Ich höre gerade … Jazz!

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  • #11800135  | PERMALINK

    vorgarten

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    gypsy-tail-wind

    …das ist zugleich super tight, alles sitzt perfekt, und es ist frei, offen, schlägt andauernd Haken und ändert die Richtung.

    schön beschrieben. ich glaube, ich mag CRAZY PEOPLE MUSIC noch ein bisschen lieber, weil es so jugendlich ist, aber diese band hat für mich eine völlig eigene qualität.

    ich habe mich endlich mal wieder hier drangetraut:

    abbey lincoln, a turtle’s dream (1995)

    das einzige album von den üblichen verdächtigen in diesem jahr, und den raum braucht es auch. ich muss meine bemerkung von gestern revidieren, das hier ist das tollste lincoln-album, vielleicht sogar insgesamt, und ganz sicher eins meiner jazzhighlights aus den 90ern. es geht vor allem um ihre songs hier (8,5 von 11, bei einem minimalistischen, aber sehr traditionellen blues wird die musik eigenartigerweise nina simone zugeschrieben) und jedes arrangement, die unterschiedlichen besetzungen, sind so ausgerichtet, dass man sie einfach nicht besser interpretieren kann. was ich gar nicht so mitbekommen habe, ist, dass es ja vor allem in jüngerer zeit einige tribut-alben und hommagen gegeben hat (u.a. 2 von ran blake/christine correa), andere einspielungen ihrer songs, allein von „throw it away“ verzeichnet secondhandsongs 88 versionen, u.a. von cassandra wilson, blake und john scofield (ob ich die hören will?). eine lebensbilanz in einfachen, prägnanten bildern und zirkulären melodien, von großer traurigkeit trotz aller beschworenen resilienz, man muss dazu echt in der stimmung sein. die tollsten drei songs kommen gleich zu beginn, dann gibt es eine fremdmaterial-insel mit „nature boy“ und „avec les temps“, dann geht es weiter mit dem eigenen material.

    die besetzungen hat viele farben, die aber überhaupt nicht kontrastieren. ganz nebenbei ist das auch mein liebstes pat-metheny-album ;-) er hat vier auftritte, die sensibel, klangschön, aber schon sehr bei sich eine ganz eigene qualität beisteuern, vor allem auf „avec les temps“, das lincoln als wellenbewegung mit akzenten auf der 1 und 3 arrangiert hat, metheny spielt akustische ecm-hafte loops und soliert dann dazu elektrisch. dann kommen noch zwei unfassbar schöne soli auf zwei stücken von kenny barron (das ist nur touch und rhythmus), daber auch die eigentliche band kommt zum zuge: rodney kendrick, charlie haden, victor lewis, alle scheinen, wenn auch nur kendrick solistisch. außerdem: roy hargove und der junge cool-saxofonist julien loureau, manchmal wechselt michael bowie an den bass, einmal auch christian mcbride. kurz vor schluss der blues, lucky peterson spielt ligaturen und ein schönes solo und singt mit lincoln zweistimmig die refrainzeile. das ist ein ziemlich tiefer rausch, auch textlich angedeutet in der titelgebenden schildkröte, die unbemerkt von anderen in gleichmäßigen zügen den ozean durchschwimmt. moving slowly is not really bad. stepehen holden damals in den new york times:

    The song could be read as a metaphor for Ms. Lincoln’s own career and for the artistry of other „turtles“ like her. The antithesis of pop music’s more celebrated burnouts and flashes in the pan, these are musicians who keep plugging away year after year, getting better and better until maybe somebody notices.

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    #11800147  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Oh, da freue ich mich drauf! Vorhin „It’s Me“ von Lincoln, „Look What I Got“ von Carter, „Turning Point“ von Eubanks und „Black Sea“ von Simion aus dem Briefkasten geholt … macht grad wahnsinnig Spass, diese Sachen wiederzuhören und durch neue Entdeckungen zu ergänzen!

