Louis Armstrong

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    gypsy-tail-wind
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    Heute ist der 40. Todestag (und am 4. August dann der 110. Geburtstag) von Louis Armstrong… und es gibt hier noch nicht mal einen Thread, der ihm gewidmet ist!

    Die beste Website, die Satchmo gewidmet ist, ist wohl jene von Michael Minn:
    http://michaelminn.net/armstrong/
    Es handelt sich in erster Linie um eine Diskographie mit diversen Zugriffsmöglichkeiten und mit kurzen Kommentaren.

    Was die Musik Armstrongs betrifft: die grossen Klassiker sind natürlich die Hot Fives und Hot Sevens, die in diversen Formen vorliegen, u.a. in einem sehr schön gestalteten 4CD-Set von Columbia/Legacy oder einem billigeren JSP-Set (ebenfalls vier CDs), das anscheinend klanglich der Legacy-Box überlegen ist (ich besitze nur die Legacy-Box).

    Armstrong hat mit diesen Aufnahmen wohl den neben Jelly Roll Mortons Victor-Aufnahmen wichtigsten Werk-Block des frühen Jazz geschaffen und viel davon definiert, was später selbstverständlich war – das spontane Solospiel, die Interaktion mit der Band, der mitreissende Beat…

    In seinen frühen Jahren spielte er auch in den Gruppen von King Oliver und Clarence Williams sowie der Big Band von Fletcher Henderson und nahm diverse Sessions mit Blues-Sängerinnen wie Ma Rainey, Sippie Wallace, Alberta Hunter oder Bessie Smith auf.

    Nach den Hot Fives und Hot Sevens hat Armstrong die Luis Russell Band als Begleitgruppe angestellt, eine der faszinierendsten Gruppen des frühen New Orleans Jazz, deren Lob zu singen ich nie müde werde (The Luis Russell Story, Retrieval 2CD-Set, enthält die frühen Aufnahmen vor Armstrong – grossartig!). Später leitete er seine eigene Big Band, in der auch einige jüngere Musiker wie Lionel Hampton ihre Sporen abverdienten (Hampton war der Drummer, aber Armstrong verhalf ihm auch dazu, als Vibraphonist wahrgenommen zu werden).

    In den 40ern begann Armstrong dann, eine Reihe von All-Star Formationen zu leiten, mit Sidemen wie Jack Teagarden, Trummy Young, Edmond Hall, Barney Bigard und Earl Hines. Diese Zeit, wie auch schon die Zeit davor, wird gerne als unwichtig abgeschrieben – das ist schade, denn Armstrong war noch immer ein toller, phasenweise mitreissender Solist mit einem unglaublichen Rhythmusgefühl – und manchmal, wie etwa bei „Louis Armstrong Plays W.C. Handy“ oder seinem Zusammentreffen mit Duke Ellington auf „The Great Summit“, waren die Resultate nichts weniger denn sublim.

    Das französische Label Frémeaux hat mit seiner „Intégrale“ die bisher wohl umfangreichste Veröffentlichungs-Reihe zu Armstrong gestartet. Mitterweile sind bereits neun 3CD-Sets erschienen, jedes mit einem dicken Booklet mit disographischen Angaben und ausführlichen Texten in französisch und englisch (analog zur Django-Reihe, aber bei Armstrong ist die Reihe nicht völlig komplett).

    Da ich schon diverse andere Armstrong-Releases wie die Legacy-Box der Hot Fives & Sevens, das RCA 4CD-Set, sowie ein Dutzend Chronological Classics besitze, weiss ich nicht, ob ich mir die Frémeaux Reihe komplett zulegen soll oder nicht… bisher habe ich die ersten drei Volumes, gegen Ende des dritten setzen die Hot Fives-Aufnahmen ein – detaillierte Infos finden sich auf der Frémeaux-Website.

    Und der Vollständigkeit halber: Mosaic hat die kompletten Decca-Aufnahmen von 1935-1946 liegen in einer noch erhältlichen Mosaic-Box vor, es gab davor schon eine – leider längst vergriffene – 6CD/8LP-Box mit den Decca All-Star Sessions der späteren Jahre. Die 35-46er Box hab ich bisher auch noch nicht, weil ich die Musik schon zu grossen Teilen auf Classics-CDs habe und wie gesagt noch nicht recht weiss, wie ich bei Armstrong fortfahren soll… am Ende hab ich wohl alles doppelt und dreifach…

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #150: Neuheiten 2023/24 – 12.3., 22:00; #151: Neuheiten aus dem Archiv – 09.04., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
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      gypsy-tail-wind
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      David Johnson hat in seiner Radio-Show „Night Lights“ vor einem Jahr eine Episode über die Armstrong 1947-1957 gestaltet.

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      #8048849  | PERMALINK

      gypsy-tail-wind
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      Der Nachruf auf Armstrong aus der New York Times vom 7. Juli 1971:
      http://www.nytimes.com/learning/general/onthisday/bday/0804.html

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      alexischicke

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      Vielen Dank Gypsy für den Thread! Da gibs viel zu schreiben.Er ist ein absoluter Gott!

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      #8048853  | PERMALINK

      gypsy-tail-wind
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      Aus dem Playboy, Februar 1955:




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      #8048855  | PERMALINK

      alexischicke

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      Danke Gypsy schau mir mal deine ganzen Links mal später alle genau an.

      Wie gut Armstong auch in seinen späten Jahren war kann auf dem 4 CD Set live in Sweden von Storyville hören.Dort gibt eine lange Version von Tiger Rag. Herrliche Version vor einem begeisterten Publikum.

