Eldorado. Eine Reise durch die musikalischen Traumwelten des Jeff Lynne.

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    pelo_ponnes

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    http://www.amazon.de/dp/B00NTD53N4/ref=rdr_kindle_ext_tmb

    Bereits seit 2014 als ebook bei Amazon Kindle erhältlich (und damit ein bald erscheinendes englisches Buch Lügen strafend, das als erste Biographische Darstellung Jeff Lynnes annonciert wird) ist das Buch „Eldorado“ (Band 1) von Peter Sutter.

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    „Eldorado“ ist die bis dato wohl umfangreichste Abhandlung über das musikalische Schaffen von Jeff Lynne. Der vorliegende erste Band (basierend auf mehr als 220 DinA4-Seiten) beschäftigt sich zunächst mit Lynnes frühen Jahren als Mitglied der Underground-Lieblinge Idle Race und von The Move. Anschließend erfolgt eine ausführliche Betrachtung aller Alben und Tourneen mit dem weltberühmten Electric Light Orchestra (bis 1986), dessen unbestrittener Kopf Jeff Lynne war/ist. Lynnes Karriere ab den späten Achtzigern wird dann Gegenstand des zweiten Bandes sein, der schon in Arbeit ist.
    Der Autor studierte Geschichte und Anglistik in Saarbrücken und Sheffield und ist langjähriges Mitglied des deutschen ELO-Fanclubs „Face The Music Germany“, für dessen Fanzine er unter anderem Übersetzungen anfertigte, Artikel schrieb und Interviews mit Musikern führte. Die Informationen im vorliegenden Buch stützen sich einerseits auf ein intensives Studium aller zugänglichen Originalquellen, entstammen teilweise aber auch den eigenständig geführten Interviews.

    Der Autor studierte Geschichte und Anglistik in Saarbrücken und Sheffield und ist langjähriges Mitglied des deutschen ELO-Fanclubs „Face The Music Germany“, für dessen Fanzine er unter anderem Übersetzungen anfertigte, Artikel schrieb und Interviews mit Musikern führte. Die Informationen im vorliegenden Buch stützen sich einerseits auf ein intensives Studium aller zugänglichen Originalquellen, entstammen teilweise aber auch den eigenständig geführten Interviews.

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    pelo_ponnes

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    Leseprobe: Kapitel 29 OOTB-Tour

    29. Wondrous Is Our Great Blue Ship – Die Out Of The Blue-Tour

    Wir haben es absolut verdient gut anzukommen. Wir machen eine gute Show … nein, falsch, wir machen eine GROSSARTIGE Show, und wir wissen, dass wir mit all den Lasern und Lichtern und sonstigen Dingen eine tolle Form der Darbietung gefunden haben, und somit sind wir vollends von uns überzeugt, und aus diesem Grund liefern wir eine bessere Show.
    Jeff Lynne, ca. Mai 1978. (1)

    Auf den Konzertbühnen dieser Welt tobte 1978 nun endgültig ein erbitterter Krieg der großen Liverockbands. Alles schien sich um die Frage zu drehen, wer das größte Bühnenspektakel aller Zeiten auf die Beine stellen konnte. Und in den Musikmagazinen überschlugen sich die Nachrichten von immer spektakuläreren und noch teuereren Showeffekten. Es war definitiv eine Zeit angebrochen, in der die Qualität einer Show an der Anzahl der Trucks gemessen wurde, die man benötigte, um das Bühnenequipment zu transportieren.

    Welche Gruppen prägten nun die Liveszene dieser Phase? Wer waren die großen Abräumer? Ganz vorne dabei waren fraglos die Pomprocker von Queen, 1978 mittendrin in ihrer News Of The World-Tournee. Sicherlich dazu gehörten auch die Edelpopper von ABBA oder Fleetwood Mac und die US-Hardrockinstitution Aerosmith. Eine Gruppe, die besonders dick auftrug und den Schwerpunkt bewusst (und verständlicherweise) auf spektakuläre Showeffekte legte, waren Kiss. Ihr Konzept drehte sich um Maskierungen und Schockeffekte: Feuerspucken, Blutspucken, pyrotechnische Effekte und Phantasiekostüme waren feste Bestandteile ihres Programmes. Wer wiederum die Pink-Floyd-Tour In The Flesh des Jahres 1977 besuchte, hatte im wahrsten Sinne des Wortes Schwein gehabt, denn die Floyd begeisterten mit gigantischen aufblasbaren Requisiten, darunter das mittlerweile Kultstatus genießende fliegende Schwein.

