Albert Ayler

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    icculus66

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    gypsy tail windVon ESP selbst? Das macht neugierig!
    Wie ist die Qualität?

    Ich brauch bald mal die neue hatOLOGY CD!

    Kaufbefehl!

    --

    Free Jazz doesn't seem to care about getting paid, it sounds like truth. (Henry Rollins, Jan. 2013)
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      #7834179  | PERMALINK

      gypsy-tail-wind
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      icculus66Kaufbefehl!

      Doppelter wohl, und von höheren Wesen :-)

      Hast Du die Hat-CD schon?

      --

      "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #150: Neuheiten 2023/24 – 12.3., 22:00; #151: Neuheiten aus dem Archiv – 09.04., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
      #7834181  | PERMALINK

      icculus66

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      gypsy tail windDoppelter wohl, und von höheren Wesen :-)

      Hast Du die Hat-CD schon?

      Ja!
      http://news.espdisk.com/archives/1108

      Nein.

      --

      Free Jazz doesn't seem to care about getting paid, it sounds like truth. (Henry Rollins, Jan. 2013)
      #7834183  | PERMALINK

      gypsy-tail-wind
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      In Saint-Paul-de-Vence Albert Ayler seemed happy, radiant. Even if, from time to time, one couldd notice a slight melancholy in his eyes, probably due to the intensely poetic dimension of his inner universe. It was, however, optimism, enthusiam, and spontaneous laughter that prevailed. At the Foundation, he visidted the temporary exhibition devoted to contemporary American artists, and the permanent collection, which featured works by Miró, Matisse, Picasso, Chagall. He showed us a painting facsimile he had just bought. He was especially fond of the Chagall paintings, and one in particular, in which a violinist floats above a colored donkey.

      ~ Daniel Caux: Apparitions of Albert the Great in Paris and Saint-Paul-de-Vence, Liner Notes zu: Albert Ayler, „Holy Ghost: Rare & Unissued Recordings (1962-70), Revenant, ca. 2004, S. 103.

      1970 war für Ayler kein einfaches Jahr. Der Zustand seines Bruders Donald verschlechterte sich, Impulse hatte ihn rausgeworfen, weil seine Crossover-Alben sich nicht gut verkauften. Im Sommer fand in Frankreich dennoch eins der wichtigsten und tollsten Kapitel seiner Karriere statt: am 25. und 27. Juli trat Ayler in Saint-Paul-de-Vence am Festival auf, das der Kunsthändler Aimé Maegth in seiner Fondation Maeght ausrichtete.

      Daniel Caux, ein der Fluxus-Bewegung nahe stehender Maler, der auch für Jazz Hot und Combat schrieb, war einer der ersten Förderer des New Thing in Frankreich. Er wurde Musik-Redaktor von Chroniques de l’Art Vivant, einem Magazin, das Maeght gegründet hatte, und rutschte auch in die Konzert-Versanstaltung herein. Maeght schlug vor, Caux solle ein paar seiner New Thing-Heroen in Saint-Paul-de-Vence präsentieren – zuvor waren dort etwa Duke Ellington, Merce Cunningham, Cornelius Cardew oder John Cage aufgetreten. Caux gründete mit Hilfe Chantal Darcys, einer Freunding Maeghts, ein Label, um die Musik zu dokumentieren – er nannte es nach der Patronne „Shandar“ (CHANtal DARcy). Caux hatte Ayler im November 1966 erlebt und war fasziniert von dessen Musik, wie er in seinem Text fürs Buch der „Holy Ghost“-Box berichtet:

      The first set by the Ayler brothers caused a huge fight in the audience and raised a group of scandalized detractors against a small number of admmirers. The music, however, managed to overcome the shouts and boos in a magnificient way. By 2:00 in the morning, at the end of the second concert, only a handful of hardcore fans remained to listen to the Ayler brothers.

      ~ Daniel Caux: Apparitions of Albert the Great in Paris and Saint-Paul-de-Vence, Liner Notes zu: Albert Ayler, „Holy Ghost: Rare & Unissued Recordings (1962-70), Revenant, ca. 2004, S. 100.

