"Django Unchained" – der neue Tarantino

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  • #7986153  | PERMALINK

    mep

    Registriert seit: 12.05.2008

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    FilterBei Jackson wartete, nein hoffte ich bis zum Schluss, da kommt noch was, der entpuppt sich oder kippt um, läuft über, aber er blieb die denkbar schlimmste Version des Onkel Tom, wie Hal bereits schrieb.

    Das war für mich eher ein Pluspunkt, auch wenn es für mich nicht ganz überzeugend herausgearbeitet gewesen ist. Jackson verkörpert für mich einen Typus des Bediensteten, der sein ganzes Leben in dieser Systematik und in dieser Logik des Kastenwesens der Hautfarben verbracht hat, so dass es für ihn gar keinen Blickwinkel von Ausserhalb mehr geben kann. Vermutlich sieht er sich gar nicht mehr seiner Hautfarbe verpflichtet, sondern seinen Pflichten als Diener seiner weissen Herrschaft. Das geht für mich von der Logik her so in Richtung Downton Abbey. Eine tradierte Herrschaftsstruktur, die unhinterfragbar und unabwendbar geworden wirkt, bevor sie nahezu über Nacht verfällt und als vollkommen unwirklich und unmenschlich erscheint…

    Was mir allerdings nicht gefallen hat war, als Jacksons Figur am Ende versucht hat, sich davonzustehlen, als Django verkündet die Schwarzen schonen zu wollen. Hätte für mich kraftvoller gewirkt, wenn er gar nicht darauf reagiert hätte, da er sich eben nicht als Schwarzer sieht, sondern als Teil des Herrschaftssystems des weissen Südens…

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    STANdground.
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    #7986155  | PERMALINK

    mep

    Registriert seit: 12.05.2008

    Beiträge: 554

    Hal CrovesUnd zumindest ein wirklich kluger Moment ragt bemerkenswert heraus: als Calvin Candie mit grinsendem Zynismus die rhetorische Frage stellt, warum die Sklaven die Sklavenhalter nicht einfach alle umbringen.

    Gerade aber diese Sequenz ist im Trailer deutlich stärker gelöst worden, mit Waltz Replik, die im finalen Film dann leider entsprechend gefehlt hat…

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    STANdground.
    #7986157  | PERMALINK

    hotblack-desiato

    Registriert seit: 11.11.2008

    Beiträge: 8,595

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    ~ Mut ist, zu wissen, dass es weh tun kann und es trotzdem zu tun. Dummheit ist dasselbe. Und deswegen ist das Leben so schwer. ~
    #7986159  | PERMALINK

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    Beiträge: 2,922

    @mick: Immer einmal mehr Doch! als Du Nein! sagen kannst ;)

    Wenn man den Weiten des Internets Glauben schenken kann, war laut Drehbuch der erste Showdown auf Candieland ursprünglich nicht vorgesehen, sondern sollte nach dem Handshake-Disput zwischen Candie und Schultz mit bekanntem Ausgang schlicht in Djangos Gefangennahme enden. Das erklärt auch den anschließenden, von mir als eher handzahm empfundenen Umgang mit ihm.

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    Ich brachte meine Vergangenheit im Handgepäck mit. Ihre lagerte irgendwo im Container-Terminal. Als sie ging, benötigte ich einen Seemannssack.
    #7986161  | PERMALINK

    blitzkrieg-bettina

    Registriert seit: 27.01.2009

    Beiträge: 11,779

    Nach dem Dritten Reich nimmt sich Quentin Tarantino für seinen neuen Film nun also eines der großen Verbrechen seines Landes vor: Die Sklaverei.
    Ähnlich wie bei „Inglorious Basterds“ kann man natürlich Bedenken haben dass er dem Thema richtig gerecht wird. Der wohl bekannteste afroamerikanische Regisseur – Spike Lee – zürnte dass er sich den Film nicht ansehen werde, da er dass Andenken seiner Vorfahren beschmutzen würde, die gewaltsame Verschleppung und Versklavung der Afrikaner sei keine Vorlage für einen Spaghettiwestern sondern ein Holocaust.
    Vom cineastischen Standpunkt her könnte man Bedenken äussern dass ein Western von Tarantino etwas zu offensichtlich ist, da er das Genre ja schon seit längerer Zeit umkreist, und Anspielungen und Querverweise wie in „Basterds“ oder „Kill Bill“ eventuell eher sein Fall sind.

    Wie ist also jetzt dieser Film?

