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gypsy tail windJoseph Jarman & Marylin Crispell – Connecting Spirits (Music & Arts, 1996) ****
Die läuft nach einigen Jahren grad zum ersten Mal wieder… dank vorgartens BFT, notabene. Ziemlich schöne Sache, mal ruhig und melodisch, dann wieder zerklüftet und beschleunigt, aber irgendwie immer von einer ruhigen Stimmung und einer lyrischen Atmosphäre geprägt, auch wenn Crispell ihre besten Taylor-Kaskaden hämmert und Jarman kurze Fragmente hinrotzt. Wobei hämmern und rotzen eben schon zu starke Formulierungen sind – irgendwie wirkt hier alles… sublimiert (lieb gesagt) oder (weniger lieb ausgedrückt) gedämpft, etwas matt.
Allerdings tendiere ich auch heute wieder dazu, das ganze als ziemlich gelungen und toll zu hören (will also lieb bleiben). Die beiden haben sich eindeutig viel zu sagen und sind stilistisch wenig eingebunden oder festgelegt, was die Musik offen macht und vielseitig.
Aus Tom Waters‘ Liner Notes:
The most obvious point of triangulation in this genuinely historic meeting of Crispell and Jarman is neither Braxton or Anderson, though, but John Coltrane. […] Here, they play Coltrane’s composition „Dear Lord“ […] and invoke Coltrane’s insistent concentration on particular sounds in „Structure I“ and elsewhere.
Like Coltrane, Jarman and Crispell are both known for the spiritual sides of their music, reflected not only in the title of this recording, but in such previous Crispell compositions ans 1993’s „Santuerio“ and in Jarman’s work as a Buddhist priest, poet, and teacher of aikido: pursuits that have increasingly taken him away from musical performance.
Warum zitiere ich das? Weil es einerseits interessant zu wissen, andererseits aber völlig Wurst ist. Es mag scheinen, dass gewisse Aspekte – besonders die getragene Stimmung der Musik – dadurch erklärt werden, aber das spielt eigentlich keine Rolle, denn die Musik spricht für sich selbst. Wenn Jarman auf seinem Altsaxophon mit leicht zittrigem, dünnen Ton die Melodie von „Dear Lord“ singt über Crispells warmen Piano-Kaskaden, sich allmählich Dissonanzen einschleichen, das Rubato einer abgehackteren Rhythmik weicht, dann ist das Musik von grosser Reinheit, die keiner weiteren Erklärung bedarf.
In „Connectivity“ folgt dann der ersehnte Ausbruch, die Musik befreit sich für einen Moment aus dem Korsett des Moderato und wandelt sich in ein Vivace – sehr schön! Das abschliessende, lange „Meditation on a Wow of Compassion“ ist dann allerdings (wie Scott Yanow in einer Mini-Kritik auch betont) ziemlich öde und vor allem wenn’s denn unbedingt auf die CD muss (sie dauert knapp 59 Minuten, wäre ohne vierzehneinhalb Minuten Langeweile immer noch ordentlich lang geworden) völlig am falschen Ort plaziert.
Insgesamt aber ein durchaus hörenswertes Set, bei meinen **** bleibe ich.
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