Bill Callahan, 18.05.08, Postbahnhof Berlin

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    team-love

    Registriert seit: 06.05.2008

    Beiträge: 20

    Zuerst dies: der eigentliche Aufführungsort, der Private Club, konnte der Nachfrage nicht gerecht werden. Ein „Umzug“ in den Postbahnhof am Ostbahnhof war unvermeidlich, das Interesse eben doch größer als wohl vom Veranstalter erwartet. Knapp drei Jahre zuvor war Callahan hier auch aufgetreten. Erinnerungen…

    Einen denkbar merkwürdigen Auftakt gestaltete ein junger Mann names Konstantin Gropper. Später erfuhren wir, dass jener der Kopf der deutschen Weltuntergangskapelle „Get Well Soon“ ist. Sieben sehr monotone Songs wurden von diesem großen „Bill Callahan Fan“ (Eigenansage des Künstlers) dargeboten. Zur Erklärung fügte Gropper noch an, dass er normalerweise Vorsteher eines Siebenmannorchsters ist und seinen Soloauftritt an diesem Abend selbst als Experiment begriff. Nicht nur er! Die nicht vorhandenen Instrumente wurden oft durch Leidensblick und eine Art gejaultes Summen ersetzt. Wiederholte Blicke ins Publikum und die lakonische Bemerkung, dass wir das zusammen schon schaffen würden. Eine junge Frau lachte leise. Nach etwa 25 Minuten hatten wir es geschafft.

    Der nächste Mann des Abends war Alasdair Roberts. Sein Auftritt: ein Qualitätssprung. Auch nur mit einer Akustikgitarre ausgestattet, eine Persönlichkeit, die in sich ruhte, die Songs bedacht vortrug. Aber es war eben eine Persönlichkeit, dazu mit einer Darbietung brillanter Songs. Die Atmosphäre entsprach eher dem 2005er Album „No Earthly Man“, denn der letztjährigen Platte, die zwar um einiges süffisanter arrangiert ist, den Vorgängern aber nicht das Wasser reichen kann. Sehr sympathisch: Viele Ansagen in deutscher Sprache.

    Roberts Set war geringfügig länger, dann kam endlich der Mann, auf den wir gewartet hatten: Bill Callahan. Begleitet wurde er von einer Band, die es sich zum Vorsatz gemacht hatte, zu rocken. Zwei E-Gitarren, Schlagzeug, Bass. Die Annahme, dass es egal sei, ob auf dem Ticket der Name Smog oder Bill Callahan vermerkt steht, stellte sich rasch als richtig heraus. Den Auftakt bildete eine beinahe kontemplativ vorgetragene Fassung von „Teenage Spaceship“. Callahan öffnete den Mund nur soweit wie nötig, ab und an hatte man den Eindruck er wolle ins Mikro beißen. Danach die Eröffnungsakkorde von „Diamond Dancer“. Aufbrausender Jubel. Die Band dreht auf. Besonders die Rhythmussektion weiß zu gefallen: Bassist und Drummer sehen aus, als hätte man sie aus einer musizierenden Latinotruppe der Einkaufspassage entführt. Der Drummer vollzog ein schwungvolles Spiel mit ganzem Körpereinsatz, der Mann am Bass vollführt lustig anzusehende Tänze. Die Sonnenbrille bedeckt dabei gefühlte zwei Drittel seines Gesichts. Zurück zur Musik. Erneut erleben wir das Jahr 1999, denn „River Guard“ vom famosen Knock Knock macht eine gute Figur, trotz der gewaltigen Elektrifizierung. Eine Akustikgitarre oder gar ein Klavier (ein liebgewonnener Begleiter vieler Callahan-Songs) vermissten wir keineswegs.

