Eindhoven Psych Lab 5-6 Juni 2015

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    daniel_belsazar

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    Endlich mal ein bisschen Muße etwas zu schreiben. Vor zwei Wochen, am 5. und 6. Juni 2015, ging das zweite Psych Lab-Festival (indoor) im niederländischen Eindhoven über die Bühne(n). Sowohl die Location (Effenaar) als auch die Veranstalter (Liverpool Pzyk) waren die selben wie im Vorjahr. Und wieder war es ein wunderbares kleines Festival, mit vielleicht 1.000 bis 1.500 Besuchern über die beiden Tage.

    Draußen war zunächst sehr schönes Wetter, drinnen wurden zwei Bühnen gerockt. Die Vibes waren ausnehmend und wunderbar friedlich, freundlich und großäugig, besonders am Freitag. An dessem Abend ging ein heftiges Gewitter nieder, was aber eher eine willkomene Abkühlung war. Außerdem konnte man ja drinnen bleiben …

    Besonders gut am Psych Lab gefällt mir die (europäische) Internationalität der musikbegeisterten und -engagierten Besucher und die entspannten Begegnungs- und Gesprächsmöglicheiten auch mit vielen Musikern, die man ebenso immer wieder beim Betrachten ihrer Kollegen treffen kann. Die Musik steht so immer im Mittelpunkt, auch bei den sozialen Kontakten. Wun-der-bar, wirklich, dafür machen wir’s ja. Das wird wohl ein Stammfestival für mich werden.

    TAG 1

    Am ersten Tag hatte ich mich etwas stärker auf die große Bühne konzentriert, wo das „Trouble in Mind“-Label einige seiner Künstler präsentierte (so wie 2013 in Liverpool). Bemerkenswert fand ich Doug Tuttle, der vormalige Mastermind von Mmoss. Das Set war überwiegend geprägt von Byrds- und Americana-lastigen Songs, wofür die Stimmung passen muss. Allerdings packte er im zweitletzten, diesmal eher Bluesrock basierten Song ein Solo über etliche Minuten aus, das rein fingertechnisch das beste am ganzen Wochenende war, das ich gehört habe. Da flogen die Sechzehntel nur so durch die Gehörgänge, das hätte auch gut in eine Heavy Metal-Band gepasst. Und es kam urplötzlich und verschwand mit dem letzten, wieder Byrds inspirierten Song genauso schnell auch wieder, fast wie ein kurzer Spuk von anderswo. So als wollte er kurz mal zeigen, in welcher Liga er spielen könnte, wenn er denn wollen würde. Will er aber offenkundig nicht, der macht seine Musik also mit voller Absicht so wie sie ist. Der 9-Minuten-Song ist auf YouTube festgehalten, das Solo beginnt so ab 2:35 … Wer gute Gitarrenarbeit mag, sollte sich Doug Tuttle jedenfalls ansehen, wenn die Gelegenheit besteht.

    Der Höhepunkt des ersten Tages kam kurz darauf aber auf der kleineren Bühne: Es kollaborierten zwei Bands aus den Niederlanden und Schottland. Radar man from the Moon meets The Cosmic Dead war eine sehr intensive und teils heftige Angelegenheit mit Stoner/Freeform-Hintergrund. Die Bands hatten ein Konzept erarbeitet, das sie mit zwei Drummern, Bass, Syntheziser und drei Gitarren beindruckend auf der Bühne umsetzten. Das erreichte teils gigantische Dynamik-Höhen, faszinierend. Hier kann man sich mit etwas Fantasie ausmalen, wie es vor Ort tatsächlich war.

    Der abgespacte und „leichtere“ Morgan Delt aus den USA auf der Hauptbühne hatte anschließend bei mir keine richtige Chance. Ich verlor mich dafür beim „Water Ballet“, einer Video-Installation des jungen Künstlers Kamiel Rongen aus Amsterdam, der dazu live auf dem Syntheziser Sounds fabrizierte. Wunderbare und ungewöhnliche, verfremdete „Unterwasser“-Bildwelten, die mit der Livemusik sehr gut harmonierten. Er erzählte mir später, dass er die Bilder im heimischen Fischglas aufnimmt und dann bearbeitet. Faszinierend, hier ein kurzer Eindruck.

