Jürgen Teipel – Verschwende Deine Jugend

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  • #83385  | PERMALINK

    friedrich

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    Ich habe mich im RS-Forum vor kurzem vermutlich bei so manchem unbeliebt gemacht, weil ich im Thread über Spliff in offen böswilliger und gezielt destruktiver Weise über diese Deutschrocker lästerte. Ich ging so weit, dass ich zur Gewaltanwendung gegen Spliff aufrief und anregte, sie von den Einstürzenden Neubauten mit einem Presslufthammer zerlegen zu lassen.

    Ich bekenne, dass ich Spliff nicht ganz unvoreingenommen begegnete, da ich gerade das Buch Verschwende Deine Jugend von Jürgen Teipel las, ein Doku-Roman zu deutschem Punk und New Wave. VDJ ist ursprünglich 2001 erschienen aber in diesem Jahr in einer um 70 Seiten, jetzt 450-seitigen erweiterten Ausgabe neu aufgelegt worden. Ich finde, dieses Buch ist einen eigenen Thread wert.

    46318.jpg

    Jürgen Teipel hat in VDJ kaum ein Wort selbst geschrieben. Stattdessen hat er zahlreiche Interviews mit Protagonisten der Neuen Deutschen Welle der Jahre 1976 bis 1983 geführt, darunter Peter Hein und den späteren Malerei-Professor Markus Oehlen (beide damals Mitglieder des Fehlfarben-Vorläufers Mittagspause), Gabi Delgado und Robert Görl (DAF), Tommi Stumpf (KFC), Campino (ZK / Tote Hosen), Gudrun Gut (Malaria / Mania D.), Alfred Hilsberg (Inhaber des ZickZack-Labels) Anette Humpe, Blixa Bargeld und Andreas Dorau. Deren Auskünfte hat er zu einer Collage montiert, die eine bunte Chronik dieser Zeit und Szene ergibt. Ein Bild von der Geburt des Punk aus Langeweile und Enge, Auflehnung und Aufbruchsstimmung, genährt durch die Lust auf Provokation, die ihre musikalischen Ausdrucksformen suchte und fand. Eine oft haarstäubende Geschichte von Enthusiasmus und Spaß, Genie und Wahnsinn, Erfolg und Scheitern, Freundschaft und Verrat, Liebe und Eifersucht, Alkohol und Gewalt, Größenwahn und Selbstzweifel, großem Geld und noch größeren Schulden.

    Wir erfahren von wilden Parties im Ratinger Hof in Düsseldorf, wie Gabi Delgado und Robert Görl bei DAF ein Mitglied nach dem anderen eiskalt rauskegelten, zu zweit endlich den Durchbruch schafften, aber wenig später abstürzten und Robert Görl erst aufwachte, als er mit dem Auto an einen Baum krachte, wie Tommi Stumpf sich in Alkohol- und Gewaltexzessen fast selbst zerstörte, Anette Humpe trotz ihres kommerziellen Erfolges immer neidisch auf die Coolness von Gudrun Gut war, wie Peter Hein auf der Schwelle zum Erfolg ein Leben als kleiner Büroangestellter der Existenz als Rockstar vorzog, die Einstürzenden Neubauten sich mit Speed aufputschten und sich dadurch fühlten wie der von ihnen besungene Yü Gung, der angeblich Berge versetzen konnte, wie Alfred Hilsberg jede Platte, die ihm persönlich gefiel, veröffentlichte, aber sich durch wirtschaftlichen Dilletantismus finanziell ruinierte und wie die ganze Szene am Ende auch daran verzweifelte und scheiterte, dass andere wie Markus, Nena, Extrabreit, Trio und eben auch Spliff die Ernte ihrer Arbeit einbrachten.

    Nur einige der Protagonisten haben es geschafft eine dauerhafte Laufbahn als Musiker einzuschlagen, manche sind irgendwann ausgestiegen und haben bürgerliche Berufe angenommen, einige haben nach dem Abebben der Welle jahrelang in irgendwelchen Hilfsjobs überlebt bevor sie doch noch irgendwie die Kurve kriegten, ein paar haben auch Karriere gemacht (Ex-Schlagzeuger von KFC und Nichts und jetziger Doktor der Psychiatrie Tobias Brink: “Das ist ja eine ähnliche Klientel wie damals.”). Chrislo Haas (DAF/Liasons Dangereuses) starb 2004 mit 47 Jahren als Alkoholwrack.

