Retromania | ist Pop tot?

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  • #8682871  | PERMALINK

    genosse-schulz

    Registriert seit: 06.01.2009

    Beiträge: 5,321

    Sonic JuiceDie grundlegende Frage bleibt aber doch: „so fucking what?“

    Danke. Ich frag mich das auch schon die ganze Zeit. Selbst wenn es so sein sollte; na und?

    --

    I hunt alone
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      #8682873  | PERMALINK

      alberto

      Registriert seit: 04.12.2007

      Beiträge: 1,935

      genosse schulzDanke. Ich frag mich das auch schon die ganze Zeit. Selbst wenn es so sein sollte; na und?

      Wenn die Musik von früher, die mir etwas bedeutet, aufs Ästhetische reduziert wird (unter Außerachtlassung der früheren popkulturellen Bedeutung), kompatibel gemacht wird mit der allgegenwärtigen Konsenskonsumkultur und dann gleichzeitig andere Musik von früher, die anderen Menschen etwas bedeutet, genauso verwurstet wird, werden Bestandteile meiner eigenen Sozialisation in geschichtsblinder und egalisierender Weise vereinnahmt.

      Das hat was von einer Selbstüberhöhung der heutigen, gerne als „retro“ bezeichneten Popkultur gegenüber derjenigen aus der Zeit der jeweiligen Originale. Die Zitate früherer Musik stellen keine Verbeugung vor dieser Musik oder gar vor deren früherer gesellschaftlicher Bedeutung, sondern die Vereinnahmung dieser Musik durch die wertungsfreie Konsumwelt heutiger Prägung dar.

      Da bin ich ein bisschen so wie diejenigen stark religiösen Menschen, die sich an der unklerikalen Verwendung der gregorianischen Choräle in „Sadeness“ von Enigma gestört haben.

      --

      #8682875  | PERMALINK

      genosse-schulz

      Registriert seit: 06.01.2009

      Beiträge: 5,321

      AlbertoWenn die Musik von früher, die mir etwas bedeutet, aufs Ästhetische reduziert wird (unter Außerachtlassung der früheren popkulturellen Bedeutung), kompatibel gemacht wird mit der allgegenwärtigen Konsenskonsumkultur und dann gleichzeitig andere Musik von früher, die anderen Menschen etwas bedeutet, genauso verwurstet wird, werden Bestandteile meiner eigenen Sozialisation in geschichtsblinder und egalisierender Weise vereinnahmt.

      Uiuiui.

      Übrigens: genauso soziologisches Sozialistengeschwafel ist extrem Retro.

      --

      I hunt alone
      #8682877  | PERMALINK

      latho
      No pretty face

      Registriert seit: 04.05.2003

      Beiträge: 36,823

      tolomoquinkolom[…]
      Dein Satz ‘Genauso wie es hoffentlich immer Thriller, Western, Romantic Comedies und Sci Fi im Kino oder den großen Gesellschaftsroman in der Literatur geben wird’ wäre eine eigene Diskussion Wert. Nur soviel: Western und Sci Fi halte ich als aktuelles Filmgenre für tot. Das eine haben nicht nur infantil-patriotisches Kastastrophengedröhne und Comic-Superhelden erlegt (Drähte sind die neuen Pferde), das andere George Lucas fast im Alleingang mit seinen faschistoiden Märchenoperetten um Sternenkrieger (Science wird zur bunten Bubblegum-Blase).
      […]