    Es gab zweifellos eine Menge erstklassiger und zugleich auch kostenintensiver Showkonzepte im Jahre 1978, gegen die Jeff Lynnes ELO antreten musste, für das nach der Veröffentlichung von „Out Of The Blue“ wieder ausgedehnte und standesgemäße Tourneeaktivitäten angedacht waren. Gigantische Laser-und Spiegelshows, mit denen die Band in den Vorjahren für Furore gesorgt hatte, waren zwar weiterhin sehr gefragt, aber angesichts der Tatsache, dass Gruppen wie Genesis oder die enorm erfolgreiche deutsche Prog-Formation Eloy in dieser Hinsicht bereits die Nachfrage befriedigten, konnte man die verwöhnten Konzertgänger wohl kaum noch mit einer bloßen Verfeinerung der eigenen Lasershow verblüffen. Es musste allen Leuten im Bandmanagement klar gewesen sein, dass dies alleine nicht die Großtat sein konnte, mit der man die dank der überragenden Albumverkäufe eingefahrene Poleposition live verteidigen konnte. Was also sollte ELOs nächster Schachzug sein? Die Verantwortlichen werden wohl einige schlaflose Nächte mit solchen Grübeleien verbracht haben. Doch irgendwann durchfuhr Don Arden dann der Geistesblitz: Dieses Mal würde er seine Schützlinge nicht im Tourbus oder Flugzeug, sondern in einem Raumschiff auf die Reise schicken! (2) Eine als UFO aufgemachte Konzertbühne, das war es, was der Band und ihrem Livespektakel noch gefehlt hatte. Der Manager war sich absolut sicher, dass seine Band ein solches space race jederzeit gewinnen würde …

    Denn die Idee eines Bühnenraumschiffs passte bei näherer Betrachtung zu ELO wie die Faust aufs Auge. Es war nicht bloß ein isolierter Gimmick, sondern stellte eher die schlüssige und eigentlich längst überfällige Visualisierung all dessen dar, für was die Band in den letzten Jahren gestanden hatte. Ein kosmisches Image hatte man schon seit längerem. Die Liveshows wurden von der Presse nicht selten als intergalaktische Klanggewitter wahrgenommen. Was die Studioaufnahmen betrifft, so erinnerte schon das Bandlogo auf dem Album „A New World Record“ entfernt an ein Raumschiff. Als Nächstes kam dann das Cover für „Out Of The Blue“: Als Designer Kosh beim Spielen mit Frisbeescheiben ELO-Sticker auf die Sportgeräte klebte, fiel es ihm wie Schuppen von den Augen: ELO, das Raumschiff, welches von einem Ort zum anderen schwebt und sich auf einer musikalischen Mission befindet. (3) Kurzerhand wurde für das Cover des neuen Albums „Out Of The Blue“ das bewährte Musikbox-Logo vom japanischen Künstler Sushei Nagaoka (unter der Leitung von Kosh und Ria Lewerke) in ein kosmisches Flugobjekt umgeformt, ergänzt um einen Blick in ein Weltraumzeitalter-Aufnahmestudio (mit der kompletten Band an Bord) und einen Raumschiffbastelbogen. Der finale Schritt, diese Weltraumromantik nun tatsächlich zum Mittelpunkt des Bühnenspektakels zu machen, lag also eigentlich irgendwie auf der Hand, zumal bei der letzten Tour einige Menschen panisch von einer UFO-Invasion berichtet hatten, als ELO in Los Angeles gastierten (was an den vielen sich reflektierenden Laserstrahlen lag!). Zunächst wurden sie belächelt, doch letztlich sollten sie Recht behalten …

