicher Konstanz und einem Rhythmusgefühl, das wohl ähnlich solide war wie jenes von Stitt.

      Im Januar 1965 nahmen die beiden das Cadet-Album Inter-Action auf, von dem vier Stücke auf dem obigen Sampler zu hören sind: „Fools Rush In (Where Angels Fear to Tread)“, „Lonesome Road“ sowie zwei Stitt-Originals: „Katea“ und das über einem Shuffle präsentierte „I Want to Go Home“, ein echter Ohrwurm, in dem Stitt und Sims sich in Sachen swagger zu übertrumpfen suchen. Begleitet werden die beiden von John Young, dem wohl bedeutendsten Hardbop-Pianisten der Chicagoer-Szene (vertraut etwa von den grossartigen Nessa-Alben von Von Freeman – mehr zu ihm hier), Sam Kidd am Bass und Phil Thomas am Schlagzeug (ihn kenne ich noch von Lorez Alexandrias „For Swingers Only“, auch ein Chicago-Album, ebenfalls mit Young am Piano).

      Bobby Buster, der Organist von My Main Man (1964), war der Bruder von Eddie – gibt’s über die beiden irgendwo was im Netz? Das hier legt jedenfalls nahe, dass beide schon eine Weile tot sind. Neben Stitt ist Bennie Green in der Frontline zu hören – er war im Jahr darauf nochmal an Stitts Seite zu hören (auf „Pow!“, einem Prestige-Album mit traditioneller Rhythmusgruppe). Joe Diorio ist für die eleganten Gitarrenklänge zuständig – ja, Bacharach passt… ich konnte die vier Tracks hier früher wegen dem Sound nicht ausstehen… ist auch jetzt noch verdächtig smooth, aber macht Spass! Am Schlagzeug sitzt ein Dorel Anderson, produziert hat Esmond Edwards (auch bei „Inter-Action“). Die vier Stücke auf der Compilation sind „Flame and Frost“ (angeblich von Edwards), „The Night Has a Thousand Eyes“, „Our Day Will Come“ und „My Main“ (letzteres von Stitt und Green gemeinsam komponiert).
      Greens altmodisch-grosser Sound und seine robuste delivery lassen ihn im Hochglanz-Bossa-Sound von „Flame and Frost“ was als noble savage scheinen… vor ihm bläst Stitt ein auffällig relaxtes Solo, das so viele Pausen und Luft hat wie kaum ein Stitt-Solo, nach Green folgen Diorio und Buster mit eleganten kurzen Soli. Das Highlight ist aber klar das Solo von Green!
      Auch „The Night Has a Thousand Eyes“ wird mit sanften Orgel- und Gitarrensounds über einen sparsam geklöppelten und tief im Mix gehaltenen Beat gespielt. Green ist weniger rauh, Stitt wie auf all den vier enthaltenen Stücken am Tenor. In „Our Day Will Come“ (wieder Weichspühler-Bossa-Beat) zieht Buster ein paar mehr Register seiner Orgel, aber erneut ist es fast nur Greens Posaune, die hier einen lebendigen Eindruck macht, mitten in all diesen production values. Das vierte Stück war zugleich das Titelstück des Albums, „My Main Man“. Endlich ein Blues… wieder ist Greens Solo das Highlight, Stitt wählt den Platz am Ende und spielt ein langsam konstruiertes Solo. Für mich das schönste von den vier Stücken.

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      #8136967  | PERMALINK

      gypsy-tail-wind
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      Nachgereicht hier noch das schöne Cover von „My Main Man“:

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      #8136969  | PERMALINK

      alexischicke

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      Was Stitt hat bei zwei Labels gleichzeitig aufgenommen! Aus der Zeit sind auch meine Roost Alben.

      Höre gerade „Cherokee“ und das swingt doch schön.

      Stitt,Ammons,Lockjaw Davis,Turrentine, Donaldson höre ich öfters als Parker. Die haben alle einen erdigen Klang-„Soul Jazz“(mit dem Wort wird eigentich oft umeinander geworfen).

      --

      #8136971  | PERMALINK

      gypsy-tail-wind
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      alexischickeWas Stitt hat bei zwei Labels gleichzeitig aufgenommen! Aus der Zeit sind auch meine Roost Alben.

      Nur grössere Namen haben regelmässig Exklusiv-Verträge gekriegt und nur vergleichsweise wenigen war es z.B. vergönnt, über Jahre hinweg fester Bestandteil der Blue Note-„Familie“ zu sein. Ich denke mal, dass das Stitt nicht mal richtig gepasst hätte.

      Schau Dir die Album-Liste im Sterne-Thread an, da siehst Du, wie das bei ihm durcheinanderging.

      alexischickeHöre gerade „Cherokee“ und das swingt doch schön.