      Das Film-Faß will ich jetzt nicht auch noch aufmachen, zumal ich inzwischen glaube, verstanden zu haben, weswegen du den Thread hier aufmachtest: um ein weiteres Schimpfwort einzuführen. So wie in den 70ern (von Juden erfundene) Superhelden und böse Lehrer „faschistoid“ waren, so waren in den 90ern Sozialpolitik und schlechtes Wetter „neoliberal“. Eben ein Wort, dass man ohne genaue Kenntnis und ohne Definition für alles und jedes benutzte, das einen nervte. Solange, bis die eigentliche Bedeutung völlig in den Hintergrund getreten war und der ursprüngliche Adressat im Dunkel verschwinden konnte (vor allem im Fall von „faschistoid“ sehr schlimm). Denn wenn alles „faschistoid“ oder „neoliberal“ ist, dann ist nichts „faschistoid“ etc.
      Und jetzt „retro“ (zumindest im Bereich der Pop)? So wie ich das vernehmen konnte, gibt es bis jetzt weder eine trennscharfe Defintion noch handfeste Beispiele, an denen der Begriff demonstriert werden kann.
      Dann bleibt es eben eine Luftblase, die bei Bedarf in die Diskussion geworfen wird und Kenntnis suggeriert. Post #4 ist immer noch nicht widerlegt.

      genosse schulzUiuiui.

      Übrigens: genauso soziologisches Sozialistengeschwafel ist extrem Retro.

      Wie ich „Star Wars ist faschistoid“ gelesen habe, fühlte ich mich an mintgrüne, ausgefranste Doktorarbeiten aus den hintersten Regalen der soziologischen Fakultät erinnert. Plötzlich ist man wieder jung.

      --

      If you talk bad about country music, it's like saying bad things about my momma. Them's fightin' words.
      #8682879  | PERMALINK

      demon

      Registriert seit: 16.01.2010

      Beiträge: 66,870

      latho
      So wie in den 70ern (von Juden erfundene) Superhelden
      und böse Lehrer „faschistoid“ waren, […]
      (vor allem im Fall von „faschistoid“ sehr schlimm).

      …womit Godwin’s Law wieder einmal untermauert wurde

      --

      Software ist die ultimative Bürokratie.
      #8682881  | PERMALINK

      latho
      No pretty face

      Registriert seit: 04.05.2003

      Beiträge: 36,823

      Demon…womit Godwin’s Law wieder einmal untermauert wurde

      Wobei das auch alles ohne Internet bestens funktionierte…

      --

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      #8682883  | PERMALINK

      bullschuetz

      Registriert seit: 16.12.2008

      Beiträge: 2,089

      Es ist in der aktuellen Popmusik so, dass sich Hypes in der Regel nicht anhand von als innovativ empfundenen Acts aufschaukeln, sondern an Lana Del Rey oder Jake Bugg entzünden. Damit will ich nichts gegen die beiden gesagt haben (ich finde sie ziemlich interessant und teilweise echt gut und ihn durchaus erträglich, wenn auch reichlich langweilig). Ich stelle nur fest, dass wirklich verblüffende, ihre hippe Ausstrahlung nicht durch mehr oder weniger gelungenen Rückgriff auf vergangene Coolness-Codes gewinnende Popmusik heutzutage eher selten breite Prägekraft womöglich gar bis hinein in den Mainstream entwickelt, sondern eher in den Nischen stattfindet. Pop hat seit den 60ern nun mal mächtig viel Geschichte angelagert, und derzeit scheint diese mächtige historische Aura für viele faszinierender zu sein als das, was sich entschlossen gegen vorgeprägte Muster absetzt oder ihnen entschlossen etwas hinzufügt.

      Insofern finde ich die „Retro“-Diagnostik weiterhin bedenkenswert, auch wenn ich mich vor allem von Monroe Stahrs Einwänden durchaus ertappt fühle und auch wenn ich die definitorische Schwammigkeit des Retro-Begriffs ebenfalls einräume.

      --

      #8682885  | PERMALINK

      tolomoquinkolom

      Registriert seit: 07.08.2008

      Beiträge: 8,651

      Sonic JuiceDie grundlegende Frage bleibt aber doch: „so fucking what?“
      Muss jetzt ein Ruck durch die Popwelt gehen? Im Grunde hat sich Pop so entwickelt, wie es logischerweise bei den gegebenen technischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu erwarten war. Man kann das nur akzeptieren und sich weiterhin die Rosinen raussuchen oder sich darüber grämen und als alter Sack nostalgisch und kulturpessimistisch (also „retro“) werden.

