Retromania | ist Pop tot?

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  • #8682809  | PERMALINK

    bullschuetz

    Registriert seit: 16.12.2008

    Beiträge: 2,106

    Nachtrag – Zitate aus einem Nachbar-Thread:

    MikkoWer oder was ist Psy?

    KrautathausDu kennst Gnamnam-Style nicht?

    Ich denke, das beschreibt den Wandel in der Pop-Wahrnehmung auch sehr schön.

    --

    Highlights von Rolling-Stone.de
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    #8682811  | PERMALINK

    hal-croves
    אור

    Registriert seit: 05.09.2012

    Beiträge: 4,617

    FriedrichDazu müsste ich erst mal jemanden finden, der sich davon beeindrucken lässt … ;-)

    Wie? Ist das nicht der wichtigste Grund, sich im RS-Forum anzumelden? ;-)

    FriedrichPS: Das mit dem Kunstlied 2.0 ist übrigens brillant formuliert, Hal Croves. Touché!

    Hach ja, danke. Endlich mal einer, der meine geistige Eitelkeit befriedigt. ;-)

    bullschuetzNachtrag – Zitate aus einem Nachbar-Thread:

    Ich denke, das beschreibt den Wandel in der Pop-Wahrnehmung auch sehr schön.

    Absolut!

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    "Edle, freie Unbefangenheit bei Allem. ... Alle übrigen Vollkommenheiten sind der Schmuck unsrer Natur; sie aber ist der der Vollkommenheiten selbst. ... Sie ist mehr als Leichtigkeit, sie geht bis zur Kühnheit: sie setzt Ungezwungenheit voraus und fügt Vollkommenheit hinzu. Ohne sie ist alle Schönheit todt, alle Grazie ungeschickt: sie ist überschwenglich, geht über Tapferkeit, über Klugheit, über Vorsicht, ja über Majestät." (Baltasar Gracián) =>mehr<=
    #8682813  | PERMALINK

    nicht_vom_forum

    Registriert seit: 18.01.2009

    Beiträge: 5,855

    bullschuetzEines hat sich sicher fundamental verändert gegenüber den 60er-Jahren: Damals waren die Hörer jung, trafen auf teilweise massive Abweisung der Älteren und hatten schon allein deshalb das Gefühl, dabei zu sein, als etwas Aufregendes, Aktuelles, Neues passierte. Das die im Alten gefangene Generation nicht verstand und deshalb bedrohlich fand und aggressiv ablehnte.

    Dazu kommt, dass eine „Jugendliche“ als Gruppe überhaupt erst in den 50ern erfunden wurden. Davor gab es Kinder, Erwachsene und nichts dazwischen. Seit dann diese „ersten Jugendlichen“ laute Musik, Drogen, lange Haare, Jeans, etc. für sich besetzt haben, ist Musik (und der Rest der Liste) als Abgrenzung zu den Eltern im Grunde erledigt. Allerspätestens nach Hip-Hop und Rave erfolgt die Abgrenzung gegenüber der Ü40-Altersgruppe eben über Facebook, Twitter, Smartphone und Co. und nicht mehr über Musik. Was dann im nächsten Schritt den Weg frei macht für a) reine Unterhaltungsmusik a la Reamon und Justin Bieber und b) „intellektuelle“ Popmusik aka Kunstlied 2.0 mit „Geschichte“ und/oder Retro-Aspekten fürt Spezialisten.

    --

    Reality is that which, when you stop believing in it, doesn't go away.  Reality denied comes back to haunt. Philip K. Dick
    #8682815  | PERMALINK

    Anonym
    Inaktiv

    Registriert seit: 01.01.1970

    Beiträge: 0

    bullschuetzInsofern kann, glaube ich, kein Zweifel daran bestehen, dass zwischen dem „Be here now“-Geist der 60er, dem Gefühl, sich grade eben genau hier am Nabel der Welt zu befinden und in der aufregendsten aller möglichen Zeiten zu leben, und dem popmusikalischen Heute, das zumindest in großen Teilen geprägt ist von Historisierung, Nostalgie, vergleichendem Hören, Wertungslistenanfertigung, teils auch akademischer Einordnung, eine enorme Kluft klafft.

    der „be here now Geist“ der 60er betrifft wohl eher junge Leute, während „vergleichendes Hören, Wertungslistenanfertigung, teils auch akademische Einordnung“ heute für die zutrifft, die nicht nur aus Altersgründen mit aktuellem Pop schon länger abgeschlossen haben.