      Auf Wunsch eines Fans in einer Pause sang Armstrong „Black and Blue/Do you know what it means to miss New Orleans“.Das Arrangment dazu schrieb er in der Pause.

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      #8048857  | PERMALINK

      redbeansandrice

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      danke dir, Red Beans & Ricely Yours muss man sich merken!

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      #8048859  | PERMALINK

      gypsy-tail-wind
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      By all odds, Louis Armstrong, born out of wedlock on August 4, 1901 in New Orleans, raised in the city’s poorest quarter, out of school and working for a living before he’d finished fifth grade, was not slated to become world-famous. Yet against all odds he not only survived but thrived. Sent to reform school at age 12, he learned the fundamentals of music there and by the time he was 16 was able to supplement his income from work as a longshoreman or day laborer by playing his cornet on weekends in such rough joints as the Brick House, where, as he tells us in his autobiography, Satchmo: My Life in New Orleans, „Levee workers would congregate every Saturday night and trade with the gals who’d stroll up and down the floor and into the bar. Those guys would drink and fight one another like circle saws. Bottles would come flying over the bandstand like crazy, and there was lots of just plain common shooting and cutting. But somehow all that jive didn’t faze me at all, I was so happy to have some place to blow my horn.“

      (…)

      „Little Louis,“ the first nickname he was ever known by, could be tough when required but mostly made friends wherever he went. He credited his maternal grandmother – the one permanent adult presence in his early childhood years – with instilling in him the system of values that would carry him through his extraordinary life and enable him to confront with equanimity situations and experiences he could not have imagined in his youth. As he describes them, these fundamentals seem deceptively simple: „I didn’t go any further than fifth grade in school myself. But with my good sense and mother-wit, and knowing how to treat and respect the feelings of other people, that’s all I’ve needed through life.“

      ~ Dan Morgenstern: Portrait of the Artist, 1901-1971, Liner Notes zu: „Louis Armstrong: Portrait of the Artist as a Young Man, 1923-1934“, Columbia/Legacy & Smithsonian Institution Press, 1994, S. 31.

      In New Orleans hörte Armstrong die Musik von King Oliver, Kid Ory (in dessen Band nahm er Olivers Platz ein, als dieser nach Chicago ging), Bunk Johnson, Freddie Keppard und anderer, er hörte die Musik von Brass Bands, Marching Bands, aber auch europäische Musik. Da gab es nicht nur Märsche, Quadrillen und Walzer, auf welche die frühen Jazzmusiker gerne zurückgriffen, nein: es gab auch die Oper! Mit 17 heiratete Armstrong zum ersten Mal (Daisy Parker – er hatte sie als Kunde kennengelernt, die Ehe sollte nicht lange halten), in jener Zeit besass er auch schon seinen ersten Plattenspieler:

      In 1966 he recalled those early records: „Most of my records were the Original Dixieland Jazz Band – Larry Shields and his bunch. They were the first to record the music I played. I had Caruso records, too, and Henry Burr, Galli-Curci, Tettrazini – they were all my favorites. Then there was the Irish tenor, McCormack – beautiful phrasing.“

      ~ Dan Morgenstern: Portrait of the Artist, 1901-1971, Liner Notes zu: „Louis Armstrong: Portrait of the Artist as a Young Man, 1923-1934“, Columbia/Legacy & Smithsonian Institution Press, 1994, S. 32.

      Manche Soli Armstrongs erinnern in der Tat stark an Opern-Arien, auch in ihrer Form, mit Kadenzen etc. Armstrong kriegte dann einen Job mit der Band von Fate Marable, die auf einem Dampfer auf dem Mississippi spielte. Dort lernte er, richtig Noten zu lesen und zu schreiben. Zu den anderen Musikern gehörten die Brüder Johnny und Baby Dodds, Bassist Pops Foster und Gitarrist Johnny St. Cyr, die alle eng mit Armstrong verbunden sein sollten.

      We know little about Armstrong’s playing at this point, other than what musicians have related. Sidney Bechet, four years older, confirmed that Louis started to play around age ten, and recalled that the kid stunned him a bit later by playing the famous „High Society“ clarinet solo on cornet, something quite unheard of. This alone tells us that a very young Armstrong (Bechet left New Orleans in 1917) already had the technique to execute a passage that would have challenged the best cornetists of the day.

      ~ Dan Morgenstern: Portrait of the Artist, 1901-1971, Liner Notes zu: „Louis Armstrong: Portrait of the Artist as a Young Man, 1923-1934“, Columbia/Legacy & Smithsonian Institution Press, 1994, S. 34.


      King Olivers Creole Jazz Band, 1923

      Am 5. April 1923 ging Louis Armstrong zum ersten Mal in ein Aufnahmestudio, als Mitglied von King Oliver’s Creole Jazz Band. Armstrong spielte hinter dem Leader das zweite Kornett, die anderen Mitglieder waren Honore Dutrey (tb), Johnny Dodds (cl), Lil Hardin (p – die zukünftige zweite Ehefrau Armstrongs), vermutlich Arthur „Bud“ Scott (bjo) und Warren „Baby“ Dodds (d). Im fünften und letzten Stück der Session, dem „Chimes Blues“, bläst Armstrong sein erstes Solo, schon mit seiner eigenen Phrasierung, seinem eigenen rhythmischen Drive, auch wenn er sehr eng am thematischen Material bleibt. Das Solo ist auch das erste „richtige“ Solo der Oliver-Aufnahmen überhaupt.
      Das Studio in Richmond, IN, in dem die Sessions für Gennett aufgezeichnet wurden, stand anscheinend so nahe an einer Bahnlinie, dass die Aufnahmen jeweils unterbrochen werden mussten.