    Natürlich konnte so ein hochtechnisches Vehikel nicht von einem Tag auf den anderen bereitgestellt werden, sondern bedurfte einer längeren Entwicklungszeit, der Creme de la Creme aller Techniker und, so darf man vermuten, zahlreicher Raketenwissenschaftler. Mike Crisp von der Londoner auf Bühnen- und Studiotechnologie spezialisierten Firma Telestage erhielt den Zuschlag für das Großbauprojekt, und in monatelanger Tüftelei wurde das kosmische Flugobjekt in einer Schiffswerft zusammengeschustert. (4) Das Ergebnis war eine 78000 Pfund teure, mehr als 30 Meter lange und fünf Tonnen schwere Konstruktion aus Metall und Fiberglas mit hydraulischen Aufzügen für die Musiker und Instrumente, in die außerdem eine enorme Beleuchtungsanlage mit Tausenden von Watt integriert worden war. Ein solches Gefährt musste praktisch jedem Weltbürger Respekt einflößen und den Atem rauben. Es sei denn, man war Musikkritiker, eine wahrhaft besondere Spezies, die noch überall ein Haar in der Suppe gefunden hat und ELOs UFO gerne mal despektierlich mit einer Auster im Himmel oder einem Big Mac verglich. Andererseits: So ganz Unrecht hatten sie mit diesen Vergleichen vielleicht gar nicht einmal. Na dann, guten Appetit!

    Als ELOs Out Of The Blue-Tour Ende Januar 1978 in Hawaii startete und in der Folge bis Anfang März nacheinander Neuseeland, Australien und Japan besuchte, war die Raumschiffbühne noch nicht fertiggestellt. Dennoch ließen sich die Konzertbesucher die auch so bereits spektakulären Konzerte mehr als schmecken. Seitdem mit „A New World Record“, welches selbst 1978 dort immer noch in den Charts vertreten war, down under das ELO-Fieber grassierte, war die Nachfrage nach Konzerttickets enorm groß. So spielte die Band in Australien in der Regel vor 20000 oder mehr Zuschauern und übertrumpfte damit gar ABBA oder Fleetwood Mac, die dort bis dato das Maß aller Dinge gewesen waren. Beim Konzert in Melbourne wurden sogar 36000 Besucher gezählt. (5) Ähnlich begeisternd fielen die Reaktionen in Japan aus. (6) Wem es gelingt, ein japanisches Publikum zu stehenden Ovationen zu verleiten, muss schon etwas Außergewöhnliches auf die Beine gestellt haben. ELO schafften es tatsächlich, in Nippon die Sonne aufsteigen zu lassen und sorgten dafür, dass das Land des Lächelns seinem Namen alle Ehre machte.

    Das Electric Light Orchestra surfte 1978 auf einer unvorstellbar großen Welle des Erfolgs, welche als Nächstes auf den europäischen Kontinent überschwappte, wo der Schwerpunkt der Frühjahrstournee der Band lag. In diesem Rahmen kam im April und Mai schließlich auch Deutschland an die Reihe, für das Jeff Lynne denn auch eine besondere Überraschung ankündigte. (7) Meinte er etwa die Raumschiffbühne? Leider aber war diese immer noch nicht ganz einsatzbereit. Pünktlich zum ersten großen Höhepunkt der Tournee im Juni 1978 aber, einer Serie von acht aufeinanderfolgenden, ausverkauften Konzerten im Wembley Empire Pool in London, war es dann soweit: Ausgerechnet die Engländer, die ihre Band so lange unterschätzt hatten, waren nun die ersten, die in den vollen Genuss der Weltraumshow kamen. (Damit nichts schiefging bei diesem Spektakel, hatte die Band extra noch auf der Raumschiffbühne geprobt in den Shepperton Studios, Middlesex, London, einem der wichtigsten Filmstudios Großbritanniens.) (8)