    Im Player grad noch das hier:

    Randy Weston/Melba Liston – Volcano Blues | Und das bleibt eins meiner allerliebsten von Weston, aus den 90ern und überhaupt. Edwards mit Weston zu hören ist ein grosses Glück. Und fast könnte man denken, dass man ihn möglichst lange aufspaart. Erst im sechsten Stück krieg er ein Solo, und zwar als perfekter Opener für Johnny Copeland (voc/g), der schon – ganz allein – den Auftakt des Albums macht. „Blues for Strayhorn“, in dem nur der (Co-)Leader – Melba Liston kriegt hier ja ausnahmsweise Co-Billing, nicht nur Erwähnung als Arrangeurin – und Edwards solieren, ist dann ein Highlight, und „Mystery of Love“ mit denselben Solisten – nur von Jamil Nasser am Bass begleitet – noch eins. Ein ähnliches Feature kriegt davon schon Wallace Roney in „Sad Beauty Blues“ – und sein Spiel gefällt mir hier sehr, Miles-Reminiszenzen kommen im dem Umfeld kaum auf. Der am häufigsten gehörte Solist neben Weston ist aber wohl Benny Powell an der Posaune, und das vollkommen verdient. Dazu sind Talib Kibwe (as/ss, fl nur in den Ensembles), der aber erst im letzten Drittel zu hören ist, dafür gleich mehrfach, Hamiet Bluiett (bari), Ted Dunbar (g – meist à la Freddie Green, aber im „Kucheza Blues“ spielt er eins vieler kürzerer Soli), Charli Persip (d), Obo Addy (perc/talking d) und Neil Clark (perc) dabei. Eine tolle Band, hervorragendes Material, klasse Arrangements … da bin ich restlos glücklich.

    PS: 1995 kam auch „Tango in Harlem“ raus, aber ich würde Edwards trotz der vier Alben nicht zu den „üblichen Verdächtigen“ rechnen – erst recht nicht, falls eh nur die Sängerinnen gemeint waren ;-)

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    #11800157  | PERMALINK

    vorgarten

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    gypsy-tail-wind1995 kam auch „Tango in Harlem“ raus, aber ich würde Edwards trotz der vier Alben nicht zu den „üblichen Verdächtigen“ rechnen – erst recht nicht, falls eh nur die Sängerinnen gemeint waren

    ja, klar, das ist doch mein projekt gerade ;-) jedenfalls eins davon (und nicht nur die weiblichen)… edwards muss ich auch noch hören (die tenoristen sind ein anderes projekt), davon kenne ich nur TANGO, der mich damals noch nicht gekriegt hat, aber randy weston ist auch noch dran, hier fand ich ja immer das cover sehr schön…

    p.s. jetzt hast du bei mir immer wieder angemahnt, dass ich künstler:in und albumtitel drunterschreiben soll, jetzt hörst du wieder damit auf…?

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    #11800167  | PERMALINK

    vorgarten

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    david murray, shakill’s warrior (1991)

    zum ersten mal im player. ok, don pullen spielt orgel und kann sogar pedalbass. seine explosionscluster übertragen sich natürlich nicht, aber er hat ein paar andere effekte drauf. manchmal wünsche ich mir einen anderen drummer mit mehr punch, aber schon gut, dass cyrille dabei ist, dann können sie sein grandioses stück „high priest“ spielen, dass ich wiederum aus den 80ern mit david ware im ohr habe. macht spaß, insgesamt, aber warum das von christgau u.a. so gefeiert wurde, leuchtet mir nicht ganz ein.

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    #11800185  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    vorgarten
    p.s. jetzt hast du bei mir immer wieder angemahnt, dass ich künstler:in und albumtitel drunterschreiben soll, jetzt hörst du wieder damit auf…?

    Stimmt – hab’s teilweise rückwirkend noch ergänzt … werd ich mal wieder tun die nächsten Tage :-)

    Gerade erstmals gehört:

    Kevin Eubanks – Turning Point | Mir ist noch nicht ganz klar, was ich mit der Musik von Eubanks anfangen soll – wenig überraschend ist das Cole-Trio-Format („Live at Bradley’s“) für mich unmittelbar am zugänglichsten. Vom einen „Spirit Talk“-Album hab ich leider ein Exemplar mit richtig üblem Cover erwischt, und sowas stört mich sehr (v.a. wenn’s M/M angegeben wird – hab einen Teil des Geldes zurückgekriegt, aber der Ärger bleibt halt). Damit sind aber jedenfalls alle (?vier Stück?) Blue Note-Alben hier und insgesamt ist mein erster Eindruck auf jeden Fall überaus positiv, auch wenn ich noch nicht dahinter komme, wie die toughen Rhythmusgruppen – besonders Holland/Smith, aber auf „Turning Point“ auch Moffett/Mondesir – und die „weichen“ Soloparts zusammenkommen – besonders Kent Jordan an der Altflöte, aber Robin Eubanks‘ Posaune klingt oft auch sehr sanft, sehr voll und rund, aber nie überschwänglich oder ruppig. Dave Holland ist toll hier – und diese Alben sind ja auch eine Art Fortschreibung von „Jumpin‘ In“ und v.a. „Extensions“, aus einer Zeit, in der Holland selbst als Leader fast nichts aufnahm: zwischen 1989 („Extensions“) und 1995 („Dream of the Elders“, ein Übergangsalbum, und das „World Trio“ mit Eubanks und Mino Cinelu, ein ziemlich schwieriges Ding für meine Ohren) gab es keine Aufnnahmen und so richtig los ging es mit dem neuen Quintett erst ab „Dream of the Elders“ (1997 aufgenommen). Diese Eubanks-Alben fügen sich da aber richtig gut ein, dünkt mich, auch wenn völlig klar ist, dass Holland hier bloss als Sideman agiert – er tut das wahnsinnig stark, finde ich.

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    #11800197  | PERMALINK

    vorgarten

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    gypsy-tail-wind
    Gerade erstmals gehört:

    Damit sind aber jedenfalls alle (?vier Stück?) Blue Note-Alben hier und insgesamt ist mein erster Eindruck auf jeden Fall überaus positiv, auch wenn ich noch nicht dahinter komme, wie die toughen Rhythmusgruppen – besonders Holland/Smith, aber auf „Turning Point“ auch Moffett/Mondesir – und die „weichen“ Soloparts zusammenkommen – besonders Kent Jordan an der Altflöte, aber Robin Eubanks‘ Posaune klingt oft auch sehr sanft, sehr voll und rund, aber nie überschwänglich oder ruppig. Dave Holland ist toll hier – und diese Alben sind ja auch eine Art Fortschreibung von „Jumpin‘ In“ und v.a. „Extensions“, aus einer Zeit, in der Holland selbst als Leader fast nichts aufnahm

    das stimmt, darüber hatte ich gar nicht so nachgedacht bisher. ich hab damals natürlich unbedingt nachfolgealben von EXTENSIONS erhofft, was ja meine erstbegegnung mit coleman und eubanks war. alles, was danach von coleman kam, war sehr viel härter, kälter, elektrisch (und da ist holland ja auch oft dabei, das duoalbum habe ich erst später in die finger bekommen), die eubanks-alben dagegen warm, flüssig, gefühlvoll, insofern gute gegengewichte. mal abgesehen vom technischen (das ist oft an der grenze des spielbaren, auch wenn es sich nicht so anhört, dazu so komplexe akkorde, wie man sie kaum von gitarristen kennt) hatte das eine eigene qualität, manchmal auch nah am kitschigen (macht mir heute gar nichts mehr aus, damals schon), aber diese irre gleichzeitigkeit von stilen auf EXTENSIONS kriegte man einfach dort nicht mehr (und auch nirgendwo anders, auch nicht bei hollands folgebands). mit coleman gab es direkt 1991 einen bruch bei holland, keine ahnung, was da passiert ist, ich würde mal denken, zu viel coleman-ego, jedenfalls haben sie nie wieder zusammen aufgenommen, nach diesem intensiven jahr der zusammenarbeit. holland/eubanks dagegen haben ja noch im letzten jahr wieder ein album gemacht.

    was mich ja so nervt bei diesen männer-konflikten im jazz (auch der sache mit ware/shipp/parker/ibarra) ist ja, dass die beteiligten nicht mal jahre (jahrzehnte) später selbstkritisch darüber reden können. aber das hat jetzt mit TURNING POINT überhaupt nichts mehr zu tun ;-)