    Weiterhin erfreut die Tatsache, dass viele Songs, die man sich seinerzeit auf Smog-Mixtapes gepackt hat, gespielt werden. „Blood Red Bird“, „The Natural Decline“, „Rock Bottom Riser“ und natürlich der Crowdpleaser „Cold Blooded Old Times“. Das alles, wie vorher schon beschrieben, sehr dynamisch und druckvoll. Zwischendurch gibt es dennoch immer wieder gedämpfte Passagen wie etwa das countrifizierte „Our Anniversary“. Auffällig bleibt, dass Callahan sich mit Stücken seiner aktuellen LP zurückhält. Neben „Diamond Dancer“ schaffte es nur noch „Sycamore“ ins Programm, jener Song wird dann auch erst im Zugabenteil gespielt. So bleibt zumindest diesbezüglich ein kleiner Wermutstropfen, hätte man sich doch beispielsweise „From The Rivers To The Ocean“ oder „Honeymoon Child“ gewünscht. Egal, im letzten Stück heißt es: B-l-o-o-d-f-l-o-w, huh huh. Die Masse geht mit, lediglich hinter uns steht eine penetrante, mal leise, mal laut meckernde Nervensäge. Der Herr muss sich verirrt haben; die E-Gitarren zu laut, der Drummer zu krachig, Callahans Bewegungen zur Musik zu ungestüm. Man wünscht wahrlich niemanden, stetig grummelig kommentierende Konzertnachbarn… Leider ist auch „Bloodflow“ irgendwann zu Ende. Ein letztes „Thank you“, tatsächlich begleitet von einer angedeuteten Emotion: Bill Callahan zeigt sein bezauberndstes Spitzbubenlächeln. Wir schauen glücklich der Band hinterher, im Saal ist bereits das Licht angegangen.

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    #6630533  | PERMALINK

    tugboat-captain

    Registriert seit: 20.03.2008

    Beiträge: 2,825

    Wahrlich eine Schande, dass ihr für euren Bericht noch keine lobenden Worte erhalten habt, team-love. Sehr treffend und schön beschrieben, auch aus der Warte des Kölner Konzertes gestern Abend im Gebäude 9 heraus, dass nicht so gut besucht war wie vor drei Jahren, als Callahan dort noch als Smog unterwegs war.
    Ich übe mich wegen der guten Vorarbeit ein wenig in Bescheidenheit und schreibe gar nicht mehr viel. Vielleicht erst mal, dass gestern Abend J. Mascis unter der Zuschauern war, der heute hier in Köln sein Konzert mit Dinosaur Jr. geben wird. Eine gelungene Überraschung für viele (auch für mich), die den pummeligen Gitarristen und Sänger zunächst mal im Vorraum entdecken konnten. Nach dem mir viel wichtigeren Lou Barlow habe ich dann auch noch Ausschau gehalten, aber er war nicht auszumachen.

    Der Abend, er bedeutete für mich nach dem Verlassen des Gebäude 9 das beste Konzert seit drei oder vier Jahren. Aufgeregt war ich im Vorhinein wie lange nicht mehr, immerhin standen da mit Alasdair Roberts und Bill Callahan gleich meine beiden Lieblingskünstler überhaupt auf einer Bühne. Auf Ersteren war ich ein Stück weit mehr gespannt, da ich Roberts bisher noch nicht live sehen konnte. Und er hat meine Erwartungen mit seinem nicht zu kurzen Soloakustikset bis ins Allerletzte erfüllt. Es ist immer wieder schön zu sehen und vor allen Dingen zu spüren, dass die Vergabe des Wortes „Lieblingskünstler“ berechtigt und verdientermaßen Hand und Fuß hat – und das galt für beide Musiker an diesem Abend. Aber kurz zurück zu Roberts: Auch als er zwei neue Songs anstimmte, gingen diese mir sofort in Fleisch und Blut über, was live eigentlich so gut wie nie passiert, wenn es zu persönlichen Uraufführungen kommt. Das beweist mir eben noch mal mehr, dass ich bei diesem Mann gut aufgehoben war und bin. Wahrlich grandios war Roberts Abgang mit „A Lyke Wake Dirge“, als er plötzlich und sehr überraschend damit begab, sich selbst noisig und lautstark zu samplen und die Zuschauer mit wildem wie einnehmendem Getöse allein ließ. Wohl als Ersatz für die fehlenden Chöre und polternde Rhythmustruppe, die man in der Originalversion auf „No Earthly Man“ zu hören bekommt.
    Zu Callahan kann ich gar nicht mehr viel sagen, ihr habt mir die Beschreibung der Musik bestens abgenommen. Seine herben, monotonen Gesichtszüge verraten wie immer nie wirklich viel und könnten darauf schließen lassen, dass man dem Unsymphat schlechthin unterworfen ist, doch ein Lächeln (und kurzes Flachsen mit Ali Roberts, der für „Let Me See The Colts“ auf die Bühne kam) verrät mehr als jede andere mimische Geste.
    Zum Schluß vielleicht noch ein Wort zum Bassisten. Wir waren ja der Meinung, dass es sich um einen weißen Snoop Doggy Dog handelte.

