Pari San – Thalamus

Ansicht von 15 Beiträgen - 1 bis 15 (von insgesamt 21)
  • Autor
    Beiträge
  • #86023  | PERMALINK

    irrlicht
    Nihil

    Registriert seit: 08.07.2007

    Beiträge: 31,188

    1441273_571808692888998_1474564246_n.jpg

    Pari San ist eine Band, die mir seit dem ersten Kontakt vor gut zwei Jahren sehr am Herzen liegt – ich mag ihnen hier ein paar Worte widmen, auch wenn die Musik hier wohl nur einen recht kleinen Kreis ansprechen wird.

    Die Freiburger Band ist eigentlich ein Duo, bestehend aus dem Künstlerpaar Parissa Eskandari und Paul Brenning. Sie iranischstämmige Sängerin, er ein sehr bekannter Beatboxer aus Freiburg, der in einigen anderen Projekten schon seit Jahren involviert ist, etwa Acoustic instinct und PaPaul. Letzthin gewannen die beiden den Creole, einen Wettbewerb, der alle zwei Jahre deutsche Künstler – aus der Rubrik „Weltmusik“ – kürt. Ich habe Pari San im letzten Jahr live erleben dürfen und kann behaupten, dass ihre Mixtur aus brachialen Elektrorhythmen, zartem Pop und elegischer Folklore zum Eindrücksvollsten gehört, was mir seit langer Zeit auf einer Bühne begegnete. Oft werden die Stimmen entfremdet, gedoppelt, verzerrt und von Loops unterlegt, Pophymnen werden in Breakbeats zerbrochen oder von Parissas schlicht großartiger Stimme zum Einschmelzen gebracht – manchmal singt sie erfreulicherweise auch in ihrer Heimatsprache, wie etwa in „Dareyne Jan“, das aber live nochmal völlig anders klang. Viel Informationen gibt es zu ihrem neuen Album leider bislang noch nicht, Parissa hat mir vorhin allerdings versichert, dass es Ende Februar endlich erscheinen wird (ehemals war es für Mitte letzten Jahres angekündigt).

    Heute ist „We all“ erstmals gestreamt worden, dem vorangegangen ist die wunderschöne Live im Studio Aufnahme von „Maybe you are“, eine kurzer Trailer, sowie das schon ein paar Winter alte „Bloody Mary“, das Parissas prämenstruelle Syndrom auf, ähm, blutige und sehr verstörende Weise thematisiert. Ein paar weiterführende Infos dazu gibt es hier.

    Ich bin hochgespannt auf „Thalamus“ – wenn das Album nur halb so intensiv und Grenzen sprengend ist, wie ihre Liveperformance, wird das ein kleines Juwel. Vollblutmusiker.

    F_parisan_profil_130515.jpg

    --

    Hold on Magnolia to that great highway moon
    Highlights von Rolling-Stone.de
      Werbung
      #9098905  | PERMALINK

      irrlicht
      Nihil

      Registriert seit: 08.07.2007

      Beiträge: 31,188

      Via regioactive kann man auch das m.E. nach grandiose [I]„Blackbird“ hören. Mercí an nail75, dass er mich darauf aufmerksam gemacht hat, scheint bislang die einzige Quelle zu sein.

      --

      Hold on Magnolia to that great highway moon
      #9098907  | PERMALINK

      nail75

      Registriert seit: 16.10.2006

      Beiträge: 44,672

      Sehr schöne Band: Sie wird auch dieses Jahr auf dem Sampler AUDIOSURF vertreten sein, der auf der Musikmesse Frankfurt verteilt wird und der nächsten Ausgabe der VISIONS beilegen wird.
      http://www.regioactive.de/news/2014/01/29/die-bands-des-audiosurf-samplers-2014-stehen-fest-PFY1Zs5kjM.html

      --

      Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.
      #9098909  | PERMALINK

      irrlicht
      Nihil

      Registriert seit: 08.07.2007

      Beiträge: 31,188

      Wer meine Jahresliste gelesen hat, ist jüngst auf die Nennung von Pari Sans „Thalamus“ gestoßen, dem, neben Sun Kil Moons “Benji“, für mich bislang stärksten Release aus diesem Jahr. Ich habe das Freiburger Duo mittlerweile oft live gesehen und auch wenn die Studioversionen die immense Tiefe nicht ganz wiederspiegeln können – die Band variiert die Tracks auf der Bühne teils, „Dareyne Jan“ ist dafür ein gutes Beispiel -, so ist das weiterhin eine äußerst eindrucksvolle, intime halbe Stunde.

