BB’s cineastisches Hinterzimmer

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    blitzkrieg-bettina

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    Sicher, auch unter den Schauspielern sind ja Maximilian Schell, Maria Schell, Lieslotte Pulver oder Yul Brynner (auch den kann man strenggenommen als Schweizer betrachten) nicht ganz unbekannt, aber die waren ja auch eher nicht in der Schweiz selber aktiv.

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    Man hatte uns als Kindern das Ende der Welt versprochen, und dann bekamen wir es nicht.
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    gypsy-tail-wind
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    Biomasse

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    Blitzkrieg BettinaSicher, auch unter den Schauspielern sind ja Maximilian Schell, Maria Schell, Lieslotte Pulver oder Yul Brynner (auch den kann man strenggenommen als Schweizer betrachten) nicht ganz unbekannt, aber die waren ja auch eher nicht in der Schweiz selber aktiv.

    und – eher passend für Deinen Thread… > :sonne: <

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    #7847463  | PERMALINK

    blitzkrieg-bettina

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    Deichking, 2006, Michael Söth

    Und schon wieder Trash: „Deichking“ sollte wohl so etwas wie eine Komödie mit typisch norddeutschem, trockenem Humor werden, eventuell auf den Spuren von Detlev Buck, wir werden es wohl nie erfahren.
    Die Geschichte ist schnell erzählt: Der Bauernsohn Fiete (John Barron) erfährt durch seine Verlobte erstmals von der Existenz von Elvis Presley, als sie ihn verlässt beschliesst er selber zu einer Elvis-Inkarnation zu werden, zu erst trägt er sein Liedgut den Schafen am Deich vor, dann in der örtlichen Kirche, wo natürlich sofort klar ist das der Teufel in Gestalt von Elvis in ihn gefahren ist, weswegen gleich vor Ort ein Exorzismus gegen ihn stattfindet. (Den Pfarrer spielt niemand geringeres als Bela B.) Als auch diese Versuche nicht glücken fasst Fiete den Plan nach Memphis, Tennessee auszuwandern um dort endgültig in die Fusstapfen seines Idols zu treten.
    So hanebüchen wie die „Story“ des Films ist auch seine Umsetzung, weder ist er witzig, noch sind die schauspielerischen Leistungen in irgendeiner Form bemerkenswert, und die zahlreichen Gastauftritte von Bela B. über Lotto King Karl und Fettes Brot bis Uschi Nerke wirken alle komplett deplatziert und albern.
    Ähnlich wie bei „Helden sterben anders“ könnte man auch hier auf die Idee kommen das es sich umso etwas wie ein filmisches Äquivalent zur naiven Kunst handelt – sowie Sasek versuchte seine patriotischen und religiösen Gefühle in einem grottenschlechten Amateur-Monumentalepos auszudrücken, so hatte Söth wohl das Bedürfnis seine Verehrung für den King in dieser stümperhaften Pseudo-Komödie mitzuteilen. Es schien im völlig gleichgültig ob dieser Film bei der Kritik ankommt, ob er ein Publikumserfolg wird, oder ob er so etwas wie ein Kultobjekt im Sinne von Ed Wood wird (noch nicht einmal das kann ich mir vorstellen.) Sicher ist sein Vorgehen sympatischer als der anscheindend ja sektiererische Ansatz von Ivo Sasek, doch staunen lässt einen dieses offensiv vorgetragene Bedürfnis sich fernab jeden Talents filmisch zu betätigen schon.
    Oder ist „Deichking“ in seinem offen zur Schau getragenen Dilettantantismus vielleicht sogar als Hommage an die originalen Elvis-Filme zu verstehen, die ja auch nicht immer cineastischen Höchstansprüchen genügten?
    Wie auch immer, wer etwas über das Leben auf dem Land in Schleswig-Holstein erfahren möchte ist in jedem Fall mit Cho Sung-hyungs „Full Metal Village“ besser beraten.

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    #7847465  | PERMALINK

    blitzkrieg-bettina

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    Bully (Bully – Diese Kids schockten Amerika), 2001, Larry Clark

