Die Zauberflöte ein "Machwerk“?

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  • #8907489  | PERMALINK

    otis
    Moderator

    Registriert seit: 08.07.2002

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    Beethoven hätte ich gemutmaßt, Mozart und Bach eher nicht. Aber na klar, arisch und Kanon. Der Walkürenritt ist dagegen interessant im Vergleich zu den Preludes. Im Ring hatte er eine dramaturgische Berechtigung, es war keine für sich stehende und zu rezipierende Komposition. Auch mir läuft ein Schauer des Grauens über den Rücken, wenn ich es hören muss, geschürt sicher auch von Coppola. Im Ring ergibt die Musik aber ihren Sinn.
    Was ist mit Strauss?

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    #8907491  | PERMALINK

    Anonym
    Inaktiv

    Registriert seit: 01.01.1970

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    otisWas ist mit Strauss?

    Richard Strauss war ebenfalls etabliert, seine Werke wurden (fast) alle aufgeführt und gespielt und zeitweise war er sogar Reichsmusikkammer-Präsident und stand gegen Ende des Krieges auf der so genannten „Gottbegnadetenliste“. Er komponierte auch exklusive Sachen für die Obrigkeit: die Eröffnungsmusik zu den Olympischen Spielen 1936 stammt von ihm. Strauss war trotz allem aber ein komplizierter Fall und sein Verhältnis zum damaligen Regime war eher ambivalent.

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    #8907493  | PERMALINK

    otis
    Moderator

    Registriert seit: 08.07.2002

    Beiträge: 22,557

    Ich weiß, ich weiß, gemeint war, hört man es in seinen Werken?

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    #8907495  | PERMALINK

    Anonym
    Inaktiv

    Registriert seit: 01.01.1970

    Beiträge: 0

    otisIch weiß, ich weiß, gemeint war, hört man es in seinen Werken?

    Ich finde nicht.

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    #8907497  | PERMALINK

    nail75

    Registriert seit: 16.10.2006

    Beiträge: 44,704

    Ich finde es schlichtweg unangemessen und unhistorisch, Komponisten dafür verantwortlich zu machen, wie ihre Musik später eingesetzt wurde, insbesondere dann, wenn in ihrem Werk dafür keine oder wenige Hinweise erkennbar sind. Womit der arme Franz Liszt es verdient hat, in die Nähe der Nazis gerückt zu werden, will ich überhaupt nicht wissen.

    Bei Wagner kann man eine gewisse Berechtigung in der ziemlich durchgeknallten Fangemeinde erkennen, die nicht akzeptiert, dass ihr Idol auch Schattenseiten hatte, außerdem in der intimen Nähe des Wagner-Clans zu den Nazis, insbesondere zu Hitler. Dennoch – und bei allem im Übermaß vorhandenen Antisemitismus in der Person Wagners – wir wissen nicht, wie er sich in der Zeit des Dritten Reiches verhalten hätte. Sicherlich lieferte seine Musik genug Material für Gebrauch und Missbrauch, aber Wagner zu einem Unterstützer der Judenverfolgung zu machen, ist schlichtweg nicht haltbar. Ich akzeptiere eine solche Vorgehensweise in Form einer Polemik, als Analyse trägt sie keine zehn Meter weit.

    Ich habe den Artikel inzwischen auch gelesen (Danke an gypsy) und bin der Meinung, dass Wagner offensichtlich kein Interesse hatte, dass sich Antisemitismus allzu deutlich in seinen Werken abbildet. Man muss offensichtlich (ich habe seit bald 20 Jahren nichts mehr von Wagner gehört) sehr genau hinsehen und hinhören, um antisemitische Klischees oder Figuren in stark verfremdeter Form wiederzuerkennen. Dass Wagner ein großer Antisemit war, wissen wir aufgrund seiner eigenen Schriften sehr genau. Seine Werke fügen dem nur noch ein Mosaiksteinchen hinzu.

    --

    Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.
    #8907499  | PERMALINK

    otis
    Moderator

    Registriert seit: 08.07.2002

    Beiträge: 22,557

    Die Einleitung des Zarathustra?
    Wie unpolitisch ist jemand, der sich vereinnahmen lässt?

    --

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    #8907501  | PERMALINK

    nail75

    Registriert seit: 16.10.2006

    Beiträge: 44,704

    otisDie Einleitung des Zarathustra?
    Wie unpolitisch ist jemand, der sich vereinnahmen lässt.

    Es geht nicht darum, ob „jemand“ unpolitisch ist. Und wer tot ist, kann sich gegen Vereinnahmung auch nicht mehr wehren!

    --

    Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.
    #8907503  | PERMALINK

    Anonym
    Inaktiv

    Registriert seit: 01.01.1970

    Beiträge: 0

    otisDie Einleitung des Zarathustra?

