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Wohlgemerkt, ich setze den Bruch nicht in den Siebzigern an, die ganze Loft-Szene z.B. steht klar in der Linie (ebenso wie später irgendwie auch M-Base, man greift da halt auch wieder Neues auf, aber genau das ist ja auch die Tradition). Der Bruch geschieht stückweis, an unterschiedlichen Orten, letztlich wohl schon beim Bebop, als der Jazz eben aufhört, Populärmusik zu sein, als der Rhythm & Blues zu entstehen beginnt, der in die Lücke prescht, Hard Bop, so kann man sicherlich argumentieren, war noch einmal ein letzter Versuch, die Hoheit zu gewinnen, Jazz wieder populärer zu machen (in dem Sinne war Hard Bop ja auch „Mainstream“, da argumentiert Rosenthal sehr einleuchtend, finde ich), danach bricht der Markt weg, die Clubs stellen auf Rock’n’Roll um, in den Sechzigern explodiert zwar die kreative Saat noch einmal, das hält auch in den Siebzigern noch an (und klar, auch Jazz-Rock, der ja auch Funk, Soul, diverse Latin-Spielarten etc. einbezog) – aber der Markt bricht ein, Jazz ist so gesehen ziemlich marginalisiert. Die „Strasse“ wendet sich anderem zu, und wie mir halt scheint bricht da der Kontakt über weite Strecken (aber nicht überall, wie auch schon erwähnt) ab. Was aber nicht heissen will, dass ein Blythe, ein Lake, ein Murray nicht weiterhin gültige (was für ein blödes Wort) Musik machen, die tief in der Tradition verwurzelt ist.
Der Bruch ist aber auch von der anderen Seite da. Das Auftreten der Rapper ist ein anderes, man arbeitet mit verschiedenen Strategien, um Kritik zu üben, um Meinungen zu äussern – und man hinterfrägt nicht selbst ununterbrochen den „Wert“ des eigenen Tuns, wie das im Jazz üblich war/ist, man will nicht „klassische“ Musik sein, bürgerliches Museum, vorweisbare Preziose. Das alles spielt keine Rolle, auch da nicht, wo Traditionslinien irgendwie noch auszumachen sind (ich erwähnte oben mal Public Enemy, man könnte wohl auch Guru nennen, DJ Premier, A Tribe Called Quest, was weiss ich).
Dass ein Puntin oder ein Chisholm oder ein Wogram ein Projekt wie Kamasi Washingtons nicht machen, ist natürlich klar. Dass sie es – rein technisch – könnten, glaube ich gerne, aber ob sie das überzeugend hinkriegen würden, wage ich mal vorsichtig zu bezweifeln. Das hat allerdings überhaupt nichts mit ihren Qualitäten zu tun, ich glaube einfach – aber das ist letztlich auch bei den ganzen Young Lions nicht anders – dass mich das Resultat nicht sonderlich überzeugen würde (aber klar, man kann mir jetzt irgendwelche Tracks vor die Nase halten und mich an selbiger herumführen, das würde sicher gehen).
Ich glaube, das, worum es geht, sind die Anknüpfungspunkte. Und eben: die sind letzlich ja auch bei einem Ran Blake, einem Paul Bley oder bei den ganzen europäischen Avantgarde-Leuten der Sechziger und Siebziger bereits völlig andere als z.B. bei den New Yorker Free Jazzern der Sechziger (und in Chicago sind sie noch mal anders oder anders gewichtet). Dass da verschiedene Kontexte, verschiedene Lokalitäten, verschiedene Beziehungsnetze zu anderen Resultaten führen, dass der Hörer auf individueller Basis irgendwo ein Empfinden haben wird, dass da Linien überschritten werden (aka Brötzmann macht keinen Jazz, Evan Parker macht keinen Jazz, was weiss ich … machen sie vielleicht auch nicht, aber eine Linie von Brötzmann zu Ayler wird wohl keiner bestreiten, der sich der Musik nicht komplett verschliesst).
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