    Larry Clark, der in den Siebzigern mit Fotobänden wie „Tulsa“ die Lebenswelt Jugendlicher in einer bis dato ungesehenen Direktheit dokumentierte ( Martin Scorsese war dies übrigens Inspiration für „Taxi Driver“) – später folgten dann „Teenage Lust“ und „Perfect Childhood“ – sorgte mit seinem Debütfilm „Kids“ von 1995 für einiges Aufsehen. Die drastische Sprache, relativ freizügige Szenen und die Thematisierung von AIDS entzweiten die Kritik und machten den Streifen zum Kultfilm.
    Noch ein paar Schritte weiter ging er 2001 mit „Bully“ und 2002 mit „Ken Park“.
    Während in „Kids“ vieles noch vergleichsweise dezent daherkam – die Sexszenen, die jugendliche Langeweile, der pubertäre Sexismus – wird in diesen Filmen keinerlei Wert auf Subtilität gelegt, bis an die Grenzen zur Satire, die Filme werden quasi aufs wesentliche skelettiert, um ohne Umschweife zu Clarks Lieblingsthemen Sex, Gewalt, Hoffnungslosigkeit des Teenagerdaseins und Ausgeträumtsein des „American Dream“ zu kommen.
    Das mag man in seiner Plakativität für überzogen, effekthascherisch oder gar albern halten, doch ich denke Clark ist jemand der zumindest für Diskussionen (und sei es ob man seine Filme überhaupt ernst nehmen soll) immer gut ist.
    „Bully“ um den es hier gehen soll handelt von der wahren Geschichte des eines Mordes welcher 1993 in Florida von einer Clique Jugendlicher begangen wurde. Im diesem Fall nun heissen die Hauptfiguren Bobby Kent (Nick Stahl) und Marty Puccio (Brad Renfro). Bobby, der titelgebende Bully (was soviel wie Halbstarker, Schläger bedeutet) terrorisiert seinen Freund Marty bei jeder sich bietenden Gelegenheit, vergewaltigt dessen Freundin und lässt ihm noch unzählige weitere Demütigungen zukommen. Selbstverständlich platzt bei Marty irgendwann die Hutschnur und er sucht sich Leute zusammen um Bobby zu töten, wobei ihnen auch der Gangster Derek Kaufman behilflich ist. Nachdem dem zweiten Versuch gelingt der Mord endlich und Bobbys Leiche wird – da der Mord am Strand geschieht – den Flusskrebsen zum Frass vorgeworfen. Die Mordhandlung wirkt um einiges abstossender als es normalerweise im filmischen Zusammenhang zu beobachten ist da die Jugendlichen den Mord in völliger Kaltblütigkeit und Selbstverständlichkeit ausführen, womit Clark sicher so etwas wie eine Abstumpfung der heutigen Jugend durch übermässigen Medienkonsum aufzeigen oder gar kritisieren wollte. Beispielhaft einer der Mittäter – ein den ganzen Tag diverse „Killerspiele“ zockender Computernerd – welcher als er erfährt das Bobbys Leichnam von den Flusskrebsen vollständig verzehrt wird den sagenhaften Ausspruch macht: „Die Natur ist Scheisse!“ Ich denke extremer kann man den Widerspruch zwischen künstlich geschaffener Realität und „der Welt da draussen“ nicht auf den Punkt bringen.
    Im darauf folgenden „Ken Park“ sollte Clark die Elemente die „Bully“ ausmachen dann ins Extrem führen.

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    #7847467  | PERMALINK

    blitzkrieg-bettina

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    Ken Park, 2002, Larry Clark

    „Ken Park“ beginnt mit einem Selbstmord: Ein Skater namens Ken Park schiesst sich in den Kopf, was Clark als Anlass dient die Lebenswelt von Jugendlichen in einer kalifornischen Kleinstadt zu erforschen.
    Da ist zum einen Tate der noch bei seinen Grosseltern lebt und von diesen bis zum geht nicht mehr verhätschelt wird, was sich bei ihm im Ausleben sexueller Phantasien äussert (unter anderem bringt er sich durch Würgen und gleichzeitiges Ansehen von Damentennis selbst in Erregung), Claude, der von seinem Alkoholikervater misshandelt wird da er nicht dessen Vorstellungen von einem Mann entspricht, Shawn, der mit der Mutter seiner Freundin schläft und zu guter Letzt Peaches, die von ihrem (verwitweten) Vater streng religiös erzogen wird.
    Wie man an dieser kurzen Beschreibung unschwer erkennen kann geht es Clark auch hier um seine grossen Themen Sex, Teenagerdasein, Langeweile.
    Anders als bei „Kids“ oder „Bully“ tritt hier das Verhältnis von Kindern/Eltern in den Vordergrund, teils auf sehr plakative und aufdringliche Weise, beispielsweise in einer Szene in der Peaches – nachdem sie beim Liebesspiel mit einem Jungen aus dem Bibelunterricht erwischt wurde – ihren Vater in einer bizarren Zeremonie heiratet. Die Strangulationsszene von Tate wurde schon erwähnt, auch den Auseinandersetzungen die Claude mit seinem Vater führt mangelt es nicht an einer gewissen Penetranz und Klischeehaftigkeit.

    Daneben kann der Film aber durchaus mit einigen sehr sanften Szenen aufwarten, so die in der Shawn mit der Familie seiner Freundin auf der Terrasse beim Abendessen sitzt. Klar hat das ganze auch etwas sehr zynisches, da wir als Zuschauer natürlich wissen da es sich nicht um die Harmonie handelt wie sie hier dargestellt wird. Eine anderer – ganz unironisch – idyllischer Augenblick ist die kontrovers diskutierte Sexszene gegen Schluss, in der Peaches von Tate und Shawn gleichzeitig befriedigt wird, was im Rahmen des Filmes als so etwas wie eine Erlösung wirkt, als eine Art Fluchtpunkt durch Sex. Man vergleiche dies einmal mit dem hektischen Gerammel in „Bully“, wo der Geschlechtsakt fast wie eine Vorbereitung auf spätere Gewalttaten wirkte, hier nun quasi der genaue Gegensatz dazu.

    So schön Clark einige Szenen gelungen sind, so reisserisch wirkt anderes, und man muss sich wie immer bei ihm fragen ob er die angedeutete Sozialkritik wirklich ernst meint, oder ob sie nur ein Vorwand für ihn ist möglichst viele explizite Szenarien aneinander zu reihen, als Mittel um Aufmerksamkeit zu erregen und. Dafür spricht das vieles einer gewissen unfreiwilligen Komik nicht entbehrt, dagegen die bereits erwähnte Harmonie die der Film teilweise verströmt, man glaubt das Clark sich das erste mal wirklich für seine Figuren interessiert…

    Was meint ihr?

