"Django Unchained" – der neue Tarantino

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  • #7986665  | PERMALINK

    nicht_vom_forum

    Registriert seit: 18.01.2009

    Beiträge: 5,855

    lathoSklaven galten als „Arbeitstiere“. Werden Rinder „arbeitslos“? Wenn es der Plantage wirtschaftlich schlecht ging wurde eben verkauft – Vieh, Inventar und eben auch Sklaven (die Zusammenstellung zeigt nochmal besonders deutlich die Perfidie des Systems).

    Ja, eben. Ich weiß nur nicht genug über diese Periode, um abschätzen zu können, ob die typischen Plantagen wirtschaftlich prosperierenden Dynastien gehört haben und daher ein Leben auf einer Plantage in „relativer“ sozialer Sicherheit für einen signifikanten (beispielsweise 20%) Anteil der Sklaven normal war oder ob Plantagen typischerweise alle paar Jahre aufgelöst wurden und die Sklaven daher im Normalfall unter wechselnden Besitzern leben mussten. Die „Gone with the wind“-Darstellung/Propaganda ist ja eher die erste.

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    #7986667  | PERMALINK

    latho
    No pretty face

    Registriert seit: 04.05.2003

    Beiträge: 36,912

    Nicht_vom_ForumJa, eben. Ich weiß nur nicht genug über diese Periode, um abschätzen zu können, ob die typischen Plantagen wirtschaftlich prosperierenden Dynastien gehört haben und daher ein Leben auf einer Plantage in „relativer“ sozialer Sicherheit für einen signifikanten (beispielsweise 20%) Anteil der Sklaven normal war oder ob Plantagen typischerweise alle paar Jahre aufgelöst wurden und die Sklaven daher im Normalfall unter wechselnden Besitzern leben mussten. Die „Gone with the wind“-Darstellung/Propaganda ist ja eher die erste.

    Gerade mal im McPherson nachgelesen: 2/3 der weißen Bevölkerung in den Südstaaten besaß keine Sklaven – war aber durch Indoktrination der Plantagen-Oberschicht für die Beibehaltung der Sklaverei (und gleichzeitig im Vergleich zum Norden sehr ungebildet). Die Sklavenarbeit selber wurde immer weiter ausgedehnt, auch auf neu erschlossene Gebiete (was ja zum Bürgerkrieg führte), die Baumwollerzeugung war Boomgeschäft in der Mitte des 19. Jhds. Die ständige Ausweitung führte dazu, dass viele Sklaven-Familien auseinandergerissen wurden – eine Grausamkeit, die auch die Befürworter der Sklaverei schlecht abstreiten konnten, davon soll etwa ein Viertel der versklavten Bevölkerung betroffen gewesen sein.

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    #7986669  | PERMALINK

    wenzel

    Registriert seit: 25.01.2008

    Beiträge: 5,559

    Nicht_vom_ForumDie Szenen, die ich meine sind gerade nicht die plakativen, sondern beispielsweise die, in denen die Sklaven in Gruppen durch den öffentlichen Raum bewegt werden und dabei offensichtlich geistig und körperlich am Ende ihrer Kräfte sind – was bei den unbeteiligten Weißen, die auch zu sehe sind zu keinerlei Reaktion führt, weil es schlicht völlig normal ist.

    du meinst u.a. die kurze Szene, als die beiden in Mississippi ankommen ? Stimmt, wahrscheinlich bin ich schon zu abgestumpft, um sowas zu erkennen.

    --

    #7986671  | PERMALINK

    nicht_vom_forum

    Registriert seit: 18.01.2009

    Beiträge: 5,855

    Wenzeldu meinst u.a. die kurze Szene, als die beiden in Mississippi ankommen ? Stimmt, wahrscheinlich bin ich schon zu abgestumpft, um sowas zu erkennen.

    Ja, genau. Das ist eine der Szenen, die ich meine.

    --

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    #7986673  | PERMALINK

    Anonym
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    Registriert seit: 01.01.1970

    Beiträge: 0

    Mick67Grandiose Posts von bullschuetz!

    Exakt! Besser kann man es kaum ausführen.