      Albert Ayler stand unter grossem Druck – seine Eltern machten ihn für die Verschlechterung des Zustandes von Bruder Donald verantwortlich, sein Label hatte ihn eben fallengelassen, er trat kaum mehr auf. Die Konzerte waren jedoch enorm erfolgreich, das Publikum setzte sich aus den treuen Fans des freien Jazz aber auch aus der avantgardistischen und revolutionären Kunstszene zusammen.

      Die Musik der Konzerte ist intensiv, die veröffentlichten Aufnahmen sind die besten der letzten drei, vier Lebenjahre Aylers – eine Summe seines Schaffens, ein letzter Blick auf seine künstlerischen Visionen. Für die Shandar-LPs hat Caux sich vor allem auf diejenigen Stücke konzentriert, die ohne Mary Parks Gesang auskamen. Die Konzerte wurden auch gefilmt. Ben Young zitiert dazu Mary Parks:

      Ayler had a difficult choice to make: He had been offered the chance to take part during the same days in an Antibes festival billl headlined by Aretha Franklin. „Oh, Albert wanted to appear with Aretha Franklin,“ reports Parks, who took a pragmatic view. „It was I who said, ‚No, I want to be on television. We’ll be on television–on film–forever.‘ I persuaded him to go to the Foundation.“

      ~ The Sessions, Liner Notes zu: Albert Ayler, „Holy Ghost: Rare & Unissued Recordings (1962-70), Revenant, ca. 2004, S. 163f.

      Ein paar Tage nach Ayler war Cecil Taylor mit seiner Unit (Jimmy Lyons, Sam Rivers, Andrew Cyrille) zu hören – ebenfalls auf Shandar dokumentiert (Shandar SR 83.507, SR 83.508, SR 83.509, später auch auf Prestige als „The Great Concert of Cecil Taylor“ und auf diversen anderen Labeln). Es traten auch Sun Ra, Steve Reich, Philip Glass und La Monte Young in Saint-Paul-de-Vence auf.

      Ayler hatte sich vorgenommen, kein neues Material zu präsentieren – weil er ahnte, dass er für die LPs nie angemessen entschädigt werden würde. Bassist Steve Tintweiss (von Ben Young zitiert):

      „There was a conscious decision on Albert’s part,“ recalls bassist Steve Tintweiss. „He had actually told us in the band that he was only going to perform material that had already been released and published, because he pretty much knew he was going to get ripped off, improperly paid, cheated on royalties. (And he was right. We never did get paidd for the major albums that were released.) Albert realized that and made a practical decision to no play some of the newer pieces that he was working on.“

      ~ The Sessions, Liner Notes zu: Albert Ayler, „Holy Ghost: Rare & Unissued Recordings (1962-70), Revenant, ca. 2004, S. 164.

      :: . :: . ::

      Die Shandar-Aufnahmen werden heute dem 27. Juli zugeschrieben. Das erste Konzert vom 25. Juli erschien auf einem Bootleg von BluJazz und markierte 2005 den Auftakt des Revivals von ESP-Disk‘: Albert Ayler Live on the Riviera (ESP 4001). Hier ist die Band ein Quartett: Albert Ayler (ts,ss,musette,voc), Steve Tintweiss (b), Allen Blairman (d) und Mary Maria (voc,ss). Mary Maria ist ziemlich präsent, schon im öffnenden „Music Is the Healing Force of the Universe“ ist sie mit langen Rezitationen zu hören.

      Steve Tintweiss schrieb im Dezember 2002 einen Text, der als Liner Notes der ESP-CD Verwendung fand. Darin berichtet er über das Konzert vom 25. Juli 1970. Die Band sie in grösster Eile durch angekommen, es hätte gerade noch für eine dreiminütige Besprechung unter einem Baum hinter der Bühne gereicht: „‚You just start with the bow, then I’ll come in and we’ll go from there‘, instructed the leader to Allen Blairman and myself.“

      Die Stücke sind grossartig, intensiv, frei. Parks stört leider immer mal wieder, egal ob mit ihren Rezitationen oder mit Geheul, das wohl einen Versuch darstellen soll, Abbey Lincoln oder Jeanne Lee zu imitieren… egal, Aylers Tenor klingt wunderschön, seine Linien sind oft etwas getragener als üblich, die Schattierung der Musik hat etwas leicht Düsteres, Tintweiss und Blairman begleiten aufmerksam und durchaus abwechslungsreich, auch wenn sie nicht ganz mit den grossen Begleitern aus Aylers früheren Jahren mithalten können. Dennoch: eine Trio-Scheibe ohne Parks wäre bestimmt toll geworden! In den besten Momenten ist die Musik von unglaublicher Intensität und grösster Dichte. Dazu gehört auch Aylers Sopransax-Spiel auf „Masonic Inborn“ (das wird, glaube ich, manchmal Parks zugeschrieben – undenkbar!)