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    #7847469  | PERMALINK

    blitzkrieg-bettina

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    Obsluhoral jsem anglického krále (Ich habe den englischen König bedient), 2006, Jiri Menzel

    „Ich habe den englischen König bedient“ ist eine Art filmischer Schelmenroman über den Aufstieg und Fall des kleinwüchsigen Hotelpagen Jan Díte in den Wirren des 2. Weltkriegs.

    Jan beginnt seine berufliche Laufbahn in einer Kleinstadtpommesbude, steigt aber schon bald zum Oberkellner des vornehmen Hotels „Pariz“ auf, und bedient unter anderem den Kaiser von Abessinien. Jan ist fasziniert von der mondänen Atmosphäre, da er schon von klein auf keinen grösseren Wunsch hat als zu Reichtum zu kommen.
    Da er durch sein unglaubliches Glück schnell Karriere macht, trifft ihn der Neid seiner Kollegen, doch er findet auch die Liebe der Sudetendeutschen Lisa, blondbezopft von Julia Jentsch dargestellt. Lisa ist eine glühende Verehrerin von Adolf Hitler, und bejubelt selbstverständlich die Besetzung der Tschechoslowakei durch deutsche Truppen.
    Obwohl er Tscheche ist wird Jan dazu auserwählt der Samenspender für Lisas arische Zuchtpläne zu werden, und sie heiraten schliesslich. Von ihrem Dienst als Krankenschwester an der Front bringt sie Briefmarkensammlungen mit, die sie deportierten jüdischen Familien entwendete, und plant diese als Startkapital für einen Neuanfang nach dem Krieg zu verwenden. Jan bedient in der Zwischenzeit in einem Lebensborn blonde Schönheiten.
    Alles scheint optimal zu verlaufen für das Ehepaar Díte, doch dann wird Lisa von sowjetischen Bomben getroffen, Jan führt zwar nach dem Krieg sein eigenes Hotel, wird allerdings nach Machtübernahme der Kommunisten für 15 Jahre inhaftiert.

    Jiri Menzel versteht es meisterhaft die Absurditäten der Geschichte einzufangen, auch erzähltechnisch hervorragend, die oben erzählte Handlung wird regelmässig mit Szenen die den alten Jan Díte inmitten seiner ehemaligen Mithäftlinge zeigen kontrastiert. Gerade weil Menzel auf ein erwachsenes Publikum vertraut, und er auf die Kunst der Subtilität setzt auf jeden Pathos verzichtet welcher Filmen zu dieser Thematik ja häufig zu eigen ist, entdeckt man in vielen Szenen gleichzeitig einen leisen Humor und eine groteske Absurdität. Als Beispiele seien genannt als Jan den Geschlechtsakt mit Lisa vollzieht um einen potentiellen Übermenschen in die Welt zu setzen, er bekleidet mit dem Orden den er vom äthiopischen König verliehen bekam, sie andächtig auf ein Hitlerbild starrend. Oder auch Jan im Lebensborn: Zuerst umringt von nackten, nordischen Schönheiten, welche darauf warten dem neue Soldaten gebären zu dürfen, und die in dem sie bedienenden kleinen Tschechen eine Art Maskottchen sehen, und danach- nach Kriegseinbruch – im selben Schwimmbecken ebenfalls nackte Kriegsinvalide mit fehlenden Armen und Beinen. Auch Lisa ist ja eindeutig als Karikatur angelegt, mit ihren blonden Zöpfen, ihrer absoluten Ergebenheit dem „Führer“ gegenüber, und ihrer ziemlich seltsamen Liebesbeziehung zu Jan.

    Ich habe mich jetzt nicht so mit dem Thema befasst, aber ich könnte mir vorstellen das es Menzel, (beziehungsweise Bohumil Hrabal, dem Autoren der Romanvorlage) auch darum ging anhand der Figur des Jan eine Art Parabel auf das Verhalten vieler Tschen und Slowaken während der NS-Beatzungszeit zu finden. Oder vielleicht vielmehr auf Pragmatismus, Mitläuferei und Gewinnstreben bei gleichzeitigem Hinwegsehen über jede moralische Grenzen generell. Sollte dem so sein wäre hier wieder der Pluspunkt das er dermassen subtil vorgeht das man einerseits nie zum Komplizen von Jan wird, andererseits doch eine gewisse Grundsympathie bleibt. Jan Díte tritt wie eingangs erwähnt die Nachfolge der klassischen Helden von Schelmenromanen an, dazu gehört wohl auch das er sich persönlich nicht verändert, sondern vielmehr zum Spiegel seiner Zeit, seiner Gesellschaft wird. Figuren wie Lisa sind handelnd und treiben die Story aktiv voran, Jan kommt weiter obwohl er selber kaum etwas beiträgt. Eine sehr interessante Erzählweise, die hier ideal zum Tragen kommt, da Jan in den einzelnen Systemen (die Dekadenz eines Luxushotels, die NS-Zeit, die Schikanen durch die neuen Machthaber) fast ohne jede Eigeninitiative auf- und absteigt, das Publikum kann sich mit wie gesagt mit ihm identifizieren, bleibt aber trotzdem auf Distanz da Jan auf seltsame Weise nicht wie eine wirkliche Figur erscheint.