    Für mich war die nächste Band dann The Liminanas. Die Garage basierte Musik der Franzosen lebt zu einem guten Teil von der Sängerin und der Spannung zwischen dieser und dem Gitarristen, der zugleich ihr Mann ist. Sie singt viel auf Französich, dessen ich nicht wirklich mächtig bin, aber es schien nicht alles zwischen den beiden harmonisch zu sein. Vielleicht ist das aber auch Teil der Show. Die mit Ausstrahlung versehene und gegenüber 2013 erblondete Marie Liminana sticht aus der einfach strukturierten Musik jedenfalls heraus. Und sexy präsent ist sie sowieso, wie hier begrenzt zu erahnen.

    Im großen Saal folgte dann Jacco Gardner, der (natürlich) ein solides und gutes Set ablieferte. Es warf mich nicht um wie in Liverpool 2013, ich weiß aber nicht so genau, woran das lag. Mir fiel jedenfalls auf, dass die musikalischen Wurzeln von Gardner offensichtlich im Folk liegen, um nicht zu sagen in der holländischen Volksmusik. 2013 hatte ich ihn eher bei Syd Barrett verortet. Harmonie und Rhythmus drifteten manchmal bedenklich nah ans Schunkelige, vielleicht lag der Eindruck aber auch am Ort und den (natürlich) vielen Holländern im Publikum. Aber Können und Professionalität des immer noch jungen Niederländers stehen weiterhin völlig außer Frage, und das allzu Seichte wird dann doch immer umschifft.

    Headliner am ersten Tag war Moon Duo. Eigentlich eine Bank. Aber an diesem Abend fand ich Ripley Johnson merkwürdig uninspiriert. Der Gitarrenton, der im Vorjahr auf derselben Bühne mit den Wooden Shijps und auch in Liverpool 2013 alle Mauern eingerissen hatte, blieb diesmal irgendwie eindimensional, es enstand kaum Flow. Und so blieben die hypnotisch-repetitiven Rhythmen seiner Frau auf Dauer etwas zu eintönig, manche Stücke begannen sich zu ziehen … der Gitarre fehlte die Magie, der Ton flog nicht, jedenfalls für mich. Nee, diesmal blies es mich nicht weg. Und so endete der 1. Tag musikalisch mit einer leichten Enttäuschung, was aber der guten Stimmung absolut keinen Abbruch tat. Es war nicht weiter schlimm.

    Fortsetzung (Tag 2) folgt demnächst in diesem Theater.

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      daniel_belsazar

      Registriert seit: 19.04.2006

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      TAG 2

      Nach einem gemütlichen Start in den zweiten Tag mit ausgiebigem Frühstück verpasste ich die ersten Bands mehr oder weniger. Dem Hörensagen nach habe ich so leider einen guten Auftritt der norwegischen Electric Eye nicht mitbekommen, die kurzfristig ein zweites Set gaben, weil Pauw ausgefallen waren.

      Ich war aber ohnehin sehr gespannt auf den Auftritt der japanischen Kikagaku Moyo um 17.15 Uhr im großen Saal. Das letzte Album der Band aus Tokyo gefällt mir sehr gut, und von den weltweiten Auftritten habe ich immer wieder Gutes gelesen und gehört. Und es wurde dann tatsächlich der Höhepunkt des Festivals für mich. Ein einzelner Musiker fing ruhig auf der Sitar an zu spielen, nach und nach kamen unaufgeregt Bass, zwei Gitarren und schließlich die Drums hinzu. Das Stück steigerte sich zu voller Voluminösität und Bandpräsenz. Die damit erreichte Höhe wurde anschließend nicht mehr verlassen, sondern diente als Ausgangslevel für Exkursionen in die inneren Räume. Irgendwie hatte das Ganze etwas von der Grateful Dead-Haltung, fünf Musiker, die ihre Songs und Sounds erkundeten und vorstellten. Unspektakulär, der Fokus liegt voll auf der Musik, so wie ich es mag. Viel Anklänge an die 70er Jahre, sehr viel Kraut, der in Japan sehr stark rezipiert wird, wie sie mir später erzählten. Am Ende des Sets war ich glücklich, was mehr kann man sich wünschen? Tolle Band, sympathische Musiker. Die werde ich mir sicher wieder anschauen, wenn es sich irgendwie einrichten lässt. Hier ein Eindruck.

