Antwort auf: blindfoldtest #24 – vorgarten

#10226811  | PERMALINK

vorgarten

Registriert seit: 07.10.2007

Beiträge: 12,716

@wahr
danke für deine super kommentare, schön, dass du dafür zeit hattest!

wahr#1
Guter Anfang, weil ich plötzlich Musik mag, die ich sonst eigentlich nicht höre. Klingt für mich wie eine Mischnung aus Dixieland und doch ernst gemeintem Hintergrund. Gute selbstbewusste Stimme. Ich werde das aber wohl eher nicht öfter hören.

ich höre sowas sonst eigentlich auch nicht. ich finde das hier aber auch sehr speziell. dixieland vs. ernst gemeintem hintergrund – ist dixieland eigentlich immer spaßig? ich weiß das gar nicht. gypsy vielleicht?

wahr#2
Scheint mir recht modern zu sein, weil die Sängerin gleichzeitig zu reflektieren scheint, über das sie singt. Toll auch der geisterhafte Einsatz der Mundharmonika, die wie eine ferne Erinnerung klingt. Tolles Stück!

ja, vergleichsweise modern. die erinnerungen sind mehrfach durch phasen der eigenen karriere gefiltert. die mundharmonika hier steht für den unmöglichen versuch, die sounds des kaffs in arkansas, wo die sängerin herkommt, nachzubilden. ich finde ja auch den freien rhythmus toll. die form kommt irgendwie von innen heraus und das ganze bleibt flüchtig, wie eine wolke.

wahr#3
Schellack-Time. Stück kenne ich, aber diese Version nicht. Ist aber nicht mein Fall. Ich mag jedoch den Gesang, auch wenn er etwas sehr auf die Animationstube drückt. Jetzt das Gitarrensolo ab 2:15 bis 2:35 ist allerdings extraordinäre Superklasse! Cool und treibend.

kein schellack, öffentlichrechtliches fernsehen ;-) aber endlich hebt mal jemand das (zu kurze) gitarrensolo hervor! das hat ja verrückterweise was von django, finde ich, aber auch noch was anderes. und das war quasi revolutionär. kein wunder, dass die stadtmauern einstürzten.

wahr#4
Schön treibend, ich mag auch den Sound, obwohl er ziemlich schrottig ist, aber das hat eben eine eigene Qualität. Die Band hat ein gemeinsames Ziel, sie treibt gemeinsam darauf zu. Klavier und Schlagzeug sind absolut fleischig und virtuos. Tolles Stück.

fleischig und virtuos? toll. das geistige und das fleichliche. aber wenn ihr wüsstet, wer das ist… hat sich vegetarisch ernährt, so weit ich weiß.

wahr#5
Cool’n’Exotic. Schnufft wissend und beschwingt dahin. Dann ändert sich ab 1:35 die Stimmung. Jeder bekommt ein Solo: Trompete, Gitarren. Jetzt eine total bekannte Melodie, die auch mal einen deutschen Text untermalen durfte. Oder ist es „Rock Around The Clock?“, das da zietiert wird. Jetzt Vibraphon. Johnny Lytle möglicherweise? Könnte was von Blue Note sein.

das harfenzitat ist aus prokovievs PETER UND DER WOLF, wie nicht_vom_forum herasugefunden hat. johnny lytle kenne ich nicht. blue note ist das auch nicht. die leute sind wohl nicht bekannt genug, als dass man individuelle stile identifizieren könnte. und im fall der gitarre (wo es vielleicht ginge) ist das solo nicht ambitioniert genug.

wahr#6
Romantisches Klavier, könnte Filmmusik sein, also kein Hauptthema, eher was für zwischendurch, was jetzt keine Kritik ist. Denn manchmal ist gerade das zwischendrin ja das Wichtige. Jedenfalls gut, dass der Kitsch draußen bleiben muss. Aber so richtig kriegt mich der Track nicht.

