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„Und ob es Liebe ist, ein Lied darüber zu schreiben. Weiß ich nicht, nur das du es bist.“ Ja – die Liebe in Person war wieder da, und ich auch. Wie Herr Sebsemilia oben schon aufführte, wäre die Gesundheitsreform im Blumfeldschen Sinne überaus angebracht. Zumindest bei mir. Ein Blumfeld Konzert im Monat, Prävention. Wenns mal hart kommt, auch mal zwei oder drei Konzerte. Und so verfehlte auch an diesem Abend Jochen, der tatsächlich immer noch wie der schelmenhaften Anführer ein Jungenbande aussieht, mitsammt Musikern nicht seine Wirkung. Es wurde sicherlich nicht viel geredet und auch die Setlist überraschte mich nicht besonders (auch wenn mit „Status: Qua Vadis“, „Kommst du mit in den Alltag“, „Mein System kennt keine Grenzen“ und „So lebe ich“ die Platte Old Nobody äußerst präsent war), Jochen ging auf keine Zwischenrufe ein (einmal „Tausend Tränen Tief!“ konnte und wollte ich mir nicht verkneifen) etc. pp. Aber dennoch waren da wieder diese Momente; wie der, in dem auf einmal „So lebe ich“ angestimmt wurde und das bis dahin rockige Konzerte ungeahnte Intensität annimmt, oder Herr Distelmeyer zum Schluss wieder einmal „Die Welt ist schön“, das wohl traurigste Blumfeld-Lied überhaupt, vor sich hin pfeift und wenige im Publikum die Fresse halten können, da sie mit sowas nach wie vor scheinbar nicht umgehen können, oder wie er in „Strobohobo“ zwischen „buha“ und „I wanna boogie with you“ noch ein „Shake your hips“ einbaut, oder einfach, wie man den großartigsten, schönsten deutschen Geist da auf der Bühne stehen und klindlich grinsen sieht. Ist das die persönliche Vereinnahmung des Künstlers? Ja. Ist das falsch? Vermutlich schon. Aber hier wird die aktive Hilfestellung geliefert. Hier befreit sich jemand (und andere gleich mit) von der Paranoia, dass man nur alleine betroffen ist, hier werden Worte gefunden, miteinander verbunden, ein System erstellt, hier wird Liebe denk- und erfahrbar. Man könnte sagen: Wir teilen einen Traum. Und das steht dann 120 Minuten auf der Bühne und überkommt einen selbst. Da macht der schlechte Sound, der aufdringliche Tänzer nebenan, das eigenartige Publikum oder das Wissen, dass jemand gerade eine Kamera auf dein Gesicht hält, die du am liebsten einfach nur zerstören willst, nichts aus. Und hier wird man tatsächlich Teil einer transzendentalen Gnade, wie Jochen Distelmeyer es in Frankfurt im April scherzhaft erwähnte. Und hier möchte ich gerne einen Satz von John Cassavettes verfremden: „Es war nicht Deutschland, an das wir glaubten, es waren die Lieder von Jochen Distelmeyer!“ Dafür danke ich ihm. Und für das wundervolle Konzert.
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Die meisten Männer können nur nicht so perfekt unterdrücken, wie die Frauen es gerne hätten.