    Also, mich hat er bei weitem nicht so beeindruckt wie „Inglorious Basterds“. Klar, Vorspann und Abspann beeindrucken mit ausgefeilter Typografie. Einige Szenen waren wirklich witzig – so wie die Reiterattacke des Ku Klux Klan, die in kürzester Zeit von an Eisenstein gemahnenden Pathos zu Monthy Python/Mel Brooks-mäßigem Klamauk mutierte. Auch die Schluss-Szene, bei der Jamie Foxx wie ein cooler Action-Held der Jetztzeit, versetzt ins 19. Jahrhundert, wirkte gefiel mir. Generell war Foxx – obwohl er kaum spielte – in jeder Szene absolut würdevoll. Dasselbe gilt für Kerry Washington.

    Aber einiges gefiel mir gar nicht: Die Rolle von Christoph Waltz war viel zu klamaukig angelegt, nur noch ein Schatten seiner Performance als Hans Landa. Die Rolle des „Man you loved to hate“ übernimmt hier eindeutig Leonardo diCaprio. (Das hier im Thread häufig erwähnte Hamburger Immerlach-Publikum ist mir übrigens auch aufgefallen. Ein Pferd namens Fritz, hach wie witzig.) Einige Rollen bleiben bei reinen Karikaturen stehen. Ein Pluspunkt ist wie Tarantino die bilderbuchhafte Klischee-Südstaaten“idylle“ mit wirklich harten Szenen kontrastiert. Irgendwo hier wurde geschrieben er stelle das Leben der Schwarzen in den Südstaaten im Prinzip als KZ dar. Ganz falsch ist diese Feststellung sicher nicht.

    Hier kommen wir aber zu meinem Hauptkritikpunkt: Dass in diesem Werk zwei völlig unterschiedliche Gewaltästhetiken aufeinander prallen. Zum Einen die eben erwähnte, krass realistische Darstellung des Leids der Sklaven in der damaligen Zeit. Zum anderen die grelle, fast exploitationhafte Wild-West-Gewalt. Tut mir leid, für mich passt dass beides nicht zusammen, letzteres nimmt ersterem seine Eindringlichkeit und droht jede Betroffenheit zu ersticken. Wahrscheinlich hat er ihn immer noch nicht gesehen, aber irgendwie kann ich da die Haltung von Spike Lee zum Thema verstehen.

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    Man hatte uns als Kindern das Ende der Welt versprochen, und dann bekamen wir es nicht.
    #7986163  | PERMALINK

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    Registriert seit: 08.07.2002

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    Müsste man letzteres nicht auch IB anlasten? Tarantino bewegt sich in beiden Filmen auf schwierigem Terrain. Splatter und Exploitation vor einem realen, extrem belasteten historischen Hintergrund. Heikel. Wie ich schon schrieb, mir blieb das Lachen sehr oft im Halse stecken und der Film beschäftigt mich auch nach mehr als einer Woche noch. Wenn Tarantino das auch bei seinen Landsleuten geschafft hat, sollte Spike Lee Milde walten lassen. Die Geschichte der Vereinigten Staaten steht auf blutigem Boden und ist allenfalls im Ansatz aufgearbeitet. Django hat drüben einige Diskussionen hervorgerufen. Immerhin.

    Die Lacher galten übrigens dem „Knicks“ von Fritz, nicht seinem Namen, glaube ich.

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    #7986165  | PERMALINK

    blitzkrieg-bettina

    Registriert seit: 27.01.2009

    Beiträge: 11,779

    FilterMüsste man letzteres nicht auch IB anlasten? Tarantino bewegt sich in beiden Filmen auf schwierigem Terrain. Splatter und Exploitation vor einem realen, extrem belasteten historischen Hintergrund. Heikel. Wie ich schon schrieb, mir blieb das Lachen sehr oft im Halse stecken und der Film beschäftigt mich auch nach mehr als einer Woche noch. Wenn Tarantino das auch bei seinen Landsleuten geschafft hat, sollte Spike Lee Milde walten lassen. Die Geschichte der Vereinigten Staaten steht auf blutigem Boden und ist allenfalls im Ansatz aufgearbeitet. Django hat drüben einige Diskussionen hervorgerufen. Immerhin.