      “Thalamus“ ist ein Wall-of-Sound-Werk, ein eigener Kosmos aus Effekten, Knack- und Zischlauten, aus pulsierenden, schnatternden Beats und enfremdeten Vocals, die sich durch die Songs hangeln. Aus klanglicher Sicht erinnert vieles an die Produktionen, die Matmos für Björks “Vespertine“ und “Medúlla“ geschaffen hat – transparent, schimmernd und zartfragil, so gestochen scharf eingefangen, wie nur irgendwie möglich und so derart dicht komprimiert wie eine Stahlkugel. “Thalamus“ ist wie gutes 3D-Kino – man wird mit jeder Faser in die Musik gesaugt. Parissa Eskanderi hat mehrfach betont, dass sie stark von Björk beeinflusst wurde (live spielten sie bereits eine Version ihres betörenden “Jóga“), aber ich höre hier kein Plagiat, zumal der Gesang in eine ganz andere Richtung driftet; vor den Konzerten war die Band oft selbst DJ und das was dort zu hören ist, kommt der Gallerie vergleichbarer Künstler schon näher. Ein wenig Massive Attack, Broadcast und SBTRKT, viel Electronica, ein bischen Lisa Gerrard, etwas iranische Folklore, viel Fever ray. „Fever ray“ war ein Album, das den Alltag in dunkle Bilder verpackte, für jeden Tag erschuff Andersson dazu ein eigenes Gesicht und eine eigene, bedrohlich durch den Mix singende Stimme. Hier ist es ähnlich. In “Du bist die Ruh“ singt Parissa vor geschwärzten Wänden ein Gedicht von Friedrich Rückert – und es klingt mit seinen schleppend vorgetragenen, langgezogenen Vokalen und Wortbetonungen fast wie ein Song aus Soap & skins „Lovetune for vacuum“. In “We all“ widmen sich die beiden dem Thema Homophobie und lassen dazu zarte Effekte zwitschern und eine Plop-Sequenz mit Spieluhrharmonien verwischen. „Thalamus“ ist eine katakombische Geisterhymne, die die Areale des Hirns besingt, die entscheiden, was vergessen wird und was nicht (“I buried you in thalamus“) – immer wenn ich diesen Song höre, frage ich mich, ob die Magazine dieser Welt die Revolution in diesem Jahr längst verschlafen haben – was für ein Track, was für ein Sound, was für eine Präsenz! Und nicht nur die Stimme, auch gerade Brennings Beatboxmuster, die oft Basis der Songs sind, bestechen (es gibt auch drei skitartige Instrumentale, die die Songs miteinander vernähen).

      Man kann das alles “Dreampop“ nennen, für mich ist das der Inbegriff von progressiver Kunst, die Pop nicht verschmäht, Hymnen zulässt und mit fest umklammerter Lampe die dunklen Ecken der Hausgemächer ausleuchtet. Und mit jedem Ton Grenzen pulversiert.

      Ein weiterführender, guter Artikel aus der ansässigen Badischen Zeitung.

      P.S. m.W. ist „Thalamus“ bislang weiterhin nur über die Band selbst beziehbar und in keinem größeren Vertrieb.



      „Thalamus“

      1. Blackbird
      2. We all
      3. Sad to loose
      4. Interlude 1
      5. Du bist die Ruh
      6. The war
      7. Interlude 2
      8. Thalamus
      9. Interlude 3
      10. Dareyne Jan

      Besonders toll auch die Live-Version von [I]„We all“, aus der hier fälschlicherweise „You all“ wurde. Mit [I]„Two steps forward“ haben sie letzthin, nach dem Creole, übrigens auch den youfone Songcontest gewonnen.

      --

      Hold on Magnolia to that great highway moon
      #9098911  | PERMALINK

      go1
      Gang of One

      Registriert seit: 03.11.2004

      Beiträge: 5,625

      Guter Text, Irrlicht. „Blackbird“ gefällt mir auf Anhieb. Und Du hast recht: „Du bist die Ruh“ erinnert an Soap&Skin.

      --

      To Hell with Poverty
      #9098913  | PERMALINK

      irrlicht
      Nihil

      Registriert seit: 08.07.2007

      Beiträge: 31,188

      Go1Guter Text, Irrlicht. „Blackbird“ gefällt mir auf Anhieb. Und Du hast recht: „Du bist die Ruh“ erinnert an Soap&Skin.

      Das freut mich, Go1. Würde mich auch schwer interessieren, wie Du das Werk als Gesamtes hören würdest.

      Jetzt fehlt noch ein Eindruck von nail75, der das Album auch schon kennenlernen konnte.

