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nicht_vom_forum
Dass man bei jedem konkreten Fall eine globale Kategorisierung dadurch in Zweifel ziehen kann, dass man die Ebene wechselt und sich auf die Details fokussiert, ist doch sowohl bekannt als auch offensichtlich
Details? Es ist doch einigermaßen grotesk, beim Thema Winnetou die historische Simplifizierung zu kritisieren, um in die andere Richtung munter drauf los zu pauschalisieren, wenn es um die Einordnung von 500 Jahren nordamerikanischer Geschichte geht. Die Mär vom groß angelegten Völkermord ist in puncto Cowboy und Indianer-Klischees mit Karl May locker auf Augenhöhe.
bullschuetz
Man könnte aber auch sagen: Den zentralistisch-regierungsamtlichen Tötungsmasterplan aus Washington gab es nicht.
Eben…
Es gab tatsächlich keine Wannseekonferenz zur Endlösung der Indianerfrage. In dem Buch sind allerdings mehr als genug Zitate von Meinungsbildnern und Entscheidern (Gouverneuren, Zeitungen, führenden Militärs) enthalten, die ganz ausdrücklich die Ausrottung (extermination) als Ziel ausgeben; wenngleich nie bezogen auf „die Indianer“ von Kanada bis Mexiko und Ost- bis Westküste, sondern jeweils immer nur auf diejenigen Indianer, die gerade der Westexpansion im Wege standen.
Darauf wollte ich mit meinem Beispiel hinweisen, das eines der drastischsten für kriegerische Auseinandersetzungen mit Folge der beinahe Auslöschung eines Stammes ist. Es gab generell zig verschiedene Player, Allianzen, Handelskoalitionen, Interessengemeinschaften etc., die sich nun mal nicht einfach zu einem finalen Bauchgefühl zusammenfassen lassen. Der entstehende Eindruck, dass die indigene Bevölkerung größtenteils durch gezielte staatliche Massaker dezimiert wurde, ist nicht haltbar. Durch kriegerische Auseinandersetzungen starben die aller wenigsten. Das soll gar nichts beschönigen, aber die Völkermord-Theorie ist halt nur so naja.
bullschuetz Ich finde aber sehr wohl, dass es keine sonderlich überzeugende Idee ist, so vollkommen geschichtsblind an das Thema ran zu gehen. Es gibt jede Menge tolle Kinderliteratur, die auch mit schweren Stoffen überzeugend und gleichzeitig kindgerecht umgeht. Ich finde ferner, dass man „Industrieschmodder“ kritisieren darf, ohne unter Cancler-Verdacht gestellt zu werden. Und wenn ein Verlag kurz vor Toreschluss ebenfalls zur Überzeugung kommt, dass dieser neue Buch-zum-Film-Schnellschuss unterm anzustrebenden Mindestniveau liege, und daraus Konsequenzen zieht, kann ich darin keinen Skandal sehen, sondern finde es eher lobenswert. Oder findest du, das dürfen die nicht?
Der Verlag darf tun und lassen was er möchte und die Rezipienten dürfen kritisieren was sie wollen. Ich habe nur etwas dagegen, wenn moralisierende Bubbles einen Schritt vorher ansetzten, Verlage unter Druck setzen, um Veröffentlichungen bereits im Vorfeld zu verhindern. Ob es sich dabei um ein Winnetou-Ausmalbild oder die Autobiografie von Woody Allen handelt, ist dabei völlig egal, denn das ist keine Kritik sondern versuchte Zensur.
Was an dem Winnetou-Film nun „vollkommen geschichtsblind“ sein soll, habe ich bis heute nicht verstanden. Liegt vermutlich daran, dass ich ihn als einziger auch tatsächlich gesehen habe. Das romantisierten Indianer-Bild von May und die Besetzung durch einen türkischstämmigen Schauspieler geschenkt, aber gerade die Ausbeutung der Indianer durch Weiße ist doch das zentrale Thema und Völkerverständigung die Message für Kinder.
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