      :: . :: . ::

      Ayler hatte am 25. Juli einen weissen, orientalischen Anzug getragen, dazu einen Sombrero. Am 27. Juli trat er im Stierkämpfer-Aufzug an. Call Cobbs war anscheinend aufgehalten worden und fehlte daher am 25., aber für die von Shandar dokumentierten Aufnahmen war er dabei. Zwischen ihm und Ayler verlaufen enge musikalische Bande, die Musik ist noch besser, viel dichter, allerdings bleibt für Tintweiss und Blairman weniger Raum, oft wirken sie etwas… na ja, Blairman scheppert einfach dahin, während Tintmans Läufe sich viel weniger eng mit Aylers Spiel verzahnen. Dieser ist in bestechender Form. Sein Spiel erdig, bluesig, sein Ton körnig und warm. Noch immer hat die Musik manchmal einen düsteren Anstrich, aber Cobbs‘ Vaudeville-Piano bringt eine ganz neue Farbe in die Gruppe und da ist auch viel Freude zu spüren. Manchmal wird mit einfachsten Mitteln unglaublich effektive Musik gemacht, aber oftmals ist das eine vermeintliche Einfachheit. In „Holy Family“ etwa rockt Ayler über einen recht steifen Beat ab, das Stück fällt etwas aus dem Rahmen, aber verglichen mit den R&B-Experimenten der Impulse-Aufnahmen ist es doch Klasse! Wirklich gross sind aber die hymnischen Momente in verschiedenen Stücken oder das wunderschöne „Spirits Rejoice“. Caux wählte je vier Stücke aus für die beiden Shandar-LPs Nuits de la Fondation Maeght Volume 1 (SR 10.000) und Nuits de la Fondation Maeght Volume 2 (SR 10.004), es sind einige recht krasse Edits zwischen den Stücken zu erkennen, aber anscheinend sind keine umfassenderen Ton-Dokumente im Umlauf (ich habe auch keine Ahnung, ob die Film-Aufnahmen irgendwo vorliegen, habe jedenfalls noch nichts davon gesehen, es sei denn in dieser schwedischen TV-Produktion sei davon etwas zu sehen, die muss ich mir mal wieder anschauen! Hier ist die Website zum Film, es heisst da, DVDs seien bald erhältlich). Water hat 2002 eine CD mit beiden Alben vorgelegt, inklusive guter Liner Notes von David Keenan, der ausgiebig sich auf ein extra geführtes Gespräch mit Daniel Caux bezieht (man erfährt einiges, was auch in Caux‘ Text zur „Holy Ghost“-Box wieder steht).

