Glenn Gould

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  • #82937  | PERMALINK

    blues-to-bechet

    Registriert seit: 09.09.2012

    Beiträge: 860

    Glenn Gould, meiner Ansicht nach neben Sviatoslav Richter und Wilhelm Kempff der genialste klassische Pianist des mittlerweile schon ziemlich fernen 20. Jahrhunderts…

    Dieses Jahr wäre er ja 80 geworden. So viele Klischees beherrschen die Diskussion im Zusammenhang mit seinem Namen: Spielt nur Bach, hasst Mozart, ist ein durchgeknallter Exzentriker (obwohl, das stimmt wahrscheinlich sogar…)

    Jedenfalls, hier meine Gould top 10. Ergänzungen und Gegenvorschäge willkommen.

    Bach – Goldberg Variationen 1982

    Beethoven – Klaviersonate op. 31

    Beethoven – Variationen

    Beethoven – Mondschein, Appassionata und Pathetique

    Beethoven – Bagatelles op. 33 u. 126

    Brahms – 10 Intermezzi / 4 Ballades

    Hindemith – Klaviersonaten 1,2 und 3

    Mozart – Klaviersonaten vol.3

    The Glenn Gould Silver Jubilee Album

    Schönberg – div. Klavierwerke

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      #8610473  | PERMALINK

      napoleon-dynamite
      Moderator

      Registriert seit: 09.11.2002

      Beiträge: 21,856

      Erstaunlich, dass ausgerechnet das Beethoven-Solo-Klavierwerk bei dir so zahlreich vertreten ist. Bis auf die drei Op. 10-Sonaten gibt mir das bei Gould nichts, gerade die Dekonstruktion der mittleren finde ich mit den merkwürdigen Tempi etwas albern.

      Absolut unerreichbar ist Gould für mich bei seinen frühen Brahms-Aufnahmen (10 Intermezzi, 1961) und dem fünften Beethoven-Klavierkonzert unter dem Höllenkreis-Dirigat von Leopold Stokowski (die anderen vier KKs mit Bernstein sind auch sehr gut, aber nicht unbedingt Referenz). Außerdem natürlich die Hindemith-Sonaten und Schönberg! Seine Bach-Einspielungen haben ihren Ruf durchaus größtenteils zu Recht. Insbesondere „Die Kunst der Fuge“ als Orgelbearbeitung, die englischen und die französischen Suiten, das italienische Konzert (1960, nicht 1981), zahlreiche Partiten… meinetwegen auch das wohltemperierte Klavier, obwohl es davon bessere Aufnahmen gibt. Die Goldberg-Variationen nur in Mono.

      Die Fernsehsendungen, vor allem „The Anatomy Of The Fugue“, sind sehr sehenswert.

      --

      I'm making jokes for single digits now.
      #8610475  | PERMALINK

      gypsy-tail-wind
      Moderator
      Biomasse

      Registriert seit: 25.01.2010

      Beiträge: 66,850

      Ich finde Goulds Beethoven-Sonaten über weite Strecken phantastisch! Sein Ton ist so jenseitig schön, sein Spiel atmet und singt, für mich macht es in sich gesehen absolut Sinn (wenngleich am Ende mein Mann für Beethoven wohl Schnabel bleibt … ich muss noch mehr von Gieseking und von Solomon hören, letzteren stelle ich gerne neben Schnabel, nachdem, was ich bisher von seinem Beethooven gehört habe).

      Die zehnte Violinsonate, die er mit Yehudi Menuhin für die CBC eingespielt hat, finde ich auch sehr, sehr schön (das ist bisher sowieso eins meiner Lieblingsstücke).

      Von Goulds Bach kenne ich noch wenig, warte aber auf die neue grosse Box, die demnächst erscheint :-)

      Überhaupt erscheinen die nächsten Tage diverse neue CD-Sets von Gould – ich weiss nicht, wie umfassend das ist, die alten Gould Editionen kenne ich nicht so genau, von den neuen will ich mir aber einiges holen!

      --

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      #8610477  | PERMALINK

      Anonym
      Inaktiv

      Registriert seit: 01.01.1970

      Beiträge: 0

      Irgendeine Liste bekomme ich bei Gould nicht zustande. Das liegt daran, dass ich mir sein „Genie“ so übersetze: er war der einzige Interpret, der in Brechts Suggestion „Vorschläge“ gemacht hat, und zwar zwingende. Vergleiche verflüchtigen sich, es gibt da für mich kein „die andere Einspielung ist aber besser“, dem hat er sich vollständig entzogen, zugleich mit dem Konzertsaal. Es gibt die Anderen, aber keinen Wettkampf. Auch das hat er gelehrt.

      Ein Lehrer des Hörens, zugleich begnadet mit einem Gesang in der Stimme auf den Tasten, identisch mit Atmen, die kaum jemand so sehr in sich geschlossen, zusammengefügt hat, dass tatsächlich Offenes entsteht. Es ist eigentlich egal, ob er Klavier spielt, das ist nur ein Hilfsinstrument, das er zufällig gelernt hat – für Musik.

