Re: Ein Colt für alle Fälle/The Fall Guy

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bullitt

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Nette Erinnerung in der Spiegel-Rubrik „Eines Tages“ zum 25-Jährigen Colt-Jubiläum:

Das Stunt-Männchen kommt

Er war mies gekleidet, ein übler Verkehrsrowdy und hatte einen Schrank voller Waffen: Colt Seavers war der Held unserer Jugend. Stefan Schmitt erinnert sich an die Serie mit dem unbekannten Stuntman, die vor 25 Jahren erstmals über deutsche Fernsehschirme flimmerte – und nicht nur Jungsherzen höher schlagen ließ.

Ein Team für alle Fälle: Zwischen 1981 und 1986 machte dieses Trio mit „Ein Colt für alle Fälle“ Straßen und Fernsehbildschirme unsicher. Von links – Howie Munson (Douglas Barr), Colt Seavers (Lee Majors) und Jody Banks (Heather Thomas). In Deutschland war die Serie erstmals 1983 im TV zu sehen.
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von Stefan Schmitt

Wie ich mich denn fühle, fragte unser Pannenhelfer. „Wie beim Colt“, antwortete ich. Denn zum ersten Mal und lange bevor ich wusste, was das Wort Pick-Up überhaupt bedeutet, saß ich in einem. Rechts von mir mein Vater, links der Automechaniker, der unsere motorschadenlahme Familienkutsche im Frühsommer 1986 von der Autobahn zog. Mit einem Ungetüm von Gefährt, das nur aus Führerhaus, Ladefläche und enormen Reifen zu bestehen schien – und dessen Gattungsbegriff auf dem Schulhof schlicht „Coltwagen“ lautete.

Unzählige Male hatte ich diese Wunderautos über Hügel springen, über Abgründe fliegen, über Kreuzungen schliddern und etliche Verkehrsregeln brechen sehen. Am Steuer saß immer Colt Seavers, Hauptfigur und Namensgeber der Serie „Ein Colt für alle Fälle“, in den frühen Achtzigern der Held aller kleinen Jungs. Und nicht nur dieser, denn damals brummte auch unser Pannenretter so zufrieden, als verbuche er meine Antwort als persönliches Lob.

Seavers ist wohl die Figur mit dem haarsträubendsten Jobsharing, das je für ein Drehbuch erfunden wurde: Teilzeit-Stuntman und Gelegenheits-Kopfgeldjäger, darauf musste man erst einmal kommen, um sich von der Schwemme der Krimi- und Detektivserien der siebziger und frühen achtziger Jahre abzusetzen. „I’m just the unknown stuntman, that makes Eastwood look so fine“ – das ohrwurmhafte Titellied von „Colt“-Erfinder Glen A. Larson (Komposition) und Hauptdarsteller Lee Majors (Gesang) erklärt den Plot: Der unbekannte Stuntman hält seine Knochen hin, damit andere gut aussehen. Die Frauen mögen ihn lieben, bei ihm bleiben werden sie nimmer. Und mit der Schule hatte er es natürlich auch nie. Denn er ist ein Kerl. Und an den erinnere ich mich, als hätte ich gerade gestern im Abschleppauto und vor dem Fernseher gesessen.

Sprünge, Stunts und soziale Totalschäden

Am 8. März 1983 lief die erste Folge der Serie im deutschen Fernsehen – kulturskeptisch betrachtet ein bedenklicher Dauerbeschuss mit Trash und schlechten Vorbildern. Bis Ende 1987 beglückte ein üppig brustbehaarter Mann eine ganze Generation mit Verhaltensweisen, die man heute eher in den Jugendgewaltfantasien eines Roland Koch wiederfindet: Colt prügelte sich fast jede Woche. Colt hatte einen ganzen Schrank voller Waffen. Colt hatte Probleme mit Regeln (auch mit denen der Physik). Colt war ein Verkehrsrowdie. Und Colt war die perfekte Synthese aus modischem Totalausfall (Cowboystiefel, zu hoch sitzende Jeans, Riesengürtelschnalle, bestickter Nylonblouson) und Männlichkeitsgehabe.