    Lautes Getöse, ein Meer von giftgrünen Lasern und mehrfarbigen Lichtern und jede Menge Rauch und Nebel, so in etwa kündigte sich die Landung der ELO-Mannschaft mit ihrem Raumschiff auf der Konzertbühne an. Und wenn dann, wie im Wembley Empire Pool geschehen, noch ein Meister der Zeremonie wie der damals über alle Maßen populäre Schauspieler Tony Curtis in die Rolle des MC schlüpfte, so stieg die Spannung ins Unermessliche. Langsam, zu den Klängen von Benjamin Brittens SINFONIA DA REQUIEM, OP. 20, öffnete sich nun die Kapsel und gab den Blick frei auf die aus dem Trockeneis-Nebel aufsteigenden Musiker vom ELO, die in dieser Weise tatsächlich wie Gestalten aus einem Sci-Fi-Film erschienen. Unter tosendem Applaus stieg die Band dann, oft gekleidet in weiße Anzüge oder edle Bühnenoutfits, in das donnernde Soundgewitter von STANDIN‘ IN THE RAIN ein und präsentierte im Anschluss daran eineinhalb Stunden lang eine Auswahl aus allen Alben mit Schwerpunkt auf den letzten Veröffentlichungen. „Was ich glaube“, äußerte sich Jeff Lynne damals zu Songauswahl und Aufbau der aktuellen Konzerte, „ist Folgendes: Wenn ich ein Konzert gebe, dann will ich die Songs spielen, die die Leute, die kommen um uns zu sehen, berühmt gemacht haben. Ich möchte keine neuen Stücke hören, die ich nicht kenne und die sie nicht kennen. Ich möchte das Material hören, das ich auf der Platte gehört habe. Auf allen Platten, nicht bloß der letzten.“ (9)

    Nach dem Konzertopener folgten typischerweise NIGHT IN THE CITY und TURN TO STONE vom aktuellen Album und danach der Klassiker von 1974, CAN’T GET IT OUT OF MY HEAD. Im zweiten Block dann konzentrierte man sich mit TIGHTROPE, TELEPHONE LINE und ROCKARIA! auf Stücke vom Vorgängeralbum, während im dritten Teil der Show alles bunt zusammengewürfelt wurde (STRANGE MAGIC, SHOWDOWN, MR BLUE SKY, SWEET TALKIN‘ WOMAN, EVIL WOMAN, LIVIN‘ THING) und gegen Schluss dann die rockigsten Nummern wie DO YA und ROLL OVER BEETHOVEN kamen, ehe die Musiker zum Finale wiederum zu Klängen von Benjamin Britten hinaus ins All entschwebten. Dazwischen eingeschoben fanden sich als einzig übriggebliebene Zerstreuung vom Greatest-Hits-Package noch die Solodarbietungen von Hugh McDowell und Mik Kaminski, wobei letzterer als Neuerung zusätzlich zu HUNGARIAN DANCE NO. 5 noch SOMEWHERE OVER THE RAINBOW anstimmte. Auffällig war, wie nah heran an die Studioversionen doch diesmal die Darbietungen der neuen Stücke sowohl im Hinblick auf Klangfülle als auch Klangbild kamen. Durch die ganze Show hindurch zogen sich begleitend dazu die Licht- und Laserkanonaden und Spiegelreflektionen, wie man sie von ELO schon von den vorangegangenen Tourneen kannte. (Neu waren allerdings die beweglichen Laser, die Schriftzüge und das ELO-Logo „zeichneten“.)

    Nach den umjubelten Konzerten in England brachten ELO ihre Raumschiffshow im Juli schließlich auch nach Amerika, wo sie 44 erstklassige Stadion- und Arena-Konzerte spielten mit einer durchschnittlichen Besucherzahl von über 20000 Zuschauern, ehe die Tournee dort Ende September ihren Abschluss fand. Die Setlist der Auftritte in Amerika wich nur unwesentlich von der in England ab, indem die Gruppe statt WILD WEST HERO (10) in der Regel (wie sonst überall) STRANGE MAGIC aufführte. (Am Anfang der Tournee in Asien hatte sich die Setlist noch etwas stärker an die Konzerte der A New World Record-Tour angelehnt.)