      Reynolds hat über etwas nachgedacht, was ihn beschäftigt hat – und daraus ein Buch gemacht, das sich mit Popkultur befasst. Ob seine Leser damit etwas anfangen oder nicht, ist eine andere Sache und auch unterschiedliche Einordnungen sind vollkommen legitim. Ob es in der heutigen Church of Pop tatsächlich ‘alternativlos’ ist, zu akzeptieren, dass bei den von dir erwähnten technischen Bedingungen und Möglichkeiten nicht mehr drin ist (oder war) als die Flucht in die Vergangenheit wäre eine Überlegung wert. Die ‘grundlegende Frage ist nicht ‘so fucking what?’, sondern: ‘was bringt Leute dazu, nicht der Musik von Morgen nachzujagen, sondern sich der Musik von Gestern zuzuwenden?’

      Die Musikwissenschaftlerin Livingston sagt, dass die Aktivitäten innerhalb der Popmusik, die man im Jahrzehnt des ‘Re’ feststellen kann, ‘hauptsächlich Phänomene der Mittelklasse seien, die mit Aspekten des gegenwärtigen Lebens unzufrieden bzw. davon überfordert, sich an Identitätskonstruktionen versuchen.’ Diese Gesellschaftspartizipierer suchen sich eine persönliche Wolke, eine Wohlfühlzone, die unangenehme Aspekte der realen, aber unerwünschten Gegenwart aussperrt.

      Findest du nicht, dass die Zahl der ‘Rosinen’ abnimmt? Bist du mit dieser Entwicklung zufrieden oder hast du dich nur damit abgefunden, weil es zweifellos wichtigere Dinge im Leben gibt? Und ist dir bei deiner Betrachtung bewusst, dass diese Rahmenbedingungen zu einem großen Teil von Unterhaltungskonglomeraten, diverse Plattformen bevölkernden Avataren (hinter denen teilweise wiederum Industrie- und Privatinteressen stecken) und Interessen der Betreiber solcher Datennetze bestimmt werden?

      lathoSo wie ich das vernehmen konnte, gibt es bis jetzt weder eine trennscharfe Defintion noch handfeste Beispiele, an denen der Begriff demonstriert werden kann.

      It’s in the book.

      Wie ich „Star Wars ist faschistoid“ gelesen habe, fühlte ich mich an mintgrüne, ausgefranste Doktorarbeiten aus den hintersten Regalen der soziologischen Fakultät erinnert.

      Ja, da zucken Deutsche gerne aufgeregt zusammen. Als ‘faschistoid werden Eigenschaften bezeichnet, die dem Faschismus in verschiedener Hinsicht ähnlich sind.’ Bei STAR WARS ist dies der Fall.

      Post #4 ist immer noch nicht widerlegt.

      Fragen kann man nicht widerlegen.

      .

      --

      #8682887  | PERMALINK

      latho
      No pretty face

      Registriert seit: 04.05.2003

      Beiträge: 36,823

      tolomoquinkolom[…]
      It’s in the book.

      Das ich nicht lesen werde.

      tolomoquinkolom
      Ja, da zucken Deutsche gerne aufgeregt zusammen.

      Ja, komisch, oder?

      tolomoquinkolom
      Als ‘faschistoid werden Eigenschaften bezeichnet, die dem Faschismus in verschiedener Hinsicht ähnlich sind.’ Bei STAR WARS ist dies der Fall.

      Natürlich nicht. Und wenn ein Massenunterhaltungsfilm faschistoid sein soll, dann ist nichts und alles faschistoid.

      tolomoquinkolom
      Fragen kann man nicht widerlegen.