    Ein Mosaik, das in Art eines Vexierbildes je nach Fokus etwas unterschiedliches darstellt. Oberflächlich betrachtet geht es um Musik. Aber je tiefer man sich in VDJ hineinziehen lässt, desto mehr geraten abwechselnd das Milieu, in dem Punk entstand, die Attitüden und Posen der Protagonisten, die sehr unterschiedlichen Figuren, die davon angezogen wurden, Gastarbeiterkind aus “asozialen Verhältnissen” (Gabi Delgado), Konservatoriumsschüler (Robert Görl), Künstler (Markus Oehlen), Kleinbürger mit Doppelleben (Peter Hein) oder Bohemien in Endzeit-Stimmung (Blixa Bargeld), das soziale und politische und wirtschaftliche Umfeld in den Vordergrund. VDJ ist keine Anthologie von Punk und New Wave in Deutschland. Es ist das Sittengemälde einer Zeit und Szene, die kurz und laut aufblühte, sich selbst verbrannte aber Jahrzehnte später immer noch ein Echo zurückwirft. Atemberaubend!

    Einzelheiten: http://www.suhrkamp.de/buecher/verschwende_deine_jugend-juergen_teipel_46318.html

    Begleitend zum Buch gibt es eine Doppel-CD mit Musik. Der gleichnamige Film hat mit dem Buch nichts zu tun,

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    „Für mich ist Rock’n’Roll nach wie vor das beste Mittel, um Freundschaften zu schließen.“ (Greil Marcus)
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    #8639039  | PERMALINK

    latho
    No pretty face

    Registriert seit: 04.05.2003

    Beiträge: 36,937

    Die Ausgabe, die du abgebildet hast, habe ich auch – freut mich zu hören, dass es eine erweiterte ist. Ich selber habe bis her nur mal geblättert, aber die Montage kurzer Interview-Teile verspricht schnelles Lesevergnügen. Mal sehen, ob ich 400 Seiten dabei bleibe. Irgendeinen Sampler gab es auch zum Buch, habe ich neulich irgendwo gelesen (bin gerade zu faul zum Suchen). Gab es auch eine TV-Doku dazu? Einen Film ja sowieso, der aber meines Wissens nicht mit dem Sujet zu tun hat.

    --

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    #8639041  | PERMALINK

    wenzel

    Registriert seit: 25.01.2008

    Beiträge: 5,636

    Friedrich Kleinbürger mit Doppelleben (Peter Hein)

    das würde ihm wahrscheinlich gefallen, obwohl er heute eher zum Künstler-Prekariat gehört.
    Wenn man sich für die Zeit interessiert, ist VDJ natürlich ein faszinierendes Buch.
    Die Alteingesessenen werden sich wohl daran erinnern, dass es hier schon mal eine hitzige Diskussion gab. Teipel soll insbesondere dem Gewalt-Aspekt etwas zu viel Raum gegeben haben.

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    #8639043  | PERMALINK

    joshua-tree
    Back from the Grave

    Registriert seit: 17.05.2005

    Beiträge: 17,455

    lathoGab es auch eine TV-Doku dazu?

    Gibt es, wurde allerdings bisher nur auf der Berlinale* 2005 zu sehen war.

    Für mich persönlich das beste Buch über deutsche Musikgeschichte, weil ich die Abschnitte über Hamburg zum großen Teil selbst miterlebt habe.

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    #8639045  | PERMALINK

    mikko
    Moderator
    Moderator / Juontaja

    Registriert seit: 15.02.2004

    Beiträge: 34,399

    Joshua TreeFür mich persönlich das beste Buch über deutsche Musikgeschichte, weil ich die Abschnitte über Hamburg zum großen Teil selbst miterlebt habe.

    Eine originelle Begründung. Demnach müsste ich jedes Buch über die Berliner Musikszene für das beste halten.

    Ich habe Teipels Buch nicht gelesen, Joshua Tree. was macht es so toll, mal abgesehen von Hamburg?

