Karlsruhe kippt Rauchverbote in Baden-Württemberg und Berlin

Startseite Foren Verschiedene Kleinode von Bedeutung News & Gossip Karlsruhe kippt Rauchverbote in Baden-Württemberg und Berlin

Ansicht von 15 Beiträgen - 316 bis 330 (von insgesamt 929)
  • Autor
    Beiträge
  • #6734205  | PERMALINK

    dougsahm
    Moderator

    Registriert seit: 26.08.2002

    Beiträge: 17,863

    nail75
    Ob das gesetzeskonform wäre, entscheidest weder Du noch ich, sondern die Gerichte. Allerdings glaube ich kaum, dass eine trickreiche Umgehung eines (hypothetischen) Gesetzes vor deutschen Gerichten Gnade fände. Das wird nämlich in der Regel nicht gerne gesehen.

    Oh Nail, seufz, meine gesamte praktische Erfahrung vor Gerichten lehrt mich, dass es (bisweilen leider) nicht so ist, wie Du glaubst. Satz 1 ist doch eh klar (warum musst Du eigentlich so überflüssige Sätze schreiben ?)

    --

    Highlights von Rolling-Stone.de
    Werbung
    #6734207  | PERMALINK

    joliet-jake
    7474505B

    Registriert seit: 06.03.2005

    Beiträge: 38,605

    NesIch würde gern ein Umfrage haben, sagte ich schonmal: wer raucht hier wieviel, und wer geht in R / NR Kneipen. Ginge das?

    Mach doch.

    Nes

    nail75

    @MarBeck: Ich hoffe, Du bedenkst dabei, dass der Gesundheitsschutz sich ebenfalls aus einem Grundrecht ergibt, nämlich dem auf körperlicher Unversehrtheit. Es gibt nur wenige Grundrechte, die einen höheren Rang haben.

    Das ist ja jetzt ne Lachnummer.Welches Grundrecht sollte höher stehen? Sag mal´n paar.
    Ist das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit zufällig ganz oben (Artikel 2) gelandet?

    Und wer das Rauchen als „Freie Entfaltung seiner Persönlichkeit“ sieht, sollte den entsprechenden Satz auch fertig lesen.

    --

    Radio StoneFM | "Solos come and go. Riffs last forever." (Keith Richards) | The fact that there's a highway to hell but only a stairway to heaven says a lot about anticipated traffic numbers.
    #6734209  | PERMALINK

    nail75

    Registriert seit: 16.10.2006

    Beiträge: 45,074

    MarBeckAuf welches Argument beziehst Du Dich, ich kann den Zusammenhang gerade nicht erkennen?

    Du hast davon gesprochen, dass das Grundrecht auf Berufs(ausübungs)freiheit der Wirte eingeschränkt wird. In Wirklichkeit handelt es sich um eine Kollision zweier Grundrechte, wobei das Recht auf Berufsfreiheit weniger stark ins Gewicht fällt, weil die Berufsausübung mit relativ niedrigen Anforderungen beschränkt werden kann, während das Recht auf körperliche Unversehrheit (in Form der Volksgesundheit) besonders hohen Rang genießt. Deine Formulierung legte nahe, dass es sich um die ungerechtfertigte Einschränkung eines einziges Grundrechts aufgrund der Willkür der Parlamente handelte.

    Dick LaurentMeine Stammkneipe kann man auch gerne als Eckkneipe bezeichnen, wo ist das Problem.
    Bei den kleinen Eckkneipen, die ich kenne, arbeitet die meiste Zeit der Pächter, für Angestellte bleibt nicht viel übrig. Ansonsten arbeiten dort Stammgäste, die mal hinter die Theke wechseln, oder Studenten (ok, ich lebe in einer Studentenstadt). Mir sind ansonsten nur Fälle bekannt, in denen Arbeitslose zum Programmieren von html-Seiten und zum Erstellen von Excel-Charts verdonnert wurden – wird das jetzt auch endlich verboten?