      Typisch für den Stand der Musik Aylers im Jahr 1970 ist wohl der Opener „In Heart Only“ – elegisch, lyrisch, aber auch bluesig, gospelgetränkt. Ayler schwebt über den Dingen, singt mit seinem Horn, spricht Wahrheiten. Darunter legt Call Cobbs einen Teppich, während Blairman und Tintweiss herumfummeln und irgendwie nur noch Statisten sind. Das fünfminütige Ayler-Solo ist die kürzeste Nummer und es folgt mit dem viertelstündigen „Spirits“ sogleich der längste der acht Titel der Shandar-LPs. Ayler spielt ganz am unteren Ende seines Tenorsaxophons, während Call Cobbs einfache Motive wieder und wieder spielt, manchmal – wie David Keenan in seinen Liner Notes zur Water-CD beobachtet – an Nina Simone aus ihrer „I Wish I Knew How It Would Feel to Be Free“-Phase. Ayler steigert sich in ein unglaubliches Solo hinein, seine Linien schrauben sich ganz langsam in die höchste Lage des Tenors und ins Falsett vor, um dann wieder herunterzustürzen und zwischendurch ins Piano-Motiv einzubrechen, kurze Schreie auszustossen zwischen seinen Phrasen. Tintweiss und Blairman sorgen für durchaus angemessene Begleitung, auch wenn Blairmans Rhythmen manchmal schon etwas steif und monoton wirken (gibt’s den noch? Im „Holy Ghost“-Buch von 2004 steht, er lebe und arbeite noch immer in Heidelberg… nach Ayler hat er u.a. mit Karl Berger, Ml Waldron, Joe Haider oder Albert Mangelsdorff gespielt).
      In „Holy Family“ klöppelt Blairman erst einen leichten Beat, der rasch schwerer und ziemlich steif wird, während Tintweiss irgendwie das Tempo erst allmählich zu finden scheint und Cobbs grelle Piano-Akkorde hämmert. Ayler ficht das nicht an und er spielt mit unglaublichem, stellenweise kehligem Sound ein Solo, das einem steten Singsang gleicht, nirgendwohin zu gehen wollen scheint, aber eben doch so viel macht und bei aller scheinbaren Ziellosigkeit sehr viel zu sagen hat. Das ist eine Art Gospel-Funk, aber auf eine Art präsentiert, wie ich sie nur von Ayler kenne.
      Das erste Album endet mit „Spirits Rejoice“ und das Stück ist neben „In Heart Only“ das zweite absolute Highlight der Aufnahmen aus Saint-Paul-de-Vence. Cobbs spielt auf und abspringende Akkorde und Motive, Blairman vor allem Rolls, er und Tintweiss setzen oft aus, lassen Saxophon und Piano alleine. Die Musik ist hymnsich, getragen, ernst, aber auch voller Freude.
      Diese Stimmung prägt auch „Truth Is Marching In“, mit dem das zweite Album beginnt. Aylers Musik klingt hier beinahe jubilierend, jedenfalls optimistisch, fröhlich. Cobbs‘ Piano passt perfekt und als der Marsch-Rhythmus einsetzt und die Singsang-Linie beginnt passt auch Blairmans Getrommel perfekt, während Tintweiss hier wieder zeigt, dass er ein durchaus toller und zuhörender Begleiter sein konnte, wenn er den Raum dazu fand.
      Mit „Spiritual Reunion“ folgt eine wunderschöne Variation über „Ghosts“, quasi eine Rubato-Ballade, in der Cobbs Piano glockenhell perlt, während Tintweiss mit tollen Basslinien ein Fundament legt und Blairman ausschmückt, mal leicht mit den Becken, dann wieder schwer mit den Trommeln – ein dauerndes Auf und Ab, in dem auch ein wenig Raum für Cobbs bleibt, wenn Ayler sich in der Mitte und nochmal gegen Ende des Stückes zurückzieht.
      Den Abschluss der tollen Aufnahme bildet „Music Is the Healing Force of the Universe“, und hier schlägt Mary Marias Stunde. Sie singt ihre pseudo-religiösen Worte, während Ayler eine Art Haikus einstreut, kurze Kommentare und Phrasen, die Zeilen wie „we do not always need the pill / and its content“ einigermassen vergessen machen.
      Die Water-CD führt übrigens sowohl für Mary Maria und Ayler auch noch das Sopransaxophon auf, aber ich höre davon nirgendwo etwas.