    --

    #8682817  | PERMALINK

    bullschuetz

    Registriert seit: 16.12.2008

    Beiträge: 2,106

    Ja, das stimmt. Früher aber standen den jungen Leuten, die Pop hörten, die Alten gegenüber als Phalanx der Verständnislosen. Heute sind die Alten selber seinerzeit mit Pop sozialisiert worden – ihre wachsende Verständnislosigkeit mischt sich mit vollkommen intakten Deutungsansprüchen. Und so kommt es, dass selbst in Zeitschriften, die sich mit aktuellen Pop-Phänomen befassen, Alte Meister breiten Raum einnehmen (im Rolling Stone“ sowieso, aber auch in „Spex“). Pop heute ist viel vergangenheitszugewandter als früher, sozusagen „nach hinten offen“. Und dass viele daraus folgern, Pop sei heute weniger „gegenwärtig“, irgendwie „retro“, scheint mir schon sehr verständlich. Retromania? Ich glaube schon.

    Natürlich gibt es innovative Bewegungen, hippe junge Popmusik – aber die Breitenwirksamkeit hält sich in Grenzen. Dass wir in einer „Retro“-Zeit leben, heißt ja nicht, dass ALLES Retro ist, sondern schlicht, dass im Vergleich zu früheren Pop-Jahrzehnten Nostalgie, Rückbesinnung, Recycling und Revitalisierung vergangener Hipness-Codes heutzutage größere, geradezu überwertige Bedeutung haben.

    Noch ein Forums-Phänomen, um diese Veränderung zu verdeutlichen: „bluesgirlinexile99“ diskutiert mit „Dem Hofacker“.

    --

    #8682819  | PERMALINK

    alberto

    Registriert seit: 04.12.2007

    Beiträge: 1,942

    bullschuetzJa, das stimmt. Früher aber standen den jungen Leuten, die Pop hörten, die Alten gegenüber als Phalanx der Verständnislosen. Heute sind die Alten selber seinerzeit mit Pop sozialisiert worden – ihre wachsende Verständnislosigkeit mischt sich mit vollkommen intakten Deutungsansprüchen. Und so kommt es, dass selbst in Zeitschriften, die sich mit aktuellen Pop-Phänomen befassen, Alte Meister breiten Raum einnehmen (im Rolling Stone“ sowieso, aber auch in „Spex“). Pop heute ist viel vergangenheitszugewandter als früher, sozusagen „nach hinten offen“. Und dass viele daraus folgern, Pop sei heute weniger „gegenwärtig“, irgendwie „retro“, scheint mir schon sehr verständlich. Retromania? Ich glaube schon.

    Das hängt doch mit den Zielgruppen der Zeitschriften zusammen.

    Im Vor-Musikexpress-Alter war früher die BRAVO auch in Sachen Popmusik bedeutend. Wie ist denn das heute? Schreibt die BRAVO noch viel über Musik? Ist die BRAVO auch retro, wenn es um Musik geht?

    --

    #8682821  | PERMALINK

    staggerlee

    Registriert seit: 04.02.2007

    Beiträge: 738

    Ein Satz vorweg: Postpunk spiegelte meines Erachtens das Ende der großen Erzählung der Moderne wieder (sagt ja schon der Name)- ab diesem Zeitpunkt konnte die Entwicklung der Popmusik nicht mehr als lineare Enwicklung betrachtet werden: Roxy Music gehört m.E. hier rein- deswegen waren sie ihrer Zeit voraus (und somit hochinnovativ)- mehr „post“ geht gar nicht.