      --

      Hold on Magnolia to that great highway moon
      #9098915  | PERMALINK

      herr-rossi
      Moderator
      -

      Registriert seit: 15.05.2005

      Beiträge: 84,916

      Schön, dass Du hier so enthusiastisch eine echte Entdeckung vorstellst. Ich musste erstmal den Pop Appeal-Scanner drüber laufen lassen, wurde aber fündig.;-) Schade, dass „Maybe You Are“ es nicht aufs Album geschafft hat, ist nach nach den ersten Eindrücken mein Lieblingstrack. Oder doch „Thalamus“? Oder „Dareyne Jan“? Parissas Stimme finde ich sehr angenehm, von mir aus dürfte sie auch gerne mehr in ihrer mother tongue singen.

      Bei „Du bist die Ruh“ wird es mir allerdings doch zu kulturschaffend (ich bin mit Soap & Skin aber auch nie warm geworden).

      --

      #9098917  | PERMALINK

      irrlicht
      Nihil

      Registriert seit: 08.07.2007

      Beiträge: 31,188

      Herr RossiSchön, dass Du hier so enthusiastisch eine echte Entdeckung vorstellst. Ich musste erstmal den Pop Appeal-Scanner drüber laufen lassen, wurde aber fündig.;-) Schade, dass „Maybe You Are“ es nicht aufs Album geschafft hat, ist nach nach den ersten Eindrücken mein Lieblingstrack. Oder doch „Thalamus“? Oder „Dareyne Jan“? Parissas Stimme finde ich sehr angenehm, von mir aus dürfte sie auch gerne mehr in ihrer mother tongue singen.

      Bei „Du bist die Ruh“ wird es mir allerdings doch zu kulturschaffend (ich bin mit Soap & Skin aber auch nie warm geworden).

      Sehr schön, Herr Rossi, freut mich, dass derartige Herzensangelegenheiten hier Beachtung finden. Das mit „Maybe you are“ sehe ich im übrigen ähnlich und habe Parissa auch schon gesagt, wie schade ich es finde, dass es gerade dieser Song nicht aufs Album geschafft hat (sie meinte es ist ein Album, sonst wird es überall als EP geführt, was ich sehr seltsam finde). Ich nehme aber an, dass da schon bald etwas neues kommen wird, es soll noch zahlreiche andere Songs geben, die bislang nicht veröffentlicht wurden – einige davon konnte man schon live hören. Dass sie nur diesen einen Song in ihrer Landessprache singt, ist in der Tat schade, ich finde diese Kombination aus Englisch, Deutsch, Iranisch und auch instrumentalen und lautmalerischen Tracks aber prinzipiell sehr gelungen.

      P.S. Wo hast Du denn „Thalamus“ hören können (der Trailer mit selbigem Titel ist nicht der Song)? Und was ist „kulturschaffend“?

      --

      Hold on Magnolia to that great highway moon
      #9098919  | PERMALINK

      herr-rossi
      Moderator
      -

      Registriert seit: 15.05.2005

      Beiträge: 84,916

      Auf Soundcloud haben die beiden vor zwei Tagen „Thalamus“ und „Two Steps Forward“ ergänzt. „Kulturschaffend“ – mir fiel gestern nacht kein passenderer Begriff ein und er ist in der Aussage ohnehin höchst angreifbar, aber ein vertontes Gedicht und dazu noch Szenen aus einem Avantgardefilm (wobei ich diese Bilder schon faszinierend finde, und mich gleich umgesehen habe, aus welchem Film sie stammen), da wird es mir zu „seriös“ und in Richtung „ernsthafte Kunst“ (im traditionellen Sinne) zielend. Aber sie haben halt beide eine akademische Musikausbildung, da kann sowas schon mal passieren.;-)

      --

      #9098921  | PERMALINK

      irrlicht
      Nihil

      Registriert seit: 08.07.2007

      Beiträge: 31,188

      Herr Rossi“Kulturschaffend“ – mir fiel gestern nacht kein passenderer Begriff ein und er ist in der Aussage ohnehin höchst angreifbar, aber ein vertontes Gedicht und dazu noch Szenen aus einem Avantgardefilm (wobei ich diese Bilder schon faszinierend finde, und mich gleich umgesehen habe, aus welchem Film sie stammen), da wird es mir zu „seriös“ und in Richtung „ernsthafte Kunst“ (im traditionellen Sinne) zielend. Aber sie haben halt beide eine akademische Musikausbildung, da kann sowas schon mal passieren.;-)

      Ich verstehe Deinen Einwand, kann aber behaupten, dass sich dieser Anteil auf „Thalamus“ auf kleinste Dosis verdünnt und als solche dann auch wieder schlüssig ist, zum Konzept passt, einen wesentlichen Gegensound einnimmt, um Szenen erweitert etc. Entgegen Soap & skin – die ich aber auch sehr schätze, so ist es nicht – sind Pari San ja eine immens auf beatorientierte Songs ausgelegte Band. Das ist zwar Pop Avantgarde mit viel Durchschlagskraft, aber auf der anderen Seite auch zeitweise fast unverschämt eingängig. Vielleicht nicht gleich tanzbar, aber mitwippen kann ich mittlerweile fast bei jedem Song.