      Das war eine rhetorische Frage…

      --

      If you talk bad about country music, it's like saying bad things about my momma. Them's fightin' words.
      #8682889  | PERMALINK

      otis
      Moderator

      Registriert seit: 08.07.2002

      Beiträge: 22,557

      Ich verstehe die Problematik eigentlich noch immer nicht.
      Wenn ich dem Pop Retro-Attribute zuschreibe, bedeutet es doch, dass ich Popmusik als solcher irgendwelche musikalischen Attribute zuschreibe (die laut These nun mehr und mehr in Richtung „retro“ gehen sollen). Pop also als musikalisches Phänomen.
      Was aber, wenn man Pop versteht als massenkulturelles Phänomen (hier auf Musik bezogen, aber auch zu beziehen auf Film, Computerspiel etc.), dann kann man doch nicht von musikalischen Eigenschaften ausgehen, sondern dann ist alles Pop, was die Menschen aktuell bewegt, von Scott Walker bis Andrea Berg. Spannend ist dann: wie viel Konsens gibt es, wie groß sind die Schnittmengen, wo sind die Schnittmengen (musikalisch, hörergruppenbezogen etc.)?
      Nicht Pop wäre dann „retro“, und schon gar nicht der komplette, sondern „retro“ wäre ein Zeichen der Zeit, wohl gemerkt nur eines.
      Und wenn nun ein Jake Bugg derart viel Aufmerksamkeit auf sich zieht, dann ist das möglicherweise einer Sehnsucht nach Musik von früher geschuldet, kann aber auch nur Zeichen einer gewissen Richtungslosigkeit, was Massenkultur anbelangt, sein, könnte aber auch darauf hindeuten, dass die öffentliche Auseinandersetzung mit Pop qua Medien per se „retro“ ist, weil sie noch immer nach Massenkompatibilität sucht, wo es längst keine mehr gibt und keine mehr geben muss. Denn die große Zeit des Pop fand unter soziokulturellen Umständen statt, die in meinen Augen keine wünschens- oder erstrebenswerten waren oder sein sollten.

      Für mich hat also Pop als Phänomen, zumindest im musikalischen Bereich, eher ausgedient, als sich die Retro-Frage sonderlich stellen würde. Pop findet nur noch in kleinen Nischen statt oder auf ganz anderen Gebieten.
      Fundamentale Popphänomene wie Abgrenzung, Suche nach Gemeinsamkeit, Identifikationsangeboten, Standortbestimmung etc., die früher einmal von hohem Belang und einiger gesellschaftlicher Relevanz waren, haben heute doch fast vollständig ausgedient, so dass sich die Frage nach einer möglichen gesellschaftlichen Bedeutung doch von vornherein erübrigt.
      Ja, fällt der Vorwurf an Pop, er sei Retro, nicht sogar auf den Urheber zurück, da er einer rückwärtsgewandten Popästhetik entspringt, die in der Gesellschaft von heute längst obsolet geworden ist.

      --

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      #8682891  | PERMALINK

      friedrich

      Registriert seit: 28.06.2008

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      tolomoquinkolomReynolds hat über etwas nachgedacht, was ihn beschäftigt hat – und daraus ein Buch gemacht, das sich mit Popkultur befasst. Ob seine Leser damit etwas anfangen oder nicht, ist eine andere Sache und auch unterschiedliche Einordnungen sind vollkommen legitim. Ob es in der heutigen Church of Pop tatsächlich ‘alternativlos’ ist, zu akzeptieren, dass bei den von dir erwähnten technischen Bedingungen und Möglichkeiten nicht mehr drin ist (oder war) als die Flucht in die Vergangenheit wäre eine Überlegung wert. Die ‘grundlegende Frage ist nicht ‘so fucking what?’, sondern: ‘was bringt Leute dazu, nicht der Musik von Morgen nachzujagen, sondern sich der Musik von Gestern zuzuwenden?’