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    Man hatte uns als Kindern das Ende der Welt versprochen, und dann bekamen wir es nicht.
    #7847471  | PERMALINK

    blitzkrieg-bettina

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    Theatre of Blood (Theater des Grauens), 1973, Douglas Hickox

    „Ihr spritzt Gift auf das schöpferische Werk wahrer Künstler weil euch selber alle Talente versagt geblieben sind!“

    Vincent Price (1911-1993) war neben Christopher Lee, Peter Cushing, Boris Karloff, Lon Channey und Bela Lugosi einer der Ikonen des klassischen Gruselfilms. Obwohl seine über sieben Jahrzehnte andauernde Karriere auch Film Noirs, Western und Historienfilme beinhaltete und er sich auch als Kochbuchautor und Kunstsachverständiger hervortat stellt man sich ihn vor dem geistigen Auge hauptsächlich entweder als dekadenten englischen Aristokraten in gotischen Gemäuern oder als irrer Wissenschaftler bei seinen wahnsinnigen Experimenten vor. Sein persönlicher Favorit war allerdings keiner der bekannten Klassiker wie „Die Fliege“ oder „Der Rabe – Duell der Zauberer“ sondern „Theatre of Blood“, ein Werk des weitgehend in Vergessenheit geratenen Briten Douglas Hickox.

    Price spielt Edward Lionheart, einen Bühnendarsteller dessen Lebensmaxime man in einem kurzen Schlagwort zusammenfassen kann: „Ein Leben für Shakespeare“.
    Lionheart hat sich so sehr dem Werk des Stratforder Dramatikers verschrieben das er sämtliche moderneren Stücke ablehnte. Leider ist sein Spiel derart hölzern und affektiert das er seine Kritiker regelmässig zu Spott und Hohn herausfordert. Als der renommierte Kritikerkreis statt an ihn an einen hoffnungsvollen Jungschauspieler geht sucht er eben jene Kritiker auf um auf seine gewohnt theatralische Art den bekannten Hamlet-Monolog darzubieten und danach vom Balkon in die Themse zu springen.
    Kurz darauf finden einige seltsame Morde statt: Der Bauunternehmer und Kritiker George Maxwell wird – von mehreren Messerstichen durchbohrt – gefunden, sein Kollege Hector Snipe wird von einem Pferd zu Tode geschleift, und ein anderer Theater-Rezensent namens Horace Sproud wird eines morgens mit abgetrennten Kopf im Hotelzimmer gefunden.
    Der Vorsitzende der Kritikervereinigung, Mr. Peregrine Devlin, beschliesst der Sache auf den Grund zu gehen und entdeckt das alle 3 Morde nach dem Vorbild von Shakespeare-Tragödien verübt wurden: Maxwell starb durch genauso viele Dolchstösse wie Julius Caesar, Snipes Todesart entspricht der von Hektor in „Troilus und Cressida“, Sprouds hingegen verstarb auf ähnliche Art wie König Cymbeline.
    Das nächste Todesopfer, Trevor Dickman, bekommt wie Antonio im Kaufmann von Venedig ein Pfund Fleisch herausgeschnitten – infamer weise wurde Shakespeare anscheinend zu diesem Zwecke umgeschrieben. Doch wer wäre so infam sich mit Shakespeare zu messen – doch wohl nur der der sich für den grössten Shakespeare-Mimen überhaupt hält, nämlich Edward Lionheart!
    Also, so folgert Devlin, kann er nicht Tod sein sondern hat seinen Suizid nur vorgetäuscht! Tatsächlich plant Lionheart Devlin in einer öffentlichen Fechtschule nach dem Vorbild von „Romeo und Julia“ zu ermorden, dies misslingt zwar, aber Lionheart offenbart ihm seinen teuflischen Plan sich bei den kritikern die ihm nicht wohlgesonnen waren zu rächen, alles nach Vorlage der Stücke von Shakespeare! Unterstützung enthält er dabei von seiner ihm absolut treu ergebenen Tochter Edwina (Diana Rigg).
    Lionheart gelingen noch einige Morde – so wird der Kritiker Oliver Harding wie in „Richard III.“ in einem Weinfass ertränkt, Miss Moon wird unter einer Trockenhaube geröstet während Lionheart dazu den Text rezitiert der bei der Verbrennung der Jungfrau von Orléans in „Heinrich VI“ gesprochen wurde.
    Der übergewichtige Meredith Merridew hingegen wird dazu gezwungen seine beiden heissgeliebten Schosshunde zu essen, sowie die Gotenkönigin in „Titus Andronicus“ ihre eigenen Kinder essen musste.
    Solomon Psaltery wird dazu gebracht wie Othello seine Frau aus Eifersucht umzubringen, eine lebenslängliche Haftstrafe scheint für Lionheart einem Todesurteil gleichzukommen.
    Schliesslich plant er auch Devlin den Garaus zu machen, in dem er ihn nach dem Vorbild von „König Lear“ blendet, um sich selber den Kritikerpreis zu verleihen. Dabei steckt er jedoch das morsche Theatergebäude auf welchem die Preisverleihung stattfindet in Brabd und stirbt in den Flammen.