    Du kannst Dir nicht vorstellen, dass Menschen aus wirtschaftlichen Zwängen einen Arbeitsplatz annehmen, der ihnen nicht behagt, weil dort z. B. geraucht wird, sie aber sich nicht trauen dagegen vorzugehen?

    dougsahmOh Nail, seufz, meine gesamte praktische Erfahrung vor Gerichten lehrt mich, dass es (bisweilen leider) nicht so ist, wie Du glaubst. Satz 1 ist doch eh klar (warum musst Du eigentlich so überflüssige Sätze schreiben ?)

    Vielleicht nicht in den niederen Instanzen, aber spätestens vor den Bundesgerichten kommt man mit solchem Kinderkram in der Regel nicht durch. Ich habe das geschrieben, weil in Spanien das Rauchverbot auf diese Weise ausgehöhlt wird.

    Joliet JakeMach doch.

    Welches Grundrecht sollte höher stehen? Sag mal´n paar.
    Ist das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit zufällig ganz oben (Artikel 2) gelandet?

    Und wer das Rauchen als „Freie Entfaltung seiner Persönlichkeit“ sieht, sollte den entsprechenden Satz auch fertig lesen.

    Ja, das hilft. Recht auf Leben steht sicherlich darüber! :lol:

    --

    Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.
    #6734211  | PERMALINK

    nes

    Registriert seit: 14.09.2004

    Beiträge: 61,722

    Joliet JakeMach doch.

    Welches Grundrecht sollte höher stehen? Sag mal´n paar.
    Ist das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit zufällig ganz oben (Artikel 2) gelandet?

    Und wer das Rauchen als „Freie Entfaltung seiner Persönlichkeit“ sieht, sollte den entsprechenden Satz auch fertig lesen.

    Ich weiss nicht, wie das geht.
    Eine Umfrage hier.

    --

    #6734213  | PERMALINK

    Anonym
    Inaktiv

    Registriert seit: 01.01.1970

    Beiträge: 0

    nail75Du kannst Dir nicht vorstellen, dass Menschen aus wirtschaftlichen Zwängen einen Arbeitsplatz annehmen, der ihnen nicht behagt, weil dort z. B. geraucht wird, sie aber sich nicht trauen dagegen vorzugehen?

    Doch, ich kann mir das vorstellen. Ob aber wegen diesen Einzelfällen (und bezogen auf Kneipen sind es Einzelfälle, niemand wird vom Arbeitsamt in eine Eckkneipe vemittelt) gleich einer ganzen Nation das Rauchen verboten werden muss, das wage ich sehr stark zu bezweifeln. Für mich ist da keinerlei Verhältnismäßigkeit zwischen Ursache und dem Gesetz zu erkennen!

    --

    #6734215  | PERMALINK

    nail75

    Registriert seit: 16.10.2006

    Beiträge: 45,074

    Verboten wird lediglich das Rauchen in Gaststätten. Ob das verhältnismäßig ist oder nicht, kann sicherlich diskutiert werden, ich empfinde es als verhältnismäßig. Die Tatsache, dass das BVerfG das auch so sieht, entscheidet die Frage von ihrer rechtlichen Seite. Der Rest ist Sache der Politik.

    Dass es sich bei den Beschäftigten in Eckkneipen um eine kleine Minderheit handelt, ist klar. Sicher werden auch nicht viele dorthin vermittelt, weil die Wenigsten ihre Stellen ausschreiben dürften.

    --

    Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.
    #6734217  | PERMALINK

    nes

    Registriert seit: 14.09.2004

    Beiträge: 61,722

    Dick LaurentDoch, ich kann mir das vorstellen. Ob aber wegen diesen Einzelfällen (und bezogen auf Kneipen sind es Einzelfälle, niemand wird vom Arbeitsamt in eine Eckkneipe vemittelt) gleich einer ganzen Nation das Rauchen verboten werden muss, das wage ich sehr stark zu bezweifeln. Für mich ist da keinerlei Verhältnismäßigkeit zwischen Ursache und dem Gesetz zu erkennen!

    Teuflisch wahr.

    Und: ich finde es sehr bemerkenswert, dass gerade Dick L. eine solche Meinung vertritt. Als Nichtraucher.
    Thumbs up.

    --

    #6734219  | PERMALINK

    Anonym
    Inaktiv

    Registriert seit: 01.01.1970

    Beiträge: 0

    nail75Verboten wird lediglich das Rauchen in Gaststätten.

