Veit Harlan

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  • #93145  | PERMALINK

    Anonym
    Inaktiv

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    VEIT-HARLAN-33246.jpeg
    (* 1899 – † 1964)

    Krach Im Hinterhaus **1/2
    Der Herrscher ***1/2
    Verwehte Spuren ***1/2
    Das Unsterbliche Herz ***
    Die Reise Nach Tilsit ***
    Der Große König ****
    Die Goldene Stadt ****1/2 (3)
    Immensee ***** (2)
    Opfergang ***** (1)
    Kolberg ***1/2
    Unsterbliche Geliebte ***
    Hanna Amon **** (4)
    Sterne Über Colombo **1/2
    Anders Als Du Und Ich *1/2
    Ich Werde Dich Auf Händen Tragen **** (5)

    Harlans drei Farbfilmmelodramen aus der Zeit des Dritten Reichs sind von morbidem, unheimlichem Glanz. Handwerklich und ästhetisch war er tatsächlich der Großmeister, der es mit Hollywood zur damaligen Zeit aufnehmen konnte.
    Den berühmt berüchtigten JUD SÜSS lasse ich hier bewusst außen vor, da dort Form und Inhalt mit zweierlei Maß entsprechend bewertet werden müssen.

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      #9515713  | PERMALINK

      foka

      Registriert seit: 17.10.2007

      Beiträge: 8,543

      Mich würde trotzdem eine – Deine – genauere Bewertung von Jud Süss interessieren (weniger Inhalt als die Form). Den kenne ich nämlich bis jetzt als einzigen selber.

      --

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      #9515715  | PERMALINK

      Anonym
      Inaktiv

      Registriert seit: 01.01.1970

      Beiträge: 0

      Formal ist der Film sehr beachtlich. Das fängt bei der Gestaltung (Schnitte in den Reißschwenks, Parallelmontage etc.) an und hört bei den Darstellern auf. Der US-amerikanische Filmkurator und -kritiker Amos Vogel will in Werner Krauss‘ Darstellung des alten Rabbiners sogar eine „seltsame, fremde Würde“ erkannt haben. Es wurde hernach also alles getan, um neben der perfiden Publikumsmanipulation so etwas wie eine künstlerische Basis einzubringen.

      Zur Premiere 1940 in Venedig schrieb der junge Michelangelo Antonioni über den Film:
      „Dies ist ein überzeugender, prägnanter, außerordentlich wirkungsvoller Film. […] Es gibt nicht einen einzigen Augenblick, in dem das Tempo des Films nachlässt, auch nicht eine Episode, die sich nicht harmonisch in alle anderen einfügt. Es ist ein Film, der durch völlige Einheit und Ausgeglichenheit charakterisiert ist.“
      (QN: Saul Friedländer: Die Jahre der Vernichtung. Das Dritte Reich und die Juden 1939–1945. Beck, München 2006, S. 126)

      Natürlich sind solche Einlassungen außerhalb eines Symposiums nach wie vor grenzwertig. Man muss den Film schon in dem entsprechenden Kontext sehen und verwerten und dazu gehört die intensive Beschäftigung mit dem Material. Leider ist er ja mittlerweile über einschlägige Portale frei erhältlich, was sehr problematisch ist. Denn eine „Entmystifizierung durch Verfügbarkeit“ funktioniert in diesem Fall ganz und gar nicht, dafür ist die Herangehensweise Harlans und seiner Mit-Autoren (u.a. der Nazi-Poet E.W. Moeller) viel zu subtil.

      --

      #9515717  | PERMALINK

      napoleon-dynamite
      Moderator

      Registriert seit: 09.11.2002

      Beiträge: 21,856

      pinchMan muss den Film schon in dem entsprechenden Kontext sehen und verwerten und dazu gehört die intensive Beschäftigung mit dem Material. Leider ist er ja mittlerweile über einschlägige Portale frei erhältlich, was sehr problematisch ist. Denn eine „Entmystifizierung durch Verfügbarkeit“ funktioniert in diesem Fall ganz und gar nicht, dafür ist die Herangehensweise Harlans und seiner Mit-Autoren (u.a. der Nazi-Poet E.W. Moeller) viel zu subtil.

