Low – I could live in hope (1994)

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  • #88441  | PERMALINK

    irrlicht
    Nihil

    Registriert seit: 08.07.2007

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    1. Words (**** 1/2)
    2. Fear (****)
    3. Cut (*****)
    4. Slide (*****)
    5. Lazy (**** 1/2)
    6. Lullaby (*****)
    7. Sea (****)
    8. Drown (*****)
    9. Drag (**** 1/2 )
    10. Rope (*****)
    11. Sunshine (****)

    Ein Lieblingsalbum, vom ersten Tag an. „I could live in hope“ ist ein von Blut durchfloßenes, aschfahlenes Meisterwerk, elf Schattierung morbider, karger Monotonie. Ich kenne absolut nichts Vergleichbares. Low, die Band um das Künstlerpaar Alan Sparhawk und Mimi Parker schrieben Songs, die an manchen Stellen etwas an die frühen Red house painters (etwa deren famoses Debut „Down colorful hill“) erinnern, doch dieses Album ist dunkler, kompromissloser, abgrundtiefer. Manche nennen es Slowcore, für mich ist dies das ultimative Gitarrenalbum. Langsam perlende, gleichbleibende Gitarrenmelodien, die immer wieder aufwallen und leicht abschweifen, bis sie zur Melodie zurückfinden, ein knockentrockenes Schlagzeug, das den immerzu gleichen Sog aus trabenden Beckenstößen erzeugt; ein verschwommer, fast rauschartiger Halbschlafrhythmus, der durch kleinere Kniffe immer wieder aus dem Traumreich gerissen wird. „I could live in hope“ ist ein andeutendes Album, kaum etwas ist ausformuliert – in „Words“ beschwören Bässe und schwingende Gitarren den ersten, beklommenen Sog, mit den stoisch angeschlagenen Saiten von „Sunshine“ endet dieses Album schlussendlich ebenso in sich versunken, leicht von Sonne beschienen. Und dazwischen? Minimale Veränderungen. In „Fear“ brausen die Gitarren leicht auf, bis Sparhawk nüchtern „I fear“ den vorherigen Zeilen nachreicht. In „Lazy“ brodeln die Riffs stotternd und filigran im Hall nach. In „Drown“ schlängelnd traumhaft schleppende, intime Melodien, die immer weiter aufsteigen und plötzlich zerrieseln, mit leichtem Pulsieren. In „Cut“ schwellen die Stimmungen an und Sparhawk haucht dazu, sinister und beschwörend. Und in „Lullaby“ singt Mimi Parker, innig und zärtlich, mit viel Luft, rührend warm, mit Worten, die im Hintergrund sinnlich nachhallen – bei „I sing“ reißt es einem das Herz aus der Brust.

    Ich weiß nicht, von was dieses Album wirklich handelt. All diese Texte sind kurz, szenisch, elliptisch, mehr Andeutungen, wie auch die Musik. Meist werden nur ein paar Worte in den flimmernden Raum gesungen, ohne Hinweise, ehe sie von spiralenförmig auf und abfallenden, verwobenen Sounds verschlungen werden. Wenn auch ganz anderer musikalischer Art, so erinnert mich die Ästhetik manches mal an My bloody valentine. Mein liebster Track ist „Rope“, ein verstörender Dämon von Song, geschaffen aus summenden Gitarren im Hintergrund, die harsch und unbarmherig werden, aus den Pluckertönen im Vordergrund und Sparhawks langgezogenen Worten, die wie Schleifpapierfetzen auf der Haut reiben. Es gibt nur zwei Zeilen in diesem Song: „You’re gonna need more/don’t ask me to kick any chairs out from under you“ – und diese sind wie eine Rückblende zu „Words“, als es hieß „Three inches above the floor/man in a box wants to burn my soul/and I’m tired, and I’m tired.“ Blutgefrierend.

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    #8967015  | PERMALINK

    manuel1979

    Registriert seit: 16.01.2009

    Beiträge: 637

    Sehr schöner Text, Irrlicht!
    Auch einer meiner Low Favoriten (wobei ich the curtain hits the call noch ein Stückchen lieber höre), für eine Song für Song Analyse zu lange (ca. 1 Jahr) nicht gehört. Bis The great destroyer konnte man alle Low Alben blind kaufen.
    Dieser Stillstand in der Musik, diese wunderschönen Melodien, die man kaum hört, wenn man nicht hinhört ;-). Man muss aufmerksam Low Alben verfolgen, dann wird z.B. Weight of water (auf Secret name) der schönste Song aller Zeiten. Dann wird ein Album wie I could live in hope oder Secret name zu dem schönsten Album, das ich je gehört habe (jedenfalls für eine Stunde).