    Ein gutes Beispiel. Stilistisch könnte man das Zarathustra-Vorspiel ja auch wesensverwandt mit den „Preludes“ von Liszt sehen (und hören). Und dann auch noch der Nietzsche-Bezug. Alles in allem ist „Zarathustra“ aber doch eher etwas untypisch für Richard Strauss. Viel erstaunlicher finde ich die Tatsache, dass seine expressiven und experimentiellen Arbeiten wie „Elektra“ oder „Ariadne auf Naxos“ im Dritten Reich nicht nur gespielt wurden, sondern auch noch auf breite Zustimmung stießen. Das waren ja doch alles eher unheilvoll klingende und erzählende Werke, die kaum einem Eskapismus in die Hände spielten.

    otisWie unpolitisch ist jemand, der sich vereinnahmen lässt.

    Ich kann dir diese Frage nicht beantworten. Furtwängler wäre da aber ein sicher noch viel prominenteres Beispiel. Oder Heinrich George. Oder Ferdinand Marian, Werner Krauss…

    --

    #8907505  | PERMALINK

    otis
    Moderator

    Registriert seit: 08.07.2002

    Beiträge: 22,557

    nail75Es geht nicht darum, ob „jemand“ unpolitisch ist. Und wer tot ist, kann sich gegen Vereinnahmung auch nicht mehr wehren!

    Das betrifft Liszt, Wagner, aber nicht Strauss. Er hat sich definitiv vereinnahmen lassen, gab sich aber unschuldig in seinem Domizil in Garmisch. Hat nicht Klaus Mann ihn dort aufgesucht, verwundert über so viel Naivität? Müsste es nachlesen, weiß es nicht mehr genau.

    pinch, so etwas ist tatsächlich spannend. Hörte man Elektra oder Ariadne, weil sie modern klangen, möglicherweise als Gegenentwurf zur platten Ästhetik der Propaganda, oder weil sie vom Vorzeigekomponisten und musikalischen Nachfahren Wagners stammten oder waren sie auf irgendeine Weise wesensverwandt? Letzteres denke ich eher nicht.
    Die Zarathustra-Einleitung spiegelt eine Ästhetik, – ich will sie gar nicht so sehr aufs Dritte Reich beziehen- die in meinen Ohren hochgradig politisch klingt. Pathos, endgültige Erlösung, Befreiung. Kubrick stellt sie zwar an den Anfang, aber er nutzt genau diese Ästhetik. Michelangelos Fingerzeig in Musik. Vor Jahrhunderten passend, 1895 aber doch eher heikel, oder?

    Wie hörst du den 4. Satz der 9?

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    #8907507  | PERMALINK

    Anonym
    Inaktiv

    Registriert seit: 01.01.1970

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    Tja, der greise Strauss. Ähnlich rätselhaft und naiv verhielt sich ja auch Hamsun.

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    #8907509  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
    Moderator
    Biomasse

    Registriert seit: 25.01.2010

    Beiträge: 67,000

    @nail: das Thema ist ja gewissermassen eine Variation über eine Diskussion, die wir in der Jazz-Ecke schon einmal hatten – einfach ging es da um Coltrane und nicht um Antisemitismus … na ja, Kleinigkeiten ;-)

    Ich bin mir jedenfalls nicht ganz so sicher, dass sich die Sache immer so klar verhält, wie Du es schilderst. Grundsätzlich gebe ich Dir recht: Gegen postumen Missbrauch ist keiner gefeit. Aber die Frage brennt mir in manchen dieser Fälle eben doch auf der Zunge: Warum suchten sich die Nazis gerade die Werke aus, die sie sich eben ausgesucht haben? Klar, bei Nietzsche gibt es mannigfaltige Erklärungen (geisteskranke angeheiratete Nachfahren und deren Machwerk), aber es gibt eben auch mal die Situation, in der solche offensichtlichen Herkunftslinien fehlen und die Frage brennt: Warum dieses Werk? Was steckt da drin, das genau dieses Publikum in einem Masse anspricht, dass es das Werk vereinnahmt und für seine Zwecke einspannt oder missbraucht? Sowas muss natürlich sehr vorsichtig und im Einzelfall betrachtet werden – und vielleicht bleibt am Ende dann doch nur eine Polemik übrig und keine wirklich stichhaltigen Argumente … vielleicht aber auch nicht.

    --

    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #151: Neuheiten aus dem Archiv – 09.04., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #8907511  | PERMALINK

    latho
    No pretty face

    Registriert seit: 04.05.2003

    Beiträge: 36,911

    Das berührt am Rand eine andere Diskussion (deren Thread ich gerade nicht finde): inwieweit die Musik die Persönlichkeit eines Künstlers widerspiegelt.
    Was die Kanonisierung angeht: so ganz unangefochten ist Wagner nicht mehr in der allgemeinen Wertschätzung, so ist zumindest mein Eindruck.