      --

      Hold on Magnolia to that great highway moon
      #9098923  | PERMALINK

      wahr

      Registriert seit: 18.04.2004

      Beiträge: 14,772

      Möglichst viele Menschen sollten Kultur schaffen. Es ist harte, ehrliche Arbeit. Jedenfalls ein sehr guter Tipp, Irrlicht. Vielen Dank. Falls die mal nach Norddeutschland kommen sollten, dann …

      #9098925  | PERMALINK

      irrlicht
      Nihil

      Registriert seit: 08.07.2007

      Beiträge: 31,188

      wahrMöglichst viele Menschen sollten Kultur schaffen. Es ist harte, ehrliche Arbeit. Jedenfalls ein sehr guter Tipp, Irrlicht. Vielen Dank. Falls die mal nach Norddeutschland kommen sollten, dann …

      Hätte ich das hier nur mal früher gestartet – die beiden haben letzthin eine ganze Reihe von Konzerten in Berlin gespielt.

      --

      Hold on Magnolia to that great highway moon
      #9098927  | PERMALINK

      herr-rossi
      Moderator
      -

      Registriert seit: 15.05.2005

      Beiträge: 84,916

      wahrEs ist harte, ehrliche Arbeit.

      Genau: „Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit.“

      --

      #9098929  | PERMALINK

      nail75

      Registriert seit: 16.10.2006

      Beiträge: 44,672

      Ich mag das Album/die EP sehr. Pari San mögen es für ein Album halten, aber beim Hören denkt man doch eher eine EP. Weniger aufgrund der Länge, denn aufgrund der Interludes, die es meiner Ansicht nach nicht gebraucht hätte. Eine 7-Track-EP wäre meiner Ansicht nach besser gewesen, denn die Musik lebt doch sehr vom Gesang.

      Außerdem zerreißen die Interludes doch etwas den Zusammenhalt des Albums. Das ist eben das Problem bei kleinen Bands: es gibt keinen Produzenten mit einem künstlerischen Urteilsvermögen, der sagt: „Ist ja ganz hübsch, aber das sollte ihr nicht auf die Platte nehmen“. Auf der anderen Seite sind Produzenten, die von großen Labels für Newcomerbands engagiert werden, oft verheerend, weil sie mit der Haltung an die Sache rangehen: „Jetzt zeige ich euch jungen Hüpfern mal, wie man Musik produziert“. Das Ergebnis ist meist auch katastrophal, weil die kein Gespür für die jungen Bands haben und es sie im Zweifel nicht interessiert.

      In diesem Fall fehlte bei dem Album aber eindeutig ein externer Einfluss. Die Interludes weggestrichen und es ist fast makellos. Das Songwriting ist exquisit, besonders Blackbird und We All. We beispielsweise Dead Can Dance mag, sollte dringend mal ein Ohr riskieren. Eine exzellente Livebands sind die Beiden auch. Nächsten Monat spielen sie auf dem Reeperbahnfestival in Hamburg.

      --

      Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.
      #9098931  | PERMALINK

      irrlicht
      Nihil

      Registriert seit: 08.07.2007

      Beiträge: 31,188

      nail75In diesem Fall fehlte bei dem Album aber eindeutig ein externer Einfluss. Die Interludes weggestrichen und es ist fast makellos. Das Songwriting ist exquisit, besonders Blackbird und We All. We beispielsweise Dead Can Dance mag, sollte dringend mal ein Ohr riskieren. Eine exzellente Livebands sind die Beiden auch. Nächsten Monat spielen sie auf dem Reeperbahnfestival in Hamburg.

      Schön, nail75. Dass Du auf DCD kommst, finde ich interessant; ich musste auch mitunter an Lisa Gerrard denken, allerdings eher an ihr Solowerk (etwa „The silver tree“), da die Herangehensweise des Duos ja doch eine etwas andere, weitaus organischere ist.

      Dass die Interludes stören würden, kann ich bisher nicht behaupten. Mir gefallen die Songs mehr – ich finde auch, dass Pari San stark vom Gesang leben – allerdings ist die Verbindung der Tracks über diese Sequenzen gut gemacht: Ich finde, sie fügen sich ins Bild, zersetzen den Albumcharakter, den es ja durchaus gibt, nicht, sondern erweitern das Konzept.

      --

      Hold on Magnolia to that great highway moon
    Ansicht von 15 Beiträgen - 1 bis 15 (von insgesamt 21)

    Du musst angemeldet sein, um auf dieses Thema antworten zu können.