tja, da bist du nicht der einzige. ich dagegen höre das überhaupt nicht als lückenfüller. ich habe eine große schwäche für pianistische eleganz und die komposition finde ich ausgsprochen schön, und sie wird mit unzähligen feinen schattierungen ausgemalt. ich könnte das mittlerweile mitsingen. zur welt des films gibt es allerdings bezüge.

wahr#7
Eine Tuba tapst heran, ein Orchester kommt dazu. Melodie kenne ich. Mir ist das aber insgesamt zu puffelig. Da kann für mich auch die schöne Trompete nichts ändern. Bin eben doch kein „echter“ Jazz-Hörer.

das ist aus der berühmten tv-sendung „what´s my line‘, dem vorläufer von „was bin ich“ und dem lembkeschen sparschwein. und ne trompete gibts hier nicht. aber das stück hier hat bisher genug liebe abbekommen, es kann auf deine verzichten ;-)

wahr#8
Schöne Orgel, schleppender Groove, Achselduft. Hier ist Sex im Spiel. Sax kommt nach 1:20 überraschend schnell in Fahrt. Mir gefällt der Schmutz im Sound. Total drüber.

ja, oder? ich finde das total krass, wie billig die effekte hier angesteuert werden und wie sicher sie sich einstellen. aber das sax ist großartig und könnte viel mehr, das hört man.

wahr#9
Schön hypnotisch, klasse Klavier, hier kommt niemand nach 1:20 ziemlich schnell in Fahrt, sondern das Spiel wird mit gerade noch gebremster Leidenschaft weitergetrieben. Sound ist wieder ins Gesicht, da kann ich drauf.

ist mittlerweile identifiziert. kein garant für gebremste leidenschaften. aber hier ist das schon sehr souverän aufgebaut und exekutiert.

wahr#10
Lord have mercy on me. Ein guter Swinger, mit viel Soul, auch Gospel mit dem korrespondierenden Sängerinnen im Hintergrund. Gefällt mir gut.

schön, ich finde auch, dass das hier alles passt und ziemlich funkelt.

wahr#11
Perkussionsschmelze zu Anfang. Spirituelle Brüder (und Schwestern?). Tolles Gemenge, trotzdem eigentlich ganz klar und strukturiert. Supertolles Stück. Ich kenne nicht viel von Albert Ayler, aber das hier geht für mich in die Richtung, auch wenn das Saxophon vergleichsweise wenig schreit und quiekt. Das Sax-Solo ist trotzdem intensiv. Ich tippe auf zweite Hälfte der 1960er. Wie wegfegend Free Jazz doch damals war! Wer konnte denn im Rock da eigentlich mithalten? Das hat wirklich WIRKUNG und klingt nicht einfach nur nach einem netten Abend. Trompete könnte Aylers Bruder sein. Das Drum-Solo ist auch extraordinär dicht und von faszinierender, egoloser Textur. Großartiges Stück.

schwestern? ;-) der bezug zu den aylerbrüdern ist logisch, hatte ich noch gar nicht dran gedacht. die wären natürlich auch super kandidaten für einen spiritualismus-with-a-twist-bft. freut mich wahnsinnig, dass sich das hier als highlight herausstellt.

wahr#12
Geht wieder frei weiter, aber nicht auf diesem Intensitätslevel wie davor. Saxofon ist etwas leiser, beseelter spiritueller Gesang. Alice Coltrane? Berührt mich, muss ich aber in der entsprechenden Stimmung sein, wenn der Holy Ghost bemüht wird.

alice hat sich ja erst spät getraut zu singen, und dann in einer fernöstlichen sprache. das stück hier kam als allerletztes in den bft (nachdem anderes herausgeflogen war, aber ich musste ja unbedingt auf 80 minuten kommen ;-) ), weil es nochmal einen anderen bezug auf die religiöse tradition der afroamerikanischen musik hat und mein „anderes“ thema auch interessant variiert.

wahr#13
Was leichtes zum Entspannen. Kommt zur rechten Zeit. Ein schönes Stück, ein bisschen Fusion, fließt dahin mit der Flöte, kann ich mich reinsenken. Klaviersolo, dann Bass, Drums. Alle dürfen mal.