    --

    If you talk bad about country music, it's like saying bad things about my momma. Them's fightin' words.
    #8907513  | PERMALINK

    Anonym
    Inaktiv

    Registriert seit: 01.01.1970

    Beiträge: 0

    gypsy tail windWarum suchten sich die Nazis gerade die Werke aus, die sie sich eben ausgesucht haben?

    In seiner Autobiographie schreibt Marcel Reich-Ranicki, dass er in seiner damaligen Funktion als Übersetzer im Warschauer „Judenrat“ einmal einer Unterredung beizuwohnen hatte, deren Inhalt sich um die Auflösung des Ghettos und um die Umsiedlung/Vernichtung der Juden drehte. Während dieser Unterredung lief via Grammophon irgend etwas von Schubert. MRRs Erklärung: Die hatten eben keinen schlechten Musikgeschmack.

    Und warum dieses Werk und nicht jenes? Lässt sich auch nicht so konkret beantworten. In den letzten Stunden im Führerbunker lief nicht etwa Beethoven oder Wagner, oder anderweitig „passendes“, sondern Lehars „Lustige Witwe“.

    Vieles hatte natürlich auch seine jeweilige Wirkung zu erzielen: Einlullendes, aufpeitschendes, tröstendes. Nicht nur im Kino, sondern im gesamten Unterhaltungsstab wurde vom Regime ja bevorzugt jene Kunst als volksnah angesehen, die sowohl Herz als auch niedere Instinkte ansprach, weniger bis gar nicht allerdings den Intellekt. Und ja, die Kanonisierung war sicherlich auch Grundlage für die Auswahl einiger Sachen.

    --

    #8907515  | PERMALINK

    otis
    Moderator

    Registriert seit: 08.07.2002

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    nail75Ich finde es schlichtweg unangemessen und unhistorisch, Komponisten dafür verantwortlich zu machen, wie ihre Musik später eingesetzt wurde, insbesondere dann, wenn in ihrem Werk dafür keine oder wenige Hinweise erkennbar sind. Womit der arme Franz Liszt es verdient hat, in die Nähe der Nazis gerückt zu werden, will ich überhaupt nicht wissen.

    Das hatte ich gar nicht gelesen. Langsam. Liszt ist kein Nazi gewesen, natürlich nicht. Die Ästhetik der Preludes aber ist eine sich selbst verabsolutierende, eine Apotheose an die musikalische Macht und Vereinnahmung. Insofern passte sie 100 Jahre später perfekt. Von dieser Ästhetik habe ich gesprochen, sie behagt mir nicht, sie macht mich klein, da gruselt’s mich. Ich will keine Musik hören, deren erstes Ziel es zu sein scheint, meinen Verstand auszuschalten und mich zu vereinnahmen.

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    #8907517  | PERMALINK

    latho
    No pretty face

    Registriert seit: 04.05.2003

    Beiträge: 36,911

    gypsy tail wind[…]Warum suchten sich die Nazis gerade die Werke aus, die sie sich eben ausgesucht haben? Klar, bei Nietzsche gibt es mannigfaltige Erklärungen (geisteskranke angeheiratete Nachfahren und deren Machwerk), aber es gibt eben auch mal die Situation, in der solche offensichtlichen Herkunftslinien fehlen und die Frage brennt: Warum dieses Werk? Was steckt da drin, das genau dieses Publikum in einem Masse anspricht, dass es das Werk vereinnahmt und für seine Zwecke einspannt oder missbraucht? Sowas muss natürlich sehr vorsichtig und im Einzelfall betrachtet werden – und vielleicht bleibt am Ende dann doch nur eine Polemik übrig und keine wirklich stichhaltigen Argumente … vielleicht aber auch nicht.

    Ganz so rätselhaft dürfte das nicht sein: der Kanon, sofern arisch, blieb. Hervorgehoben bzw „entdeckt“ wurden Künstler der Oberfläche, des Vordergründigen, des überwältigenden Eindrucks.
    Ich bin aber nails Meinung (und mir halbwegs sicher, dass das nicht so weit entfernt von den anderen ist): für die Verbrechen der Nazis kann man wirklich keinen, zumal im 20 Jhd. bereits toten Künstler verantwortlich machen. Aber gypsys Frage bleibt, warum ausgerechnet der und nicht dieser Künstler?

    Ein anderes Beispiel (aus der Literatur – obwohl es machen bezweifeln werden…) ist Karl May. Angeblich soll Hitler sich ja mit der Lektüre Mays auf seine Kanzlerschaft vorbereitet haben (wie auch immer das gehen soll) und May war ohne Zweifel ein Lieblingsautor Hitlers. Auf der anderen Seite halte ich es für fraglich, ob May mit Hitler einverstanden gewesen wäre (auch wenn sich in seinen Büchern ja Antisemitisches finden lässt) – 1912 sah Hitler May (und Bertha von Suttner) bei einer Lesung und war wohl schwer beeindruckt – obwohl May sich in seinen Vorträgen gegen Rassismus und Krieg wandte.

    --

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