    Und dennoch stellen sich mir ein paar Fragen, die sich mir beim Durchlesen des Threads stellen und die ich als nach wie vor nicht beantwortet sehe (auch um die Diskussion wieder an den Ausgangspunkt zurückzuführen):

    1.) Popmusik spiegelte meist die technologische Entwicklung wieder, z.B. elektrische Gitarre- Rock`n Roll, neue Studiotechnologien- Sgt. Pepper (ich weiß im Forum verhasst); Computer- Kraftwerk, Sampling etc. Das Internet bedeutet was? Und: Welche Auswirkungen hat das Ende der Plattenindustrie, das Ende des Urheberrechts (und somit auch den Begriff des Künslers als Urheber des Werks) und einen unendlichen Pool an Quellen, bzw. Zugriff auf Quellen? Was bedeutet das für die Entwicklung von Popmusik?

    2.) War Popmusik die meiste Zeit innovativ, oder waren es eher kurze Augenblicke, die neue Stilrichtungen hervorgebracht haben- worauf eine lange Zeit der Konsolidierung folgte. Sind wir in einer Konsolidierungsphase und wen ja seit wann? Auffällig ist für mich nach wie vor, daß mir keine Stilrichtung der 0er Jahre einfällt die aus einer wirklich neuen Subkultur entstanden wäre, was nicht bedeutet, daß kein individueller Ausdruck mehr möglich ist.

    3.) In einer liberalen Gesellschaft des anything goes, wo Revolution von der Werbeindustrie längst vereinnahmt ist, Popmusiker bei den Staatschefs eingeladen werden und Popmusik im Wahlkampf genutzt wird, die Eltern selbst mit Popmusik groß geworden sind- gegen was soll hier die popmusikalische Revolution stattfinden? Taugt Pop überhaupt noch dazu sich darüber zu definieren?

    --

    #8682823  | PERMALINK

    Anonym
    Inaktiv

    Registriert seit: 01.01.1970

    Beiträge: 0

    Diese Diskussion erinnert mich an die Suche nach der Ursprache.
    Wenn man einem Menschen Beziehungen, den Bezug, Inspiration vorenthält, stoppt das die Entwicklung. Die musikalischen Anfänge waren wahrscheinlich von der Umwelt der damaligen Menschen beeinflusst, inspiriert durch die Natur, individuell wahrgenommen, kreativ „verarbeitet“.

    Das indviduelle und kollektive Bewußtsein besteht aus Erfahrungen, ist somit von Gestern, im Heute und beeinflusst das Morgen.
    Populäre Musik ist ein Teil des kollektiven Bewußtsein, bezieht sich also immer auch auf Gestern.

    --

    #8682825  | PERMALINK

    hal-croves
    אור

    Registriert seit: 05.09.2012

    Beiträge: 4,617

    bullschuetzNoch ein Forums-Phänomen, um diese Veränderung zu verdeutlichen: „bluesgirlinexile99“ diskutiert mit „Dem Hofacker“

    … anstatt mit mir. ;-)

    --

    "Edle, freie Unbefangenheit bei Allem. ... Alle übrigen Vollkommenheiten sind der Schmuck unsrer Natur; sie aber ist der der Vollkommenheiten selbst. ... Sie ist mehr als Leichtigkeit, sie geht bis zur Kühnheit: sie setzt Ungezwungenheit voraus und fügt Vollkommenheit hinzu. Ohne sie ist alle Schönheit todt, alle Grazie ungeschickt: sie ist überschwenglich, geht über Tapferkeit, über Klugheit, über Vorsicht, ja über Majestät." (Baltasar Gracián) =>mehr<=
    #8682827  | PERMALINK

    friedrich

    Registriert seit: 28.06.2008

    Beiträge: 4,876

    AlbertoDiese Entwicklung scheint ja aber gerade nach dem Ende von Techno unterbrochen worden zu sein. Nach dem Postpunk kamen noch HipHop und Techno. Danach scheint die Popgeschichte ans Ende ihrer Entwicklung gekommen zu sein. Seither ist alles retro. So sagt es jedenfalls die These von der Retromanie. Die Nullerjahre werden allgemein als Phase des Stillstands charakterisiert. Entsprechend ist die Musik. Aber wie geht es jetzt weiter? Bleibt der Stillstand? Macht doch noch mal einer was Innovatives?

    bullschuetzEines hat sich sicher fundamental verändert gegenüber den 60er-Jahren: Damals waren die Hörer jung, trafen auf teilweise massive Abweisung der Älteren und hatten schon allein deshalb das Gefühl, dabei zu sein, als etwas Aufregendes, Aktuelles, Neues passierte. Das die im Alten gefangene Generation nicht verstand und deshalb bedrohlich fand und aggressiv ablehnte.