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    #11800213  | PERMALINK

    vorgarten

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    andy bey, ballads blues & bey (1996)

    und dann war plötzlich andy bey wieder da. mit gary bartz und archie shepps in den 70ern durchaus beeindruckende auftritte, ein eigenes atlantic-album (kenne ich nicht), dann ein diskografisches loch von 1977 bis 1991, auch hier reicht es nur für evidence, das ding schlug also nicht ein wie eine bombe, was eigentlich angebracht gewesen wäre. das ist so eigen, so berührend, so gut aber auch (wie er gesang und klavierspiel zusammenbringt), dass man sich die ohren reibt. 2020 auf vinyl wiederveröffentlicht, @lotterlotta. mir natürlich aus mehreren gründen sehr nah, bey war mit gary burton lange zeit der einzige, wie man so schön sagt, „offen“ schwule jazzmusiker. ist er eigentlich immer noch. hier sind natürlich trotzdem alle liebeslieder an eine „she“ adressiert.

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    #11800517  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Ich hab ja damals Steve Coleman überhaupt nicht verfolgt, 1998 mit Council of Balance in Willisau – das hatte ich komplett vom Radio mitgeschnitten und gehört (vermutlich von der Live-Übertragung und dem späteren Sendetermin zusammenmontiert), aber ich glaub das Set, dass dann eingeschlagen hat, war Saalfelden 2004, auch wieder im Radio gehört, Five Elements mit „Lucidarium“ (Finlayson, Terry, Prieto, Shyu, Walker). Aber auch da bin ich dann nicht weiter gegangen, es gab nur ein zufällig aus der Kiste gezogenes Album, das nie wirklich zündete („Myths, Modes and Means – Steve Coleman and the Mystic Rhythm Society“ – aus der letzten Zeit, in der es bei RCA noch einigermassen opulente Neuproduktionen gab, die zwei Big Band-Alben von Sam Rivers hatten auch mit Coleman zu tun, ja?). Dass es da Anknüpfungen an/mit/von Dave Holland gab, dessen „Jumpin‘ In“ schon eine halbwegs prägende Hörerfahrung meiner 90erjahre war, wusste ich überhaupt nicht damals.

    Es läuft:

    Danilo Perez – PanaMonk | Das ist schon ganz gut – besser als erinnert! Aber ich finde es schon da schade, dass Jeff „Tain“ Watts nur vier Stücke spielt und auf dem Rest Terri Lyne Carrington trommelt. Sie hat so eine Rock-Attitüde, die Art etwa, wie sie Fills setzt hat mehr mit Vinnie Colaiuta oder Omar Hakim zu tun als mit der Tradition der grossen Jazzdrummer. Stört hier zwar am Ende nicht so sehr, aber direkt neben den so schön atmenden Beiträgen von Watts ist es halt doch schade, dass er nicht das ganz Album spielt.

    Was die Titel-Annotation angeht: Ich hatte ja auch die Antwort gelesen – und verstanden. Und die letzten Wochen wohl gedacht, was ich hier so vor mich hintippe, muss nicht wieder gefunden werden. Aber ich blättere jetzt gleich mal ein wenig zurück, ist ja trotzdem schade, auch wenn’s keine liebevoll geschriebenen Posts sind ;-)

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    #11800529  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    gypsy-tail-wind
    Jetzt wieder etwas Ruhigeres:

    Tony Williams Trio – Young at Heart | Kann mich erinnern, damals über das Album gelesen zu haben, aber er läuft gerade zum allerersten Mal.

    „Ruhiger“ trifft es hier vielleicht, nicht nur im direkten Vergleich mit Betty Carter – ich hab hier beim Hören versucht, Verbindungen zu den Hancock/Carter/Williams-Trios zu ziehen, oder auch zum Roy Haynes Trio mit Danilo Perez und John Patitucci, das knapp zu jung ist, um noch in die Neunziger zu fallen, oder zum ebenfalls etwas zu jungen Trio von Billy Cobham mit Kenny Barron und Ron Carter (die letzten beiden hatte ich schon zeitnah, also so seit 2001/2 herum) … aber das hier ist definitiv ein paar Nummern traditioneller. Ich mag da auch keine „Altmeisterlichkeit“ hören oder hereininterpretieren. Das ist einfach ein solides Klaviertrio, das tatsächlich mehr nach Fünfzigerjahre klingt als nach den Hauptinspirationsquellen der etwas jüngeren Pianisten (aber ich bleibe dabei, dass ich irgendwie – im Gestus, im Anschlag – eine Nähe von Miller zu Tyner höre).