      Armstrongs Rolle in Olivers Band war diejenige eines understudy, er war Protégé und Zögling, zumindest auf den Platten war seine Rolle recht eingeschränkt, auch wenn es heisst, er sei weit weg vom Trichter gestanden, um den der Rest der Band sich gruppiert hatte – um mit seinem unglaubliche starken Ton nicht ein völliges Ungleichgewicht zu erzeugen auf den Aufnahmen.

      The understudy role which Oliver had intended for his protégé was theoretically modest, with Louis faithfully mirroring his boss while the latter took a break. Of greater importance, as second cornetist Armstrong was expected to add a supporting line under his boss‘ lead line – an original incentive for the era. They were principally billed in the Lincoln Gardens (ex-Royal Gardens, immortalized by a Clarence Williams blues number), a glitzy night club in Chicago Southside for a black clientele. After 1922, however, once a week and after midnight, the band played for a white audience, mainly comprising musicians coming to listen rather than dance. Some, such as cornetist Jimmy McPartland and saxist Bud Freeman, later recalled that Armstrong quite often stood as soloist.

      ~ Daniel Nevers, Liner Notes zu: „Intégrale Louis Armstrong Vol. 1 – „Chimes Blues“ 1923-1924″, Frémeaux & Associés, 2006, english adaption by Laure Wright

      In der zweiten Session am darauffolgenden Tag entstand auch der „Snake Rag“ – die Okeh-Version auf vom Juni hat Dan Morgenstern für die Werkschau der frühen Jahre, „Portrait of the Artist as a Young Man, 1923-1934“, das Stück „Snake Rag“ ausgewählt, das vierte und letzte, in dem die typischen Breaks der beiden Kornettisten – dafür ist Olivers Band berühmt geworden – am schönsten zu hören sind:

      Of all the Oliver band’s records, „Snake Rag“ best displays the two-cornet breaks the band was famous for. We get no less than seven of them; the last two are especially exciting. The Dodds brothers, clarinetist Johnny and drummer Baby, also make fine contributions, and the ensemble swing during the last two choruses is remarkable for 1923 – or any year.

      ~ Dan Morgenstern, Music Commentary, „Louis Armstrong: Portrait of the Artist as a Young Man, 1923-1934“, Columbia/Legacy & Smithsonian Institution Press, 1994, S. 9.

      Die Breaks, die wir immer wieder hören, enstanden so, dass Oliver in den Band-Chorussen an einem bestimmten Punkt die Figuren eingesponnen hat, die er danach als Break spielen wollte, Armstrong musste sich diese blitzschnell merken und unmittelbar danach eine spontan erdachte zweite Stimme dazu mit Oliver spielen – natürlich immer mit perfekten Resultaten.

      Oliver selber glänzte am zweiten Aufnahmetag für Gennett mit einem schönen Solo in „Dipper Mouth Blues“, einem Stück, das er mit Armstrong gemeinsam komponiert hat. Sein Ton ist feiner, lyrischer und weniger durchschlagend als Armstrongs, sein Solo allerdings sehr, sehr toll – auch wenn es ganz einfach konstruiert ist, sehr repetitiv, aus simplen Linien.

      Vermutlich am 23. und 25. Juni 1923 stand Olivers Band dann für Okeh im Studio, diesmal in Chicago – die Musik ist hier schon bedeutend besser eingefangen. In den Sessions vom Juni glänzt Johnny Dodds einige Male, auf „High Society Rag“ spielt er die berühmte Kadenz, aber auch auf anderen Stücken steuert er gute Momente bei.

      Im Herbst folgte eine ganze Reihe von Aufnahmen: im September für Paramount (kein Bezug zum Hollywood Studio gleichen Namens), am 5. Oktober ein letztes Mal für Gennett, sowie zwei weitere Okeh-Sessions, die vermutlich um den 8./9. und 11./12. Oktober entstanden sind (am 15./16. lief Oliver ein Teil seiner Band davon, auf den erwähnten Sessions ist noch die alte Band zu hören).
      Ab der Paramount-Session vom September 1923 stösst mit Charlie Jackson ein Bass-Saxophonist zur Band – er ersetzt in der ersten Session Bud Scotts Banjo, in der Gennett-Session vom 5. Oktober (wieder aus Richmond, IN, wieder in schlechterem Sound) stossen dann Johnny St. Cyr (bjo) und Paul „Stump“ Evans (c-mel) an seiner Stelle dazu, in den Okeh-Sessions vom Oktober ist St. Cyr weiter mit dabe, aber Jacksons Bass-Sax übernimmt wieder den Platz von Evans.


      Lil Hardin Armstrong

      An der ersten Okeh-Session vom Oktober enstand als zweites Stück „Tears“, von Armstrong mit Hilfe von Lil Hardin komponiert und wohl das erste Meisterwerk aus seinem aufgenommenen Werk – dass Posaunist Honoré Dutrey so laut zu hören ist, hat wohl mehr mit unglücklicher Positionierung ums Mikrofon zu tun als mit dem Arrangement, aber es verleiht dem Stück auch einen gewissen Charme. In einem von neun Cornet-Breaks hören wir die Melodie, die später als „Potato Head Blues“ wieder auftauchen sollte. Dan Morgenstern spricht diesbezüglich darüber, wie sehr das Angewiesensein auf oftmals zufällige Aufnahmen die zugleich der Segen aber auch der Fluch ist, mit dem die Jazzgeschichte Leben muss. So fand man in den 90ern anscheinend in der Library of Congress anscheinend den Eintrag für Louis Armstrongs neue Komposition „Cornet Chop Suey“ im Jahr 1924. Das Stück sollte er aber erst 1926 aufnehmen.