    Heute hingegen gibt es solche Dinge wie den „Rolling Stones“-Thread im „Rolling Stone“-Forum oder die Jahresbestenliste einer aktuellen Musikzeitschrift, die „Tempest“ auf Platz 1 führt.

    Nicht_vom_ForumDazu kommt, dass eine „Jugendliche“ als Gruppe überhaupt erst in den 50ern erfunden wurden. Davor gab es Kinder, Erwachsene und nichts dazwischen. Seit dann diese „ersten Jugendlichen“ laute Musik, Drogen, lange Haare, Jeans, etc. für sich besetzt haben, ist Musik (und der Rest der Liste) als Abgrenzung zu den Eltern im Grunde erledigt. Allerspätestens nach Hip-Hop und Rave erfolgt die Abgrenzung gegenüber der Ü40-Altersgruppe eben über Facebook, Twitter, Smartphone und Co. und nicht mehr über Musik. Was dann im nächsten Schritt den Weg frei macht für a) reine Unterhaltungsmusik a la Reamon und Justin Bieber und b) „intellektuelle“ Popmusik aka Kunstlied 2.0 mit „Geschichte“ und/oder Retro-Aspekten fürt Spezialisten.

    StaggerleeEin Satz vorweg: Postpunk spiegelte meines Erachtens das Ende der großen Erzählung der Moderne wieder (sagt ja schon der Name)- ab diesem Zeitpunkt konnte die Entwicklung der Popmusik nicht mehr als lineare Enwicklung betrachtet werden: Roxy Music gehört m.E. hier rein- deswegen waren sie ihrer Zeit voraus (und somit hochinnovativ)- mehr „post“ geht gar nicht.

    Und dennoch stellen sich mir ein paar Fragen, die sich mir beim Durchlesen des Threads stellen und die ich als nach wie vor nicht beantwortet sehe (auch um die Diskussion wieder an den Ausgangspunkt zurückzuführen):

    1.) Popmusik spiegelte meist die technologische Entwicklung wieder, z.B. elektrische Gitarre- Rock`n Roll, neue Studiotechnologien- Sgt. Pepper (ich weiß im Forum verhasst); Computer- Kraftwerk, Sampling etc. Das Internet bedeutet was? Und: Welche Auswirkungen hat das Ende der Plattenindustrie, dem Ende des Urheberrechts (und somit auch den Begriff des Künslers als Urheber des Werks) und einen unendlichen Pool an Quellen, bzw. Zugriff auf Quellen? Was bedeutet das für die Entwicklung von Popmusik?

    2.) War Popmusik die meiste Zeit Innovativ, oder waren es eher kurze Augenblicke, die neue Stilrichtungen hervorgebracht haben- worauf eine lange Zeit der Konsolidierung folgte. Sind wir in einer Konsolidierungsphase und wen ja seit wann? Auffällig ist für mich nach wie vor, daß mir keine Stilrichtung der 0er Jahre einfällt die aus einer wirklich neuen Subkultur entstanden wäre, was nicht bedeutet das kein individueller Ausdruck mehr möglich ist.

    3.) In einer liberalen Gesellschaft des anything goes, wo Revolution von der Werbeindustrie längst vereinnahmt ist, Popmusiker bei den Staatschefs eingeladen werden und Popmusik im Wahlkampf genutzt wird, die Eltern selbst mit Popmusik groß geworden sind- gegen was soll hier die popmusikalische Revolution stattfinden? Taugt Pop überhaupt noch dazu sich darüber zu definieren?

    Genossinnen und Genossen, die Revolution ist vorbei: Pop hat gesiegt!