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    #11800557  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Randy Weston African Rhythms – Saga | Dieses Album habe ich erst knapp zehn Jahre verspätet kennengelernt. Ich hatte wohl die Idee, dass nach „Volcano Blues“ nicht noch so eine Perle folgen konnte – aber genau das war der Fall, und „Saga“ steht inzwischen direkt daneben, ganz oben bei meinen Weston-Favoriten. Melba Liston fehlt hier, Talib Kibwe übernimmt die musikalische Leitung, zum Basis-Trio, das viele Jahre Bestand haben sollte (ein Konzert von 2008 gehört zu meinen schönsten Konzerterlebnissen überhaupt – hier hat jemand ein kurzes selbstgemachtes Video hochgeladen) mit Alex Blake (b) und Neil Clarke (perc) kommen hier nur wenige Musiker: Billy Higgins am Schlagzeug und eine dreiköpfige Bläsergruppe mit Benny Powell (tb), Kibwe selbst (as/fl) und Billy Harper (ts). Harper war hie und da dabei, aber diese Formation war auch als Quintett unterwegs und so vielleicht Westons stabilste Combo überhaupt, vom grad erwähnten Trio abgesehen? Der Sound mit den zwei Saxophonen und der Posaune gefällt mir ausserordentlich – überhaupt: dass der Basie/Mainstream-Posaunist (mit frühen „moderninst leanings“, klar – er gehörte wie Frank Foster und Thad Jones zu den Leuten, die bei Basie wohl gerne auch mal etwas modernere Musik gespielt hätten) hier so ein spätes Aufblühen erlebt, gehört für mich zu den Wundern des Jazz der Neunzigerjahre. Könnte man eigentlich durchaus mit Merrill, Horn oder Carter vergleichen. Los geht’s mit Harper, der quasi fliegende von Edwards übernimmt und mit etwas weniger Druck als sonst in „The Beauty of It All“ einsteigt. Nach „Volcano Blues“ ist das natürlich weniger üppig, weniger farbenreich, aber gerade deshalb ist das am Ende ein sehr anderes Album als der Vorgänger, wirkt konzentrierter, fokussierter, und bietet den Mitwirkenden auch viel mehr Raum. Ein paar Stücke, in denen die Bläser (oder Higgins) einzeln mit dem Leader präsentiert werden, sind auch wieder dabei – und da ist dann der „F.E.W. Blues“ mit Powell auch wieder ein Highlight.

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #151: Neuheiten aus dem Archiv – 09.04., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #11800573  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Ziemlicher Monolog hier gerade ;-) – hab jetzt brav bis Ende April zurückannotiert. Und gemerkt, dass ich „Bushman Song“ von John Stubblefield zu erwähnen vergass. Die hab ich neulich bei Discogs mitgenommen und auch schon angehört. Kann immer noch bestens verstehen, warum ich damals nahezu allergisch drauf reagierte, obwohl mich Stubblefield (von Ibrahim bekannt und dort sehr geschätzt: „African River“) und Allen (vermutlich nur als Name, ev. kannte ich aber auch schon „Twenty-One“?) neugierig machten.

    Nunja, die ganze Elektronik und das viele Sopransax … ich hatte mir wohl im Laden damals nie die Zeit genommen, so weit zu kommen, dass ich das Album wirklich greifen konnte. Dafür brauche ich auch jetzt noch ein paar Anläufe, aber das wird schon :-) („damals“ = 1998, als von Enja die „25th Anniversary Series“ lief, aus der ich einiges gekauft hatte – ist auch die Ausgabe, inkl. entsprechendem Aufkleber unten auf der Front des Jewel Case, die ich jetzt gekauft habe).