    Edit: Für mich teilt sich die Low Diskographie in 4 Abschnitte.
    1. I could live in hope, long division und the curtain… als das Fundament. Reiner magischer, perlender Slowcore (verdammt ich brauch schon wieder das Wort um ihre Musik zu beschreiben)
    2. Secret name und Things we lost in the fire: Die Meisterwerke, Standardwerke- eingängiger und etwas abwechslungsreicher
    3. The great destroyer und Trust – beide erweitern die Palette noch etwas (mehr Gitarren), die Stimmung ist etwas „gelöster“ – wir reden hier aber von Low also ehr Seventeen seconds als Faith. Beide Alben mag ich sehr – beide ****
    4. Ab drums & Guns wirds mir zu beliebig, manchmal mag ich die Produktion nicht, manchmal sind mir die Songs zu wenig griffig, irgendwie scheint die Magie verflogen.
    Die Entwicklung war leider vorauszusehen, wenn man alle Aspekte einer Spektrums erkundet hat, muss man sich eben entwickeln.
    Hier wird es aber leider zweischneidig: Manche gehen mit und begrüßen die Entwicklung, andere hängen einfach an den alten Low.
    Umgekehrt ist es natürlich genauso: Wenn eine Band stagniert (auch auf hohen Niveau – also ein „Things we lost… Part 5“) dann wird dies auch bemängelt.

    Tipp: Auch mal Damon & Naomi hören (v.a. with Ghost) haben ja schon vor Low diesen Slowcore (was ein scheußlicher Begriff) mit Galaxie 500 „erfunden“ und ein frühes Meisterwerk abgeliefert (On fire). Auch Ghost (Japan) kann ich nur empfehlen, eine meiner Lieblingsbands!

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    #8967017  | PERMALINK

    irrlicht
    Nihil

    Registriert seit: 08.07.2007

    Beiträge: 31,220

    Manuel1979Sehr schöner Text, Irrlicht!

    Dankeschön, Manuel!

    Manuel1979Auch einer meiner Low Favoriten (wobei ich the curtain hits the call noch ein Stückchen lieber höre), für eine Song für Song Analyse zu lange (ca. 1 Jahr) nicht gehört. Bis The great destroyer konnte man alle Low Alben blind kaufen. Dieser Stillstand in der Musik, diese wunderschönen Melodien, die man kaum hört, wenn man nicht hinhört ;-). Man muss aufmerksam Low Alben verfolgen, dann wird z.B. Weight of water (auf Secret name) der schönste Song aller Zeiten. Dann wird ein Album wie I could live in hope oder Secret name zu dem schönsten Album, das ich je gehört habe (jedenfalls für eine Stunde).

    Schöne Anmerkungen. Ich kenne die späteren Low leider nur in Auszügen, meine Wahrnehmung ist aber ebenso die, dass die Band ihr Spektrum zunehmend erweiterte, die Songs auch – bei allen Dissonanzen, man erinnere nur an „Pissing“ oder „Monkey“ – zugänglicher wurden, teils auch sehr warm und zärtlich (und dabei auf eine andere Weise, wie noch auf diesem Debut).

    Manuel1979Tipp: Auch mal Damon & Naomi hören (v.a. with Ghost) haben ja schon vor Low diesen Slowcore (was ein scheußlicher Begriff) mit Galaxie 500 „erfunden“ und ein frühes Meisterwerk abgeliefert (On fire). Auch Ghost (Japan) kann ich nur empfehlen, eine meiner Lieblingsbands!

    Galaxie 500 wollte ich auch erwähnen, großartige Band, die in der Tat, bereits mit „Today“ einen ebenso schwummrigen, sommerschwülen Sound entwickelte, der diesem Album nicht unähnlich ist. Ghost kenne ich dafür nicht, werde ich mir umgehend aber mal anhören.