    --

    #7986675  | PERMALINK

    nail75

    Registriert seit: 16.10.2006

    Beiträge: 44,707

    Nicht_vom_ForumJa, eben. Ich weiß nur nicht genug über diese Periode, um abschätzen zu können, ob die typischen Plantagen wirtschaftlich prosperierenden Dynastien gehört haben und daher ein Leben auf einer Plantage in „relativer“ sozialer Sicherheit für einen signifikanten (beispielsweise 20%) Anteil der Sklaven normal war oder ob Plantagen typischerweise alle paar Jahre aufgelöst wurden und die Sklaven daher im Normalfall unter wechselnden Besitzern leben mussten. Die „Gone with the wind“-Darstellung/Propaganda ist ja eher die erste.

    Latho hat ja schon vieles geschrieben, als kurze Ergänzung dazu: Soziale Sicherheit gab es schon deshalb nicht oder nur in sehr geringem Maße, weil stets der Verkauf drohte, entweder als Bestrafung oder im Todesfall des Eigentümers. Außerdem war es ja üblich, im „upper south“ Sklaven für den Verkauf in den tiefen Süden zu „züchten“. Natürlich gab es auch Fälle von jahrzehntelangen Beziehungen (auch sexueller Natur) und ebenso dauerhafter Loyalität, besonders bei Haussklaven, die das besondere Vertrauen ihrer Herren genossen. Als Haussklave war die „soziale Sicherheit“ zwar immer noch prekär, aber höher als bei einem Feldsklaven. Die Sklaven haben natürlich besonders die Zerstörung ihrer Familien als traumatisch empfunden, insofern würden sie wahrscheinlich ablehnen, von so etwas wie „Sicherheit“ zu sprechen. Kennzeichen der Lage des Sklaven sind ja gerade Willkür und Unsicherheit.

    Über diese gesamten Sachverhalte existieren keine belastbaren Daten, die man statistisch auswerten könnte. Wäre mir jedenfalls neu.

    --

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    #7986677  | PERMALINK

    stormy-monday
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    Beiträge: 20,050

    bullschuetz

    Ich persönlich finde die Frage, ob millionenfacher Mord aus Rassismus schlimmer ist als millionenfacher Mord aus Habgier oder Machtgier, ziemlich akademisch. Kein einziges dieser Menschheitsverbrechen möchte ich verharmlost oder kleingeredet wissen.

    Mich lässt der Satz nicht in Ruhe. Sind Habgier und Machtgier nicht die Hauptgründe für Rassismus?

    Spannende und gewinnbringende Diskussion mal wieder.

    --

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    #7986679  | PERMALINK

    Anonym
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    Beiträge: 0

    Stormy Monday Sind Habgier und Machtgier nicht die Hauptgründe für Rassismus?

    Mir kommen da zuerst Angst (vor dem Fremden) und Selbstwert (Überlegenheit/besser als Die) in den Sinn.

    --

    #7986681  | PERMALINK

    Anonym
    Inaktiv

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    Beiträge: 0

    Nicht_vom_ForumIch habe mir gerade Django Unchained nochmal angesehen. Es gibt da ganze Einstellungen, die von der Komposition und vom Verhalten der Personen her von den Originalfilmen aus den KZs kopiert sein könnten.

    Welche Originalfilme aus den KZs meinst du denn damit?

    --

    #7986683  | PERMALINK

    Anonym
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    Registriert seit: 01.01.1970

    Beiträge: 0

    The Imposterbei dem hat man auch immer das Gefühl, dass er nur hier reinkommt um Stunk zu machen, so weit wie möglich ignorieren scheint da wirklich das beste zu sein

    Oh, der (normalerweise würde jetzt hier eine Anrede stehen, die ich mir aber in diesem Fall erspare) durfte mal wieder nach draußen … und hatte natürlich das/ein dringende(s) Bedürfniss, einen Baum zu markieren.

    Inhaltlicher Bezug zum Thread? Fehlanzeige, da hat Mick schon vollkommen recht.

    --

    #7986685  | PERMALINK

    nicht_vom_forum

    Registriert seit: 18.01.2009

    Beiträge: 5,855

    talking headWelche Originalfilme aus den KZs meinst du denn damit?

