Re: Current 93

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bender-rodriguez

Registriert seit: 07.09.2005

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Punkcow

Wäre schön, wenn Bender Rodriguez wie angekündigt nach und nach für etwas Übersicht im CURRENT 93-Veröffentlichungsdschungel sorgen könnte.

O.k., warum nicht? Irgendwo in der Nachbarschaft hocken irgendwelche fluffigen Typen herum und hören Reggae – Zeit, mal wieder C93’s „Dawn“ aufzulegen…

„Dawn“, veröffentlicht als LP 1987 auf dem „Maldoror“-Label (Reissues als CD 1989, 1993 als „Durtro 002“ und 2003, alle incl. Bonus-Tracks) kann man wohl mit Recht als ersten Wendepunkt im musikalischen Schaffen David Tibet’s bezeichnen. Die meist ellenlangen sakralen Chöre und entrückten Ohm-Gesänge der Vorgänger-Outputs weichen einer collagenhaften psychedelischen Stimmung, die aber gleichzeitig von der frühen Industrialculture, bzw. der Plunderphonics-Technik geprägt ist. Mit den Worten „This destiny does not tire“ beginnt der Seite 1 ausfüllende Track „Great Black Time“ (14:45 min.). Kirchenglocken setzen ein, die das ganze Stück begleiten. Ebenso ziehen sich Feedbackdistortions und Noiseschleifen durch das Oeuvre. Lou Reed’s „Metal Machine Music“, sowie „Revolution No. 9“ (Beatles – !) scheinen hier Pate gestanden zu haben. Zwischendurch blitzen liebliche Gesänge (es singt Rose McDowall) und Pianomelodiesprengsel durch. Bevor „Great Black Time“ zum Ende hin in Kakophonie mündet, mutet als schiere destruktive Boshaftigkeit das einmontierte Sample „California Dreaming“ von The Mamas & The Papas an. Gerade diese Hippiehymne lässt den Track umso bedrohlicher erscheinen. Man wartet eigentlich jeden Moment darauf, Charles Manson um die Ecke biegen zu sehen… Wohl eine der aufsehenerregendsten Klangcollagen des Genres, bzw. der Musikgeschichte. Kaum verwunderlich, daß hier Steven Stapleton (Nurse With Wound) mitwirkte, dieser Einfluss ist unüberhörbar.
Seite 2 füllt ebenfalls ein einziger langer Track aus: „Maldoror est mort“ (18:15 min.). Um die Thematik dieses Stücks zu erfassen, verweise ich auf die ausführliche C93-Biographie, Näheres hält die offizielle C93-Homepage parat. „Maldoror est mort“ ist ein abgründig düsteres Werk, das wohl eine Vorläuferrolle des „Dark Ambient“-Genres übernommen hat. David Tibet bietet den ganzen Track über einen lautmalerischen Gesangsvortrag, der wie von einem Besessenen anmutet. Ein schleppender, katakombiger Soundtrack, der bestens geeignet für schwarze Messen (sic!) zu sein scheint…
CD-Bonustrack „A Day In Dogland“ mutet mit seinen Kirchenorgelsounds und Chorälen neoklassisch, bzw. barockartig an, obwohl ihm gleichzeitig ein reduzierter und minimalistischer Anstrich gegeben worden ist. Übrigens stand Chopin hier Pate. Die musikalische Nähe zu Psychic T.V. und Coil tritt ebenfalls besonders zutage.
Mit „Extra Ecclesiam Nulla Salus“ klingt die CD aus. Im Prinzip ein Füller, beackert dieses Stück eigentlich nur die Furchen, die „Maldoror est mort“ schon zog. Bemerkenswert vielleicht noch der Chorgesang am Ende.
„Dawn“ ist für mich das stärkste Album der Frühphase von C93, auch wenn es gleichzeitig bereits einen Wandel in der Bandhistorie, bzw. der musikalischen Ausdrucksform ankündigt. Ab „Dawn“ musste man C93 wirklich ernstnehmen.
Weitere (bisher noch nicht genannte) beteiligte Künstler: der vor einigen Jahren an den Folgen von Alkoholmissbrauch verstorbene John Balance (Coil), John Murphy (ehemals S.P.K.) und Douglas P. (Death In June).

Meine Wertung: ****

Mehr:

http://www.durtro.com
http://brainwashed.com/c93/

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I mean, being a robot's great - but we don't have emotions and sometimes that makes me very sad