      This discovery tells us once again that recordings are not an accurate reflection of musical reality. In reality, Louis Armstrong was capable of conceiving (and certainly of playing) the innovative, even virtuosic ideas of a piece that seemed fresh and surprising when recorded more than two years later – and at that stage in jazz history, two years is a considerable span of time. Where, if anywhere, was Armstrong performing „Cornet Chop Suey“ in 1924? Not within the Oliver band as it comes to us on records, but perhaps on a night off with Lil and a pickup band? Maybe. But also not with the New York band of Fletcher Henderson, Armstrong’s next musical berth.

      ~ Dan Morgenstern: Portrait of the Artist, 1901-1971, Liner Notes zu: „Louis Armstrong: Portrait of the Artist as a Young Man, 1923-1934“, Columbia/Legacy & Smithsonian Institution Press, 1994, S. 36.

      Armstrong scheint überdies sehr bescheiden gewesen zu sein. Anfangs 1924 hat er Lil Hardin geheiratet und diese war sich schon längst bewusst, dass sein Talent jenes von Oliver weit überflügelte:

      She was aware how far superior Louis’s playing was to Oliver’s, something the modest young man would not admit without constant hectoring. Eventually she succeeded in cutting Armstrong loose from his mentor, not least, perhaps, because the King was caught holding out money from his men – the bane of many bands in the history of the music. In a charming recorded memoir, Satchmo and Me, Lil describes how, after she left the band, she would hear her husband whistling on his way home, inventing the most beautiful music. One night she asked him why he didn’t play like that, since he could whistle it. Reluctant at first, he eventually came around, of course.

      ~ Dan Morgenstern: Portrait of the Artist, 1901-1971, Liner Notes zu: „Louis Armstrong: Portrait of the Artist as a Young Man, 1923-1934“, Columbia/Legacy & Smithsonian Institution Press, 1994, S. 35.

      Bevor Armstrong zu Fletcher Henderson nach New York ging, entstanden aber noch weitere Sessions. Am 15. und 16. Oktober fanden die Columbia-Sessions statt, an denen die Band – wie oben erwähnt – halb ausgewechselt werden musste: neben Oliver, Armstrong und Hardin sind weiterhin Baby Dodds und St. Cyr zu hören, aber Jimme Noone und Ed Atkins waren an die Stellen von Johnny Dodds und Honoré Dutrey gerückt. Die Musik wird immer fliessender, das schönste Beispiel dafür ist der „Chattanooga Stomp“, den Oliver gemeinsam mit Alphonse Picou geschrieben hat.

      —–

      Anmerkung: alle besprochenen Aufnahmen sind zu hören auf: „Intégrale Louis Armstrong Vol. 1 – „Chimes Blues“ 1923-1924″, Frémeaux & Associés, 2006

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      "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #150: Neuheiten 2023/24 – 12.3., 22:00; #151: Neuheiten aus dem Archiv – 09.04., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
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      gypsy-tail-wind
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      Fletcher Henderson Orchestra, 1925 (v.l.n.r.: Howard Scott, Coleman Hawkins, Armstrong, Charlie Dixon, Henderson, Kaiser Marshall, Buster Bailey, Elmer Chambers, Charlie Green, Bob Escudero, Don Redman

      Fletcher Henderson, der damals in New York eine der ersten wichtigen schwarzen Bands leitete und manchmal der schwarze Whiteman genannt wurde, hatte Armstrong schon 1921 (Morgenstern in „Portrait of the Artist“) oder 1922 (Nevers in den Liners zur „Intégrale Vol. 1“) mit Ethel Waters in New Orleans gehört und einen Versuch gemacht, ihn anzustellen. Armstrong lehnte ab, im Sommer 1924 nahm er schliesslich das zweite Angebot an (nachdem er die Band King Olivers verlassen hatte… Lil verliess sie ein paar Wochen danach auch) und ging im September nach New York.

      Zuvor hatte hatte Armstrong 1924 mit Drummer/Sänger Ollie Powers gearbeitet, bevor er nach New York ging, wo er abgesehen von Henderson niemanden kannte.

      Initially, the other natty members of the team were amused by the provincial newcomer who was to blow the third trumpet – that which handles most solos – next to the first trumpet, Elmer Chambers, and the second, Howard Scott, the powerful trombonist Charlie Green, the twenty-year old Coleman Hawkins on the clarinet and saxes, banjoist Charlie Dixon and drummer ‚Kaiser‘ Marshall. Then there was the indispensable Donald Matthew Redman, polyinstrumentalist and the first of the great black arrangers in the domain of big band jazz. The first rehearsal, somewhat strained, included a pretty English waltz with a score indicating pp (pianissimo). Much to the surprise of his colleagues, Louis came out with an ear-shattering performance, finally to explain that he thought the abbreviation made reference to ‚Pound plenty‘. The ice was broken and New Orleans‘ most fabulous jazzman was henceforth accepted by the Fletcher Henderson gang.

      ~ Daniel Nevers, Liner Notes zu: „Intégrale Louis Armstrong Vol. 1 – „Chimes Blues“ 1923-1924″, Frémeaux & Associés, 2006, english adaption by Laure Wright

      1924 war wohl das an Aufnahmen reichhaltigste Jahr in Fletcher Hendersons ganzer Karriere (die Chronological Classics widmen ihm drei ganze CDs sowie jeweils eine mit dem Vor- und dem Folgejahr sich überschneidende). Armstrong fand sich also nach kurzer Zeit bereits mit der Band im Studio. Für Columbia wurden vermutlich am 6. Oktober zwei schöne Titel eingespielt, „Manda“ und „Go ‚Long Mule“, und ein paar Tage danach für Pathé/Perfect drei weitere, „Tell Me Dreamy Eyes“, „My Rose Marie“ und „Shanghai Shuffle“ (sowie ein viertes, „Don’t Forget You’ll Regret Day by Day“ ohne Solo von Armstrong). Nevers unterschlägt oben übrigens – warum auch immer – ein Bandmitglied, Tubist Ralph Escudero.