ja, es fließt und bleibt leicht, ohne oberflächlich zu sein. sehr viel mehr will es auch nicht, glaube ich.

wahr#14
Das klingt wie von Argo/Cadet. Falls es ein Instrumental auf einer Platte von Marlena Shaw geben sollte, könnte es so klingen wie hier. Finde ich sehr schön. Ich bin mir ziemlich sicher, dass teilweise die gleiche Mannschaft hier spielt, die auch auf Shaws „Woman Of The Ghetto“ mitwirkt. Auch wenn mich die Fuzz-Gitarre gerade etwas verwirrt. Tolles Stück.

hier ist der gleiche arrangeur/produzent am werk und es ist tatsächlich ein cadet-album. bei shaw sind ja leider die musiker_innen nicht bekannt (hier z.t. auch nicht), aber eine kalimba gibt´s da auch!

wahr#15
Das ist irgendwas aus dem Laswellschen Material-Universum. Sänger ist von den Last Poets. Kenne ich, finde ich auch klasse, auch wenn es einen gewissen, gefährlichen Comedy-Touch hat. Aber hier klappt es. Gutes Stück. Ist müsste meine Material-Platten mal wieder rauskramen. Auf meinen Material-Platten ist das aber nicht drauf, glaube ich.

hier bist du auf dem falschen dampfer, was mich sehr wundert, weil ich dachte: dieses stück ist für dich. aber so genau weiß ich ja gar nicht, was du hast oder kennst, du bist ja auch sehr breit aufgestellt. also nix mit laswell und material und last poets. ist älter.

wahr#16
Fängt sehr interessant an. Schnarrendes, ein einfaches Melodiemotiv, Klavier. Ein bisschen muss ich an das Kammerflimmer Kollektief denken, mir scheint das hier aber gespielt zu sein, nicht zusammengesetzt. Hat eine gute spannnungsreiche Atmosphäre. Ausnehmend gutes Stück, das einen ein bisschen in Trance versetzt.

das ist alles live und am stück aufgenommen, mit ein bisschen freidrehendem produzententum, kinderbeteiligung, dem berühmtesten gähnenden bass der jazzgeschichte und einem BITCHES-BREW-veteran.

wahr#17
Hat einen afrikanischen Touch, schöner Gesang, aber mir bleibt irgendwie nichts hängen. Ich spüre irgendwie zu wenig Dynamik.

ach, schade, das geht irgendwie allen so. sehr laut hören könnte helfen. aber das mit dem afrikanischen touch gefällt mir gut. brandstand hat schon joni mitchell herausgehört.

wahrInsgesamt ein hervorragender BFT! Vielen Dank, vorgarten. Da ist einiges für mich dabei gewesen. Ich fand auch gut, dass es sehr abwechslungsreich gestaltet ist, also zwischen den Jahrzehnten springt. Aber damit natürlich auch zwischen den Kontexten, in denen die Musik enstanden ist. Das ist vielleicht sowieso ein bisschen etwas, was fehlt beim Blindflug-Hören: Der Kontext, der dann nochmal eine wichtige Ebene ist, um sich Musik zu erschließen. Man hört Musik ja nicht nur als Musik. Aber das ist ja sowieso allen klar.
Eine Sache noch: Mir ist bei den letzten beiden BFTs aufgefallen, dass ich sie doch etwas zu lang fand. Mir wäre es lieber, man würde sich so ca. auf eine ¾ Stunde beschränken. Dann ist es zumindest für mich nicht so ein großer Angang, dazu was zu schreiben und schiebt es vielleicht nicht so lange vor sich her. Ist vielleicht aber auch nur mein persönliches Problem, weil ich mit LP-Längen sozialisiert wurde.

letzteres kann ich nachvollziehen, aber ich habe wirklich daran gefeilt (auch wenn die zusammenstellung viel schneller ging als ich dachte und ich das alles immer noch gut hören kann). mir dagegen war ja dein bft viel zu kurz ;-)
aber es freut mich sehr, dass dir der bft gefallen hat.

--