      Weder die Dead Rabbits noch The Cult of Dom Keller hatten danach eine Chance bei mir, wobei ich bei beiden aber auch nicht sicher bin, ob sie sie denn sonst genutzt hätten. Gegen 20.00 Uhr spielte dann Mdou Moctar Touareg-Musik aus dem Niger. Das war schon eine besondere Stimmung, ich hätte mir aber mehr rhythmische Abwechslung gewünscht. Vielleicht hätte es etwas mehr als die nur drei Musiker gebraucht, um das über längere Strecken zu tragen. Als Farbtupfer aber doch auf der Habenseite zu verbuchen.

      Etwas nach 21.00 Uhr dann kam Toy auf die große Bühne. Um es kurz zu machen: Deren Auftritt war eine einzige Enttäuschung. Müde, ohne Schwung, keine guten Songs, wenig Präsenz, der Sound öde. Die Halle, am Anfang gut gefüllt, leerte sich auch entsprechend recht schnell.

      Unter anderem ging auch ich zur kleineren Bühne, wo The Lucid Dream aus dem nordwestenglischen Carlisle in schottischer Grenznähe ihr Set begannen. Gottseidank, denn die Band, deren Grundgerüst vom Brit-Rave abgeleitet und popgrundiert wirkt, rockte den Saal. Sehr gutes, kompaktes Konzert, mit allem was das abseitige Sound-Gehör so braucht plus einem ansatzweise charismatischen Frontman. sie brachten außerdem eine kleine eigene Fanbase mit, was der Stimmung zusätzlich zugute kam. Rundum gelungener Auftritt jedenfalls, lots of fun und auch hier sehr sympathische Musiker. Zu empfehlen am besten wohl im Club.

      Die doom-dronenden Earth danach waren nicht mein Fall, ebenso wie The Telescopes, die auf mich eher abtörnend wirkten. Der Kult entzieht sich mir in beiden Fällen.

      Auf der größeren Bühne folgen dann The Soft Moon, eine interessante Band aus dem kalifornischen Oakland rund um Mastermind Luis Vasquez. Sehr rhythmisch orientierte Musik, teilweise drei Drums, Synthesizer, breitseitig geschlagene Sphärengitarre und Noiseausflüge. Luis tobt dazu oft wie ein Derwisch über die Bühne, ähnlich wie der Gitarrist von A Place to Bury Strangers. Auf Dauer fehlte mir aber etwas Abwechslung, die Songs liefen zu ähnlich ab. Eigentlich war es nur ein einziger langer Song, den sie spielten, das war nicht nur meine Empfindung. Dennoch bleibt unter dem Strich ein positiver Eindruck.

      Erwähnenswert dann noch das späte Set der finnischen K-X-P aus Helsinki, der Abschluss im großen Saal. So etwas wie dunkel angehauchter Space-Rock, auch hier zwei Drums, viel Synthesizer und spacige Gitarre. Die Musiker in schwarzen Kapuzenüberhängen, sehr viel Drive, doch, das hatte was. Vielleicht war ich aber bereits zu gesättigt, als dass es noch richtig hätte zünden können. Zumindest hat es aber das Potenzial dazu.

      Ich bin nächstes Jahr sicher wieder in Eindhoven und freue mich auf das Wiedersehen mit vielen Musikbegeisterten.

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