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Herr Rossi
Das ist das abendländische „Hochkultur“-Verständnis, das kann ich mit der Begeisterung für Popmusik nicht in Einklang bringen.
Ich muss dabei tatsächlich an Wolfgangs Schilderung denken, wie ein autoritärer Pauker ihm an der Tafel durchdeklinierte, warum „Satisfaction“ Dreck ist. Der Mann hatte genau den gleichen Kulturbegriff. Für mich ist die Folgerung daraus, dass man mit der Absolut-Setzung von Kultur auf dem Holzweg ist. Kultur ist Diskurs, ist Kommunikation zwischen Menschen. Das absolute, autoritäre Kunstwerk ist eine esoterische Vorstellung.
Völlig falsch verstanden. Nicht ich sage, dass Satisdfaction Kunst sei, sondern Satisfaction tritt mit dem Anspruch an mich heran Kunst zu sein. Meine Aufgabe als Hörer ist es nun, diesem autoritären Anspruch des Werkes gerecht zu werden. Diesem nachzuspüren, das Werk auf seine immanente Stimmigkeit und kontextuelle Bedeutung hin zu überprüfen, erst dann kann ich zu einer Wertung kommen. Dieser Ansatz hat nichts mit Schund oder Nicht-Schund zu tun. Ein Werk, das an sich selbst keinen Werkanspruch hat, entlarvt sich von selbst als wertlos. Dies ist beileibe kein anachronistischer oder ewiggestriger kunstästhetischer Ansatz. Nur verlangt er ein wenig mehr Mühe, als die „alles ist erlaubt“-oder auf der anderen Seite die Kanon-Schiene.
Herr Rossi@Mikko: Nein, diese Definition hätte Wolfgangs Pauker sofort unterschrieben. Dieser Kunstbegriff lebt doch von einer nicht kontrollierbaren Unterscheidung zwischen „Kunst“, auf die man sich einzulassen und an der man sich abzuarbeiten hat, und „Nicht-Kunst“ (Kitsch, Schund, Dreck …), die – selbstverständlich niedere – Triebe befriedigt. Für Wolfgangs Pauker waren die Stones „Nicht-Kunst“, Wolfgang oder Otis oder wer auch immer definiert halt irgendwas anderes als „Nicht-Kunst“.
Ich definiere überhaupt nichts, jedes Werk, auch Midnight Lady oder Gimme Gimme Gimme definiert sich selbst durch sein Auftreten als Kunst.
Das mit der „Selbstbefriedigung“ mag oben noch missverständlich sein. Jedem die seine, und sicher eignet sich Musik hervorragend zu diesem Zwecke. Die großartigste Kunst lässt sich in diesem Sinne gebrauchen. Das macht sie nicht schlecht, das macht auch diese Art der Rezeption nicht verwerflich, nur ist das in keiner Weise eine Grundlage für eine kommunizierbare Bewertung.
Da gilt dann tatsächlich der Grundsatz, was dem einen schmeckt, muss dem anderen noch lange nicht munden. Hört man auf diese Weise, hört man ein Kunstwerk nicht werkbezogen, sondern zur eigenen Geschmacksbefriedigung. (Nochmal: Ich finde das nicht per se schlimm, aber es kann eben nicht Grundlage eines ästhetischen Diskurses sein).
Edit: Rossi, du scherst ständig Kunst und Kultur über einen Kamm. Das sind zwei völlig verschiedene Dinge.
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