      Die Musikwissenschaftlerin Livingston sagt, dass die Aktivitäten innerhalb der Popmusik, die man im Jahrzehnt des ‘Re’ feststellen kann, ‘hauptsächlich Phänomene der Mittelklasse seien, die mit Aspekten des gegenwärtigen Lebens unzufrieden bzw. davon überfordert, sich an Identitätskonstruktionen versuchen.’ Diese Gesellschaftspartizipierer suchen sich eine persönliche Wolke, eine Wohlfühlzone, die unangenehme Aspekte der realen, aber unerwünschten Gegenwart aussperrt.

      Findest du nicht, dass die Zahl der ‘Rosinen’ abnimmt? Bist du mit dieser Entwicklung zufrieden oder hast du dich nur damit abgefunden, weil es zweifellos wichtigere Dinge im Leben gibt? Und ist dir bei deiner Betrachtung bewusst, dass diese Rahmenbedingungen zu einem großen Teil von Unterhaltungskonglomeraten, diverse Plattformen bevölkernden Avataren (hinter denen teilweise wiederum Industrie- und Privatinteressen stecken) und Interessen der Betreiber solcher Datennetze bestimmt werden?

      Auch wenn ich damit nicht persönlich angesprochen bin:

      Weiter oben hatte ich meine Ansicht, dass ein kritisches Traditionsbewusstsein auch den Pop nur bereichern kann, schon ausführlich dargelegt.

      Es mag sein, dass eine wirtschaftlich saturierte, aber durch eine sich immer schneller verändernde Welt verunsicherte Mittelklasse sich nach der „guten alten Zeit“, als es auch noch „richtige“ Musik gab, zurücksehnt – eine Musik, mit der paradoxerweise diese heute saturierte Mittelklasse wiederum in ihrer eigenen Jugend die Welt so schnell wie möglich verändern wollte. Aber war das nicht immer so? Vielleicht ist diese Zielgruppe heute bloß deutlich besser sichtbar, da sie aufgrund geburtenstarker Jahrgänge, der eigenen Sozialisation durch Pop und eines relativ hohen verfügbaren Einkommens als Zielgruppe von Bedeutung ist. Sie kann es sich leisten, jeden Donnerstag auf dem Nachhauseweg vom Büro am Bahnhofskiosk – oder besser: Beim Zwischenstopp mit der Familienkutsche an der Tankstelle – den Rolling Stone zu kaufen und die x-te Wiederveröffentlichung der dort immer gleichen abgefeierten alten Helden und der per Listen zum gesicherten Kanon erklärten alten Alben am Wochenende bequem im Internet ordern. Oder von Epigonen, die sich daran orientieren. Ich selbst bin zwar auch ein alter Sack – wenn auch ohne Familienkutsche – aber finde das langweilig. Aber es darf ja jeder nach seiner Facon selig werden.

      Ich würde aber vehement widersprechen, wenn Du sagst, dass die Zahl der „Rosinen“ abnimmt. Ich würde ebenso der Aussage widersprechen, dass heute weniger „neuer“ Pop produziert wird: Es gibt massenhaft davon! Er wird nur von der Lesergruppe des Rolling Stone und von vielen hier im Forum aktiven Teilnehmern nicht entsprechend wahrgenommen. Wo sind denn hier z.B. die Posts über die bunt schillernde, völlig unübersichtliche, sich immer wieder selbst überholende und damit auch für mich irritierende Electronica-Szene? Das wird hier nur als Marginalie behandelt, während alleine der Sound einer Stones Re-Issue ein Diskussionsthema ist. Vielleicht wird es von einer Generation, die in einer als guten alten Pop-Zeit empfundenen Vergangenheit gefangen ist, bloß nicht als Pop empfunden. Ist es aber. Doof, aber selber schuld!

      Heute morgen bei mir auf dem Plattenteller: http://www.youtube.com/watch?v=ZBrNy4OAalI

      Leider nur ein Remix, das Original ist not available.