      Die Musik ist ganz anders als was sich Armstrong von New Orleans und Chicago gewohnt war, urbaner, für weisse Tänzer ausgelegt. Dennoch war die Band voller talentierter Musiker – und zumindest mit Posaunist Charlie Green fand sich neben Armstrong noch ein Musiker, der ein Meister des Blues war. Rhythmisch war die Musik viel steifer als Olivers, viel weniger fliessend – und auch Coleman Hawkins klingt auf den Aufnahmen jener Zeit hinter Armstrong wie ein blutiger Anfänger. In den kommenden Monaten sollte sich der Einfluss des Trompeters aber spürbar machen – Redman und Henderson als Arrangeure aber auch Hawkins als Solist profitierten offensichtlich vom neuen Temperament, das Armstrong mitbrachte – ein Temperament, das auf den ersten Aufnahmen mit seinen Soli oft Glanzlichter in ziemlich unbestimmte Musik setzte.

      Diese erwähnten fünf Stücke sind übrigens nicht nur auf dem ersten Frémeaux-Set zu hören sondern auch auf „1924 Vol. 3“ von Henderson in der Chronological Classics-Reihe, „Go ‚Long Mule“ und „Shanghai Shuffle“ sind auch auf Hendersons „Study in Frustration“.

      Besonders auf „Shanghai Shuffle“ wird schlagartig klar, dass Henderson in seinen Reihen einen neuen König zu präsentieren hat:

      Shortly after Louis‘ arrival, the Henderson orchestra was booked to play a midnight show at the Lafayette Theatre in Harlem. In the pit band was Joe Smith, then with the Chocolate Dandies show. When the show opened that night, Joe tore the house down, taking five and six choruses on each number, playing perhaps as well as he ever did at any time in his life. He wanted to let the world know he was someone to contend with, even in if the musicians were all raving about Louis Armstrong. Part of the show was cut in order to bring the Henderson band on stage to cap Joe’s sensational opening. Then the Henderson ensemble swung into Copenhagen and Shanghai Shuffle, everyone in the audience knew that a new trumpet king had been crowned. Great as Joe Smith was, Louis Armstrong had upset the town.

      ~ Frank Driggs, Liner Notes zu: „Fletcher Henderson – A Study in Frustration“, Sony 1994 (3CD-Edition), S. 24.

      Louis Armstrong gehörte in New York rasch zu den vielbeschäftigsten Jazzmusikern und war neben Sessions mit Henderson immer öfter auch als Begleiter von Blues-Shouterinnen gefragt. Die erste solche Session fand vermutlich am 16. Oktober 1924 statt und präsentierte Armstrong an der Seite von Ma Rainey, gemeinsam mit Charlie Green (tb), Buster Bailey (cl), Fletcher Henderson (p), Charlie Dixon (bjo) und einem unbekannten Perkussionisten. Armstrong bläst einfühlsame Begleitungen hinter Ma Rainey in „See See Rider Blues“, „Jelly Bean Blues“ und zwei Takes von „Countin‘ the Blues“, er ist auch mit Dämpfer zu hören, sein Ton ist stark aber sein Spiel lyrisch und nie aufdringlich. Auch Green und Bailey sind als Begleiter zu hören, es ist jedoch Armstrong, dessen kurze Einwürfe einen immer wieder aufhorchen lassen.

      Zwischen Oktober und Dezember 1924 brachte es Armstrong auf fast zwanzig Sessions! Sie sind auf CD2 und CD3 des ersten sowie CD2 des zweiten Frémaux-Sets gesammelt. Nach den ersten beiden Henderson-Sessions und der Ma Rainey-Session fand sich Armstrong am 17. Oktober im Studio mit einem alten Bekannten aus New Orleans, Clarence Williams und dessen Blue Five. Es entstand nur ein Stück, der „Texas Moaner Blues“, neben Armstrong hören wir tolle Beiträge von Sidney Bechet (cl, ss), Williams spielt Piano und Buddy Christian ist am Banjo zu hören, die typische New Orleans Frontline wird durch Posaunist Charlie Irvis (dem einzigen nicht NO-Musiker der Session und damaligen Duke Ellington Sideman) vervollständigt. Bechet spielt im Ensemble Klarinette, wechselt für sein Solo dann aber aufs Sopransax – grossartig, was Bechet und Armstrong hier bereits bei ihrem ersten Zusammentreffen zustande brachten, sie beide steuern unglaublich expressive Soli bei.

      In derselben Session (für Okeh) nahmen die Blue Five zwei Stücke als Begleitband von Virginia Liston auf: „Early in the Morning“ und „You’ve Got the Right Key But the Wrong Keyhole“.

      Am 30. Oktober stand Fletcher Henderson wieder im Studio, für Vocalion wurden „Words“ und „Copenhagen“ eingespielt. Ersteres ein recht süssliches Stück mit ein paar schönen Takten von Armstrong, letzteres eine bedeutend lebendigere Sache mit prägendem Armstrong (diese Nummer ist auch auf „A Study in Frustration“ zu hören, beide finden sich auf der erwähnten Chronological-CD von Henderson). Mit „Copenhagen“ entstand nach „Shanghai Shuffle“ die zweite klassische Nummer von Henderson.