    --

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    #8639047  | PERMALINK

    friedrich

    Registriert seit: 28.06.2008

    Beiträge: 4,877

    lathoDie Ausgabe, die du abgebildet hast, habe ich auch – freut mich zu hören, dass es eine erweiterte ist. Ich selber habe bis her nur mal geblättert, aber die Montage kurzer Interview-Teile verspricht schnelles Lesevergnügen. Mal sehen, ob ich 400 Seiten dabei bleibe. Irgendeinen Sampler gab es auch zum Buch, habe ich neulich irgendwo gelesen (bin gerade zu faul zum Suchen). Gab es auch eine TV-Doku dazu? Einen Film ja sowieso, der aber meines Wissens nicht mit dem Sujet zu tun hat.

    Das Montageprinzip finde ich bei VDJ ganz große Klasse: Zum einen bekommt man ausschließlich O-Ton der Protagonisten zu lesen, was gelegentlich auch unterschiedliche Sichtweisen oder Beurteilungen der gleichen Sache beinhaltet. Zum anderen ergibt das ein mehr oder weniger grob oder fein gerastertes Mosaik, und das sieht aus verschiedenen Entfernungen und Perspektiven teils auch unterschiedlich aus. JT hat natürlich eine Auswahl der Aussagen getroffen, die er publiziert, und er stellt auch Zusammenhänge her, in der Art und Weise, wie er sie montiert. Aber explizit urteilen oder werten tut er nicht und so bleibt es am Ende dem Leser selbst überlassen, welches Fazit daraus zu ziehen ist. Der Film entsteht eigentlich erst im Kopf und auch im Film ist ja oft der Schnitt entscheidend. Die erweiterte Ausgabe darf man dann vielleicht sogar als Director’s Cut bezeichnen? Ich selbst habe das Buch jedenfalls verschlungen!

    Die CD ist diese hier: http://www.amazon.de/Verschwende-Deine-Jugend-Various/dp/B008E8XU8Y/ref=sr_1_1?s=music&ie=UTF8&qid=1349350033&sr=1-1

    Kenne ich aber nicht. Dem Augenschein nach ist die ganz okay, wenngleich man über die Auswahl streiten kann. Einiges stand sicher auch aus Lizenzgründen nicht zur Verfügung (z.B. Einstürzende Neubauten, Ideal …) Komischerweise gibt es davon auch eine ältere – aber umfangreichere Version.

    Der Spielfilm trägt nur den gleichen Titel. Hat mit dem Buch nichts zu tun.

    Wenzeldas würde ihm wahrscheinlich gefallen, obwohl er heute eher zum Künstler-Prekariat gehört.
    Wenn man sich für die Zeit interessiert, ist VDJ natürlich ein faszinierendes Buch.
    Die Alteingesessenen werden sich wohl daran erinnern, dass es hier schon mal eine hitzige Diskussion gab. Teipel soll insbesondere dem Gewalt-Aspekt etwas zu viel Raum gegeben haben.

    Diese hitzige Diskussion würde mich sehr interessieren!

    Peter Hein war tagsüber kleiner Büroangestellter bei Rank Xerox und abends der Ober-Punk im Ratinger Hof und Sänger der Fehlfarben. Später hat er sich für den Job bei Xerox entschieden und die Rolle als Fehlfarben-Sänger aufgegeben. Damit war er sicher auch nicht mehr der Ober-Punk. Vor einigen Jahren ist er bei Xerox wohl rausgeflogen und muss sich seitdem anders durchwurschteln.

    Die Gewalt- und Alkoholexzesse, vor allem des KFCs (Kriminalitäts Förderungs Club), werden tatsächlich recht ausgiebig dargestellt. Sind ja aber auch sehr spektakulär und haarsträubend. Der KFC war eine Band, die sich selbst absichtlich in eine Außenseiterposition brachte und selbst innerhalb der Szene auf Provokation aus war und die Grenzen auslotete. Aber für Tommi Stumpff war diese Provokation durch Gewalt und Obszönität Programm. Das Problem war wohl bloß, dass er die Dosis immer weiter steigern musste um den gewünschten Effekt zu erzielen. Bis zur Selbstzerstörung. Sicher ist das in diesem Ausmaß eher eine Ausnahme in der Szene, obwohl Provokation und Koketterie mit Gewalt ja durchaus üblich waren. Wie der KFC musikalisch war? Keine Ahnung. Vermutlich war das nicht der interessantete aspekt an dieser Band. Dennoch räumt JT dem KFC tatsächlich verhältnismäßig viel Raum ein, aber ich glaube auch hier darf der Leser am Ende selbst entscheiden, wie stark er das gewichtet.