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    #11800585  | PERMALINK

    vorgarten

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    gypsy-tail-windZiemlicher Monolog hier gerade

    ich les mit ;)
    war auch gar nicht so ernstgemeint mit der bemerkung zu den titeln, wollte nur wissen, ob das eine bewusste entscheidung war. aber da wir hier ja gerade oft zeitversetzt das gleiche hören, ist es hilfreich, wenn man die einträge direkt wiederfinden kann.

    ich kenne das williams-trio-album nicht, ich kann mir ihn als klassischen jazztrio-drummer nach seiner rockphase einfach nicht mehr gut vorstellen, da ist einiges im sound und wohl auch in der ausstattung passiert, was er nicht mehr zurückgebaut hat. trotzdem sehr spannend und eigen natürlich. interessanterweise höre ich genau da ja den ansatz von carrington, und das kommt mir auf einigen aufnahmen ziemlich frisch vor, auf BLUE SKIES von cassandra wilson z.b.

    stubblefield habe ich auch erst kürzlich nachgeholt und war davon nicht sehr überzeugt. kann ich heute wohl auch besser hören als damals, aber das finde ich insgesamt recht orientierungslos, es weiß nicht, ob es smooth, traditionell oder spiritual jazz sein will, für alles gibt es angebote, aber ich weiß nicht, ob an welches publikum das gehen sollte.

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    #11800593  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    The Carnegie Hall Jazz Band, Music Director Jon Faddis | Noch ein Discogs-Nachkauf, erster Hörgang. Auch das ist eine Band, die ich in den Neunzigern im Radio hörte – in Bern 1999, bevor das Jazzfestival mit kleinerer Kelle und wochenlangen Gigs umgestellt wurde. Das Line-Up war ähnlich wie auf der CD, Frank Wess und Slide Hampton jedenfalls auch mit dabei, Renee Rosnes und Lewis Nash in der hervorragenden Rhythmusgruppe (in Bern mit Todd Coolman, auf der CD mit Peter Washington).

    Gerald Wilson wurde an dem Abend auch mit dem Berne Jazz Award geehrt und leitete deshalb die erste Konzerthälfte an Faddis‘ Stelle: Es gab zunächst eine ganze Reihe Stücke von Jimmie Lunceford – nicht nur Arrangements von Wilson: „For Dancers Only“ von Sy Oliver, „Uptown Blues“ (ein head-arrangement), „Margie“, „Lunceford Special“, „‚Tain’t What You Do (It’s the Way You Do It)“ (Sy Oliver/Trummy Young), „Hi Spook“ (Wilson) und „Yard Dog Mazurka“ (Wilson/Roger Segure), und danach Auszüge aus Wilsons Suite „Theme for Monterey“. Das war meine erste Begegnung mit Luncefords Musik und wenig später konnte ich die frz. 3-LP-Box mit seinen Columbia-Aufnahmen erstehen. Im Radio gab’s dann auch noch ein Interview mit Wilson und Jon Faddis zu hören.

    Für die zweite Konzerthälfte in Bern sah das Programm dann ähnlicher aus wie auf dem Blue Note-Album von 1996 (auf dem Wess nur als Gast auf zwei Stücken vorbeischaut (nur eins mit Solo), und Lew Tabackin auf einem weiteren): „Giant Steps“ (arr. Frank Foster, der Gast-Spot von Tabackin, auch mit klasse Solo von Slide Hampton, der das Ding zwischenzeitlich wie einen Walzer klingen lässt) und „Frame for the Blues“ (arr./comp. Slide Hampton) gab es auch in Bern, zudem noch „Acknowledgment“ von Coltrane und ein Ellington-Medley, während es auf dem Album Musik weiterer Grössen gibt, teils auch in der Carnegie Hall aufgeführten Programmen entnommen: „In the Mood“ (arr. Jim McNeely) bringt gleich den ersten Auftritt von Frank Wess, „It Never Entered My Mind“ (arr. Garnett Brown) stammt aus dem Programm „The Legacy of Miles“, „Shiny Stockings“ (comp. Frank Foster/arr. Slide Hampton) ist natürlich eine Basie-Hommage – Faddis streicht hier in seinen Liner Notes die Stärke der Section und ihrer jeweiligen Lead-Spieler heraus: Dick Oatts, Hampton/Dennis Wilson und Earl Gardner/Faddis. Die z weite Hälfte beginnt mit „rame for the Blues“ (Hampton, einst für Maynard Ferguson geschrieben), es folgen „Sing, Sing, Sing“ (Prima/arr. McNeely) mit viel Raum für Lewis Nash, „I’m Getting Sentimental Over You“ (wieder McNeely, das Tommy Dorsey-Feature gehört Dennis Wilson), und als Closer „South Rampart Street Parade“ (Bauduc-Haggart, arr. Randy Sandke).