      Eva Taylor (die Ehefrau von Clarence Williams) ruiniert mit ihrem Vibrato-reichen Gesang einigermassen „Of All the Wrongs You Done to Me“, das erste Stück der folgende Session, die Clarence Williams‘ Blue Five am 6. November für Okeh einspielten. Aaron Thompson (tb) und Buster Bailey (ss) spielten an der Stelle von Bechet und Irvis, die Musik ist deutlich zahmer, aber Armstrong steuert wieder ein paar gute Takte bei.
      Das zweite Stück ist dann wieder pure Magie: „Everybody Loves My Baby“ wurde damals zu einem kleinen Hit. Bailey spielt ein schönes Sopransolo, zwar mit weniger Drive und Emotionen als Bechet, aber sehr flüssig. Taylors Gesang hier ist mehr denn erträglich – und das Stück ist schlicht und einfach gut. Das Highlight folgt am Ende: eins der seltenen Armstrong-Soli mit plunger – eine Kunst, die er noch von King Oliver gelernt hatte.

      Eine zweite Version desselben Stückes entstand noch am gleichen Tag mit Josephine Beatty & The Red Onion Jazz Babies. Hinter dem Namen verbergen sich die Blue Five von Williams – aber mit dem Unterschied, dass diese den Platz am Piano für Lil Armstrong räumte, und Beatty ist besser bekannt als Alberta Hunter.

      Die Balance bei der zweiten Einspielung von „Shanghai Shuffle“ (diesmal für Vocalion) mit Fletcher Henderson and His Orchestra ist zwar bedeutend besser, aber die Musik ist weniger spontan. In der Session vom 7. November wurde auch ein erstes Mal „Naughty Man“ eingespielt, ein Original von Don Redman und Charlie Dixon.

      Am 8. November wurde vermutlich die zweite Version von „Texas Moaner Blues“ eingespielt, von Josephine Beatty, wieder mit den Red Onion Jazz Babies mit Lil am Piano. Ihr Gesang ist rauh und direkt, mit grosser Projektionskraft – man kann sich gut vorstellen, wie sie unverstärkt in einer lärmigen Kneipe den Blues geschriehen hat. Die Musik ist entsprechend nicht sehr subtil.
      Die Red Onion Jazz Babies nahmen in derselben Session auch das instrumentale Stück „Of All the Wrongs You’ve Don to Me“ auf. Baileys Sopran hat hier mehr Drive als zuvor, Lil spielt ein schönes unbegleitetes Piano-Solo, aber die Highlights kommen wie üblich von Armstrong, der am Ende eine Art Stop-Time mit der Band spielt, bevor sich das ganze Ensemble wieder einschaltet und das Stück in typischer New Orleans Manier (glänzende Trompete, mäandrierend-nervöse Klarinette, Tailgate-Posaune) beendet. Leider ist die Qualtität der Aufnahme recht schlecht – genau: einmal mehr handelt es sich um eine Gennett-Session.

      Am 10. oder 11. November war Armstrong dann wieder mit Fletcher Henderson im Studio. Es entstanden „One of These Days“ und „My Dream Man“. Wieder ist das ganze rhythmisch steif, Green steuert zwar schöne kurze Soli bei im ersten Titel und die Band ist hübsch arrangiert – aber Armstrong ist der einzige, der aufhorchen lässt. Ähnlich ist es im zweiten Titel der Session. Green spielt im Thema eine wichtige Nummer, die Trompeten sind bei ihren Stakkato-Einwürfen leicht nebeneinander, Hawkins kriegt auch mal ein paar Takte, aber das ganz schleppt sich dahin, gefangen im steifen rhythmischen Korsett.
      Etwas besser ist das erste Stück vom 14. November, „The Meanest Kind of Blues“ – Louis Armstrong öffnet und spielt später eine Art Dialog mit Green. Sein Spiel ist aber auch das einzige, was hier authentisches Blues-Feeling atmet. Zur zweiten Version von „Naughty Man“ schreibt Dan Morgenstern dazu folgendes:

      „Naughy Man“ offers proof of Louis’s natural superiority to his Henderson colleagues. Trombonist Charlie „Big“ Green and Coleman Hawkins are the other soloists (Hawkins on C-melody for his first effort, tenor on the second). When Louis comes in for his too-few bars, it is as if sunshine had suddenly broken through the clouds. In every respect – tone, rhythm, melody – he is light years ahead, and perhaps most significantly, he expresses real feeling when he plays.

      ~ Dan Morgenstern, Music Commentary, „Louis Armstrong: Portrait of the Artist as a Young Man, 1923-1934“, Columbia/Legacy & Smithsonian Institution Press, 1994, S. 9f.

      Das Stück ist dennoch eins der besseren aus dieser Zeit von Henderson.

      Zwischen dem 18. und dem 20. November fand ein weitere Session mit Henderson statt, in der „How Come You Do Me Like You Do?“ in drei Takes eingespielt wurde. Der Master davon ist die nächste Nummer, die auch in „A Study in Frustration“ auftaucht. Bei Frémeaux sind zudem von den beiden Alternate Takes kurze Auszüge zu hören.
      In der Session entstand zudem „Araby“, allerdings ohne Solo von Armstrong (es ist auf „1924 Vol. 3“ enthalten).

      Am 24. oder 25. November entstand eine weitere schöne Version von „Naughy Man“ mit tollem Solo von Armstrong eingespielt, die Band swingt hier ganz beachtlich, Kaiser Marshall dreht richtig auf.