    ELOs Bühnenproduktion hat zweifellos Millionen von Menschen ein gigantisches Musikerlebnis beschert. Es handelte sich, wie es Presseleute mehrfach formulierten, um die größte musikalische Science-Fiction-Show, die die Welt je gesehen hatte. „Ich bin am Schluss meistens schleunigst von der Bühne runter und habe mich unter die Leute gemischt, um zuzuschauen, wie sich am Ende das Raumschiff schloss“, zeigte sich auch der Profi Jeff Lynne mehr als fasziniert. „Der ganze Rauch, der da hinausgeballert wurde und das gewaltige Grollen, das aus den Tieftonlautsprechern kam. Es ging besser nach unten als wir.“ (11)

    Mit letzterer Bemerkung deutete der Bandleader zugleich aber auch an, dass die Gruppe für das Spektakel andererseits einen hohen Preis zahlte. So schlug die moderne Hydrauliktechnik den Beteiligten mehrfach ein Schnippchen, da die separaten Aufzüge für die Musiker nicht selten steckenblieben. Für die Zuschauer mag es vielleicht noch belustigend gewirkt haben, wenn wie aus heiterem Himmel ein Cello durch die Luft flog, weil Hugh McDowell frustriert war, dass er noch halb im Bauch des Raumschiffes steckte, für die Band aber, die immer gute Arbeit abliefern wollte, stellte es ein Problem dar. Als enorme Belastung erwies sich ferner, dass es auf der Raumschiffbühne enorm heiß werden konnte. „Das Teil war eine Qual“, resümierte dann auch 2001 Bassist Kelly Groucutt. (12) Des Weiteren steigerte eine Show der Größenordnung, wie ELO sie darboten, den logistischen Aufwand ins Unermessliche: Neben der ausgedehnten Bühnenplattform verursachten eine für die damalige Zeit enorme 20000-Watt-PA-Anlage, eine monströse Beleuchtungsanlage mit 200 Bühnenscheinwerfern, zwei Laserkanonen, 40 Bühnenspiegel sowie die Gewährleistung der Stromversorgung, die Erfüllung von Sicherheitsstandards und der Aufbau riesiger Gerüsttürme enorme Kosten und sprengten alles bisher Dagewesene. In Amerika konnte nur jede zweite Show mit Raumschiff stattfinden, da es alleine eineinhalb Tage dauerte, die ganze Konstruktion aufzubauen. Deshalb wurde dort zwischen A-Shows mit Raumschiff und B-Shows ohne unterschieden. Zur Tourcrew zählten über den Daumen gepeilt 45 Leute, darunter ein Choreograhie-Direktor, zwei Toningenieure, ein extra Toningenieur für die Aussteuerung der Monitore, mehrere Laserexperten, Sound- und Lichttechniker und fünf Bühnentechniker. Für dieses Riesenaufgebot an Personen und Ausrüstung benötigte man so um die dreizehn Trucks. Es war ein enormer Kraftakt.

    Schließlich litt auch die Musik selbst unter der besonderen Situation. Denn die Akustik im UFO war nicht besonders, und außerdem verstimmten sich wegen der Hitze die Instrumente der Band nur allzu häufig. Natürlich machte Jeff Lynne seinen Mannen auch zusätzlich das Leben schwer mit seiner großen Ambition, live auf der Bühne einen Sound zu erzeugen, der dem Ohrenschmaus der ELO-Alben möglichst nahe kam. Richard Tandy zum Beispiel fuhr mittlerweile einen Gerätepark auf, der aus neun verschiedenen Pianos, Orgeln und Synthesizern bestand. (13) Ein gelungener Schachzug war es sicher, Mack, den Soundhexer aus dem Musicland, der mittlerweile jeden Klang und jedes Instrument der Band auswendig kannte, als Live-Toningenieur zu gewinnen. (14) Doch selbst das war dem Perfektionisten Jeff Lynne immer noch nicht genug. Er ließ sich ein paar weitere clevere Dinge einfallen, die ihn trotz der begrenzten Möglichkeiten der Livetechnik der späten Siebziger seinem Ziel tatsächlich deutlich näherbrachten, aber auch enormen Zündstoff boten.