      --

      „Für mich ist Rock’n’Roll nach wie vor das beste Mittel, um Freundschaften zu schließen.“ (Greil Marcus)
      #8682893  | PERMALINK

      nail75

      Registriert seit: 16.10.2006

      Beiträge: 44,672

      AlbertoWenn die Musik von früher, die mir etwas bedeutet, aufs Ästhetische reduziert wird (unter Außerachtlassung der früheren popkulturellen Bedeutung), kompatibel gemacht wird mit der allgegenwärtigen Konsenskonsumkultur und dann gleichzeitig andere Musik von früher, die anderen Menschen etwas bedeutet, genauso verwurstet wird, werden Bestandteile meiner eigenen Sozialisation in geschichtsblinder und egalisierender Weise vereinnahmt.

      Das ist dann aber dein Problem, das mich ehrlich gesagt nicht sonderlich interessiert.

      --

      Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.
      #8682895  | PERMALINK

      nail75

      Registriert seit: 16.10.2006

      Beiträge: 44,672

      tolomoquinkolomDie ‘grundlegende Frage ist nicht ‘so fucking what?’, sondern: ‘was bringt Leute dazu, nicht der Musik von Morgen nachzujagen, sondern sich der Musik von Gestern zuzuwenden?’

      Die Frage habe ich oben schon beantwortet: Menschen machen das, weil es geht. Es ist eine allgemeine Eigenschaft menschlicher Zivilisation. Ist Dir schon mal aufgefallen, dass bestimmte Sachen, die vollkommen aus der Mode sind, nach einigen Jahren oder Jahrzehnten wieder in Mode kommen? Im Moment sind beispielsweise Brillen mit dicken Rändern wieder „in“, die sah man in den letzten 20 Jahren nur bei sehr alten Leuten.

      Vieles verschwindet natürlich auch und wird vergessen, aber ein Teil der Vergangenheit wird Teil der allgemeinen Gesellschaftskultur. Das gilt natürlich auch für die Popmusik. Wenn aber Namen wie Dylan, Beatles, Stones oder Nirvana immer noch Bedeutung besitzen, dann ist es nur natürlich, dass sich junge Musiker darauf beziehen. Diese Bezüge können relativ leicht von einer größeren Zahl an Zuhörern erkannt werden.

      --

      Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.
      #8682897  | PERMALINK

      themagneticfield

      Registriert seit: 25.04.2003

      Beiträge: 33,907

      AlbertoWenn die Musik von früher, die mir etwas bedeutet, aufs Ästhetische reduziert wird (unter Außerachtlassung der früheren popkulturellen Bedeutung), kompatibel gemacht wird mit der allgegenwärtigen Konsenskonsumkultur und dann gleichzeitig andere Musik von früher, die anderen Menschen etwas bedeutet, genauso verwurstet wird, werden Bestandteile meiner eigenen Sozialisation in geschichtsblinder und egalisierender Weise vereinnahmt.

      Das hat was von einer Selbstüberhöhung der heutigen, gerne als „retro“ bezeichneten Popkultur gegenüber derjenigen aus der Zeit der jeweiligen Originale. Die Zitate früherer Musik stellen keine Verbeugung vor dieser Musik oder gar vor deren früherer gesellschaftlicher Bedeutung, sondern die Vereinnahmung dieser Musik durch die wertungsfreie Konsumwelt heutiger Prägung dar.

      Da bin ich ein bisschen so wie diejenigen stark religiösen Menschen, die sich an der unklerikalen Verwendung der gregorianischen Choräle in „Sadeness“ von Enigma gestört haben.

      Seh ich ja komplett anders. Ich bin um jedes Zitat von früherer Musik, die mir was bedeutet hat, mit der ich sozialisiert wurde (bei mir vornehmlich 80er), in der Jetztzeit, froh. Sei es in Look, Auftreten oder, natürlich vor allem Musik. Ich erkenn da nichts Ketzterisches, Vereinnahmendes, ich erfreue mich daran, natürlich AUCH weil Erinnerungen geweckt werden. Wenn das Ganze in einen neuen musikalischen Kontext eingebaut wird, und nicht reines Widerkäuen im Retrosinne ist, umso besser.