      Im Ayler-Tree, der wohl irgendwann in den 90ern erstellt wurde und viele der später in „Holy Ghost“ zu findende Aufnahmen enthielt, sind vom 27. Juli zwei Tracks zu finden, die von einer französischen Radio-Sendung kommen: „A Man Is Like a Tree“, eine weitere Nummer mit tollen Lyrics von Parks („a man is like a tree / he grows from the sea“) sowie eine unvollständige Version von „Holy Family“ (ich weiss nicht, ob’s derselbe Take ist, der auf der zweiten Shandar-LP erschienen ist, jedenfalls dauert die Version nur 3:08 und bricht mittendrin ab).
      Ebenfalls zu hören ist das „Airport Tape“. Im 6:45 dauernden Fragment sind Ayler, Parks und unidentifizierte andere Personen zu hören, es ist auch die Rede vom anstehenden Auftritt in der „Ed Sullivan Show“. Es geht in der Aufnahme darum, dass Ayler und Co. anscheinend ihren Flug nicht bestätigt hatten (bzw. jemand – ich verstehe den Namen nicht, klingt so ähnlich wie Heidegger oder Heineken – vergass, ihre Reservationen zu bestätigen, der ihnen versprochen hatte, dies zu tun). Jedenfalls hören wir Mary Parks, Ayler und einen armen Schalterbeamten am Flughafen etwas herumstreiten… was dabei herauskam weiss ich nicht… aber zum Ed Sullivan-Auftritt kam es jedenfalls nicht mehr. Das Segment ist auch als Bonustrack am Ende von CD9 der „Holy Ghost“-Box zu finden, obwohl es im Booklet nicht erwähnt wird. Das Datum wird auf der Ayler-Website als 4. August 1970 angegeben, der Ort als Luxemburg (im Ayler Tree hiess es 27. Juli und Brüssel).

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      In der Holy Ghost-Box von Revenant findet sich auf CD7 ein fast vierzigminütiger Mitschnitt aus La Colle sur Loup, einem Dorf in der unmittelbaren Umgebung. Ayler spielte dort mit seiner Gruppe vermutlich am 28. Juli 1970. Parks ist vielleicht am Tambourin und als Klatscherin zu hören, das ist aber gemäss den Angaben im Buch zur „Holy Ghost“-Box unklar. Die vier gespielten Stücke sind „Mothers/Children“, ein unvollständiges unbekanntes Stück, ein unbekanntes Stück in C moll und zuletzt ein weiteres unbekanntes Stück in F moll und C moll. Diese Stücke scheinen überhaupt keine Fixpunkte zu haben, kein thematisches Material. Besonders im längsten zweiten Stück scheint Ayler hörbar Vergnügen daran zu finden, seine Soli von verschiedenen Ausgangspunkten anzugehen, mit unterschiedlichen Haltungen zu spielen. Ben Young schreibt:

      So we hear a grand summation of Ayler’s final stylistic period, juxtaposing within the same pieces the arpeggiating method he had been sharpenig since New Grass (Tinweiss: „This is the kind of stuff he was practicing all day long in the villa.“), and the altissimo dimension that’s harder to locate on records.

      ~ The Sessions, Liner Notes zu: Albert Ayler, „Holy Ghost: Rare & Unissued Recordings (1962-70), Revenant, ca. 2004, S. 165

      Die Musik ist toll, aber leider in recht schlechter Aufnahmequalität – klingt nach Amateuraufnahme, nicht nach Rundfunk-Mitschnitt. Cobbs öffnet das längste, zweite Stück solo am Piano, dann folgt ein ganz grober Edit und wir sind mitten in einer äusserst intensiven Nummer. Im kürzesten dritten Stück spielt Blairman einen zickigen Beat, über den Ayler seine ureigene Art von funky R&B-Tenor bläst.

      Die Aufnahmen aus Südfrankreich sind die letzten Zeugnisse von Ayler und sie zeigen ihn in guter Form und bei allen düsteren Untertönen und der manchmal etwas getragenen Stimmung ist das doch auch Musik, die äusserst stark ist, Musik voller Freude, Musik, die mitreisst, die swingt, die vom Gospel getränkt ist, bluesig, erdig, da sind auch die Kinderlied-Melodien, die Singsang-Stücke, mit denen Ayler bekannt wurde. Es verstummt damit eine unglaublich kraftvolle Stimme, deren Musik nicht bloss von Schmerz und Pein zeugt, sondern auch voller Freude ist.

      :: . :: . ::

      Auf CD8 und CD9 der Holy Ghost-Box sind verchiedene Interviews mit Albert Ayler zu hören. Zu Beginn stehen zwei kürzere Gespräche, die Birger Jorgensen 1964 und 1966 für Afterbean, eine dänische Radio-Sendung, gemacht hat. Dann folgt auf dem Rest von CD8 ein langes Gespräch, das Daniel Caux am 27. Juli in Sain-Paul-de-Vence mit Ayler geführt hat – das wohl bekannteste Dokument von Aylers Stimme, abgesehen von seiner kurzen gesprochenen Einleitung zum Album „My Name Is Albert Ayler“.
      Auf CD9 findet sich dann ein fast einstündiges Interview mit Kiyoshi Koyama vom Swing Journal, das am 25. Juli ebenfalls in Saint-Paul-de-Vence stattgefunden hat. Zum Ende ist ein viertelstündiges Interview mit Don und Mocqui Cherry zu hören, das Daniel Caux 1971 in Paris geführt hat.

