Bettina Köster und Jessie Evans – Autonervous

Startseite Foren Die Tonträger: Aktuell und Antiquariat Aktuelle Platten Bettina Köster und Jessie Evans – Autonervous

Ansicht von 3 Beiträgen - 1 bis 3 (von insgesamt 3)
  • Autor
    Beiträge
  • #39093  | PERMALINK

    go1
    Gang of One

    Registriert seit: 03.11.2004

    Beiträge: 5,625

    Bettina Köster kennt man von Malaria!, Jessie Evans hat bei The Vanishing gespielt; Autonervous ist ihre gemeinsame Aufnahme als Duo. Evans spielt Schlagzeug, Köster Gitarre, beide spielen Synthesizer, Bass und Saxophon. Jessie Evans singt sehr cool, dazu sprechsingt, rezitiert und flüstert Bettina Köster mit phantastisch dunkler, rauchiger Stimme. Inhaltlich folgt das Album einer Entwicklung vom Begehren zur Verliebtheit und darüberhinaus, bis eine dauerhafte Partnerschaft ins Auge gefasst wird; es geht um Anziehung, Sex, Verliebtheit, Liebe und ein, zwei andere Dinge (schöne Oberflächen, Gold). Die Musik ist dunkel und ein bißchen wavig, aber kein Dark Wave – nächtlich und hedonistisch. Rhythmisch sehr angenehm; die Beats fühlen sich gut an. Die Saxophone sind sehr Früh-80er New Wave und lassen an große Räume denken. Das Album ist überhaupt sehr stimmungsvoll, mit Tonnen von Atmosphäre. Es ist eine Musik, die fest in den 80ern verwurzelt ist, aber frisch und aufregend selbstbewusst klingt. Sehr cool und sehr sexy. Für mich unwiderstehlich. Am eingängigsten ist der Opener, „Anchors aweigh“ – gut tanzbar und electroclashig (er ist auch auf der sehr empfehlenswerten Girl Monster Compilation zu hören). Am besten gefällt mir „Sax New Age“: ungemein sinnlicher Postpunk; am wenigsten „Still Kaltes“: da spüre ich einen Hauch von Prätention.

    Der nächstliegende Bezug ist wohl tatsächlich Malaria!: Am Ende von „Still Kaltes“ (einem deutschsprachigen Remake des Stücks „Still Life“ von The Vanishing) wird an „Kaltes klares Wasser“ erinnert und damit Kontinuität demonstriert. Die Besprechung des Albums im INTRO erklärt den Hintergrund:

    Frank Apunkt Schneider wrote:
    (Die West-Berliner Gruppe Malaria) verband blasierte mauerstädtische Endzeitdekadenz u. a. mit einer verstörenden und gerade im Spätsiebziger-Emanzipationsfeminismus-Kontext hochgradig illegitimen Inszenierung von Weiblichkeit: soldatischer Kurzhaarschnitt, uniformistischer Kraftwerk-Look der „Mensch Maschine“-Phase und eine aus all dem herausstrotzende scharfkantige und klar konturierte Erotik, die aber eine für entsprechende Männerfantasien eher bedrohliche Präsenz besaß. Musikalisch wurde diese Mischung wiedergegeben bzw. verstärkt als martialische und düstere, zwar gestochen scharfe, doch gebrochen sich dahinschleppende Marschmusik, die Fetzen aus Cabaret-Tradition und Chanson, seltsam verformte Leidenschaftsausbrüche und verstauchten Bar-Jazz vor sich her trieb. Was Malaria dabei so opak und schillernd machte, war jene aus der Höhe ihrer Zeit, auf der sie sich fraglos befanden, geschöpfte Dialektik von Krise und Möglichkeit, von Untergangsgewissheit und der daraus zumindest mit resultierenden Verfügbarkeit kulturell nicht mehr gebundener Zeichensysteme. Malaria haben sich wohl nie ordnungsgemäß aufgelöst, stattdessen das einmal entwickelte Modell in immer neuen Anläufen und Versuchsanordnungen durchdekliniert.

    Das aktuelle Ende dieser Entwicklung bildet Autonervous, ein Projekt der Malaria-Gründerin Bettina Köster mit der frisch aus San Francisco nach Berlin übergesiedelten Musikerin Jessie Evans (früher bei The Vanishing und anderen). Gemeinsam spielen sie eine soundästhetisch aufgefrischte, aber eben nicht gepimpte Version der alten Malaria-Setzung, abgehangener freilich und nicht mehr mit der dort gebündelten Radikalität, eleganter vielleicht, lasziver und dabei möglicherweise sogar unberührbarer. Jedenfalls in sich überzeugend genug, um weit über der musikalischen Sackgassenlandschaft wiederum ihrer Zeit zu schweben. Ohne in Dark-Wave-Niederungen abzurutschen, denn wie bereits Malaria gelingt ihnen das Düstere, ohne dabei schwammig oder wehleidig zu werden.
    Sehr gute Platte!

    Die Tracklist:
    Anchors aweigh
    Don’t wait
    Still Kaltes
    Gold (Amanda Lear Cover)
    Hello Lovers
    Sax New Age
    Easter Bunny
    Why Shiver
    Prescription

    Hier geht’s zur Homepage des Projekts:
    http://www.autonervous.com

    Es gibt auch eine MySpace-Seite:
    http://www.myspace.com/autonervous

    --

    To Hell with Poverty
    Highlights von Rolling-Stone.de
    Werbung
    #5384353  | PERMALINK

    go1
    Gang of One

    Registriert seit: 03.11.2004

    Beiträge: 5,625

    GLU Magazine Interview with Bettina Köster:
    http://www.glumagazine.com/node/33
    (Am Ende des Interviews kommt die Kooperation mit Jessie Evans zur Sprache; vorher geht es um Malaria! und einen Dokumentarfilm, den sie koproduziert.)

    --

    To Hell with Poverty
    #5384355  | PERMALINK

    go1
    Gang of One

    Registriert seit: 03.11.2004

    Beiträge: 5,625

    Hier ist eine zweite Beschreibung des Albums: Review

    Wenn man die drei MySpace-Seiten von Autonervous, Bettina Köster und Jessie Evans zusammennimmt, kann man fast in alle Tracks reinhören (Trackliste siehe oben). Die Version von „Anchors aweigh“ ist allerdings nicht identisch mit der auf dem Album.
    http://www.myspace.com/jessieevansmusic
    http://myspace.com/bettinakoster
    http://myspace.com/autonervous

    Aktuell: „Gold“ als Download.

    Was die Vorgeschichte angeht, so gibt es auch für Malaria! eine MySpace-Seite: http://myspace/malariaberlin
    Von The Vanishing gibt es den Titel „Lovesick“ als freies mp3: http://www.thevanishing.com/lovesick.mp3
    Enjoy!

    --

    To Hell with Poverty
Ansicht von 3 Beiträgen - 1 bis 3 (von insgesamt 3)

Du musst angemeldet sein, um auf dieses Thema antworten zu können.