    Richtig. Nachdem wir grade das vom Arbeitsamt gezwungene Personal hinter der Theke wegsiskutiert haben, welche Personen werden denn noch zu Gaststättenbesuchen gezwungen? Mir fallen keine ein…
    Wieso müssen also aufgrund freiwilliger Kneipenbesuche einiger Person andere Personen zu einem gesetzlichen Verzicht gewungen werden? Mal ganz allgemein gefragt…

    --

    #6734221  | PERMALINK

    nail75

    Registriert seit: 16.10.2006

    Beiträge: 45,074

    Wie wäre es mit all den Angestellten von allen übrigen Gaststätten sowie deren Gäste? Wenn ich das Rauchen in Trinkkneipen tolerieren kann, dann nur deshalb, um nicht die Existenzen dieser Kneipen zu zerstören, nicht weil ich es für eine wirklich gute Idee hielte.

    Aber das Thema habe ich wirklich schon zu oft behandelt, Du kennst meine Position. Da kommen wir eben nicht zusammen und das macht ja auch nichts. Jetzt fahre ich in die rauchverpestete Strandbar und lass es mir gutgehen. :sonne:

    --

    Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.
    #6734223  | PERMALINK

    marbeck
    Keine Lust, mir etwas auszudenken

    Registriert seit: 27.07.2004

    Beiträge: 24,192

    nail75
    @marbeck: Ich hoffe, Du bedenkst dabei, dass der Gesundheitsschutz sich ebenfalls aus einem Grundrecht ergibt, nämlich dem auf körperlicher Unversehrtheit. Es gibt nur wenige Grundrechte, die einen höheren Rang haben.

    MarBeckAuf welches Argument beziehst Du Dich, ich kann den Zusammenhang gerade nicht erkennen?

    nail75Du hast davon gesprochen, dass das Grundrecht auf Berufs(ausübungs)freiheit der Wirte eingeschränkt wird. In Wirklichkeit handelt es sich um eine Kollision zweier Grundrechte, wobei das Recht auf Berufsfreiheit weniger stark ins Gewicht fällt, weil die Berufsausübung mit relativ niedrigen Anforderungen beschränkt werden kann, während das Recht auf körperliche Unversehrheit (in Form der Volksgesundheit) besonders hohen Rang genießt. Deine Formulierung legte nahe, dass es sich um die ungerechtfertigte Einschränkung eines einziges Grundrechts aufgrund der Willkür der Parlamente handelte.

    Ich habe die Stelle zwar nicht finden können, auf die Du Dich beziehst, möchte aber trotzdem kurz auf Dein Argument eingehen.

    Sicher kollidieren 2 Grundrechte. Wenn der Gesetzgeber nun eines der Grundrechte (Berufsfreiheit) einschränkt, muss er (zumindest nach meinem Verständnis) schlüssig begründen, warum er dies tut. M.E. müsste er nachweisen:

    1) dass Passivrauchen für die Betroffenen (Beschäftigte, Gäste) unvermeidbar ist. Hir überzeugt mich Dicks Argument, das beide Grupen nicht gezwungen sind, sich in Raucherkneipen aufzuhalten.

    2) dass Passivrauchen in Kneipen gesundheitliche Schäden verursacht, deren Ausmaß den Eingriff in das Grundrecht Berufsfreiheit legitimiert (Verhältnismäßigkeit). Dabei, und das habe ich gezeigt, kann er sich nicht auf die Studie des Deutschen Krebsforschungszentrums mit den 3300 Toten berufen.

    3) dass Rauchverbot etwas nutzt und

    4) andere, nicht in Grundrechte eingreifende Maßnahmen, nicht mehr oder gleichen Gesundheitschutz bieten.

    Hierzu gab im Thread ja schon Vorchläge von Staggerlee und alex8529.