      In der exakten Chronologie stimmt da allerdings etwas nicht, denn Caux schreibt im „Holy Ghost“-Buch (S. 102), dass er sein Interview mit Ayler am Nachmittag des 25. geführt habe, als Ayler in seinem Bungalow auf dem Sopransax übte.

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      Die bekannten Daten von 1970:

      poss. 1970 – Sirrah’s House, Cleveland (mit Jimmy Laners & Bobby Few)
      25. & 27. Juli 1970 – Konzerte in der Fondation Maeght, Saint-Paul-de-Vence
      28. Juli 1970 – Konzert im Village Vacances Tourisme, La Colle sur Loup
      8. August 1970 – Springfield, Mass. (mit Leroy Jenkins, Allen Blairman, Mary Maria)
      Spätsommer 1970 – möglicherweise einige Konzerte in Kanada

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      Steve Tintweiss endet seinen Text vom Dezember 2002 mit folgenden Impressionen:

      Albert Ayler vocals, silent bagpipes conjure real life gremlin, involuntary levitation, vocal duets, autograph hounds, network TV news, Andre Verdet dinners, a beautiful lover, Paris, salvation, and a full-length movie of us!

      Not even if we were to go „on Ed Sullivan“, or tour Japan, would the flight back be VIP. „Angels“, „Heart Love“, „Got To Work“, „Spirits“, „Holy Ghost“ – post concert sing „Summertime“ via Iceland. We did see the photos once. Back in New York. He was the best. Albert Ayler RIP.

      ~ Steve Tintweiss, December, 2002 Fresh Meadows Queens, New York City (Liner Notes von „Albert Ayler Live on the Riviera“, ESP-Disk‘ 4001, 2005)

      :: . :: . ::

      Dass zum 50. Geburtstag von Impulse in der 2-on-1-Serie auch eine Ayler-CD erschienen ist, dürfte mittlerweile hinlänglich bekannt sein. Die beiden gewählten Alben sind seltsamerweise „Love Cry“ und „The Last Album“. Ich habe mir bisher nicht die Mühe gemacht, die Remasterings von „Love Cry“ zu vergleichen, aber dasjenige Album, das sich zur Paarung mit dem bisher sehr schwierig zu findenden „The Last Album“ angeboten hätte, wäre natürlich „Music Is the Healing Force of the Universe“ gewesen, das während derselben Sessions entstand (mehr dazu hier). Zudem bedaure ich es sehr, dass die alte GRP-CD von „Love Cry“ durch eine neue Version abgelöst wurde, in der die tollen Bonustracks fehlen (mehr zu Love Cry).
      Schön ist allerdings die Wiedergabe der Originalen Foldout-Cover im CD-Booklet, die Qualität ist knapp gut genug, dass man die Texte auch lesen kann.

      :: . :: . ::

      Auf der Ayler-Website findet sich übrigens inzwischen das vollständige Interview, das Nat Hentoff 1966 mit Albert und Donald Ayler geführt hat (die zuvor dort zu lesende Version war vermutlich eine gekürzte, nach Aylers Tod gedruckte Fassung):
      http://www.ayler.co.uk/html/hentoff66.html

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      gypsy-tail-wind
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      Zum Abschluss noch ein paar Links:

      Albert Ayler 1934-70 (Archie Shepp, [I]The New York Times, December 20, 1970)
      Obituary: Mr Albert Ayler, Avant-garde jazz musician ([I]The Times, December 5th, 1970)
      La Bataille d’Ayler n’est pas finie (Philippe Carles, [I]Jazz Magazine, No. 185, January 1971)
      Perspectives: The Death of Albert Ayler ([I]Rolling Stone, January 7, 1971, p. 25)

      L’Enfer d’Ayler (Val Wilmer & Christian Gauffre, [I]Jazz Magazine, December 1980, p. 22-29)
      Steve Lacy (1996)

      Im oben erwähnten Dok-Film gibt es übrigens eine berührende Szene, in der der gerade verstorbene Vater Edward in Cleveland das Grab von Ayler sucht.