      Er ist der Klavierspieler, der nachdenkt, bevor er losspielt, einen unheimlichen, romantischen Sinn für Ironie hat, und das Nachdenken und Spielen sind dasselbe, einmal mehr. Es ist egal, in diesem Sinn, was er spielt, wenn er alleine ist. In der Tat besonders gut zu hören in den mittleren Beethoven-Sonaten. Die sind alles andere als albern, keine modischen Dekonstruktionen, sondern Aufschlüsselungen. Das fünfte Klavierkonzert mit Stokowski ist hier auch großes Fest, noch mehr aber das erste, nicht mit Bernstein, das gibt es nicht, sondern mit Golschmann, der auch großartige Bachkonzerte mit Gould eingespielt hat. Das erste Klavierkonzert mit Gould und Golschmann und dem Columbia Symphony ist Referenz.

      Alles andere verfließt oder schießt zusammen im individuellen Hören, bei den Klavierkonzerten immer wieder KV 491 von Mozart. Die Kadenz im ersten Satz bleibt unerreicht. Wie auch seine „Einsätze“ in Konzerten, hier, in KV 491, sind allenfalls noch Gieseking und Schnabel in der gleichen Tiefe, dem gleichen Ausloten des Gesangs, der schon in zwei Tönen liegt. Aber die linke Hand so herauszuspielen … und so Luft zum Atmen zu verschaffen, gelang bisher nur Gould, andere sind unbekannt.

      --

      #8610479  | PERMALINK

      blues-to-bechet

      Registriert seit: 09.09.2012

      Beiträge: 860

      danke für die bisherigen Wortmeldungen!

      Gould ist ja sicher für Bach bekannt, und sein Genius auf dem Gebiet sei ihm denn auch unbenommen, aber seine Beethoveninterpretationen sind schlicht und ergreifend einzigartig. Besonders die Appassionata und op.31 sind einfach unglaublich.

      Besonders hinweisen würde ich auch gerne auf das „Silver Jubilee“ Album, welches neben von Gould selten Gehörtes (Scarlatti, Carl Philipp Emanuel Bach) auch seine kongeniale „A Glenn Gould Fantasy“ enthält, eine Art fiktives Radiointerview / Hörspiel. Jede Beschreibung ist überflüssig, muss man einfach selbst gehört haben.

      Gould hat ja gegen Ende seines Lebens darauf hingewiesen, dass er für die nahe Zukunft etwas vollkommen Neues planen würde, eine Abkehr ähnlich radikal wie seinerzeit vom bildungsbürgerlichen Konzertbetrieb.

      Was wohl daraus geworden wäre? Eine Annäherung an den Jazz? Filmmusik? Oder etwas vollkommen anderes?

      --

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      #8610481  | PERMALINK

      Anonym
      Inaktiv

      Registriert seit: 01.01.1970

      Beiträge: 0

      Blues to Bechetaber seine Beethoveninterpretationen sind schlicht und ergreifend einzigartig. Besonders die Appassionata und op.31 sind einfach unglaublich.

      Aber ja. Aber welche Sonate meinst Du mit op. 31, es gibt ja drei mit dieser Opusnummer. Den „Sturm“?

      Besonders hinweisen würde ich auch gerne auf das „Silver Jubilee“ Album, welches neben von Gould selten Gehörtes (Scarlatti, Carl Philipp Emanuel Bach)

      Vor allem auch der zweite Satz des Italienischen Konzerts; Gould hat das zwar zurückgezogen, aber die linke Hand so abzusetzen war in der Tat ein Versuch, das Ding noch einmal anders aufzubrechen.

      Gould hat ja gegen Ende seines Lebens darauf hingewiesen, dass er für die nahe Zukunft etwas vollkommen Neues planen würde, eine Abkehr ähnlich radikal wie seinerzeit vom bildungsbürgerlichen Konzertbetrieb.

      Was wohl daraus geworden wäre? Eine Annäherung an den Jazz? Filmmusik? Oder etwas vollkommen anderes?

      Er wollte dirigieren, oder? Mit Wagners „Siegfried-Idyll“ hatte er ja bereits begonnen, den Plan einzulösen, außerdem stand die Achte von Beethoven und Bachs h-moll-Messe auf dem Wunschzettel. Eine Annäherung an den Jazz vermute ich bei ihm nicht, Filmmusik im eigentlichen Sinn wohl auch nicht, obwohl er bei „Slaughterhouse Five“ von Hill/Vonnegut ein bisschen Bach gespielt hat. Aber wer weiß.

      Wenn ich da an eine seiner Schriften bzw. Interviews denke, in dem er anregt, eine Beethoven-Symphonie zusammenzuschnipseln aus verschiedenen Interpretationen – eine heillose Provokation natürlich -, würde er wohl eher in seinem Hotel am Computer sitzen und Zeug zusammenschneiden. Ob das ginge? Ich glaube nicht, aber die Phantasie ist reizvoll. Und natürlich auch die „Fantasy“ auf dem Silver Jubilee Album.