      Woraus denn? Hat er sicher nicht nur einmal eingespielt, oder? (Prestige mit Ray Mance 1951, Roost mit Hank Jones 1957, Ozone/Black Lion mit unbekannter Band live 1962/63 und noch mindestens zwei weitere, die Du kaum meinst weil man sie wohl schwer kriegt.)

      alexischickeStitt,Ammons,Lockjaw Davis,Turrentine, Donaldson höre ich öfters als Parker. Die haben alle einen erdigen Klang-„Soul Jazz“(mit dem Wort wird eigentich oft umeinander geworfen).

      Find ich einen schwierigen Vergleich… Ammons ist ja neben Stitt auch ein ganz anderer Saxer. Lockjaw und Turrentine kommen aus einer ganz anderen Tradition (Hawkins, wobei Turrentine ja harmonisch absolut modern war, von einer jüngeren Generation). Donaldson find ich von denen mit Abstand den langweiligsten, alle anderen höre ich sehr gerne (Donaldson manchmal ja auch, aber eher selten und nur ausgewählte Alben einigermassen regelmässig). Sie mit Parker zu vergleichen… klar, kann man schon, muss man auch, je nachdem, unter welchem Gesichtspunkt man sie betrachtet. Aber Parkers Musik hat meist was Manisches, Getriebenes – sowas hört sich nicht so leicht, es macht nervös, es zwingt einen, hinzuhören, nachzudenken. Das ist weniger leicht und angenehm als Donaldson (eitel Sonnenschein), Lockjaw (endloses Faszination auch beim oberflächlichen Hören), Ammons (THE BOSS!), Turrentine oder Stitt, die man alle geradesogut im Hintergrund hören kann. Mit Parker geht das irgendwie nicht, dafür ist brennt er viel zu intensiv, man kann nicht weghören.
      Und das – um wieder den Bogen zu Stitt zu kriegen – ist wohl auch einer der Punkte, in denen die beiden sich eben doch sehr, sehr unterscheiden.

      Ich höre derzeit grad das Bootleg aus Kyushu (Japan) vom 12. November 1980 – hier die Infos:

      Sonny Stitt
      Kyushu (Japan)
      November 12, 1980

      Sonny Stitt – alto & tenor sax
      Hank Jones – piano
      George Duvivier – bass
      Grady Tate – drums

      1. Yesterdays (5:57) [tape deterioration during first half]
      2. I’ll Remember April (7:58)
      3. They Can’t Take That Away from Me (3:24)
      4. Stardust (3:42)
      5. The Shadow of Your Smile (8:01)
      6. unknown blues (7:17)
      7. – encore from crowd – (0:40)
      8. I Can’t Get Started (4:51)
      9. Bye Bye Black Bird (3:56)

      TT: 45:50
      Source: AUD

      Stitt klingt entspannt und locker, in „Stardust“ spielt er wunderschön. „The Shadow of Your Smile“ beginnt Stitt solo und langsam, dann kickt die Band das Stück im mittelschnellen Tempo sehr altmodisch mit two-beat Gefühl vor sich hin, Stitt soliert entspannt am Tenor und flicht dabei auch noch ein paar Zitate ein („Lullaby of Birdland“ etwa). Hank Jones war 1980 natürlich schon längst ein Grandseigneur und lässt sich von gar nichts beeindrucken (manchmal hätte es ihm wohl gut getan, wenn das nicht ganz immer so gewesen wäre). Auch die Zugabe mit „I Can’t Get Started“ (natürlich mit Solo-Kadenz) und „Bye Bye Blackbird“ ist schön. Leider ist die Aufnahme nicht in bester Qualität überliefert, aber Stitt-Bootlegs scheinen generell recht rar zu sein.

      Ich muss mir wohl mal die beiden Atlas-Alben mit Art Pepper wieder anhören, ob er da ähnlich drauf ist, jedenfalls erinnert mich die Stimmung hier ein wenig an sie – dieses entspannte, sonnige Musizieren, wie es in Peppers später Karriere so selten war (was ich keineswegs bedaure oder so, es fällt einfach auf).

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      ferry

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      Sehr interessant für mich zu lesen, wie Du das Album „For Musicians Only“ hörst, gypsy.
      Bei den Beschreibungen zu diesem, und auch den anderen Alben bist Du ja richtig zu Höchstform aufgelaufen ! :sonne:
      Das Zitat von redbeans finde ich aber auch sehr interessant.

      Das Album „Sonny Side Up“ ist ja schon auf meiner Wunschliste, und jetzt habe ich auch noch mal die Alben „Tune Up“ und „Constellation“ vorgemerkt.
      Die anderen 148 Alben müssen aber noch warten ;-)

      --

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      gypsy-tail-wind
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      ferrySehr interessant für mich zu lesen, wie Du das Album „For Musicians Only“ hörst, gypsy.

      Hat mich selber wieder überrascht, das Album!
      Aber ich finde „Duets“ und besonders „Sonny Side Up“ noch eine Spur toller. Letzeres ist für mich wohl eins der wenigen Stitt-Alben, das die vollen ***** verdient hat (was aber ohne Rollins und Dizzy nicht der Fall wäre).

      --

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