      True dat. Man kann der Entmystifizierung aber auch wie Oskar Roehler entgegenwirken, indem man den Film als Re-enactment qua Schauspieler ins Heute überblendet, Ästhetik und formales Instrumentarium aber penibel reproduziert. Einen klügeren Kommentar als seinen „Jud Süß – Film ohne Gewissen“ kann ich mir jedenfalls nicht vorstellen, nicht nur zum angeblich längst so fern entrückten NS-Propagandafilm.

      Bei den Bewertungen sind wir uns im Großen und Ganzen einig, nur den hier:

      pinch
      Verwehte Spuren ***1/2

      finde ich viel besser.

      --

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      #9515719  | PERMALINK

      latho
      No pretty face

      Registriert seit: 04.05.2003

      Beiträge: 36,823

      Jud Süss kenne ich noch nicht, tatsächlich kenne ich von Harlan nur:

      Opfergang * * * 1/2

      Formal ist der Film toll, nahezu perfekt gemacht, die nackte „Reichswasserleiche“ Söderbaum auf dem Pferd am Strand vergisst man nicht (und ist enorm einflussreich). Aber genau der „morbide, unheimliche Glanz“ stößt mir auf, Harlans Regie scheint kühl, distanziert, guckt mit dem Mikroskop auf interessante Insekten (quasi der „Jünger-Blick“). Und dann ist da noch die Aussage des Films, die unheimlich ist: Das Alte, Kranke muss weichen, muss ganz weg, um Platz für das junge Leben zu machen.

      --

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      #9515721  | PERMALINK

      napoleon-dynamite
      Moderator

      Registriert seit: 09.11.2002

      Beiträge: 21,856

      lathoOpfergang * * * 1/2
      […] Aber genau der „morbide, unheimliche Glanz“ stößt mir auf

      Der ist meiner Meinung nach eher archetypisch deutscher Romantik entlehnt denn nazistisch. Das neurotisch Überspannte und Exaltierte der Bilder jedoch, die Maßlosigkeit der kränklichen Farben: Das ist große Kunst, die ihrer Entstehungszeit Hohn spricht. Der enorme Einfluss, den Harlan auf Kubrick ausübte, war sicherlich nicht immer ein Segen, dass die entfesselte Feier bei „Opfergang“ aber einen Nachklang in der „Eyes Wide Shut“-Orgie fand, ist eine schöne Kontinuität.

      --

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      #9515723  | PERMALINK

      latho
      No pretty face

      Registriert seit: 04.05.2003

      Beiträge: 36,823

      Napoleon DynamiteDer ist meiner Meinung nach eher archetypisch deutscher Romantik entlehnt denn nazistisch.

      Gut möglich (aber immer auch die Frage, inwieweit sich romantischer Idealismus bei den Nazis wiederspiegelt). Ich wollte das auch nicht explizit auf nazistische Ästhetik beziehen.

      Napoleon Dynamite
      Das neurotisch Überspannte und Exaltierte der Bilder jedoch, die Maßlosigkeit der kränklichen Farben: Das ist große Kunst, die ihrer Entstehungszeit Hohn spricht.

      Da bin ich nicht sicher, auch trotz der Tatsache, dass das sonst keiner von „Hitlers Regisseuren“ so hinbekam. Diese Überzeugungskraft seiner Filme, die Harlan ja hemmungslos einsetzte, ist es vielleicht, die mich da vorsichtig werden lässt. Denn keine Frage: Opfergang zieht einen in seinen Bann, wie geschrieben, film-technisch ist ihm Meisterschaft nicht abzusprechen. Ich fühlte mich einfach ein bisschen schmutzig, nachdem ich den Film gesehen hatte…

      Napoleon Dynamite
      Der enorme Einfluss, den Harlan auf Kubrick ausübte, war sicherlich nicht immer ein Segen, dass die entfesselte Feier bei „Opfergang“ aber einen Nachklang in der „Eyes Wide Shut“-Orgie fand, ist eine schöne Kontinuität.