      --

      #8610483  | PERMALINK

      katharsis

      Registriert seit: 05.11.2005

      Beiträge: 1,737

      Etwas neues wäre für Gould wohl gewesen, sich an Beethovens Metronomangaben zu halten ;)

      --

      "There is a wealth of musical richness in the air if we will only pay attention." Grachan Moncur III
      #8610485  | PERMALINK

      Anonym
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      Registriert seit: 01.01.1970

      Beiträge: 0

      katharsisEtwas neues wäre für Gould wohl gewesen, sich an Beethovens Metronomangaben zu halten ;)

      Wozu? ;-)

      --

      #8610487  | PERMALINK

      blues-to-bechet

      Registriert seit: 09.09.2012

      Beiträge: 860

      clasjazAber ja. Aber welche Sonate meinst Du mit op. 31, es gibt ja drei mit dieser Opusnummer. Den „Sturm“?

      alle drei!

      --

      Bald in diesem Theater: - BtBs Top 100 Filme - Top 100 des Barock
      #8610489  | PERMALINK

      katharsis

      Registriert seit: 05.11.2005

      Beiträge: 1,737

      Um Beethoven zu spielen vielleicht:lol:

      --

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      #8610491  | PERMALINK

      Anonym
      Inaktiv

      Registriert seit: 01.01.1970

      Beiträge: 0

      Blues to Bechetalle drei!

      Dachte ich’s mir doch! :-)

      katharsisUm Beethoven zu spielen vielleicht:lol:

      Das geht auch ohne Metronom, manchmal gar nicht anders. Im Ernst, was stößt Dich an den Gould’schen Auflockerungen so ab?

      --

      #8610493  | PERMALINK

      katharsis

      Registriert seit: 05.11.2005

      Beiträge: 1,737

      Gar nichts, da Gould immerhin die Partituren zu verstanden haben scheint und von dort aus seine Exkursionen beginnt.
      Generell stört es mich aber, dass gerade solche Angaben unter der Verwendung fadenscheinigster Argumente ignoriert werden. Das Ergebnis ist häufig ein ganz anderer Beethoven als intendiert. Warum finden so viele Maurizio Pollini so glatt? Weil er spielt, was im Notentext steht, sonst nichts.
      Hauptsächlich bezieht sich mein Groll eh auf die Streichquartette, was man da manchmal geboten bekommt…
      Gould war ein Genie, ein Freigeist. Daher höre ich bei ihm auch nur selten Beethoven und fast immer Gould. Aber das ist in Ordnung. Will ich Beethoven, dann höre ich Backhaus oder Serkin.

      --

      "There is a wealth of musical richness in the air if we will only pay attention." Grachan Moncur III
      #8610495  | PERMALINK

      Anonym
      Inaktiv

      Registriert seit: 01.01.1970

      Beiträge: 0

      katharsisWeil er spielt, was im Notentext steht, sonst nichts.

      Das gibt es nicht. Niemand kann spielen, was im Notentext steht. Das halte ich für ein Mythosgebrumm, das natürlich etliche Leute genährt haben. Arrau z. B. spielt auch nur, was im Notentext steht, warum spielt er dann so sehr anders als Pollini? Noten sind Anregungen, mehr nicht, ob jemand dann gleich Elektroklänge drüberlegt, um sich zu entziehen, ist eine ganz andere Frage, eine Frage des Temperaments und der Laune und der Möglichkeiten, die Noten wirklich zu ändern.

      Will ich Beethoven – ich habe keine Ahnung, wer Beethoven ist. Was weiß ich, was ich von ihm will. Es sind Vorschläge, die Komponisten, die Interpreten. Backhaus, Serkin, ja, zu denen gehe ich auch gerne, eher Serkin zwar, aber eben auch zu anderen. Mir ist das völlig fremd zu sagen: dieser Komponist ist so und (eher) nicht anders.

      :-)

      --

      #8610497  | PERMALINK

      katharsis

      Registriert seit: 05.11.2005

      Beiträge: 1,737

      Was heißt Mythosgebrumm. Das ist doch wie mit einem Buch. Darin stehen Sätze. Natürlich kann ich Wörter überlesen, Passagen auslassen und mich hinterher anders erinnern.
      Ich kann das Buch aber auch so lesen, wie es geschrieben wurde.

      Natürlich interpretiert jeder etwas zusätzlich hinein, hat seinen eigenen Gestus. Aber es besteht ein Unterschied zwischen Sechzehntel=80 und Sechzehntel=100.

      --

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      #8610499  | PERMALINK

      blues-to-bechet

      Registriert seit: 09.09.2012

      Beiträge: 860

      Was (wie so oft) zur Frage aller Fragen führt: Was ist Musik? Die Noten auf dem Papier? Oder doch die Ausführung? Und Jede Ausführung ist Interpretation…

      Natürlich gibt es Grenzen der Interpretation, aber es ist eben immer noch ein sehr weites Feld.

      Habe übrigens eben wieder mal Goulds op.31 Interpretation gehört (das finale presto con fuoco erklingt gerade) und bin dementsprechend ganz benommen.

      --

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