Antwort auf: Der "Tatort"

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speed-turtle

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Beiträge: 190

august-ramoneDie Zeit mit einer vernichtenden Kritik. Das gehört zum Standardverfahren

Zitat: „Die von allen Begehrte hatte sich vor der Ermordung glücklicherweise noch in einen „stramm linken Medizinstudenten“ (Selbstauskunft) verliebt. Das ist die Strategie, die dem Tatort im Kampf gegen rechte Gewalt und Hetze einfällt: Kitsch. Wir sind doch alle Menschen.“

Für mich ist die Geschichte genau an dieser Stelle brandaktuell geworden, ein Kommentar zum Tod der Diskussionskultur, der sich beim Thema Corona gerade brutaler zeigt als je zuvor, weil sich (verbale) „Gewalt und Hetze“ eben nicht mehr exklusiv einer bestimmten Seite zuschreiben lassen, sondern längst „lagerübergreifend“ den Stil von Auseinandersetzungen prägen.
Dagegen setzt der Film die schöne Utopie des „wunden Punktes“, die in der Lindholm-Behrends-Szene schon vorbereitet wurde und auf Bereitschaft zum gleichberechtigten, weitgehend ergebnisoffenen Zuhören basiert, statt Argumente des „Anderen“ lediglich auf ihre Verwertbarkeit für einen möglichst effektiven Gegenschlag abzuklopfen, weil bloß deren restlose Demontage den angestrebten Triumph des eigenen Vorurteils garantiert.
Insofern mag das alles – vom Titel angefangen – ein bisschen plakativ konstruiert gewesen sein: die rechtskonservative Lesbe; die unbeholfenen Lindholmschen Agitationsversuche und deren zusätzliche Motivation durch das schlechte Gewissen gegenüber ihrer Partnerin; die in Teilen potenziell verführerische Fascho-Rhetorik; die aggressive Eigendynamik des medialen Begleitrauschens bis hin zu den einschlägigen Netz-„Kommentaren“; der persönlich verbandelte Herr Oberstaatsanwalt und eben auch die „kitschige“ Wendung zum politisch korrekten Ende.
Aber darin nur ein „Mahnmal der Sinnlosigkeit, was das Reden mit Rechten angeht“ (ZEIT) zu sehen, geht am Kern der Sache nicht nur vorbei, sondern läuft ihm direkt zuwider. Wenn überhaupt, dann wäre das ein Mahnmal für die Unfähigkeit dieser Gesellschaft zum konstruktiven Diskurs, ganz unabhängig vom hier gewählten thematischen Rahmen und wie eingangs bemerkt heute vermutlich unabsichtlich sogar noch aktueller und brisanter als zur Entstehungszeit des Films.

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Musik ist nicht was sie ist, sondern was sie den Menschen bedeutet. (Simon Rattle)