    Wie gesagt war „Theatre of Blood“ der erklärte Lieblingsfilm von Vincent Price. Warum ausgerechnet dieses Werk kann man sich fragen, ist es wirklich herausragender als anderes in dem Price mitgespielt hat? Es ist ja nicht zu übersehen das der Streifen erhebliche handwerkliche Schwächen hat, so ist die musikalische Untermalung ja nun eher zeitbedingt-beschwingt, jedoch für heutige Ohren eher nervig, generell ist der Film von Hickox eher holperig inszeniert, natürlich sind die schauspielerischen Leistungen hervorragend, und man merkt wie genial Shakespeares Texte eigentlich waren wenn sie in einen anderen Kontext gesetzt werden. Aber ansonsten ein Film den man für seine schwarzhumorige Grundidee schätzen kann, aber sicher nicht als zeitloses Meisterwerk.
    Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang eventuell das Price zur selben Zeit zweimal die Rolle des Dr. Phibes spielte, ebenfalls eine sehr rachsüchtige Figur, diesmal geht es nicht um schlechte Theaterkritiken, sondern viel mehr um einen ärztlichen Kunstfehler. Dies nur am Rande, denn es hat denke ich nichts mit Price´ Wertschätzung für „Theatre of Blood“ zu tun.
    Vielmehr dürfte ihn denke ich das Thema gereizt haben: Jeder Künstler, gleich ob Schauspieler, Musiker, Filmemacher, Schriftsteller oder Maler dürfte sich mindestens einmal im Leben über negative Kritiken geärgert haben und daraufhin den Wunsch verspürt haben sich an eben seinen Kritikern zu rächen. Gerade Vincent Price, bei dem vieles aus seiner Karriere eher unter B-Movie laufen dürfte wird sicher oft durch Rezensionen gekränkt worden sein, und das als jemand der eigentlich von Haus aus ein Charakterdarsteller der grossen Bühnen ist. So ein Film dürfte also ein Geschenk sein, denn er befriedigt den Wunsch diverse Kränkungen auszutreiben, bietet ausserdem tiefschwarzen englischen Humor, trotz allem kann man es noch an Hommage an Shakespeare interpretieren, so das über die diversen Schwächen gerne hinweggesehen werden kann.

    Die finale Frage ist nur: Begebe ich mich ebenfalls in Gefahr wenn ich diesen Text verfasse, der ja auch so etwas wie eine Rezension/Kritik ist? Wird sich Vincent Price eventuell aus seinem Grabe erheben um mich seine Rache spüren zu lassen?

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    Man hatte uns als Kindern das Ende der Welt versprochen, und dann bekamen wir es nicht.
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    blitzkrieg-bettina

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    Goya – oder Der arge Weg der Erkenntnis, 1971, Konrad Wolf

    Konrad Wolf gilt im allgemeinen als der bedeutendste Regisseur der DDR. Besonders „Ich war 19“ von 1968 gilt bis heute als Klassiker des Antikriegsfilms. Aber auch „Der geteilte Himmel“ oder „Solo Sunny“, welche den Alltag der Ostdeutschen ungeschönt einzufangen versuchen, zählen zu seinem Werk.
    1971 ging er das Wagnis ein Lion Feuchtwangers Roman „Goya oder Der arge Weg der Erkenntnis“ auf Leinwand zu bringen, mit einem Jahr Vorbereitungszeit und 3000 Kostümen, es dürfte sich wohl um den aufwendigsten Film handeln der je im Arbeiter – und Bauernstaat gedreht wurde.
    „Goya“ zeichnet das Leben des spanischen Malers Francisco de Goya (1746-1828) nach, von seinem ersten Erfolgen in Madrid über die Berufung als Hofmaler bis zum Verlust der Hörkraft und dem (unter anderem) damit einhergehenden Gewinn seiner Bilder an Abgründigkeit und Tiefe.
    Wolf schaffte es meisterhaft zur künstlerischen Entwicklung von Goya eine filmische Entsprechung zu finden, die Filmbilder sind am Anfang bunt und opulent und werden mit der Zeit immer düsterer.
    Besonders gelungen sind die Szenen in denen Goya vor ein Inquisitionsgericht gestellt wird (wegen seinem Gemälde „Die nackte Maja“), sowie das Wiedersehen des bereits völlig tauben Francisco mit seiner Mutter, die ihn fragt ob die Dämonen die er zeichnet seine Dämonen wären.
    Auch die spanische Königsfamilie um Karl IV. wurde kongenial in Szene gesetzt, ganz wie Goya dieselbige auf seinem bekannten Gemälde darstellte. Rolf Hoppe stellt den spanischen König so dümmlich dar wie es geschichtlich überliefert ist.
    Konrad Wolf war ja alles andere als ein Künstler welcher bei den Mächtigen aneckte, er wurde ja mit Preisen überhäuft, sowohl in der DDR wie auch im sozialistischen Ausland. Er war ja auch, nach allem was man weiss ziemlich mit der Staatsführung einverstanden, trotzdem wird er sich die Individualität bewahrt haben die einem Künstler nun mal zu eigen ist. Und so bewegen sich ja auch viele seiner Filme zwischen dem Blick auf die einfachen Leute, welchen man durchaus aus seinen sozialistischen Ansichten erklären kann, und einer schonungslosen Darstellung des DDR-Alltags, er stellte ja gerne Aussenseiter da, welche sich nicht in die sozialistische Gesellschaft integrieren lassen wollten, sein Film „Sonnensucher“ wurde ja dementsprechend auch 14 Jahre lang nicht gezeigt.
    Und so dürfte uns der Film „Goya – oder der arge Weg der Erkenntnis“ noch heute so bewegen gerade weil man Wolfs Interesse am Thema spürt, man kann davon ausgehen das er sich in der Person Francisco de Goya wieder finden konnte, auch er ein Künstler welcher ein offizieller Staatskünstler war, welcher seine humanistischen Überzeugungen hatte, er fühlte sich den Idealen der französischen Revolution verpflichtet, diente einem absolutistischem und unfähigem König, als Napoleon versuchte die von Goya hochgehaltenen Ideale in Spanien durchzusetzen endete dies in Blutbädern, auch Wolf wird aufgefallen sein das in dem von ihm verfochtenen Sozialismus vieles nicht ideal verlaufen ist, trotzdem fühlte er sich diesem Deutschland verpflichtet, wie Goya hatte er eine Form von Glauben an die Macht der Kunst.