      Nein, in keiner Beziehung überraschend, dass Kubrick von Harlan beeinflusst wurde, auch nicht überraschend, dass ich mit Kubrick normalerweise nicht viel anfangen kann. Dieser distanzierte Blick auf sein Personal (auf eine andere Art auch bei Altman), der ist nicht meins.

      --

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      #9515725  | PERMALINK

      Anonym
      Inaktiv

      Registriert seit: 01.01.1970

      Beiträge: 0

      lathoUnd dann ist da noch die Aussage des Films, die unheimlich ist: Das Alte, Kranke muss weichen, muss ganz weg, um Platz für das junge Leben zu machen.

      Ich kenne die Novelle von Binding nicht, auf der OPFERGANG basiert, könnte mir aber vorstellen, dass Harlan diesbezüglich schon ganz konkrete Sorgfalt bei der Stoffauswahl an den Tag legte (die selbe Methode, allerdings in komplett verfälschter Form, betraf ja auch den Feuchtwanger-Roman). Will heißen: die Vorlage eignete sich vortrefflich, um sie auch auf aktuelle Weltanschauungen übertragen zu können. Ähnlich auch IMMENSEE: dort werden ebenfalls Opfer gebracht, die ganz im Sinne der damaligen Idelogie standen und hervorragend in das Kriegsgeschehen passten. Wie gesagt: Harlan und die Subtilität. Eine unheimliche Allianz.

      Napoleon DynamiteEinen klügeren Kommentar als seinen „Jud Süß – Film ohne Gewissen“ kann ich mir jedenfalls nicht vorstellen, nicht nur zum angeblich längst so fern entrückten NS-Propagandafilm.

      Den Film konnte und wollte ich mir nicht antun (Moritz Bleibtreu als Goebbels?), stattdessen aber die Dokumentation HARLAN – IM SCHATTEN VON JUD SÜSS von Felix Moeller.

      --

      #9515727  | PERMALINK

      napoleon-dynamite
      Moderator

      Registriert seit: 09.11.2002

      Beiträge: 21,856

      pinchDen Film konnte und wollte ich mir nicht antun (Moritz Bleibtreu als Goebbels?)

      Solltest du aber, da du einige Stücke auf Roehler hältst. Seit den Erfahrungen mit dem unwillkürlichen Bodenschrubber „Elementarteilchen“ hat er eine Balance zwischen giftelnd aufbereiteter Zeitgeschichte und autobiografischem Wohl und Weh gefunden, die ihn interessanter denn je macht. Seine letzten drei Filme („Jud Süss – Film ohne Gewissen“, „Quellen des Lebens“, „Tod den Hippies! Es lebe der Punk!“) sind auch seine drei besten.

      --

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      #9515729  | PERMALINK

      foka

      Registriert seit: 17.10.2007

      Beiträge: 8,543

      pinchFormal ist der Film sehr beachtlich. Das fängt bei der Gestaltung (Schnitte in den Reißschwenks, Parallelmontage etc.) an und hört bei den Darstellern auf. Der US-amerikanische Filmkurator und -kritiker Amos Vogel will in Werner Krauss‘ Darstellung des alten Rabbiners sogar eine „seltsame, fremde Würde“ erkannt haben. Es wurde hernach also alles getan, um neben der perfiden Publikumsmanipulation so etwas wie eine künstlerische Basis einzubringen.