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      gypsy-tail-wind
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      Ein kleines Update (Dank an redbeans!) – auf der Ayler-Seite sind diverse neue Artikel aus der Presse Clevelands zu finden. Derzeit finden sie sich auf der What’s New-Seite, sie wandern später dann ins Archive und sind auch jetzt schon ebenfalls in der -Seite aufgeführt.

      gypsy tail windIm April wurde Ayler im La Cave in Cleveland mitgeschnitten. Diese Aufnahmen bilden gewissermassen Herzstück der „Holy Ghost“ Box. Auf zwei CDs finden sich jeweils zwei Sets vom 16. und 17. April 1966 mit Don Ayler (t), Michel Samson (v), Mutawef Shaheed (damals Claude Shy) (b) und Ronald Shannon Jackson (d). Am zweiten Abend stösst Frank Wright (ts) fürs zweite Set zur Band. […]

      Zu den in der „Holy Ghost“-Box zu findenden Aufnahmen aus dem La Cave gibt’s dieses Foto (The Plain Dealer, 12. April 1966, p. 27):

      * * *

      gypsy tail windAm 4. Februar spielte die Band von Ayler in Cleveland – in einer riesigen Halle vor nur hundert Leuten und mit einer etwas anderen Band als geplant (Samson, den Ayler im Frühling 1966 in Cleveland kennengelernt hatte, war nicht dabei): William Folwell und Clyde Shy (b), Beaver Harris (d), Call Cobbs Jr. (cembalo). Shy hatte schon im April 1966 im Cave mit der Ayler-Band gespielt.
      Jon Goldman schrieb darüber einen Bericht, der Mai-Nummer von Coda veröffentlicht wurde (hier nachzulesen).

      Zu den Konzerten vom Februar 1967 in Cleveland findet sich hier ein längerer Artikel, der ein paar Tage vorher, am 27. Januar 1967 (p. 3), ebenfalls in The Plain Dealer erschienen ist:
      http://www.ayler.co.uk/assets/images/cpl27jan67.jpg

      * * *

      gypsy tail windIm November ging Ayler mit seiner Band auf eine kurze Europa-Tournee […]

      Berlin, 3. November (Holy Ghost)

      Laut Young (S. 154, ebenda) war das Publikum in Berlin das grösste, vor dem Ayler bis anhin gespielt hatte. Das Ergebnis ist ein sehr starkes, äusserst dichtes und konzentriertes Set – leider nur ca. 27 Minuten kurz. Don Ayler hielt seinen Beitrag zu diesem Konzert für einen der Höhepunkte seiner Karriere.
      Die Musik ist wunderbar, Gruppenmusik, ein steter Fluss an Ideen und Klängen, die Geige und Folwells zeitenweise gestrichener Bass liefern grossartige Texturen, über die Don sich erhebt und durch die Albert streckenweise durchbricht mit seinem ungezähmten Tenorsax… auf „Omega“ klingt die Band wie eine Mischung aus Renaissance-Truppe und bergamaskischem Folk-Jazz im Stile Trovesis, Dons Trompete tänzelt, im Unisono mit Alberts Tenor, die Geige flirrt, Folwell spielt eine Art Kontrapunkt, wieder am gestrichenen Bass… und Harris schaut hie und da mit Marsch-Rhythmen vorbei.
      Die Setlist: Ghosts, Bells, Truth Is Marching In, Omega, Our Prayer.

      […]

      Stockholm, 10. November (Ayler Tree)

      In Schweden schnitt das Fernsehen Aylers Auftritt mit: Truth Is Marching In, Omega Is the Alpha und Our Prayer standen auf dem Programm. Ayler ist wunderbar, wie er im Singsang das Thema des ersten Stückes präsentiert. Leider lässt die Qualität ein wenig zu wünschen übrig, besonders Folwell geht (wie schon auf der Berliner Aufnahme) etwas unter.