    --

    "I spent a lot of money on booze, birds and fast cars. The rest I just squandered." - George Best --- Dienstags und donnerstags, ab 20 Uhr, samstags ab 20.30 Uhr: Radio StoneFM
    #6734225  | PERMALINK

    dougsahm
    Moderator

    Registriert seit: 26.08.2002

    Beiträge: 17,863

    nail75

    Vielleicht nicht in den niederen Instanzen, aber spätestens vor den Bundesgerichten kommt man mit solchem Kinderkram in der Regel nicht durch. Ich habe das geschrieben, weil in Spanien das Rauchverbot auf diese Weise ausgehöhlt wird.

    Ich kenne das spanische Rechtssystem viel zu wenig, bei weitem nicht so gut wie Du, um dazu etwas das zu sagen. Wahrscheinlich bist Du besser informiert und hast Recht – so wie immer.

    --

    #6734227  | PERMALINK

    nail75

    Registriert seit: 16.10.2006

    Beiträge: 45,074

    Dougsahm, oben hast Du mir vorgeworfen, dass ich das gesetzeskonforme Verhalten von Gastwirten unterbinden wollte, obwohl ein entsprechendes Gesetz überhaupt nicht existiert.

    Daher habe ich darauf hingewiesen, dass solche hypothetischen Tricksereien vermutlich vor deutschen Gerichten keinen Bestand haben. Meine Befürchtung ergab sich aus der Lektüre eines Wikipedia-Artikels über das Rauchverbot in Spanien. In der Folge entwickelte sich eine kurze Diskussion zwischen Dick Laurent und mir (oben nachzulesen). Wie das spanische Rechtssystem beschaffen ist, weiß ich nicht, allerdings ist die reale Lage wohl so (wenn man dem Artikel und den Aussagen eines Foris vertraut).

    @Mar Beck: Da die Entscheidung so wichtig ist, nehmen wir den Wortlaut der aktuellen Entscheidung. Ich verstehe, dass Du an Deiner Meinung festhältst, aber das BVerfG ist nach Studium der vorliegenden Fakten zur gegenteiligen Auffassung gelangt. Damit hat Deine Rechtsauffassung keine Chance mehr, vor Gerichten Gehör zu finden, jedenfalls nicht solange sich keine grundlegend neue Bewertung der rechtlichen Situation ergibt. Natürlich kann man versuchen, seine Meinung politisch durchzusetzen, angesichts des Wortlauts der Entscheidung (siehe unten), wäre jedoch sogar eine rechtliche Verpflichtung des Gesetzgebers denkbar, Nichtraucher umfassend vor Zigarettenrauch in geschlossenen Räumen zu schützen. Möglicherweise wäre eine Klage vor deutschen Gerichten gegen die (theoretische) Weigerung des Gesetzgebers, dafür zu sorgen, nicht aussichtslos!

    Das hier immer wieder genannte Argument, kein Nichtraucher sei gezwungen, sich in Raucherkneipen aufzuhalten, hat das BVerfG ausdrücklich zurückgewiesen. Nach seiner Auffassung hat kann der Gesetzgeber jederzeit festlegen, dass der Gaststättenbesucher das Anrecht auf einen Platz hat, in dem er oder sie nicht von Zigarettenrauch belästigt wird:

    Wortlaut: „Ebenso wenig wird den Nichtrauchern unter den Gaststättenbesuchern der Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens aufgedrängt. Die gesetzliche Regelung trägt lediglich dem Umstand Rechnung, dass ihnen, solange es keine ausreichende Zahl von Plätzen in rauchfreien Gasträumen gibt, keine andere Wahl bleibt, als bei dem Besuch einer Gaststätte eine Gesundheitsgefährdung durch Passivrauchen hinzunehmen (vgl. oben B. I. 1. b bb <1>). Nichtraucher sollen in diesem Bereich des gesellschaftlichen Lebens nicht nur um den Preis der Gefährdung ihrer Gesundheit teilnehmen können.“

    Jetzt die wichtigen Passagen:

    (1) Trifft der Gesetzgeber Regelungen, die in die Freiheit der Berufsausübung eingreifen, so muss bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze des Zumutbaren gewahrt bleiben (vgl.BVerfGE 102, 197 <220>; 112, 255 <267>).
    118