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    #7847475  | PERMALINK

    blitzkrieg-bettina

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    Sexy Beast, 2000, Jonathan Glazer

    Ben Kingsley gehört zur Standardbesetzung wenn es darum geht historische Persönlichkeiten wie Ghandi, Lenin oder Moses darzustellen, seine eigene ethnische Herkunft (teils indisch-kenianischer, teils russisch-jüdischer Abstammung) sowie seine Herkunft von der Royal Shakespeare Company machten ihn prädestiniert dafür Persönlichkeiten aus verschiedensten Geschichtsepochen Leben einzuhauchen.
    Was ihn nicht davon abhielt in eher fragwürdigen Streifen wie „Good Vibrations“ oder „Blood Rayne“ mitzuwirken.
    Im Jahre 2000 wirkte er nun in „Sexy Beast“ mit, einem Gangsterfilm des Werbefilmers Jonathan Glazer.
    „Sexy Beast“ handelt vom Gangster Gal (Harry Winstone) welcher sich unter der Sonne Spaniens vom anstrengenden Gangsterleben zur Ruhe gesetzt hat, mit Pool, Model-Ehefrau und allem. Da taucht unverhofft sein alter Kollege Don Logan (Kingsley) auf, und macht ihm ein Angebot welches er nicht ablehnen kann: Er soll bei einem Einbruch in der alten Heimat London helfen, da seine Fertigkeiten als Safe-Knacker benötigt werden. Als Gal sich weigert beginnt ein Psycho-Duell zwischen ihm und Don, welches sich über den halben Film zieht, und in dessen Verlauf Don stirbt.
    Trotzdem macht Gal bei dem Bruch mit, welcher erfolgreich ist und kehrt schliesslich zurück nach Spanien, ohnen das jemand in London Logans Tod bemerkte.
    Was sich hier relativ schlicht liest ist ein einziger Parcourt-Ritt, zum einen durch Bilder welche sowohl die brütende Sonne Spaniens als auch das verregnete London für den Zuschauer spürbar einfangen, als auch durch die schauspielerische Klasse von Winstone und Kingsley, es ist einfach eine Freude Kingsley dabei zuzusehen wie er gegen sein Image anspielt saubere und moralische integre Charaktere zu spielen, sondern im Gegenteil einen Komplett-Proll zu geben. Auch steigert sich der Film von mal zu mal ins absurde, so denkt man am Anfang Logan wäre so etwas wie ein Vorgesetzter von Gal, bis man in London merkt das er noch mehrere Leute über sich hat. „Sexy Beast“ ist alles andere als ein klassischer Gangster-Film sondern eher ein Versuch ein Genre auseinander zunehmen, das Ergebnis mag man je nach Sichtweise konfus oder faszinierend finden.

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    blitzkrieg-bettina

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    So, habe einfach mal Lust diesen Uralt-Thread nach oben zu holen – bin mal gespannt ob es jemanden interessiert, wenn ihr nichts schreibt ist es allerdings auch nicht weiter tragisch. Zu „Ken Park“ gab es ja von mir im anderen Thread eine Neusicht/Neubewertung, ansonsten haben die hier besprochenen Filme in meinem cineastischen Universum keine sonderlich große Rolle gespielt, bei anderen Foris ja anscheinend auch nicht. Von daher stehen meine Texte wohl etwas ausserhalb des Diskurses der hier normalerweise über Filme stattfindet – aber das muss ja nichts negatives sein.

    Also dann, here we go:

    Alexis Sorbas (Zorba The Greek), 1964, Michael Cacoyannis

    Okay, nicht wirklich etwas fürs Hinterzimmer, da nicht direkt unbekannt, obskur oder sonst etwas was ihn für diesen Thread prädestinieren würde. Trotzdem ist es mir ein ganz persönliches Anliegen ausgerechnet diesen Film hier zu präsentieren.
    Wie also kann man über Cacoyannis‘ wohl bekanntestes und populärstes Werk sagen, über die Geschichte von Basil, dem halbbritischen-halbgriechischen Schriftsteller, der ein Braunkohlewerk auf Kreta erbt, und dort mit der urwüchsigen, griechischen Lebensart konfrontiert wird, manifestiert in Sorbas, Anthony Quinns Rolle seines Lebens?
    Nun, wie bei wohl jedem Kunstwerk kann man auch hier mehrere Ansätze haben:
    Zum einen gibt es natürlich die Sichtweise dass es sich bei „Zorba“ um reinen Exotismus handelt, darum dass das Klischee des faulen, aber feierfreudigen Südländers bedient wird, und sogar für diesen Film noch ganz neue Griechenland-Klischees wie der Tanz „Sirtaki“ kreiert wurden. Wenn man sehr weit geht könnte man sogar Antiintellektualismus unterstellen, (der Gegensatz Basil/Sorbas), aber wir wollen mal nicht übertreiben…
    Mich persönlich berührt einfach das Archaische, Urwüchsige an diesem Streifen, die Klarheit, der Humor, das Philosophische und die Lebensfreude. Mag sein das Quinns Perfomance etwas zu sehr ins Kraftmeierische geht, aber schadet dass dem Film? Es fügt sich doch – wenn man das Ganze als Gesamtwerk betrachtet – sehr gut zu anderen Szenen – so den Quasi-Ehrenmord-Sequenzen um die junge Witwe, die so einfach gehalten sind dass sie auch für einen nichtgriechischsprachigen Menschen ohne Untertitelung oder Synchronisation verständlich sind. Also keine Einfachheit als Kampfansage an die moderne Welt, sondern vielmehr als Mittel um Dinge auf den Punkt zu bringen, seien es Positive oder Negative. (Habe mich mit dem literarischen Schaffen von Nikos Kazantzakis zu wenig beschäftigt um alles richtig einordnen zu können, aber Cacoyannis hat sich wohl – siehe „Elektra“ – etwas eingehender mit klassischem Komödienstoff beschäftigt, was wohl hier auch seinen Niederschlag findet.)