    Man möge es mir nachsehen, wenn ich jetzt keine einzelnen Szenen raussuche, aber ich meine beispielsweise solche Aufnahmen:

    https://www.youtube.com/results?search_query=footage+archive+concentration+camps
    https://www.youtube.com/results?search_query=footage+archive+warszaw+ghetto

    --

    Reality is that which, when you stop believing in it, doesn't go away.  Reality denied comes back to haunt. Philip K. Dick
    #7986687  | PERMALINK

    bullschuetz

    Registriert seit: 16.12.2008

    Beiträge: 2,106

    Stormy MondayMich lässt der Satz („Ich persönlich finde die Frage, ob millionenfacher Mord aus Rassismus schlimmer ist als millionenfacher Mord aus Habgier oder Machtgier, ziemlich akademisch. Kein einziges dieser Menschheitsverbrechen möchte ich verharmlost oder kleingeredet wissen.“) nicht in Ruhe. Sind Habgier und Machtgier nicht die Hauptgründe für Rassismus?

    Ich versuche zu konkretisieren – und bitte lege nicht jedes Wort auf die Goldwaage, es ist bei dem Thema kaum möglich, anders als zynisch zu klingen, wenn man eine möglicherweise waltende Logik der Unmenschen nachzuvollziehen versucht. Ist aber überhaupt nicht zynisch gemeint.

    Meine Überlegung war: Bei der Vernichtung der europäischen Juden gab es eine überschießende Komponente, eine irrationale Radikalität in der Umsetzung, die mit Hab- oder Machtgier nicht mehr erschöpfend erklärbar ist. Natürlich war das auch ein monumentaler Raubzug, indem die Nazis massenhaft jüdischen Besitz arisierten – aber alle umzubringen, ergibt jenseits des rassistischen Selbstzwecks doch keinen Sinn. Da wäre es zweckrationaler gewesen, die Mehrheit sich zu Tode schuften zu lassen und die Funktionseliten, Forscher, Wissenschaftler mit beträchtlichem, potenziell ja auch nutzbaren Know-how für sich zu benutzen. Ein solcher Ausrottungsfeldzug, das ist doch Wahnsinn und mit skrupellosen ökonomischen Interessen nicht mehr begründbar. Sprich: Kann man den Holocaust wirklich bloß als total amoralisches und tödliches Ausbeutungsvorhaben beschreiben? Das war er auch, sicher – aber ging es nicht zumindest am Ende nur noch darum, die Juden einfach deshalb umzubringen, weil sie Juden waren?

    Ach, es ist zu schrecklich, ich höre auf. Vielleicht liege ich auch falsch, wenn ich das Irrationale des Holocaust zu sehr betone. Es gab ja das Buna-Werk der IG Farben in Auschwitz, und es gab die Rampen, die Selektionen – die Kinder, die meisten Frauen und die Alten wurden gleich ins Gas geschickt, die Arbeitsfähigen ausgenützt. Was war mörderisches ökonomisches Kalkül, was von jeder anderen Zweckerwägung entkoppelter wahnsinniger Rassismus? Ich weiß es nicht.

    --

    #7986689  | PERMALINK

    latho
    No pretty face

    Registriert seit: 04.05.2003

    Beiträge: 36,912

    bullschuetz[…]
    Meine Überlegung war: Bei der Vernichtung der europäischen Juden gab es eine überschießende Komponente, eine irrationale Radikalität in der Umsetzung, die mit Hab- oder Machtgier nicht mehr erschöpfend erklärbar ist. Natürlich war das auch ein monumentaler Raubzug, indem die Nazis massenhaft jüdischen Besitz arisierten – aber alle umzubringen, ergibt jenseits des rassistischen Selbstzwecks doch keinen Sinn. […]

    Der Antisemitismus basiert auf unvernünftigen, irrationalen Annahmen, vor allem, dass die Menschen nicht gleich sind und sie unterschiedlich wertvoll sind. In sich selbst ist der Antisemitismus halbwegs logisch aufgebaut – eben ein geschlossenes, rechtsextremes Weltbild. Und das sieht eben vor, dass man die Juden vernichten muss, bevor sie die „Arier“ vernichten. Laut Pickerings Tischgesprächen (habe ich bestimmt schon mal gebracht) soll Hitler ja gesagt haben, dass selbst wenn alle Juden vernichtet wären, alle Erinnerungen an sie ausgelöscht wären, ja, selbst wenn sich keiner mehr an sie erinnern würde, für ihn der unerträgliche Gedanke bleiben würde, dass die Juden überhaupt jemals existiert hätten. Und da gab’s Leute, die sagten „wenn das der Führer wüsste“. Dass die SS und andere an der Shoah Beteiligte die Gelegenheit nutzen, ganz übermenschlich zu rauben und zu stehlen, das dürfte Hitler nicht gefallen haben, aber er hatte auch nichts dagegen, korrupt war er ja auch noch. Aber wenn mit dem Holocaust gar nichts zu verdienen gewesen wäre, hätte er doch statt gefunden. Wenn’s doch nur reine Habgier gewesen wäre…