      --

      "Man kann nicht verhindern, dass man verletzt wird, aber man kann mitbestimmen von wem. Was berührt, das bleibt!
      #8682899  | PERMALINK

      alberto

      Registriert seit: 04.12.2007

      Beiträge: 1,935

      TheMagneticFieldSeh ich ja komplett anders. Ich bin um jedes Zitat von früherer Musik, die mir was bedeutet hat, mit der ich sozialisiert wurde (bei mir vornehmlich 80er), in der Jetztzeit, froh. Sei es in Look, Auftreten oder, natürlich vor allem Musik. Ich erkenn da nichts Ketzterisches, Vereinnahmendes, ich erfreue mich daran, natürlich AUCH weil Erinnerungen geweckt werden. Wenn das Ganze in einen neuen musikalischen Kontext eingebaut wird, und nicht reines Widerkäuen im Retrosinne ist, umso besser.

      Das geht mir dann auch so, wenn den Zitaten ein gewisser Grad an Bewunderung für das Original innewohnt (wie z.B. bei The Sounds oder dem ersten Album von Ladyhawke).

      otisIch verstehe die Problematik eigentlich noch immer nicht.
      Wenn ich dem Pop Retro-Attribute zuschreibe, bedeutet es doch, dass ich Popmusik als solcher irgendwelche musikalischen Attribute zuschreibe (die laut These nun mehr und mehr in Richtung „retro“ gehen sollen). Pop also als musikalisches Phänomen.
      Was aber, wenn man Pop versteht als massenkulturelles Phänomen (hier auf Musik bezogen, aber auch zu beziehen auf Film, Computerspiel etc.), dann kann man doch nicht von musikalischen Eigenschaften ausgehen, sondern dann ist alles Pop, was die Menschen aktuell bewegt, von Scott Walker bis Andrea Berg. Spannend ist dann: wie viel Konsens gibt es, wie groß sind die Schnittmengen, wo sind die Schnittmengen (musikalisch, hörergruppenbezogen etc.)?
      Nicht Pop wäre dann „retro“, und schon gar nicht der komplette, sondern „retro“ wäre ein Zeichen der Zeit, wohl gemerkt nur eines.
      Und wenn nun ein Jake Bugg derart viel Aufmerksamkeit auf sich zieht, dann ist das möglicherweise einer Sehnsucht nach Musik von früher geschuldet, kann aber auch nur Zeichen einer gewissen Richtungslosigkeit, was Massenkultur anbelangt, sein, könnte aber auch darauf hindeuten, dass die öffentliche Auseinandersetzung mit Pop qua Medien per se „retro“ ist, weil sie noch immer nach Massenkompatibilität sucht, wo es längst keine mehr gibt und keine mehr geben muss. Denn die große Zeit des Pop fand unter soziokulturellen Umständen statt, die in meinen Augen keine wünschens- oder erstrebenswerten waren oder sein sollten.

      Für mich hat also Pop als Phänomen, zumindest im musikalischen Bereich, eher ausgedient, als sich die Retro-Frage sonderlich stellen würde. Pop findet nur noch in kleinen Nischen statt oder auf ganz anderen Gebieten.
      Fundamentale Popphänomene wie Abgrenzung, Suche nach Gemeinsamkeit, Identifikationsangeboten, Standortbestimmung etc., die früher einmal von hohem Belang und einiger gesellschaftlicher Relevanz waren, haben heute doch fast vollständig ausgedient, so dass sich die Frage nach einer möglichen gesellschaftlichen Bedeutung doch von vornherein erübrigt.
      Ja, fällt der Vorwurf an Pop, er sei Retro, nicht sogar auf den Urheber zurück, da er einer rückwärtsgewandten Popästhetik entspringt, die in der Gesellschaft von heute längst obsolet geworden ist.

      Warum haben Abgrenzung, Identifikation etc. heute ausgedient? Warum ist die herkömmliche Popästhetik heute obsolet?

      --

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