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    #11800611  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    vorgarten
    war auch gar nicht so ernstgemeint mit der bemerkung zu den titeln, wollte nur wissen, ob das eine bewusste entscheidung war. aber da wir hier ja gerade oft zeitversetzt das gleiche hören, ist es hilfreich, wenn man die einträge direkt wiederfinden kann.

    Ja, eben – drum hab ich das gerne nachgetragen (aber nur bis Ende April zurück, ist ziemlich zeitraubend)

    vorgarten
    ich kenne das williams-trio-album nicht, ich kann mir ihn als klassischen jazztrio-drummer nach seiner rockphase einfach nicht mehr gut vorstellen, da ist einiges im sound und wohl auch in der ausstattung passiert, was er nicht mehr zurückgebaut hat. trotzdem sehr spannend und eigen natürlich. interessanterweise höre ich genau da ja den ansatz von carrington, und das kommt mir auf einigen aufnahmen ziemlich frisch vor, auf BLUE SKIES von cassandra wilson z.b.

    Ja, Carrington höre ich da ähnlich. Dass sie damals manchmal ganz gut passt, will ich nicht in Abrede stellen – bei Perez ist es halt der Direktvergleich, bei dem Watts für meine Ohren eindeutig obsiegt. „Blue Skies“ hatte ich so um 2000 herum auf Kassette – wird ja wenig erstaunen, dass ich da einen leichteren Zugang hatte als zu fast allem anderen, was Cassandra Wilson bis dahin gemacht hatte (ich kannte v.a. ein paar der Blue Note-Alben, die ich heute mehr schätze als damals).

    vorgarten
    stubblefield habe ich auch erst kürzlich nachgeholt und war davon nicht sehr überzeugt. kann ich heute wohl auch besser hören als damals, aber das finde ich insgesamt recht orientierungslos, es weiß nicht, ob es smooth, traditionell oder spiritual jazz sein will, für alles gibt es angebote, aber ich weiß nicht, ob an welches publikum das gehen sollte.

    Ja, das mit der Orientierungslosigkeit bzw. dem Stehen zwischen Genres ist vermutlich das Problem. Aber irgendwie doch gerade auch der Reiz, der in so einer Verweigerung eines Entweder/Oder liegt? Das ist ja auch Weltmusik, mit dem Feature für Cinélu (hier noch mit Akzent geschrieben, sah ich glaub ich noch gar nie, die Schreibweise?). Den kurzen Promo-Text auf der Traycard der 1998er-Neuauflage (das Booklet ist wohl identisch mit der Ausgabe von 1986, da gab’s eben einfach einen Aufkleber vorn aufs Jewel Case) finde ich diesbezüglich recht interessant:

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    #11800615  | PERMALINK

    thelonica

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    ABBEY LINCOLN – Who Used To Dance

    Beim zweiten Stück (Titelstück) mit Savion Glover, der sehr musikalisch Tapdance macht, assoziiert man vielleicht Mr. Bojangles, weil das bekannt ist (Trivia: Savion Glover hatte mit Sammy Davis Jr. zu tun als er noch jünger war.). Ganz anders ist es geworden, Text und Musik sind natürlich von Lincoln, sie hatte das arrangiert. Von den Musikern hier brilliant umgesetzt. Was Metaphern in den Songs bei Lincoln angeht, manchmal begreife ich die, manchmal gehen sie an mir vorbei, weil man oft einfach nur der Musik lauscht. Es hilft vielleicht beim Hören sehr mal genauer in den Texte zu lesen. Bei Love What You Doin‘  phrasiert sie ähnlich wie Jimmy Scott (mag mich da täuschen), jedenfalls klingt das für mich so, als hätte sie ihn sehr genau studiert. Was sie mit dem Song „Street Of Dreams“ macht, der eigentlich nur aus 10 Zeilen besteht und auf dem Papier wie ein Poem wirkt, ist interessant. Die Kategorie Vocal Jazz ist eigentlich zu klein bei einem Album wie diesem. Man weiß halt gar nicht so richtig, wie Lincoln das alles geplant und vorbereitet hat, wie Ideen sich entwickelt haben, was sie gelesen oder gehört hatte.

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