    --

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    #7986691  | PERMALINK

    stormy-monday
    We Shall Overcome

    Registriert seit: 26.12.2007

    Beiträge: 20,050

    bullschuetz Das war er auch, sicher – aber ging es nicht zumindest am Ende nur noch darum, die Juden einfach deshalb umzubringen, weil sie Juden waren?

    Genau darum ging es. Und wenn Du latho’s hervorragenden Beitrag dazu denkst, dann ist dieser Vernichtungswille, gespeist aus Jahrhunderte altem Neid, der sicher manchmal auch Gründe hatte ( Viehjud und Bankjud als Verkürzung), doch nur aus Machtgier und Habgier entstanden. Wie bei den Conquistadores in Südamerika. Ich denke sogar, Habgier kommt sogar noch vor der Machtgier, ist die eigentliche Triebfeder dafür. Donald Trump ist ein ganz gutes Beispiel. Hab ich die Kohle, krieg ich die Macht.
    Das Nicht-Zulassen-Wollen von Anderesartigem, religiös auch noch fein untermauert (Mörder des Herrn als Verkürzung), führt zwangsläufig zur Wasserstelle in Kubrick’s „2001“. Und anschliessendem Schädeleinschlagen.
    Wer alte jiddische Filme vor dem Holocaust (der Shoa) kennt, versteht vielleicht, was ich ganz unzynisch meine.
    „Wir dulden keine Kultur neben der Unseren.“

    Aber das ist jetzt wirklich sehr OT hier. Danke für Deine ausführliche Replik.

    --

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    #7986693  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Registriert seit: 25.01.2010

    Beiträge: 67,000

    bullschuetzMeine Überlegung war: Bei der Vernichtung der europäischen Juden gab es eine überschießende Komponente, eine irrationale Radikalität in der Umsetzung, die mit Hab- oder Machtgier nicht mehr erschöpfend erklärbar ist.

    Ich glaube nicht, dass die Vernichtung der europäischen Juden in dem Ausmass, wie sie dem „Dritten Reich“ gelungen ist, möglich gewesen wäre, wenn sie nicht in geradezu beängstigender Weise rational geplant und umgesetzt worden wäre. Man müsste dazu wohl endlich mal hinsitzen und Raoul Hilberg in aller Ausführlichkeit lesen.

    Und zu den Begriffen: ich weiss natürlich, dass man gemeinhin vom „Holocaust“ spricht (mit bestimmtem Artikel), doch der Begriff, der ein Feueropfer von Tieren bezeichnet, ist eigentlich komplett daneben und unglaublich zynisch. „Shoa“ ist vorzuziehen, der Terminus meint „Katastrophe, Untergang, Zerstörung“. Im Mittelalter taucht der Begriff dann auf, um Judenpogrome (Brandopfer) zu bezeichnen – die natürlich gerechtfertigt werden (die alte „Christusmörder“-Story). Unter den Umständen ist die Verwendung des Begriffes als Bezeichung für die Vernichtung der europäischen Juden höchst zynisch – was natürlich nichts damit zu tun hat, dass der Begriff sich im Alltag (wie es scheint auch in Israel, obwohl der Begriff „Shoah“ viel früher auftauchte, um die Vernichtung der europäischen Juden im „Dritten Reich“ zu bezeichnen).

    Detaillierteres hier (auch zum Begriff „Shoa“):
    https://de.wikipedia.org/wiki/Holocaust_%28Begriff%29

    Das geht hier wirklich off topic, man möge mir verzeihen, aber ich halte es was den Begriff „Holocaust“ betrifft mit Agamben (auch das im Wiki-Artikel nachzulesen).

    --

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