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    blitzkrieg-bettina

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    Somersault, 2004, Cate Shortland

    Gesetzt den Fall dieses wunderbare australische Drama ist noch nicht allgemein bekannt, hier einmal grob die Handlung:
    Die sechzehnjährige Heidi zieht nach einem Streit mit ihrer allein erziehenden Mutter von Zuhause aus und wirft sich in einem Kaff in New South Wales wahllos Männern an den Hals. Nachdem sie sich mit Joe angefreundet hat, der es etwas ernster mit ihr zu meinen scheint, fängt sie eine Tätigkeit in der örtlichen Tankstelle an. Sie findet keinen Anschluss an die Dorfbewohner und wird auch noch vom Stiefvater ihrer neuen Freundin/Arbeitskollegin bezichtigt ihn verführen zu wollen.
    Zu Joe fühlt sie sich körperlich hingezogen, er sich zu ihr seelisch. Nachdem sie ihren „leichten“ Lebensstil wieder aufnimmt, wird sie deswegen von Joe harsch kritisiert. Ihre Zimmerwirtin offenbart ihr ihr Geheimnis, nämlich dass ihr Sohn wegen Mordes im Gefängnis sitzt. Die Tatsache dass sie ihm trotzdem verzeiht, macht Heidi Hoffnung dass auch sie sich mit ihrer Mutter aussöhnen könnte. So geschieht es dann auch, und auch mit Joe bleibt Heidi weiterhin in Freundschaft verbunden.

    Was mich an dieser Geschichte so fasziniert? Nun, in erster Linie wohl die Umsetzung: Cate Shortland gelingt das Kunststück ihr Werk einerseits spröde, andererseits voll menschlicher Wärme zu zeichnen. Sicher gibt es bessere und origineller erzähltere Coming-Of-Age-Geschichten, Shortland und ihre Hauptdarstellerin Abbie Cornish vermögen es aber den Zuschauer in einer Mischung aus Distanz und Einfühlsamkeit zu bewegen, die Kameraarbeit von Robert Humphreys tut ihr übriges.

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    #7847481  | PERMALINK

    blitzkrieg-bettina

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    The Burger And The King, 1996, James Marsh

    Über Elvis Aaron Presley – den King of Rock and Roll – ist ja nun schon wirklich alles geschrieben und erforscht worden – seine Bedeutung für die Musikhistorie, seine Zeit bei der Army, sein Verhältnis zu seiner Mutter, zu Richard Nixon und zur schwarzen Musik, sein Beitrag zur amerikanischen Kultur und nicht zuletzt sein Hüftschwung – über all dies sind Aufsätze, Artikel, Bücher, Blogs und wissenschaftliche Abhandlungen ohne Ende verfasst worden.
    Falls jetzt gedacht wird dass es keinen weissen Fleck mehr im Wirken und Leben von Mr. Presley gibt, so ist dies ein Irrtum: Ein Themenfeld wurde noch nicht zerpflückt, analysiert, interpretiert und was man sonst so mit Themenfeldern macht, nämlich seine Essgewohnheiten!

    Hmm, was hat The Pelvis wohl zu sich genommen? Sein Drogenkonsum ist ja allgemein bekannt, aber sonst? War er eher ein versnobter Feinschmecker, der es sich bei seinen Besuchen im Weissen Haus hat munden lassen? Oder stand er mehr auf Südstaaten-Hausmannskost? Hat sich der Schmalztollenkönig mit seinem Freund James Brown regelmäßig auf eine kleinere oder größere Portion Soul Food verabredet?

    Nun, der britische Regisseur James Marsh hat es herausgefunden: In seiner mit feinem britischen Humor erzählten Dokumentation „The Burger And The King“ unternahm er eine Expedition an die Wurzeln der Nahrungszufuhr des größten Rock’n’Roll-Sängers, eine Doku die man auch als Reflektion über die Geschichte und Entwicklung amerikanischer Esskultur deuten kann.

    „The Burger…“ beginnt zur Zeit der Großen Depression, als die Presleys sich gezwungen sahen ihren Mittagstisch mit Selbsterlegtem wie Beutelratten und anderem Südstaatengetier zu bestreiten. Beim jungen Elvis hat sich dies derart ins Gedächtnis gebrannt, dass er als Erwachsener praktisch nur Fast Food zu sich nahm. Besonders seine Vorliebe für Cheeseburger war in seinem Umfeld legendär, es ging sogar das Gerücht dass er sein Leben lang den Umgang mit Messer und Gabel nie erlernte. Ein anderes Lieblingsgericht von Mr. Elvis – so nannte ihn seine Leib- und Magenköchin – war eine spezielle Erdnusspfanne nach altem Rezept, welches eben diese Köchin ihm zu jeder Tages- und Nachtzeit zubereiten musste.