Es war wie beim Pick-Up. Von Colt lernte ich, was Machismo ist, lange bevor ich das Wort dafür kannte: „Weiber“, murmelte er am Telefon noch bevor er den Hörer auflegte. Seine Auftraggeberinnen Terri und Samantha behandelte er grundsätzlich mit der Zeitlupen-Güte, die man ansonsten nur schwer Hirngeschädigten angedeihen lässt. Jodie, seiner Assistentin bei Stunts und Kopfgeldjagd, begegnete er mit jener übertrieben gestikulierten Fürsorge, die man beim pathologisch eifersüchtigen Vater einer pubertierenden Abschlussballprinzessin vermuten (wenngleich nicht billigen) würde. Seinen rundumstudierten Cousin Howie behandelte er in guten Momenten wie einen Schoßhund.

Kindliche Vergötterung und faszinierte Nörgelei

Doch diese kleingeistigen Nörgeleien entspringen nicht meiner Erinnerung, sondern sind das Ergebnis einer Auffrischung: Auf sechs DVDs ist die erste Staffel von „Ein Colt für alle Fälle“ gerade neu veröffentlicht worden, kurz vor dem 25-jährigen Jubiläum der deutschen Erstausstrahlung und mit neuer Synchronisation. Endlich, dachte ich unwillkürlich, als ich davon hörte. Schon mehrfach hatte ich mit Kollegen gesponnen, wie schön es wäre, einen Videoabend mit dem guten alten Colt zu machen.

Rund zweitausend TV-Serien gibt es in Deutschland gegenwärtig auf DVD zu kaufen. Rund die Hälfte davon seien (erstmals) im Fernsehen gesendet worden, „als die Generation 30+ ihre Kindheit hatte“. Das hat im Winter Till Raether nachgezählt, der Kolumnist der (Erwachsenen-)Zeitschrift „Brigitte“. Mag uns die frühere Faszination von Pick-Up, Stunts und Verfolgungsjagden vielleicht suspekt sein: Was wir damals toll fanden, lässt uns auch heute nicht ganz kalt. Raethers Hypothese: Die immer neuen Retro-DVD-Boxen seien „die Light-Version einer Zeitmaschine für Frauen und Männer in den Dreißigern“.

Zeitmaschine an: Auf einer langen Zugfahrt habe ich mir ein Paar alte „Colt“-Folgen noch einmal angeschaut. Colt rast im Rennwagen, springt im Pick-Up, fällt ohne Fallschirm vom Himmel, turnt auf einer Flugzeugtragfläche herum – und die bösen Kautionsflüchtlinge müssen zurück ins Kittchen. Amüsant, doch das rechte Coltwagen-Fieber von früher will sich nicht einstellen. Was ist los? Ich teste „Colt“ an zwei Altersgenossen. Er und sie haben den Stuntman als Kinder ebenso geschaut wie ich, aber heute mosern sie: Die Dialoge! Die flachen Witze! Und so langsam geschnitten! Zu Ende gucken wollen sie trotzdem.

Ein Trickser für die gute Sache

Naja und die Sprünge, Kollisionen, Tricks und Explosionen – so sahen special effects im vordigitalen Zeitalter eben aus. Es fällt schwer, sich vorzustellen, dass die Serie mit dem Originaltitel „The Fall Guy“ nicht bloß eine Hommage an den Stunt-Standard ihrer Zeit war. 1985 wurde sie gar selbst mit einem „Stuntman Award“ ausgezeichnet. Und war es nicht so, dass Colt in der Rahmenhandlung stets einen neuen Stunt vorführte, den er dann häufig auch zur Überwältigung entlaufender Bösewichte einsetzen konnte?

Denn darüber dürfen Brusthaartoupet, Stadtcowboy-Klamotten und Macho-Manieren nicht hinwegtäuschen: In seinem drehbuchgemäßen Habitat, dem trashigen Hollywood der frühen Achtziger, ist Seavers nicht nur ein geradezu bescheidener, ehrlicher Arbeiter. Nein, bevor wir Kinder uns um guten Geschmack, plausible Plots oder gar subtile Umgangsformen geschert hätten, zeigte uns dieser Stunt-Mann zudem, dass die Gerechtigkeit siegen kann, wenn nur der richtige Trick zur Hand ist. Das konnte man nun wirklich nicht oft genug sehen – und irgendwie konditioniert hat es wohl auch. Zu wüsten Verkehrssünder-Chauvis hat „Colt“ uns jedenfalls nicht gemacht.

Quelle

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