    Bei IB hat es für mich seltsamer Weise auch funktioniert. Vielleicht auch, weil er das Grauen dort nicht explizit zeigte. Zur NS-Zeit waren allerdings auch zumindest in meinem Kopf in viel größerem Ausmaße Bilder vorhanden, Tarantino vermochte es meisterhaft diese zu entmystifizieren. Bei „Django“ prallten für mich zwei verschiedene Ästhetiken etwas zu abrupt aufeinander. Aber ist halt nur mein persönlicher Eindruck.

    --

    Man hatte uns als Kindern das Ende der Welt versprochen, und dann bekamen wir es nicht.
    #7986167  | PERMALINK

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    Registriert seit: 08.07.2002

    Beiträge: 2,922

    Filter Exploitation

    Blaxploitation natürlich!

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    #7986169  | PERMALINK

    Anonym
    Inaktiv

    Registriert seit: 01.01.1970

    Beiträge: 0

    mepWas mir allerdings nicht gefallen hat war, als Jacksons Figur am Ende versucht hat, sich davonzustehlen, als Django verkündet die Schwarzen schonen zu wollen. Hätte für mich kraftvoller gewirkt, wenn er gar nicht darauf reagiert hätte, da er sich eben nicht als Schwarzer sieht, sondern als Teil des Herrschaftssystems des weissen Südens…

    Gerade diese Szene beurteile ich komplett anders und als nur allzu menschlich … denn wenn es keinen Ausweg mehr gibt, versucht eben jeder einfach nur seinen Arsch zu retten.

    Um es kurz zu machen, da hier schon so viel geschrieben wurde:

    Tarantino ist erwachsener geworden, kommt mit weniger Brutalität aus als früher und macht unterhaltsame Filme für (inzwischen) jedes Alter. Die Zeiten als Zuschauer den Saal verließen (Pulp Fiction) sind vorbei.

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    #7986171  | PERMALINK

    matz

    Registriert seit: 17.10.2010

    Beiträge: 2,024

    talking head
    Tarantino ist erwachsener geworden, kommt mit weniger Brutalität aus als früher und macht unterhaltsame Filme für (inzwischen) jedes Alter. Die Zeiten als Zuschauer den Saal verließen (Pulp Fiction) sind vorbei.

    Ernsthaft? Gerade die Gewaltspitzen sind doch um einiges graphischer als früher. Dass niemand mehr den Saal verlässt, sollte es denn so sein, liegt doch einfach an der höheren Toleranzgrenze was Filmgewalt angeht. Ich glaube kaum, dass Django vor 20 Jahren mit einer FSK 16 davongekommen wäre. Tarantino behandelt mittlerweile natürlich andere Themen, die sowohl im Feuilleton als auch bei der breiten Masse besser ankommen. Das macht seine Filme aber für mich nicht unbedingt erwachsener.

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    #7986173  | PERMALINK

    Anonym
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    Beiträge: 0

    Hm, einen Diolag zwischen dem aufgeklärten deutschen Doktor und dem rassistischen Plantagenbesitzer über dessen Bibliothek hätte es so wohl früher nicht gegeben. (Wobei aus heutiger Betrachtungsweise dann schon wieder der tarantinosche Wahnsinn durchblitzt).

    Der Wandel deutete sich für mich mit den „Basterds“ an.

    Würde mich nicht wundern, wenn Waltz auch in seinem nächsten Film die wirklichen Botschaften unter das Publikum bringt ;-)

    --

    #7986175  | PERMALINK

    j-w
    Moderator
    maximum rhythm & blues

    Registriert seit: 09.07.2002

    Beiträge: 40,370

    talking headTarantino ist erwachsener geworden, kommt mit weniger Brutalität aus als früher und macht unterhaltsame Filme für (inzwischen) jedes Alter. Die Zeiten als Zuschauer den Saal verließen (Pulp Fiction) sind vorbei.

    Für mich ist das heute eine andere Art Brutalität als zu Pulp Fiction-Zeiten. Damals war einfach die unvermittelte Brutalität, in Verbindung mit viel spritzendem (obwohl bei weitem nicht so viel wie jetzt bei Django Unchained) Blut etwas, das die Zuschauer schockiert hat. Ich fand Django Unchained an manchen Stellen zu brutal und blutrünstig. Nicht, weil es die Brutalität selbst war, die mich überfordert hätte – nein, weil die Brutalität zum Kintop verkam, zu einer Persiflage ihrer selbst, über die man einmal lacht, aber dann auf Dauer eher genervt ist. Der Film hätte mit weniger spritzendem Blut intensiver gewirkt. Ich meine nicht die Szene wo der eine Sklave von den Hunden gerissen wird, ich meine die Liter von Kunstblut, die bei jedem Treffer die umliegenden Wände, Gegenstände und Personen überfluteten.