      Mit Margaret Johnson und Williams‘ Blue Five nahm Armstrong am 25. November zwei Stücke auf, „Papa, Mama’s All Alone Blues“ und „Changeable Daddy of Mine“. Wieder sind Aaron Thompson (tb) und Buddy Christian (bjo) dabei, Williams selbst spielt Piano, die Band ist eigentlich nur eine „Blue Four“.
      Auf „Changeable Daddy“, das auch in „Portrait of the Artists as a Young Man“ zu finden ist, gibt es eine faszinierende Entdeckung zu machen:

      … Louis, in commanding charge of the accompaniment from the first note, not only leads a startling double-time feel in the Charleston-beat riffs behind Johnson’s re-entry, he then rips off a cascading break that also serves to restore the original tempo. That break, commented on as early as in the 1942 Jazz Record Book, was not identified as what it really is until musicologist Lewis Porter annotated a Smithsonian Collection anthology, Louis Armstrong and Sidney Bechet in New York, in 1981. The sharp-eared Porter spotted the break as the blueprint for perhaps the most famous of all Armstrong solo passages, the opening cadenza to „West End Blues,“ recorded in June 1928. Was Armstrong carrying this seemingly spontaneous invention in his head for almost four years, until the proper occasion for its reuse arose? Or did he work on it in the intervening time, making use of it in the hundreds, maybe thousands, of solos performed outside the studios? Suffice it to say that this discovery casts new light on the concept of „improvisation.“

      ~ Dan Morgenstern, Music Commentary, „Louis Armstrong: Portrait of the Artist as a Young Man, 1923-1934“, Columbia/Legacy & Smithsonian Institution Press, 1994, S. 10.

      Mit dieser Session endet Vol. 1 von Frémeaux‘ „Intégrale Louis Armstrong“, die kommenden Sessions finden sich auf „L’Intégrale Louis Armstrong Vol. 2: „Sugar Foot Stomp – 1924-1925“

      Am 24./25. November war Fletcher Henderson erneut im Studio. Es entstanden zwei Takes von „Everybody Loves My Baby“ – auf dem ersten ist Armstrong nicht nur als wichtigster Solist zu hören sondern am Ende erstmals überhaupt auch kurz als Vokalist zu hören. Dieser Take ist anscheinend zum ersten Mal überhaupt in der ursprünglichen Veröffentlichung von „A Study in Frustration“ zu hören gewesen (die Box erschien 1961 zum ersten Mal, als C4L 19). Nach einer instrumentalen Version (die Vocals wurden weder von Henderson noch vom Label goutiert) ist noch ein Take der neuen Version von „Naughty Man“ zu hören, die schon am Ende von Vol. 1 der „Intégrale“ zu hören war. Der Transfer dieses Takes scheint eine der letzten Arbeiten von John R.T. Davies gewesen zu sein.

      Mit den obigen drei Stücken endet „1924 Vol. 3“ von den Chronological Jazz Classics.

      Am 26. November folgte noch eine Session mit den Red Onion Jazz Babies, erneut mit Aaron Thompson (tb), Buster Bailey (cl), Lil Armstrong (p) und Buddy Christian (bjo). „Terrible Blues“ von Clarence Williams ist weniger toll als die vorangegangenen Red Onion und Blue Five Stücke, Bailey wirkt zu Beginn auf der Klarinette ziemlich schwach, Lils Piano ist recht träge und unbeweglich, aber Louis lässt sich nicht irritieren und setzt zu einem langen, tollen Solo an.
      Der „Santa Claus Blues“ ist bewegter, aber Bailey klingt an der Klarinette zu leise, während das Piano erneut viel zu sehr im Vordergrund steht (übrigens einmal mehr kein Wunder: das ist eine Gennett-Session…)

      Die letzte Fletcher Henderson-Session (für Paramount) des Jahres fand Anfang Dezember statt, Armstrong ist nur auf „Mandy, Make Up Your Mind“ zu hören, nicht auf dem anderen eingespielten Titel, „Prince of Wails“ – sie beide machen den Auftakt zu „1924-1925“ von den Chronological Classics.

      Über drei Sessions wurden als nächstes mit Maggie Jones vier Titel für Columbia eingespielt. Begleitet wird sie in „Poor House Blues“, „Anybody Here Want to Try My Cabbage“, „Screamin‘ the Blues“ und „Good Time Flat Blues“ nur von Armstrong und Henderson. Jones singt ganz gut. Hendersons Begleitung ist karger als Lil Armstrongs Spiel, klarer artikuliert, ausgespart, sehr schön für eine solche Blues-Session. Armstrong hat viel Raum und entpuppt sich als einfühlsamer Begleiter. Wir hören von ihm einige kurze Solo-Passagen und (in „Try My Cabbage“) auch ein paar seltene growls. Dieses Stück und „Good Time Flat Blues“ sind auch auf „Portrait of the Artist“ vertreten.

      Am selben Tag, an dem die dritte Session mit Maggie Jones stattfand, stand Armstrong auch mit Clarence Williams‘ Blue Five im Studio (wie üblich für Okeh). Dessen Frau Eva Taylor war erneut mit dabei, zudem Charlie Irvis (tb), Sidney Bechet (ss, sarrusophone), Williams selbst am Piano und Buddy Christian (bjo). Zuerst wurde eine weitere Version von „Mandy, Make Up Your Mind“ eingespielt, gefolgt von „I’m a Little Blackbird (Looking for a Bluebird)“. Bestimmt keine Sternstunde, aber bemerkenswert für Bechets Spiel auf dem Sarrusophone – in diesem Fall wohl sowas wie ein Subkontrabass-Saxophon (mehr zu diesem seltsamen Intrument hier). Das zweite Stück ist etwas besser, Bechet ist auf dem vertrauten Sopransax zu hören, aber Taylor weiss nicht mehr so zu überzeugen wie auf „Everybody Loves My Baby“.

