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die flucht hatte ich schon ziemlich oft gelesen, jetzt länger nicht mehr, und in meinem internen roth ranking ist sie doch ein gutes Stück zurückgefallen (hab sie mal sehr sehr gemocht)
Goodwin Wharton ist schon von der Geschichte her ein unglaubliches Buch, J Kent Clark wolte eigentlich eine Biografie von Goodwins Bruder Tom schreiben (einem bedeutenden britischen Politiker des 17. Jahrhunderts) und stiess bei den Recherchen auf Goodwins handgeschriebene Autobiografie in der British Library, nicht weniger als 500000 Wörter (also ca 2000 gedruckteSeiten). Das Buch ist schlicht eine kommentierte und geordnete Version davon.
Goodwin Wharton war, kurz gesagt, ein mittel bedeutender britischer Politiker, der um seinen dreißigsten Geburtstag einer Frau in die Hände fiel, die behauptete, ihm Alchemie beibringen zu können, ihn mit den Elfen in Verbindung zu setzen und und und… Leider klappte davon nie irgendwas, Goodwin war dutzende Male kurz davor, die Königin des Elfenreichs zu heiraten, aber mal spielte das Wetter nicht mit, mal hatte die Königin ihre Tage (Elfen sind sehr streng mit sowas), mal… das mit der Alchemie war ähnlich erfolgreich, Schatzsuche mit von den Engeln des Herrn persönlich gelieferten Tauchanzügen ging am Ende auch nicht, weil die Anzüge von den Engeln versehentlich nach London und nicht nach Jersey (dem Ort der Schatzsuche) geliefert wurden und dann in einer Kiste lagen, die aus spirituellen Gründen nicht geöffnet werden durfte, weil dann der Inhalt verschwindet… die Frau (zu Beginn der Geschichte immerhin 50 Jahre alt, sie hatte sich die Jahre vor der Begegnung länger nur von Brandy ernährt) bekam auch nicht weniger als 103 Kinder von ihm, die er alle finanziell versorgen musste, obwohl er nie eins davon zu Gesicht kam (bzw, doch, eins)
Das Buch ist also die Geschichte von jemandem der unfassbare Serien von Rückschlägen, die im bürgerlichen Leben, wie wir es kennen, kaum so geballt auftreten könnten, über viele Jahre wegsteckte wie fast nichts… am Ende versucht sich Wharton doch wieder mit Politik, fängt doch noch an, eigenes Geld zu verdienen, und wird für ein paar Jahre wirklich einflussreich, irgendwie hat man das Gefühl, er ist mittlerweile so sehr an unfassbare Rückschläge gewöhnt, dass das bisschen Politik ihm auch nichts mehr anhaben kann… als die Engel des Herrn es immer wieder versäumen, ihm eine Einkommensteuerreform zu diktieren, macht er halt selber eine…
zusammenfassend, ein interessanter Mensch, britische Geschichte aus der Zeit (1680-1700, ereignisreich) kannt ich auch kaum, das Buch kriegt man am besten gebraucht bei amazon uk, hier findet man die working paper version eines repräsentativen kapitels…
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