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    #8967019  | PERMALINK

    manuel1979

    Registriert seit: 16.01.2009

    Beiträge: 637

    IrrlichtGhost kenne ich dafür nicht, werde ich mir umgehend aber mal anhören.

    War nur auf meinem Damon & Naomi Albumtipp bezogen, mit einem Teil von Ghost als Backing/Produzent. Ghost ist japanischer psychedelischer „Krautfolk“ (Texte aber zum größten Teil auf Englisch). Oftmals auch sehr ruhig aber mit teilweise sehr eruptiven Momenten. Hör dir mal Snuffbox Immanence an, wenns dir gefällt – komplette Diskographie.

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    #8967021  | PERMALINK

    manuel1979

    Registriert seit: 16.01.2009

    Beiträge: 637

    Und ja – der Red House Painters vergleich liegt sehr nahe. Hier kann man auch sehr gut die „Veränderung“ eines etablierten Sounds nachvollziehen. Mark Kozelek (als RHP, SKM und Solo) kann einfach nicht anders (nicht zu verwechseln mit „nichts anderes“) als depressive Songpoeme zu schreiben (die ACDC Cover sind dennoch grandios!). Wobei bei ihm die Erinnerung noch ein größeres Gewicht hat als bei Low, bei denen der Text ehr allgemein (natürlich sehr detailliert) Gefühlszustände beschreibt

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    #8967023  | PERMALINK

    irrlicht
    Nihil

    Registriert seit: 08.07.2007

    Beiträge: 31,220

    Manuel1979War nur auf meinem Damon & Naomi Albumtipp bezogen, mit einem Teil von Ghost als Backing/Produzent. Ghost ist japanischer psychedelischer „Krautfolk“ (Texte aber zum größten Teil auf Englisch). Oftmals auch sehr ruhig aber mit teilweise sehr eruptiven Momenten. Hör dir mal Snuffbox Immanence an, wenns dir gefällt – komplette Diskographie.

    Werde ich machen, klingt hochinteressant.

    Manuel1979Mark Kozelek (als RHP, SKM und Solo) kann einfach nicht anders (nicht zu verwechseln mit „nichts anderes“) als depressive Songpoeme zu schreiben

    „Depressiv“? Habe ich nur selten so wahrgenommen. Kozeleks Musik ist doch auch sehr schwärmerisch, voller Leidenschaft, manchmal fast liebestrunken. Und alles andere als abweisend.

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    #8967025  | PERMALINK

    manuel1979

    Registriert seit: 16.01.2009

    Beiträge: 637

    Irrlicht“Depressiv“? Habe ich nur selten so wahrgenommen. Kozeleks Musik ist doch auch sehr schwärmerisch, voller Leidenschaft, manchmal fast liebestrunken. Und alles andere als abweisend.

    Voller Leidenschaft ja, schwärmerisch manchmal und liebestrunken als Adjektiv ist mir für Kozelek zu banal. Depressiv und abweisend ist für mich was Musik betrifft kein Synonym. Und wenn ich es mir richtig überlege sollte depressiv auch keine Beschreibung von Musik sein. Ich nehm mein vorheriges Statment teilweise zurück und spreche nun von dunklen, leidenschaftlichen, introspektiven, sehr detailliert beschriebenen und doch poetischen Songpoemen – siehe Low.

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    #8967027  | PERMALINK

    irrlicht
    Nihil

    Registriert seit: 08.07.2007

    Beiträge: 31,220

    Manuel1979Ich nehm mein vorheriges Statment teilweise zurück und spreche nun von dunklen, leidenschaftlichen, introspektiven, sehr detailliert beschriebenen und doch poetischen Songpoemen – siehe Low.

    Darauf kann ich mich gerne einigen.

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    #11403515  | PERMALINK

    badpit

    Registriert seit: 15.12.2006

    Beiträge: 941

    was für ein großartiges Album – mir gefällt Lullaby am Besten – einfach herzzerreissend!

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    When the world is sick can't no one be well But i dreamt we was all beautiful and strong
    #11403539  | PERMALINK

    irrlicht
    Nihil

    Registriert seit: 08.07.2007

    Beiträge: 31,220

    badpitwas für ein großartiges Album – mir gefällt Lullaby am Besten – einfach herzzerreissend!

    Schöner Anlass für den ersten Beitrag nach vier Jahren. Willkommen zurück :-)

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