    Vielleicht ist es tatsächlich so, dass die großen Gesellschaftskonflikte, zumindest was Generationenkonflikte, den politischen Links-Rechts Konflikt und die Geschlechterrollen betrifft, zu Ende ausgetragen und aufgelöst worden sind. Kein Mensch fühlt sich mehr durch Sex&Drugs&R’n’R provoziert, eine Partei, die vor 30 Jahren noch unter latentem Verdacht des Landesverrats stand, stellt in BW den Ministerpräsidenten, der größte Schwulenclub der Republik, wenn nicht sogar Berlins, ist ein internationaler Touristenmagnet und wird von einer biederen Boulevardzeitung dafür ausgezeichnet. Die Metal-Szene darf jedes Jahr in einem norddeutschen Dorf ein Wochenende lang lautstark eine Popversion Satans anbeten und wie Gespenster verkleidete Gothics treffen sich jeden Freitagabend am Alexanderplatz. Bis vor ein paar Jahren konnte man in Berlin an einen Sommertag sogar nackt auf der Straße tanzen. Wenn stört’s? Niemanden! Im Gegenteil, das alles ist akzeptiert und schon längst auch in den Wirtschaftskreislauf integriert.

    All die Rebellionen, Stellvertreterkriege und Abgrenzungsscharmützel, die in der Popmusik des 20. Jahrhunderts angezettelt wurden, haben sich erledigt. Jeder hat sein Nische gefunden, in der er sich nach Lust und Laune selbst verwirklichen darf, solange er damit niemand anderem auf die Füße tritt. Die liberale pluralistische Gesellschaft ist Wirklichkeit geworden und sie muss nur noch gegen eines verteidigt werden – gegen die Gegner des Pluralismus.

    Wenn ich den Wikipedia-Eintrag über Bushido aufrufe, kann ich schon im Inhaltsverzeichnis die Begriffe Rechstsextremismus, Frauen- und Homosexuellenfeindlichkeit, Antisemitisms Jugendgefährdung, Körperverletzung und Beleidigung lesen. Ein bunter Strauß an Gemeinheiten, der kollektive Empörung auslöst. Aber damit ist ihm mediale Aufmerksamkeit sicher. (Bezeichnenderweise habe ich noch nie einen Ton von Bushido gehört, aber trotzdem kenne ich ihn) Ansonsten ist ja alles erlaubt: Man darf alt oder jung, schön oder hässlich, dick oder dünn, schwul oder hetero, laut oder leise, links oder rechts, retro oder – äh … – modern sein, jeder darf nach seiner Facon selig werden. Welche Mauern will man dann noch einreißen, welche Fesseln sprengen? Am ehesten sehe ich noch Potential an den „Rändern“ der Gesellschaft, in der Mischung aus Migrationshintergrund, kultureller Abschottung und Hartz IV. Das scheint ja auch das Milieu zu sein, aus dem jemand wie Bushido kommt.

    Früher, als die Welt noch in Ordnung und damit übersichtlich war, galten die Hipster in ihren wechselnden Erscheinungsformen als Protagonisten jugendlichen Aufbegehrens, mögen es Beatniks, Hippies oder Punks gewesen sein. Heute kann keiner mehr sagen, wofür oder wogegen der Hipster in Berlin-Friedrichshain überhaupt steht, außer für Hornbrillen, schlecht sitzende Röhrenhosen, Jutebeutel und Club-Mate. Deren musikalischer Überbau scheint ja auch aus einer Collage verschiedener Retro-Stile zu bestehen. Neulich sah ich auf einer Bühne eine junge Frau Ukulele spielen. Man erklärte mir, das sei hip. Naja …

    Das alles heißt aber nicht, dass es keine neue und aufregende Musik mehr gibt. Sie drängt sich nur nicht mehr so in den Vordergrund. Sie ist auch nicht mehr so mit der Aura des Aufrührerischen und Rebellischen behaftet und sie ist nicht mehr das Medium einer Jugendbewegung, die sich gegenüber der älteren Generation Gehör verschaffen will. Vielleicht kann man sich so auch erklären, dass Modernität Innovation von Musik heute nicht mehr zwangsläufig etwas mit dem Alter der Urheber zu tun hat. Möglicherweise nicht mal was mit dem Alter des entsprechenden Publikums. 20-Jährige gefallen sich in Retro-Rollen aber alte Säcke mit teilweise sogar akademischen Hintergrund verschieben die musikalischen und visuellen Grenzen und werden damit vom Goethe-Institut auch noch als Repräsentanten zeitgenössischer deutscher Kultur um die Welt geschickt.