    (a) Ein Rauchverbot für Gaststätten stellt einen schwerwiegenden Eingriff in die freie Berufsausübung der Gastwirte dar. Da der Betreiber das Rauchen in den Räumen seiner Gaststätte nicht mehr erlauben darf, kann er mit seinen Angeboten insbesondere an Speisen und Getränken die Raucher unter seinen möglichen Gästen nur noch schwer oder, wenn diese auf das Rauchen in Gaststätten keinesfalls verzichten möchten, nicht mehr erreichen. Viele Raucher werden – zumindest vorübergehend – Gaststätten seltener aufsuchen oder die Dauer ihres Besuchs abkürzen, weil der Aufenthalt für sie durch das Rauchverbot erheblich an Attraktivität verloren hat. In Anbetracht eines Raucheranteils von 33,9 % unter der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland (vgl. Drogen- und Suchtbericht der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Mai 2008, S. 38) kann dies je nach Ausrichtung der gastronomischen Angebote und der damit angesprochenen Besucherkreise für die Betreiber der Gaststätten zu empfindlichen Umsatzrückgängen führen. Bestätigt wird dies durch die Untersuchung des Statistischen Bundesamts, nach der die Umsatzrückgänge des Gaststättengewerbes – insbesondere der getränkegeprägten Gastronomie – in den Bundesländern mit Rauchverbot deutlich stärker waren als in den Ländern, in denen für Gaststätten noch keine Rauchverbote galten (vgl. Pressemitteilung des Statistischen Bundesamts vom 6. Juni 2008 – 207/08). Selbst wenn die Berichte aus Staaten mit bereits länger geltenden Rauchverboten über eine Erholung oder sogar Verbesserung des Umsatzes zutreffend seien und sich auch für Deutschland bestätigen sollten, müssten die Betreiber von Gaststätten bis zu dieser Entwicklung über eine längere Zeit geringere Einnahmen hinnehmen. Schon das kann zu einer Einschränkung oder sogar zur Schließung des Geschäftsbetriebs zwingen.
    119

    (b) Dem steht allerdings gegenüber, dass mit Rauchverboten in Gaststätten überragend wichtige Gemeinwohlbelange verfolgt werden. Dies gilt zunächst für den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung, dem in der Werteordnung des Grundgesetzes ein hohes Gewicht zukommt (vgl.BVerfGE 110, 141 <163> ). Aus Art. 2 Abs. 2 GG kann daher eine Schutzpflicht des Staates folgen, die eine Risikovorsorge gegen Gesundheitsgefährdungen umfasst (vgl.BVerfGE 56, 54 <78> ). Angesichts der Zahl der Todesfälle, die sich nach wissenschaftlichen Erkenntnissen auf Erkrankungen durch Passivrauchen zurückführen lassen, ist zudem auch der Schutz des menschlichen Lebens betroffen. Die Verfassung begründet auch insoweit eine Schutzpflicht des Staates, die es ihm gebietet, sich schützend und fördernd vor das Leben jedes Einzelnen zu stellen (vgl.BVerfGE 39, 1 <42>; 46, 160 <164>; 115, 118 <152> ). Die Annahme einer beträchtlichen Gefährdung dieser Rechtsgüter begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, weil sich die Landesgesetzgeber insoweit der in der Wissenschaft vorherrschenden Einschätzung anschließen können, wonach Tabakrauch auch bereits in geringsten Mengen wegen der enthaltenen gentoxischen Kanzerogene gesundheitsgefährdend sei (vgl. oben B. I. 1. b bb <2> ).
    120

    (2) Es ist Sache des Gesetzgebers, in Bezug auf den jeweiligen Lebensbereich darüber zu entscheiden, ob, mit welchem Schutzniveau und auf welche Weise Situationen entgegengewirkt werden soll, die nach seiner Einschätzung zu Schäden führen können (vgl.BVerfGE 110, 141 <159>; vgl. auch BVerfGE 111, 10 <38 f., 43>). Hierbei kommt ihm grundsätzlich ein Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu (vgl. BVerfGE 96, 56 <64> ). Dies ermöglicht es dem Gesetzgeber, bei seiner Wahl für ein Schutzkonzept auch Interessen zu berücksichtigen, die gegenläufig zu dem von ihm verfolgten Gemeinwohlziel sind, und so eine Lösung durch Zuordnung und Abwägung kollidierender Rechtsgüter zu entwickeln. Soweit sich nicht in seltenen Ausnahmefällen der Verfassung eine konkrete Schutzpflicht entnehmen lässt, die zu einem bestimmten Tätigwerden zwingt, bleibt die Aufstellung und normative Umsetzung eines Schutzkonzepts dem Gesetzgeber als dem dafür zuständigen staatlichen Organ überlassen.
    121