    Zunächst einmal war da die Sache mit dem unbekannten achten Mann auf der Bühne. Einige der neuen Songs zeichneten sich durch besonders vielstimmige Harmonien aus, und Lynne war einfach nicht zufrieden mit dem, was er mit dem regulären Line-up in dieser Beziehung auf die Beine stellen konnte. Da der scheue Brite aber auch nicht besonders gerne mit fremden Session-Sängern arbeitete, kam er auf die Idee, seinen alten Kumpel und Mann für alle Fälle, Jake Commander, der schon seit Ende 1976 wieder der Tourmannschaft angehörte und in erster Linie für die Aussteuerung der Monitore zuständig war, mal wieder um einen Gefallen zu bitten. Er fragte ihn, ob er einen kleinen Teil der A-cappella-Sektion von WILD WEST HERO übernehmen könne, und das klang so überzeugend, dass Jake beim Auftaktkonzert der Tour in Honolulu in geheimer Mission, verborgen in den Niederungen hinter Richard Tandys Piano, seinen gesanglichen Beitrag zu diesem Lied beisteuerte. „Das“, so Jake Commander, “war so erfolgreich, dass Jeff mir ein paar weitere Nummern gab, und zum Ende der Tournee steuerte ich dann schließlich zu vierzehn Songs meinen Gesang bei.“ (15)

    Noch mehr Brisanz als dieser unbekannte Gast barg allerdings die Tatsache, dass das Electric Light Orchestra bei vielen Songs im Hintergrund Bänder mit den Albumstücken mitlaufen ließ, um den Eindruck von mehr Klangfülle zu erzeugen. Das war nichts Neues für die Gruppe. Schon zu Zeiten von „Eldorado“ stammte das PROLOGUE-Intro jenes Albums vom Band, da es so aufwändig und trickreich produziert worden war, dass es live in dieser Form einfach nicht umsetzbar war. Bei der der Out Of The Blue-Tour vorangehenden Tournee galt das vor allem für die Einleitung von TIGHTROPE und das Operndiva-Intro von ROCKARIA! ELO machten aus dieser Geschichte zu keiner Zeit ein Geheimnis. Was bei der jetzigen Tour aber passierte, war, dass man aufgrund der immer aufwändiger produzierten Stücke deutlich mehr Tracks als bisher im Gepäck hatte, bei denen die Bänder eine sehr dominante Rolle spielten. Für einige „Out Of The Blue“-Stücke (16) verwendete man den kompletten Originalhintergrund. Bei STANDIN‘ IN THE RAIN nahm der Einsatz von Bändern gar solche Ausmaße an, dass im Prinzip mehr vom Band kam als live eingespielt wurde. Obwohl das eigentlich die Ausnahme war, lieferte es den Kritikern der Band Angriffspunkte.

    Im Normalfall lief die Musik vom Band in Wahrheit prinzipiell nur leise im Hintergrund mit, während die Livemusik deutlich in den Vordergrund gemischt wurde. (Nur an den Stellen, an denen die Livetruppe nichts sang oder keine Tonspur übernahm, war das Band zu hören.) Allerdings gab es aufgrund der Hitzeentwicklung auf der Raumschiffbühne immer mal wieder Probleme mit dem Sound, so dass in einigen Fällen die Studiospur weiter nach vorne geholt wurde, um die Situation zu retten, so gut es ging. Das war natürlich ein gefundenes Fressen für alle Neider, die der Band eins auswischen wollten. Und da ELO wirklich abräumten 1978, gab es gerade unter den Musikkritikern sehr viele davon. So verbreitete sich das Gerücht, das Jeff Lynne und seine Truppe gar nicht wirklich live spielen und das Publikum betrügen würden. Was natürlich völlig an den Haaren herbeigezogen war.