    Joshua TreeGibt es, wurde allerdings bisher nur auf der Berlinanale 2005 zu sehen war.

    Für mich persönlich das beste Buch über deutsche Musikgeschichte, weil ich die Abschnitte über Hamburg zum großen Teil selbst miterlebt habe.

    Joshua TreeBerlinanale

    Waaahnsinnig komisch! ;-)

    Ich habe damals in der Umgebung von HH gelebt und war wohl auch noch etwas zu jung. Immerhin kann ich mich aber noch an Auftritte von DAF und Palais Schaumburg in der Markthalle erinnern. Und in der Marktstube habe ich auch das eine oder andere Bier getrunken.

    Ich finde das Buch auch klasse. Man darf allerdings nicht die Erwartung haben, dass VDJ ein Buch ist, dass die Musik an sich in den Mittelpunkt stellt, und schon mal gar nicht, dass man eine mehr oder weniger vollständige Dokumentation über Punk und New Wave in Deutschland bekommt. Den Begriff Neue Deutsche Welle verwendet JT ja sogar überhaupt nicht, denn der ist inzwischen auch noch anders konnotiert. Ein mosaikartiges Sittengemälde einer Szene, so würde ich Verschwende Deine Jugend knapp beschreiben.

    --

    „Für mich ist Rock’n’Roll nach wie vor das beste Mittel, um Freundschaften zu schließen.“ (Greil Marcus)
    #8639049  | PERMALINK

    Anonym
    Inaktiv

    Registriert seit: 01.01.1970

    Beiträge: 0

    Erwähnt werden sollte, woher Teipel die Inspiration für seine Oral History bezogen hat: „Please kill me“ ist die Blaupause für „Verschwende deine Jugend“ und ein sehr geiles Buch über die Geschichte des amerikanischen Punk.

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    #8639051  | PERMALINK

    joshua-tree
    Back from the Grave

    Registriert seit: 17.05.2005

    Beiträge: 17,455

    MikkoEine originelle Begründung. Demnach müsste ich jedes Buch über die Berliner Musikszene für das beste halten.
    Ich habe Teipels Buch nicht gelesen, Joshua Tree. was macht es so toll, mal abgesehen von Hamburg?

    Wie ich schon geschrieben habe, meine Begeisterung für das Buch ist hauptsächlich biografisch begründet. Das waren für mich die prägendsten Jahre meiner Jugend und ich war aktiver Teil der Hamburger Szene in der Zeit. Sicherlich ist dies teilweise eine nostalgische und wohl auch ein wenig verklärte Sichtweise, mag schon sein. Teipel fängt mit seinen Interviews die Zeit von 1978 – 82 sehr gut ein und hat zum großen Teil die wirklich wichtigen Figuren interviewt und auch meist die richtigen Fragen gestellt. Alle anderen Veröffentlichungen zum Thema sind meiner Meinung nach nicht so gelungen, weil sie meist zu sehr von der Sichtweise des Authoren geprägt sind. So finde ich beispielsweise Alles Nur Geträumt von Hollow Skai ziemlich schwach, weil mir darin zuviel Legendenbildung und zu wenig Fakten drin vorkommen.

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    #8639053  | PERMALINK

    mikko
    Moderator
    Moderator / Juontaja

    Registriert seit: 15.02.2004

    Beiträge: 34,399

    Bei Gelegenheit werde ich beide Bücher mal lesen. Hatte ich eh schon immer vor.

    Zur Geschichte der Berliner Szene muss ein Buch noch geschrieben werden. Bei Teipel kommt sie glaube ich gar nicht oder kaum vor. Aber eine einheitliche Punk oder ndW Szene gab es in Berlin eh nicht, trotz einiger Querverbindungen oder marginaler Berührungspunkte. Und Berlin – also Westberlin, Ostberlin war ja noch mal ne ganz andere Nummer – war auch vom Rest Deutschlands relativ abgeschottet.

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    #8639055  | PERMALINK

    joshua-tree
    Back from the Grave

    Registriert seit: 17.05.2005

    Beiträge: 17,455

    Berlin war damals halt weit, weit weg vom Rest der Republik. Teipel konzentriert sich im Buch etwas zu sehr auf die Gruppe um die Neubauten und Malaria. Ich würde dir übrigens empfehlen die erweiterte Neuauflage zu kaufen, viele Abschnitte des Buches wurden ergänzt, Fehler korrigiert etc.