    (3) Auf der Grundlage der ihm zuzubilligenden Spielräume wäre der Gesetzgeber nicht gehindert, dem Gesundheitsschutz gegenüber den damit beeinträchtigten Freiheitsrechten, insbesondere der Berufsfreiheit der Gastwirte und der Verhaltensfreiheit der Raucher, den Vorrang einzuräumen und ein striktes Rauchverbot in Gaststätten zu verhängen.

    a) Da die Gesundheit und erst recht das menschliche Leben zu den besonders hohen Gütern zählen, darf ihr Schutz auch mit Mitteln angestrebt werden, die in das Grundrecht der Berufsfreiheit empfindlich eingreifen (vgl.BVerfGE 17, 269 <276>; 85, 248 <261>; 107, 186 <196> ). Der Gesetzgeber ist daher von Verfassungs wegen nicht gehalten, mit Rücksicht auf die Berufsfreiheit der Betreiber von Gaststätten Ausnahmen von einem Rauchverbot für Gaststättenbetriebe in Gebäuden und vollständig umschlossenen Räumen zuzulassen. Er kann sich vielmehr für ein Konzept des Nichtraucherschutzes entscheiden, das einer möglichst großen Reichweite und Effizienz des Schutzes vor den Gefahren des Passivrauchens Priorität gibt. Werden nämlich Ausnahmen vom Rauchverbot in Gaststätten insbesondere für Raucherräume oder die Zeltgastronomie zugelassen, so bedeutet dies einen teilweisen Verzicht auf das an sich angestrebte Ziel des Gesundheitsschutzes. Um die ansonsten drohende „deutliche Reduzierung des Nichtraucherschutzes“ zu vermeiden, hat etwa der Bundesgesetzgeber in § 1 Abs. 3 Satz 2 des Gesetzes zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens (vom 20. Juli 2007,BGBl I S. 1595 ) für die Verkehrsmittel des öffentlichen Personenverkehrs, also insbesondere für Eisenbahnen, Straßenbahnen, Omnibusse und Flugzeuge, keine Ausnahmen vom Rauchverbot zugelassen (vgl. BTDrucks 16/5049, S. 9).

    http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rs20080730_1bvr326207.html

    Die aktuelle Rechtslage ist demnach, dass der Gesetzgeber ein absolutes Rauchverbot erlassen kann, selbst wenn tausende kleiner Kneipen deshalb schließen müssen. Wirtschaftliche Interessen von Gastwirten müssen generell und vollständig hinter den Gesundheitsschutz der Bevölkerung zurücktreten. Wer als Gastwirt dagegen klagt, verliert, sogar dann, wenn es um seine Existenz geht. Das ist radikaler und eindeutiger, als ich es mir jemals vorgestellt hätte. Und das vom „konservativen“ 1. Senat!

    --

    Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.
    #6734229  | PERMALINK

    alex8529

    Registriert seit: 12.03.2005

    Beiträge: 4,753

    die Klagen richteten sich ja gegen die nicht vorhandene Chancengleichheit der Gastronomen in einigen Bundesländern.

    Dem wurde im Urteil zugestimmt und Nachbesserung verlangt.

    Nun geht es aber weiter.

    Wenn z.B. Bayern beim totalen Rauchverbot bleibt, und ein angrenzendes Bundesland Ausnahmen zulässt, gibt es zumindest im „Grenzgebiet“ auch wieder keine Chancengleichheit, da der Bürger mobil ist.

    Eine Lösung wäre einheitliches Bundesrecht im Sinne von totalen Rauchverbot wie z.B. in Bayern.

    Aber da geht es auch weiter.

    Es gibt gastronomische Einrichtungen, die über Freisitze verfügen, und es gibt welche, die keine Möglichkeit dazu haben.