    Ich habe zwar gestern nicht mitgeschrieben, aber ich glaube, dass ich Callahans Setlist zu seinem ca. 100-minütigen Auftritt noch hinbekomme. Falls es ein oder zwei Dreher geben sollte, bitte ich um Nachsicht. Vergessen habe ich allerdings nichts:

    Teenage Spaceship
    Our Anniversary
    Diamond Dancer
    Say Valley Maker
    Blood Red Bird
    I Feel Like The Mother Of The World
    Rock Bottom Riser
    Natural Decline
    River Guard
    Sycamore
    Cold Blooded Old Times

    Let Me See The Colts
    Bloodflow

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    #6630535  | PERMALINK

    declan-macmanus

    Registriert seit: 07.01.2003

    Beiträge: 14,707

    Wow, was für eine Setlist! Ich freue mich riesig auf heute abend! Hoffentlich geht es zeitig los, damit ich nicht für die letzte Bahn einen Teil des Konzerts verpasse.

    Hat Gropper in Köln auch gespielt? Muss ich auch für Frankfurt mit ihm rechnen? Angekündigt ist er auf der Seite der Brotfabrik nicht – Roberts allerdings auch nicht.

    tugboat captainWahrlich eine Schande, dass ihr für euren Bericht noch keine lobenden Worte erhalten habt, team-love.

    Ihr? Wer seid denn Ihr? Sebi, bist du das?

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    #6630537  | PERMALINK

    nail75

    Registriert seit: 16.10.2006

    Beiträge: 44,708

    @Declan: Ich habe gestern angefragt und es war keine Rede von einer Vorgruppe, im Gegenteil das Konzert soll bis 22:30 zu Ende sein, Einlass ist um 20:00 oder etwas früher. Wir werden rechtzeitig da sein.

    --

    Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.
    #6630539  | PERMALINK

    mr-soul

    Registriert seit: 16.07.2002

    Beiträge: 6,408

    Klasse Konzertberichte! Wie gern wäre ich dieses Jahr dabei gewesen…:roll:

    --

    "i tell all my friends that i'm bound for heaven, and if it ain't so you can't blame me for living" Thank You, Jason!
    #6630541  | PERMALINK

    declan-macmanus

    Registriert seit: 07.01.2003

    Beiträge: 14,707

    nail75@Declan: Ich habe gestern angefragt und es war keine Rede von einer Vorgruppe, im Gegenteil das Konzert soll bis 22:30 zu Ende sein, Einlass ist um 20:00 oder etwas früher. Wir werden rechtzeitig da sein.

    Roberts ist allerdings auf der Drag City-Homepage als Voract angeführt. Ich fände es auch schade, wenn er nicht dabei wäre – der Käpt’n hat mich sehr neugierig auf ihn gemacht. Vielleicht beginnt der ja schon um acht, halb neun. Dann eine halbe Stunde Pause, Callahans 100-Minuten-Set – und schon geht die Rechnung bis 22.30 Uhr auf. Darf auch ruhig ein bisschen länger dauern – ich müsste spätestens um viertel vor zwölf die Halle verlassen.

    Ich werde kurz vor acht da sein. Wir sehen uns!

    --

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    #6630543  | PERMALINK

    prodigal-son

    Registriert seit: 26.12.2002

    Beiträge: 10,737

    Declan MacManusRoberts ist allerdings auf der Drag City-Homepage als Voract angeführt. Ich fände es auch schade, wenn er nicht dabei wäre – der Käpt’n hat mich sehr neugierig auf ihn gemacht. Vielleicht beginnt der ja schon um acht, halb neun. Dann eine halbe Stunde Pause, Callahans 100-Minuten-Set – und schon geht die Rechnung bis 22.30 Uhr auf. Darf auch ruhig ein bisschen länger dauern – ich müsste spätestens um viertel vor zwölf die Halle verlassen.

