Re: ECM Records

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vorgarten

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ECM 1043
bennie maupin: the jewel in the lotus

dieses album (und das nächste) ist (sind) ein bisschen der grund, warum ich das hier mache. nicht etwa, weil es exakt so alt ist wie ich selbst (aufgenommen im märz 1974), sondern weil ich mich immer gefragt habe, wo die ganzen unfassbaren klangwelten 1972 hingegangen sind, die hancocks mwandishi-band vorher für ein paar jahre erzeugt hatte. manfred eicher, der seine ohren eben auch dort hatte, muss man das große verdienst zuschreiben, eine art würdigen nachklapp zu diesen, sich woanders in kommerziellere funk-richtungen hinbewegenden, jazztrips produziert zu haben.

THE JEWEL IN THE LOTUS ist eine unendlich faszinierende, sich nach den letzten klängen aber sofort wieder entziehende space opera, in der alles entrückt still steht. maupin und hancock, die damals schon (genau wie der elektronik-pionier patrick gleeson, der hancocks kongenialer partner in den späten mwandishi-entwicklungen war und auch viele nachfolgeprojekte produziert hat, julian priesters ecm-album z.b.) zu headhunters geworden waren, verdichten hier das mwandishi-konzept auf die reinen soundwolken, in der der bass von buster williams eine bewegung bloß nur noch andeuten darf. zarte melodien stehen im raum, daneben, wie getrennt davon vorgefunden, eine sehr subtile percussion von immerhin drei drummern (billy hart, freddie waits und bill summers). maupin schwebt darüber, auf dem sopran und der flöte, später kommt noch eine unisono spielende gedämpfte trompete dazu. glockenspiel, marimba, dann plötzlich ein leicht irres auftreten menschlicher stimmen, maupins berühmte, aus den tiefen auftauchende bassklarinette, plötzlich entsteht dunkles, aggressives chaos (summers instrument hier laut credits eine mit wasser gefüllte mülltonne), bevor sich hancock mit zarten klavierläufen vorerst verabschiedet –

– und mit ringmodulierten synthsounds wiederkommt. die reise auf seite 2 läuft gemäßigter ab und endet romantisch, dennoch sind auch hier die klangfarben nicht recht herleitbar. sie sind nicht organisch entwickelt (wie auf marion browns FAUN) oder zusammenmontiert (weber), sie stehen einfach enigmatisch im raum. THE JEWEL ist nicht zuletzt auch kompositorisch eine riesengroße leistung. eins der tollsten alben der 70er, die ich kenne, kein bisschen verstaubt, sondern wahrscheinlich immer noch so rätselhaft wie damals – vielleicht liegt anderer staub darüber, nicht der von irdischen, toten dingen, sondern sternenstaub.

für die wiederveröffentlichung auf cd (mit anderem cover) haben sich eicher und kongshaug nochmal dran gesetzt. ich kenne allerdings nur den ursprünglichen vinylmix.

Bennie Maupin reeds, voice, glockenspiel
Herbie Hancock piano, electric piano
Buster Williams bass
Frederick Waits drums, marimba
Billy Hart drums
Bill Summers percussion, water-filled garbage can
Charles Sullivan trumpet
Recorded March 1974, Record Plant, New York
Engineer: Dennis Ferrante
Produced by Manfred Eicher
Remastered by Manfred Eicher with Jan Erik Kongshaug in Oslo in February 2007

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