    Im Rückblick kann man bezüglich der Out Of The Blue-Tour insofern durchaus von einem zweischneidigen Schwert sprechen. Auf der einen Seite stellte sie zweifellos den Höhepunkt in ELOs Geschichte als Liveband dar. Trotz vereinzelter Versuche bereits 1975, in Übersee Fuß zu fassen, (17) war es im Grunde die erste richtige Welttournee der Bombastrocker. Das Raumschiff war der ultimative Bühneneffekt, die Show eine respekteinflößende 500 Dollar-Produktion und das Electric Light Orchestra praktisch die Personifikation des Sci-Fi-Zeitgeistes von 1978. Die Musik und die fantastische Show verschmolzen zu einem wahrhaft berauschenden Liveerlebnis, und noch einmal bündelte das klassische siebenköpfige ELO-Line-up in beeindruckender Weise seine Kräfte. Das Management der Band konnte sich am Ende also zurecht damit rühmen, den größten Coup des Jahres gelandet zu haben: ELO waren in dieser Phase unbestritten die weltweit erfolgreichste Band. Ihr Album „Out Of The Blue“ stand auch ein Jahr nach dem Erscheinen immer noch in den Hitparaden, und zu einem Zeitpunkt waren sie mit ihrem aktuellen Album, dem Vorgänger, einer EP, einer Single und einem Boxset gleichzeitig in den UK-Top-50 vertreten.

    Doch hinter der glänzenden Fassade wurden erste Risse im Bandgefüge sichtbar. Jeff Lynne und seinen Kollegen ging aufgrund der ganzen Gigantomanie allmählich der Spaß an der Sache flöten. Es gab Spannungen im Hinblick auf die Frage, wie es in Zukunft weitergehen sollte. In vielerlei Hinsicht hatte man die Grenzen des Machbaren erreicht. Vor allem die Diskussion um den Einsatz der Bänder in den Konzerten hinterließ einen bitteren Nachgeschmack. Obwohl ELO immer live aufgetreten waren, verfestigte sich bei vielen durch den Einfluss der Musikpresse doch die Vorstellung vom Electric Light Orchestra als einer Live-Mogelpackung. (18) Dieser Eindruck wurde noch dadurch verstärkt, dass der erste Auftritt im Wembley Empire Pool, die Gala Night Performance, für eine TV-Ausstrahlung in der Weise aufgepimpt wurde, dass man für die Mono-Spur des Fernsehens die Studioaufnahmen sehr viel mehr nach vorne mischen ließ als dies live der Fall gewesen war. (19) Mit etwas Abstand betrachtet waren ELO wohl ein wenig auch Opfer der Verhältnisse, da die Livetechnik einfach ihren Soundvorstellungen hinterherhinkte und sie sich mit Dingen beschäftigten, für die viele noch nicht bereit waren. Nur wenig später sollte sich das Rockpublikum zum Beispiel bereits an den Einsatz von Bändern in Rockkonzerten gewöhnt haben.

    Irgendwie war klar, dass die Out Of The Blue-Tour bzw. The Big Night, wie sie in Amerika genannt wurde, den krönenden Abschluss einer Entwicklungsphase darstellte und nun in irgendeiner Form ein Einschnitt kommen musste. Es verbreiteten sich schon bald Gerüchte, dass es möglicherweise die letzte Tour der Band gewesen sein könnte. In jedem Falle hatte Jeff Lynne selbst ab einem bestimmten Punkt erst einmal genug und wollte nur so bald wie möglich zurück in die Abgeschiedenheit eines Studios, um die Arbeit an einem neuen Album aufzunehmen. Es gab doch noch so viele andere Dinge zu entdecken …