    Gastronomen mit Freisitzen haben also wieder bessere Chancen im Wettbewerb, da sie in der wärmeren Jahreszeit Umsatzausfälle teilweise kompensieren können.

    Dafür gibt es auch eine Lösung: Es werden alle Freisitze verboten

    --

    Wenn einem die Argumente ausgehen, sollte man zur Beleidigung greifen (A.Schopenhauer) Hilfe gibbed hier: http://www.amazon.de/beleidigen-Kleines-Brevier-sprachlicher-Grobheiten/dp/3406511252
    #6734231  | PERMALINK

    nail75

    Registriert seit: 16.10.2006

    Beiträge: 45,074

    Ja, aber das BVerfG hat die Gelegenheit genutzt, um mit dem Zaunpfahl darauf hinzuweisen, dass man doch einfach das Rauchen in Gaststätten generell verbieten sollte. Eine einheitliche bundesrechtliche Lösung ist wohl nicht möglich, da dem verfassungsrechtliche Bedenken entgegenstehen.

    Zu Deinen gar nicht uninteressanten Szenarien:

    Das BVerfG untersucht immer nur die rechtliche Lage in einem Rechtsraum (beispielsweise Berlin). Wenn das Rauchen in einem Nachbarland erlaubt ist in dem zu untersuchenden Land jedoch nicht, dann ist das egal. Es gibt keinen verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gleichbehandlung mit anderen Rechtsräumen. Wenn RP Kampfhunde verbietet und Ba-Wü nicht, kann ich als RPler nicht klagen und sagen: In Ba-Wü sind doch Kampfhunde auch erlaubt. Das ist die Entscheidungsgewalt des Gesetzgebers. (Dass Urteile manchmal auch Auswirkungen auf andere Rechtsräume haben, wenn dort ähnliche oder identische Gesetze gelten, ist eine andere Frage)

    Zu Freisitzen: Es gibt kein verfassungsmäßiges Recht auf Herstellung von ökonomischer Gleichheit. Wer etwas nicht besitzt, hat kein Anrecht darauf, es vom Staat zu erhalten bzw. kann vom Staat nicht verlangen, dass er Maßnahmen trifft, um die Ungleichheit zu beseitigen. Das gilt auch für Gewerbebetriebe.

    Wenn Mick67 ein tolles Motorrad besitzt, das ich auch gerne besäße, kann ich nicht den Staat verklagen und geltend machen, dass ich so eine Maschine auch gerne hätte. Ein Gastwirt ohne Freisitze muss mit seiner Situation klarkommen. Rechtlich ergeben sich daraus keine Ansprüche.

    --

    Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.
    #6734233  | PERMALINK

    alex8529

    Registriert seit: 12.03.2005

    Beiträge: 4,753

    nail75
    Zu Freisitzen: Es gibt kein verfassungsmäßiges Recht auf Herstellung von ökonomischer Gleichheit. Wer etwas nicht besitzt, hat kein Anrecht darauf, es vom Staat zu erhalten bzw. kann vom Staat verlangen, dass er Maßnahmen trifft, um die Ungleichheit zu beseitigen. Das gilt auch für Gewerbebetriebe.

    aber gerade das ist ja eines der Grundtenore des Urteils.

    Einraum vs. Zweiraum Betriebe

    Ein Freisitz ist quasi genau so zu betrachten, wie eine gastronomische Einrichtung, die zwei getrennte Räume besitzt.

    Was ich gar nicht nachvollziehen kann, ist der „Eingriff“ des BVG in Länderrecht.
    Dafür gibt es doch Gerichte in den Ländern, die wie in Sachsen geschehen, solche Dinge entscheiden können.

    Dies widerspricht m.E. der These, dass Rauchverbot nicht durch Bundesrecht geregelt werden könnte.

    --

    Wenn einem die Argumente ausgehen, sollte man zur Beleidigung greifen (A.Schopenhauer) Hilfe gibbed hier: http://www.amazon.de/beleidigen-Kleines-Brevier-sprachlicher-Grobheiten/dp/3406511252
Ansicht von 15 Beiträgen - 316 bis 330 (von insgesamt 929)

Du musst angemeldet sein, um auf dieses Thema antworten zu können.