    Marsh gelang mit „The Burger And The King“ ein gelungenes Bild auf eine weniger bekannte Seite des wohl bekanntesten Musiker des 20. Jahrhunderts – mich fesselte der Film schon bei der Erstsichtung, obwohl ich Elvis damals eher als zeitgeschichtliches Phänomen wahrnahm, weniger als einen Musiker der mich mal in irgendeiner Form interessieren könnte.

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    Man hatte uns als Kindern das Ende der Welt versprochen, und dann bekamen wir es nicht.
    #7847483  | PERMALINK

    fifteenjugglers
    war mit Benno Fürmann in Afghanistan

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    Blitzkrieg Bettina

    The Burger And The King, 1996, James Marsh

    Auch vor Jahren mal gesehen. Sehr skurriles Ding.

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    "Don't reach out for me," she said "Can't you see I'm drownin' too?"
    #7847485  | PERMALINK

    blitzkrieg-bettina

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    Dies ist ja auch der Thread für skurrile Dinger. Hier mal wieder etwas weniger abseitig:

    My Summer Of Love, 2004, Pawel Pawlikowski

    Mona und Tamsin. Zwei Mädchen die sich mitten im Sommer kennenlernen, sofort voneinander fasziniert sind und eine stürmische Liebe beginnen, die zum Ende des Sommers wieder abflaut. Wohl ein typischer Film bei dem man die Handlung in drei Sätzen zusammenfassen kann, und bei dem es darauf ankommt wie eben diese einfache Story ausgefüllt wird.

    Mal wieder eine Coming-Of-Age-Geschichte, diesmal eine lesbische Love-Story die im Norden Englands spielt. Auf eine Art ähnlich spröde wie „Somersault“, schafft es Regisseur Pawlikowski allerdings mehrere Ebenen in seinen Film zu bringen:

    Zum einen der Standesunterschied zwischen Mona und Tamsin, der sich auch in einer völlig unterschiedlichen Mentalität manifestiert.
    Zum anderen die unterschiedlichen Sichtweisen, die die beiden jungen Frauen auf ihre Affäre haben: Für die eine ein Spiel, sich mal mit einer Person aus einer anderen Gesellschaftsschicht einlassen, für die andere etwas Ernsthafteres.
    Des weiteren ein Spiel mit Identitäten, mit Lüge und Wahrheit (die angeblich an ihrer Magersucht verstorbene Schwester von Tamsin u.ä.).
    Zum letzten ist der Titel wohl auch eine Anspielung auf den originalen Summer of Love von 1967, und die Aufforderung dass jeder die Träume von damals für sich interpretieren sollte, seinen eigenen Sommer der Liebe haben sollte.

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    Man hatte uns als Kindern das Ende der Welt versprochen, und dann bekamen wir es nicht.
    #7847487  | PERMALINK

    blitzkrieg-bettina

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    The Rocky Horror Picture Show, 1975, Jim Sharman

    Kult – was für ein abgenudelter Begriff. Ursprünglich eine Bezeichnung für die Gesamtheit religiöser Handlungen, wanderte dass Wort irgendwann in den Bereich der Populär-Kultur ab, um von Fernsehserien über Comics bis zu Werken und Persönlichkeiten aus Film und Musik alles zu bezeichnen was in irgendeiner Form so etwas wie Strahlkraft verströmte, und sei es aus einer Skurrilität heraus. Irgendwann begann eine Inflantion des Begriffes, und in den Neunziger Jahren wurde jede x-beliebige Boygroup mit dem Begriff „Kultband“ belegt. Ob man das Wort mit K heute noch unbefangen verwenden kann, ohne dass es lächerlich, altbacken oder unoriginell wirkt? Nun, gibt es den ein cineastisches Werk auf das der Begriff „Kult-Film“ zutrifft wie auf kein zweites?

    Nun, ich könnte jetzt Name-Dropping betreiben, aber ich denke es reicht wenn wir uns der „Rocky Horror Picture Show“ zuwenden, diesem legendären Streifen von 1975, vom sonst eher unbekannten Australier Jim Sharman. Anfangs von der Kritik verrissen, entwickelte sich im Laufe der Zeit eine fast abgöttische Verehrung des Werkes, eine Entwicklung die ich gerne etwas näher untersuchen würde.

    Auf den ersten Blick ist die R.H.P.S. eine Parodie auf die Science-Fiction-Filme der Fünfziger Jahre, wie sie auch im Vorspann erwähnt werden. Aber das allein erklärt natürlich nicht den Status, den dieses Werk hat. Es ist wohl die Kombination aus Gegenüberstellung von Bigotterie und Exzentrik, der unter- und oberschwelligen Homoerotik, dem trashigen Charme und dem (wohl absolut ernstgemeinten) Plädoyer für Selbstverwirklichung und Offenheit. Ich durfte dem Film vor nicht allzulanger Zeit mit dem User Zappa1 in einem Münchner Kino beiwohnen. Wir beide waren sehr positiv überrascht wie dieser 40 Jahre alte Film auch von einem jungen Publikum begeistert aufgenommen wurde. Neben den oben erwähnten Punkten die ihn zum besonderen Kinoereignis machen, muss man bei diesem Filme natürlich noch dass Gemeinschaftserlebnis dazu zählen, die zum Ritual gewordene Aufzählung von „Booooring“, „Asshole“ und so weiter…Und das über mehrere Generationen!

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    Man hatte uns als Kindern das Ende der Welt versprochen, und dann bekamen wir es nicht.
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