    Anmerkungen:
    (1) Harry Doherty. „Themes And Variations On ELO.“ Interview mit Jeff Lynne. Melody Maker, 27. Mai 1978.
    (2) Vgl. Robin Smith. „Electric Oysters In The Sky.“ Feature. Record Mirror, 13. Mai 1978.
    (3) Vgl. Ex-Voto Films. „Kosh. Electric Light Orchestra.“ Interview mit Kosh, ca. 2010. Vimeo: www.vimeo.com/9043006, ca. 2010. (Januar 2014)
    (4) Interessanterweise wurde die Beleuchtungsanlage als eine Komponente davon von Queen abgekauft, die sie 1977 als Kronenbeleuchtung eingesetzt hatten. Die Umformung zur Raumschiffabdeckung ließ sich durch kleinere Modifikationen recht schnell bewerkstelligen. Vgl. Queen Online: http://discuss.queenonline.com. (27.10.2013)
    (5) Vgl. Jim Evans. „Jeff Lynne, Living Upside Down, But It Hasn’t Gone To His Head.“ Interview mit Jeff Lynne. Record Mirror, 25. Februar 1978.
    (6) Vgl. „ELO. Supershow Mit Lasertricks.“ Feature. Popfoto 05/1978, 1978.
    (7) Vgl. „ELO. Supershow Mit Lasertricks.“ Feature. Popfoto 05/1978, 1978.
    (8) Dort begegneten ELO 1978 zum Beispiel auch der Rockgruppe The Who, die dort ihre Konzertszenen für die Dokumentation The Kids Are Alright drehte.
    (9) Doherty. Melody Maker. [wie Anm. 1]
    (10) In England wurde WILD WEST HERO als Single ausgekoppelt.
    (11) Jim Irvin. „The Bullring Variations.“ Feature. Mojo 93, August 2001.
    (12) Irvin. Mojo. [wie Anm. 11]
    (13) Tandys Gerätepark bestand während der Nordamerikatournee zur Bewerbung von „A New World Record“ aus Wurlitzer-Piano, Mellotron, SLM Concert Spectrum, Hohner-Clavinet, Minimoog, Yamaha C7-Grand Piano und einem MidasPRO4-Mischer. Bei der Out Of The Blue-Tour verzichtete man auf den Minimoog und wartete erstmals mit einem Yamaha CS80-Synthesizer auf, wobei alles durch den MidasPRO4-Mischer lief.
    (14) Als weitere Toningenieure waren Davie Kirkwood und Jake Commander (Monitore) mit an Bord.
    (15) Steve Bradley. „Jake Engineers A Travelling Reunion.“ Interview mit Jake Commander. Midlands icSuttoncoldfield, 25. Juli 2008.
    (16) TURN TO STONE, SWEET TALKIN‘ WOMAN, MR. BLUE SKY und STANDIN‘ IN THE RAIN.
    (17) Ende August/September 1975 waren ELO bereits in Australien und Neuseeland, wobei die Konzerte damals schwach besucht waren. „A New World Record“ war 1976/1977 weltweit so erfolgreich, dass erneut vom Management Termine in Australien ins Auge gefasst worden waren, doch Lynne benötigte damals eine Pause.
    (18) 1979 standen ELO außerdem im Mittelpunkt eines Prozesses, bei dem die Promotergesellschaft Brass Ring Production als Kläger auftrat. Das war natürlich wenig hilfreich. Selbst Jahrzehnte nach der Tour ist die Vorstellung von ELO als einer Band, die bei Konzerten nicht wirklich live spielte, (zu Unrecht) immer noch in den Köpfen vor allem vieler Amerikaner.
    (19) Das gefilmte Konzert war das erste der Serie von acht Konzerten im Wembley Empire Pool. Die Bedeutung für die Band war sehr groß, weil man sozusagen den gerade erst errungenen Platz an der Sonne sichern wollte. Und als das TV-Konzert zwei Jahre später bereits als Kaufvideokassette erschien, war diese einmalige Ausnahme nun in Stein zementiert. Der Eindruck wurde erst wieder 2006 revidiert, als das Wembley-Konzert mit den Original-Tonspuren abgemischt erschien.

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