      Am 22. Dezember fand die nächste Session der Red Onion Jazz Babies statt, zuerst begleiteten sie Josephine Beatty (besser bekannt als Alberta Hunter) auf zwei Titeln: „Nobody Knows the Way I Feel Dis Mornin'“ und „Early Every Morn“. Die Band bestand aus Armstrong, Irvis, Bechet, Lil Armstrong und Christian.

      Zum Abschluss der Session und zugleich auch als Abschluss dieses Jahres, folgte mit „Cake Walking Babies (From Home)“ ein noch einmal eine instrumentale Aufnahme eines tollen Stückes (dessen klassische Version entstand wenig später im Januar 1925, mehr dazu dann im nächsten Post). Damit endet dieses so geschäftige Jahr mit einem kleinen Highlight.

      Armstrong hatte es in New York geschafft, hatte sich einen Platz in der unter schwarzen Musikern begehrtesten Band ergattert und war innert Kürze zu deren wichtigstem Solisten geworden, er war gefragt für die diversen Studio-Projekte um Clarence Williams, wie auch als Begleiter für diverse Sängerinnen – keine schlechte Zwischenbilanz für einen 24 Jahre alten, aus ärmsten Verhältnissen stammenden Jungen! Und das war erst der Anfang… im folgenden Jahr ging es ähnlich geschäftig weiter, bis Armstrong im Herbst Henderson Orchester verliess und seine bahnbrechenden Hot Five gründete. Aber dazu dann wohl im übernächsten Post.

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      gypsy-tail-wind
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      Hörproben…

      Alberta Hunter: http://www.redhotjazz.com/hunter.html
      Maggie Jones: http://www.redhotjazz.com/maggiejones.html
      Eva Taylor: http://www.redhotjazz.com/eva.html
      Clara Smith: http://www.redhotjazz.com/clarasmith.html
      Ma Rainey: http://www.redhotjazz.com/rainey.html
      Virginia Liston: http://www.redhotjazz.com/virginialiston.html

      und vielen anderen mehr… schöne Seite – nicht mehr ganz heutiger Standard, aber was soll’s, sind eh keine Hi-Fi-Aufnahmen und zum Kennenlernen ist das toll!

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      gypsy-tail-wind
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      Biomasse

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      Zu Lil Hardin kann man auf dieser Website eine mehrteilige Audio-Doku hören.

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      alexischicke

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      Danke Gypsy freue mich schon auf Teil3! Ja Lil hardin hat die Karriere von Armstrong voran getrieben.Hab das mal vor Jahren in den Buch von Gary Giddins gelesen.

      habe vor paar Wochen dieses Geburtstagskonzert von Armstrong gesehen.

      http://www.amazon.co.uk/Good-Evening-Everybody-Louis-Armstrong/dp/B0034C22T8/ref=sr_1_2?s=dvd&ie=UTF8&qid=1310500014&sr=1-2

      Louis war da schon recht krank und konnte nicht mehr Trompete spielen.Bobby Hackett übernahm daher die musikalische Leitung.

      Wenn jemanden Jazz näher bringen wollte,dann würde ich dieses tolle Konzert zeigen. Bevor Louis auftritt,spielt die „Presevation Hall Jazz Band“, schönen altmodischen New Orleans Jazz.Danach spielen diverse Trompeter ein Tribute an Louis! Sogar Dizzy Gillespie.

      Der Höhepunkt kommt mit Mahailia Jackson,die mit „Just a closer walk with thee“,das Publikum mitreißt. Wem das nicht umhaut,dann kann man demjenigen auch nicht mehr helfen.Es war damals einfach ein herrliche Atmosphäre an diesen lauen Sommerabend in Newport!

      Dazu gibt es auf der DVD diverses Bonusmaterial u.a ein Interview mit George Wein.

      So das waren jetzt meine zwei Cents,jetzt möchte ich Gypsy hier nicht stören mit seiner Chronologie.

      --

      #8048869  | PERMALINK

      alexischicke

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      #8048871  | PERMALINK

      gypsy-tail-wind
      Moderator
      Biomasse

      Registriert seit: 25.01.2010

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      alexischickeaufgepasst Armstrong Fans!
      http://www.amazon.de/Satchmo-Armstrong-Ambassador-Jazz-Box/dp/B0057D87DC/ref=sr_1_2?s=music&ie=UTF8&qid=1311152718&sr=1-2

      Das ist eine kleine Einführungsbox für Leute mit zuviel Geld… wer wirklich Satchmos Musik haben will, der braucht weit mehr als das!

      Sieht allerdings schon hübsch aus…
      http://store.universal-music.co.uk/restofworld/jazz/louis-armstrong-satchmo-box-set/invt/0600753336557/

      Zusätzliche Infos hier:
      http://dippermouth.blogspot.com/2011/07/satchmo-louis-armstrong-ambassador-of.html
      Die Storyville-Box, von der dort die Rede ist, klingt jedenfalls spannend – dürfte wie die Duke, Ben Webster etc Boxen eine Neuverpackung von bisherigen Releases sein (die ich ausser „At the Hollywood Empire“ nicht kenne) – hoffentlich ohne Überschneidungen mit dem „In Scandinavia 1933-1952“ 4CD-Set von Storyville (das ich habe, aber noch nicht sehr gut kenne).

      --

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      #8048873  | PERMALINK

      alexischicke

      Registriert seit: 09.06.2010

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      Das Buch schaut auch gut aus.

      Aber,Aber Gypsy CDS 7-10 sind wohl rare Sachen.Von dem hollywood Bowl konzert von 56 habe ich noch nie was gehört.

      --

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