    Ich werde kurz vor acht da sein. Wir sehen uns!

    Ein 100 Minuten Set gab es übrigens in Berlin nicht. Callahan spielte gut eine Stunde, nach einer kurzen Pause kamen dann die zwei Zugaben. Nettozeit dürfte sich eher so um die 80 Minuten bewegen.

    Roberts war auch in Berlin nicht explizit angekündigt. Ihr werdet ihn sicher heute abend erleben.

    --

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    #6630545  | PERMALINK

    tugboat-captain

    Registriert seit: 20.03.2008

    Beiträge: 2,825

    Declan MacManus
    Hat Gropper in Köln auch gespielt? Muss ich auch für Frankfurt mit ihm rechnen? Angekündigt ist er auf der Seite der Brotfabrik nicht – Roberts allerdings auch nicht.

    Get Well Soon haben hier nicht gespielt. Roberts wird, wie Sebastian schon gesagt hat, in jedem Fall bei euch auftreten.

    --

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    #6630547  | PERMALINK

    declan-macmanus

    Registriert seit: 07.01.2003

    Beiträge: 14,707

    Sehr schön. Danke Euch beiden. Gibt es Interessantes am Merchandising-Stand? Muss ich noch mal zum Geldautomaten?

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    #6630549  | PERMALINK

    prodigal-son

    Registriert seit: 26.12.2002

    Beiträge: 10,737

    Declan MacManusSehr schön. Danke Euch beiden. Gibt es Interessantes am Merchandising-Stand? Muss ich noch mal zum Geldautomaten?

    Du bekommst alle LPs und CDs seit „Julius Caesar“ (bis auf „A River…“). Preise: jeweils glatt 15 Euro. Und die Bücher von Callahan für einen Fünfer.

    --

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    #6630551  | PERMALINK

    tina-toledo
    Moderator

    Registriert seit: 15.06.2005

    Beiträge: 13,392

    Declan MacManus Vielleicht beginnt der ja schon um acht, halb neun. Dann eine halbe Stunde Pause, Callahans 100-Minuten-Set – und schon geht die Rechnung bis 22.30 Uhr auf. Darf auch ruhig ein bisschen länger dauern – ich müsste spätestens um viertel vor zwölf die Halle verlassen.

    Genau um die Zeit fuhr gestern Abend auch meine letzte Bahn, weswegen ich die Zugabe leider komplett verpassen musste (Bill Callahan fing um 22:30 an). Drücke dir die Daumen, dass es in Frankfurt früher losgeht!

    Ansonsten ein wunderbares Konzert, zu dem ich nach den beiden schönen Berichten gar keine Worte mehr verlieren möchte. Nur das noch: Alasdair Roberts ist bei mir spontan die Entdeckung des Jahres (mindestens)!

    --

    Sir, I'm going to have to ask you to exit the donut!
    #6630553  | PERMALINK

    tugboat-captain

    Registriert seit: 20.03.2008

    Beiträge: 2,825

    Sebastian FrankUnd die Bücher von Callahan für einen Fünfer.

    Die allerdings nicht zu empfehlen sind. Zwei von seinen „Werken“ verstauben hier seit Jahren. Dahinter verbergen sich ziemlich scheußliche Aktzeichnungen.

    tina toledoNur das noch: Alasdair Roberts ist bei mir spontan die Entdeckung des Jahres (mindestens)!

    :laola0: :lala:

    --

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    #6630555  | PERMALINK

    prodigal-son

    Registriert seit: 26.12.2002

    Beiträge: 10,737

    tugboat captain Dahinter verbergen sich ziemlich scheußliche Aktzeichnungen.

    Das stört Dich nur deshalb, weil Du mit dem Genre nichts anfangen kannst. ;)

    --

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    #6630557  | PERMALINK

    tugboat-captain

    Registriert seit: 20.03.2008

    Beiträge: 2,825

    Sebastian FrankDas stört Dich nur deshalb, weil Du mit dem Genre nichts anfangen kannst. ;)

    Stimmt, nackte Frauen und ich. Damit bin ich durch.

    --

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    #6630559  | PERMALINK

    prodigal-son

    Registriert seit: 26.12.2002

    Beiträge: 10,737

    Cold Blooded Old Times!

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