    --

    #8639057  | PERMALINK

    friedrich

    Registriert seit: 28.06.2008

    Beiträge: 4,877

    MikkoZur Geschichte der Berliner Szene muss ein Buch noch geschrieben werden. Bei Teipel kommt sie glaube ich gar nicht oder kaum vor. Aber eine einheitliche Punk oder ndW Szene gab es in Berlin eh nicht, trotz einiger Querverbindungen oder marginaler Berührungspunkte. Und Berlin – also Westberlin, Ostberlin war ja noch mal ne ganz andere Nummer – war auch vom Rest Deutschlands relativ abgeschottet.

    Doch, doch, Berlin kommt schon vor und die Humpe Sisters, Gudrun Gut, Blixa Bargeld, der von Bettina Köster „der Tod in Gummistiefeln“ genannt wird, und andere Berliner auch zu Wort. Sogar ein gewisser Ben Becker.

    Der Schwerpunkt von VDJ liegt aber auf Düsseldorf, nicht zuletzt, weil der Ratinger Hof von der Szene als Spielplatz genutzt werden konnte. Deswegen konnte sich dort solch eine lebendige, vielfältige und vernetzte Szene überhaupt erst bilden. Auch die dortige Kunsthochschule hatte einen Einfluss. Der Hof wurde von Carmen Knoebel betrieben, die wiederum die Ehefrau des Künstlers und ehem. Beuys-Schülers Imi Knoebel ist. In HH und B fehlte so eine zentrale Auftrittsmöglichkeit.

    Es taucht in VDJ sogar auch mal die These auf, dass Punk etwas mit Rebellion gegen die eigene katholische Erziehung zu tun hat und dass er in D-Dorf sogar karnevalistische Züge hatte. Der KFC ist jedenfalls auch mal beim Karnevalsumzug mitmarschiert oder hat es zumindest versucht, bis die Polizei einschritt, und das Auftreten in Kostümen war dort ja auch verbreitet. Und können solch rheinische Frohnaturen wie Die Toten Hosen aus einem anderen Ort kommen als aus der Karnevalshochburg Düsseldorf? ;-)

    --

    „Für mich ist Rock’n’Roll nach wie vor das beste Mittel, um Freundschaften zu schließen.“ (Greil Marcus)
    #8639059  | PERMALINK

    atom
    Moderator

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    Ich hatte die Erstauflage und habe sie damals sehr gern gelesen. Ich schaue mir mal bei Gelegenheit die erweiterte Version an.

    --

    Hey man, why don't we make a tune... just playin' the melody, not play the solos...
    #8639061  | PERMALINK

    friedrich

    Registriert seit: 28.06.2008

    Beiträge: 4,877

    linnErwähnt werden sollte, woher Teipel die Inspiration für seine Oral History bezogen hat: „Please kill me“ ist die Blaupause für „Verschwende deine Jugend“ und ein sehr geiles Buch über die Geschichte des amerikanischen Punk.

    Au ja,

    das macht mich auch sehr neugierig! Ist natürlich auf Englisch, was es mir etwas schwerer macht. Aber mal sehen … Bereits auf dem Nachttisch liegt ein weiteres Buch, das wiederum von Verschwende Deine Jugend inspiriert wurde: Der Klang der Familie. Weiteres dazu dann später in diesem Kino.

    http://www.suhrkamp.de/buecher/der_klang_derfamilie-felix_denk_46320.html

    --

    „Für mich ist Rock’n’Roll nach wie vor das beste Mittel, um Freundschaften zu schließen.“ (Greil Marcus)
    #8639063  | PERMALINK

    Anonym
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    Beiträge: 0

    FriedrichIst natürlich auf Englisch, was es mir etwas schwerer macht. Aber mal sehen …

    Die deutsche Übersetzung der Bregers ist sehr gut (wie es damals noch der ganze Hannibal-Verlag war…)

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    #8639065  | PERMALINK

    friedrich

    Registriert seit: 28.06.2008

    Beiträge: 4,877

    linnDie deutsche Übersetzung der Bregers ist sehr gut (wie es damals noch der ganze Hannibal-Verlag war…)

    Thx!

    --

    „Für mich ist Rock’n’Roll nach wie vor das beste Mittel, um Freundschaften zu schließen.“ (Greil Marcus)
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