    --

    Staring at a grey sky, try to paint it blue - Teenage Blue
    #7986177  | PERMALINK

    Anonym
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    Beiträge: 0

    j.w.Für mich ist das heute eine andere Art Brutalität als zu Pulp Fiction-Zeiten …

    Da gebe ich dir recht und muss auf den Post von Matz zurückkommen:

    matz… Dass niemand mehr den Saal verlässt, sollte es denn so sein, liegt doch einfach an der höheren Toleranzgrenze was Filmgewalt angeht. Ich glaube kaum, dass Django vor 20 Jahren mit einer FSK 16 davongekommen wäre.

    Die Toleranzgrenze von Brutalität in Filmen hat sicherlich zugenommen.

    Bei Tarantino nahm ich gestern jedoch eine verminderte Darstellung von Brutalität und eine Zunahme von persönlichen Dialogen und kleinen feinen Spitzen war.

    Dass es am Ende ein großes Gemetzel im Showdown gab, war ja wohl nicht anders zu erwarten. Das gab es aber auch schon in „High Noon“ oder jedem anderen Western, nur damals eben mit anderen (nicht ganz so drastisch realistischen) Mitteln.

    Ich empfinde es so, dass in seinen Filmen die Brutalität immer mehr hinter feinsinnigen Dialogen zurücktritt und eben das macht ihn für mich erwachsener und auch interessanter.

    Das kann aber auch mit dem Alter des Zuschauers und einer anderen Wahrnehmung zusammenhängen ;-)

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    #7986179  | PERMALINK

    matz

    Registriert seit: 17.10.2010

    Beiträge: 2,024

    talking head
    Die Toleranzgrenze von Brutalität in Filmen hat sicherlich zugenommen.

    Bei Tarantino nahm ich gestern jedoch eine verminderte Darstellung von Brutalität und eine Zunahme von persönlichen Dialogen und kleinen feinen Spitzen war.

    Dass es am Ende ein großes Gemetzel im Showdown gab, war ja wohl nicht anders zu erwarten. Das gab es aber auch schon in „High Noon“ oder jedem anderen Western, nur damals eben mit anderen (nicht ganz so drastisch realistischen) Mitteln.

    Ich empfinde es so, dass in seinen Filmen die Brutalität immer mehr hinter feinsinnigen Dialogen zurücktritt und eben das macht ihn für mich erwachsener und auch interessanter.

    Das kann aber auch mit dem Alter des Zuschauers und einer anderen Wahrnehmung zusammenhängen ;-)

    Gewalt wirkte in Tarantinos vorherigen Filmen hinsichtlich ihrer Wirkung stets wohlüberlegt inszeniert. Im Django-Finale empfinde ich sie als überflüssig. Sie ist weder Zitat noch Handlungsträger noch Überraschung noch Schock noch Komik, sondern absolut wirkungslos. Trotzdem fällt mir auf Anhieb keine graphischere Szene aus den Vorgängern ein.
    Ich stimme dir zu, wenn du bei IB von einem Wandel sprichst. Dieser stellt sich mir aber weniger in der Dominanz von feinsinnigen Dialogen dar, sondern eher in einem stärkeren Bruch zwischen Dialog und Aktion (hier: Gewalt). In Reservoir Dogs oder Pulp Fiction zeigte sich dem Zuschauer Tarantino’s Nerdtum selbst in den Gesprächen der Figuren, während IB für die breite Masse viel zugänglichere oder, wenn man so will, seriösere Dialoge bietet, die lediglich durch leichte Übertreibungen (z.B. Landa’s Pfeife) auf Tarantino verweisen. Das bildet einen stärkeren Gegensatz zu der phasenweise krassen, häufig aber comichaften Brutalität und ist bei IB durchaus interessant, während Django nicht selten wie eine schlechte Kopie jenes Vorgängers anmutete.

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    #7986181  | PERMALINK

    Anonym
    Inaktiv

    Registriert seit: 01.01.1970

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    Sorry wenn ich das hier so direkt hinterfrage: bist du alt genug um damals all die „Spaghettiwestern“ gesehen und in ihrer Wirkung erlebt zu haben?

    Darin liegt nämlich in meinen Augen der Ansatz seiner teilweisen Parodie, auch wenn sie in den Süden und auf das Sklavenproblem verlagert wird.

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