      Zur Premiere 1940 in Venedig schrieb der junge Michelangelo Antonioni über den Film:
      „Dies ist ein überzeugender, prägnanter, außerordentlich wirkungsvoller Film. […] Es gibt nicht einen einzigen Augenblick, in dem das Tempo des Films nachlässt, auch nicht eine Episode, die sich nicht harmonisch in alle anderen einfügt. Es ist ein Film, der durch völlige Einheit und Ausgeglichenheit charakterisiert ist.“
      (QN: Saul Friedländer: Die Jahre der Vernichtung. Das Dritte Reich und die Juden 1939–1945. Beck, München 2006, S. 126)

      Natürlich sind solche Einlassungen außerhalb eines Symposiums nach wie vor grenzwertig. Man muss den Film schon in dem entsprechenden Kontext sehen und verwerten und dazu gehört die intensive Beschäftigung mit dem Material. Leider ist er ja mittlerweile über einschlägige Portale frei erhältlich, was sehr problematisch ist. Denn eine „Entmystifizierung durch Verfügbarkeit“ funktioniert in diesem Fall ganz und gar nicht, dafür ist die Herangehensweise Harlans und seiner Mit-Autoren (u.a. der Nazi-Poet E.W. Moeller) viel zu subtil.

      Ich habe ihn auch in einem solchen Rahmen gesehen, danach wurde lang diskutiert – mich hat er ganz persönlich so abgestoßen, dass ich mir über die Form bis heute (ist ein paar Jahre her) nicht wirklich ein Urteil bilden kann. Daher die Frage.

      Ja, die perfide, dem Film immanente Manipulation, hat mich leider komplett meiner Urteilsfähigkeit beraubt. Ist das denn bei den von dir angesprochenen Melodramen ganz anders?

      --

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      #9515731  | PERMALINK

      nick-longhetti

      Registriert seit: 08.07.2011

      Beiträge: 655

      Der Herrscher * * * 1/2
      Verwehte Spuren * * * * 1/2
      Das Unsterbliche Herz * * * 1/2
      Der Große König * * * *
      Die Goldene Stadt * * * *
      Immensee * * * * 1/2
      Opfergang * * * * 1/2
      Kolberg * * * *
      Hanna Amon * * *
      Anders als du und ich * *
      Ich werde dich auf Händen tragen * * * 1/2

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      We are all failures, at least the best of us are.
      #9515733  | PERMALINK

      Anonym
      Inaktiv

      Registriert seit: 01.01.1970

      Beiträge: 0

      fokaJa, die perfide, dem Film immanente Manipulation, hat mich leider komplett meiner Urteilsfähigkeit beraubt. Ist das denn bei den von dir angesprochenen Melodramen ganz anders?

      Daran erkennt man, wie „gut“ der Film funktioniert und wie geschickt er sein Publikum lenkt.

      Nur rund 5% der im Dritten Reich hergestellten Spielfilme sind politischen Inhalts. JUD SÜSS zählt logischerweise dazu, die anderen Harlan-Titel nicht. Trotzdem kann es natürlich sein, dass es dir ähnlich geht wie latho und dir die Filme dennoch sauer aufstoßen.

      --

      #9515735  | PERMALINK

      nick-longhetti

      Registriert seit: 08.07.2011

      Beiträge: 655

      pinch
      Nur rund 5% der im Dritten Reich hergestellten Spielfilme sind politischen Inhalts. JUD SÜSS zählt logischerweise dazu, die anderen Harlan-Titel nicht.

      „Kolberg“ findest du nicht politisch? Ich sehr, obgleich es mich bei dem Film nicht so schüttelt wie bei „Jud Süss“.

      --

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      #9515737  | PERMALINK

      vigo

      Registriert seit: 05.05.2005

      Beiträge: 557

      pinchDen berühmt berüchtigten JUD SÜSS lasse ich hier bewusst außen vor, da dort Form und Inhalt mit zweierlei Maß entsprechend bewertet werden müssen.

      Nicht mehr und nicht weniger, als bei jedem anderen Film auch.

      --

      #9515739  | PERMALINK

      latho
      No pretty face

      Registriert seit: 04.05.2003

      Beiträge: 36,823

      pinch[…] Wie gesagt: Harlan und die Subtilität. Eine unheimliche Allianz.
      […]

      Das fasst es gut zusammen.

      --

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