    Und das ist doch auch gut so!

    http://www.youtube.com/watch?v=YE_cvmUcF2E

    (Frank Bretschneider, Jahrgang 1956)

    --

    „Für mich ist Rock’n’Roll nach wie vor das beste Mittel, um Freundschaften zu schließen.“ (Greil Marcus)
    #8682829  | PERMALINK

    daniel_belsazar

    Registriert seit: 19.04.2006

    Beiträge: 1,253

    Marginalie: John Lennon mit Bezügen zum Thema

    --

    The only truth is music.
    #8682831  | PERMALINK

    nail75

    Registriert seit: 16.10.2006

    Beiträge: 44,707

    Monroe Stahrdu hast gelacht weil du den Unterschied nicht verstanden hast?

    Klar! ;-)

    Nein, weil ich an die Diskussion hier denken musste!

    --

    Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.
    #8682833  | PERMALINK

    tolomoquinkolom

    Registriert seit: 07.08.2008

    Beiträge: 8,651

    Friedrich Retro fängt bei der ersten Roxy Music ja schon an, bevor man die Platte überhaupt aus dem Cover gezogen hat: Vorne drauf ein 50s Pin Up und die Bandmitglieder sehen mit ihren schmierigen Haartollen, Lederjacken oder Leopardenfellhemden aus wie die Karikatur einer Rockband.

    Retroxy!?

    Ich mag nach der Sampling-Geschichte nicht wieder einen Exkurs starten, daher nur so viel: für mich sind die Alben ROXY MUSIC und FOR YOUR PLEASURE nicht retro, denn beide Werke enthalten neben zwitschernder Elektronik, Elvis-Schmalz und Pop-Glitter auch Ironie. Letztere sehe ich in dem, was du im Bezug auf das glamouröse Cover Karl Stoeckers Karikatur nennst, eine Hommage des ex-Kunststudenten Bryan Ferry an Gil Elvgren bzw. an Mel Ramos ist und als Kunstaneignung Pin-ups in andere Medien transformiert. Genau diese ironische – mitunter lakonische – Brechung stellt jenen bereits vorher erwähnten kreativen Eigenanteil von Künstlern dar, der (in diesem Fall) sogar so weit reicht, dass er innovativ auf andere wirkt (New Wave, Ambient).

    Das Innencover des Albums FOR YOUR PLEASURE weist deutlich auf die personelle Aufgabenverteilung hin: während die eine Hälfte in ihren Monturen wie Kraftwerksarbeiter wirken (Manzanera und Thompson), sieht man die andere als Diva (Eno), Raumschiffbesatzung (Manzanera) und Elvis (Ferry) – übrigens alle mit Gitarren bewaffnet. Dazwischengekommen ist den beiden Arbeitersöhnen Ferry und Eno dann allerdings ihr Ego. Interesse an Zukunft, die Experimentierlust (Synthesizer, Samples, Tapes) und musikalische Vorwärtsbewegung (Ambient, Minimal) des einen passte nicht länger zum Interesse an Vergangenheit, zur Erfolgs- bzw. Besitzstandswahrung, dem Hang zu Ästhetizismen und dem musikalischen Rückwärtsdrang (Crooner, Fashion, Coverversionen) des anderen.

    .

    --

    #8682835  | PERMALINK

    stormy-monday
    We Shall Overcome

    Registriert seit: 26.12.2007

    Beiträge: 20,050

    tolo, bist Du Dir mit dem Pin Up- Einfluss von Mel Ramos sicher? Ich sehe da eher Gil Elvgren in diesem tollen Cover. Ist aber nicht wirklich essentiell.

    --

    Well, my telephone rang, it would not stop It's President Biden callin' me up He said, "My friend, Maik, what do we need to make the country grow?" I said, "My friend, Joe, my friend Bob would advice you , Brigitte Bardot, Anita Ekberg, Sophia Loren" Country'll grow
    #8682837  | PERMALINK

    tolomoquinkolom

    Registriert seit: 07.08.2008

    Beiträge: 8,651

    Stormy Monday Ich sehe da eher Gil Evgren in diesem tollen Cover. Ist aber nicht wirklich essentiell.

    Du hast recht, Elvgren ist als Pop-art-Bezug noch deutlicher.

    --

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