      […]

      Kopenhagen, 11. November (Ayler Tree)

      Aus Kopenhagen existiert ein Radio-Mitschnitt in etwas schlechterer Qualität aber mit ziemlich viel Bass im Mix. Nach einem Intro (Ayler habe Angst, „he doesn’t look sharp enough“, weil sein Gepäck beim Flug nach Kopenhagen verlorgen gegangen sei) folgen: Truth Is Marching In, Holy Ghost/unknown title/Light in Darkness, Our Prayer, sowie ein unbekanntes und leider unvollständiges Stück.
      Die Band wirkt lebendig und vor allem Harris reagiert auf jedes musikalische Ereignis. Das Medley mit dem unbekannten Stück in der Mitte und dem neuen „Light in Darkness“ (es wurde auch in Paris gespielt und dann im Februar 1967 für Impulse im Village Theater offiziell aufgenommen) ist grossartig! Ein Schwanken, ein Kommen und Gehen von Stimmen und Tönen, Folwells gestrichener Bass trägt sehr viel bei.

      Die Konzerte aus Berlin und Stockholm liegen seit ein paar Wochen auf der zweiten Ayler-CD von Hat Hut Records vor:

      Ich habe oben den Abschnitt über das Kopenhagener Set auch dringelassen, weil ich mich über die Hat-CD nur in Massen freue. Das Set aus Berlin ist bereits erschienen, jenes aus Kopenhagen bleibt offiziell unveröffentlicht. Der Sound wäre wohl kein Problem gewesen, falls man noch irgendwelche Bänder aus dem Archiv des dänischen Rundfunkes hätte auftreiben können… aber auch sonst, die Musik ist toll genug, um sie auch in mittelprächtiger Qualität herauszugeben.
      Die neue Hat-CD enthält Liner Notes von John Litweiler, die schon auf Oktober 2004 datiert sind… es findet sich im Innern allerdings auch der Hinweis auf die kommende Neuauflage von „Lörrach, Paris 1966“ (hatOLOGY 703, Reissue von hatOLOGY 573, 2002 erschienen).

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      #7834189  | PERMALINK

      bullschuetz

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      Bin durch diesen Thread auf „New Grass“ gestoßen, hab’s gekauft und bin begeistert von diesem exaltierten, leicht irren Jazzgospelsoul-Hybriden (den enthemmt torkeligen Proberaum-Spirit auf Thank god for women finde ich allerdings noch unwiderstehlicher, charmanter und durchgeknallter). Ich kannte bis dato nur Spiritual Unity. Faszinierendes Kontrastprogramm …

      Frage an die Experten: Gibt es in Aylers Katalog mit „New Grass“ Vergleichbares, an „New Grass“ konzeptionell Anschließendes? Empfehlungen?

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      #7834191  | PERMALINK

      Anonym
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      bullschuetz
      Frage an die Experten: Gibt es in Aylers Katalog mit „New Grass“ Vergleichbares, an „New Grass“ konzeptionell Anschließendes? Empfehlungen?

      Zum Glück nicht. „New Grass“ ist das Schwarze Schaf im Ayler-Katalog. Alles an und auf der Platte ist Fake: das schönfärbende Spoken Word Intro von Ayler, die Chöre, die billigen R&B-Arrangements. Das war nicht Albert Ayler, das waren irgendwelche zynischen Produzenten, die Aylers eigentliche Musik nicht vermarkten konnten. Und dass Ayler auch noch singen und einen auf Soul-Crooner machen musste, ist die klassische Hampelmannmütze.
      Ein tragisches Album, mit nur winzig kleinen Funken Ayler’scher Grandezza (2-3 Soli). Wundert mich doch sehr, dass dir das Album zu gefallen scheint.

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      #7834193  | PERMALINK

      bullschuetz

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      pinchZum Glück nicht. „New Grass“ ist das Schwarze Schaf im Ayler-Katalog. Alles an und auf der Platte ist Fake: das schönfärbende Spoken Word Intro von Ayler, die Chöre, die billigen R&B-Arrangements. Das war nicht Albert Ayler, das waren irgendwelche zynischen Produzenten, die Aylers eigentliche Musik nicht vermarkten konnten. Und dass Ayler auch noch singen und einen auf Soul-Crooner machen musste, ist die klassische Hampelmannmütze.
      Ein tragisches Album, mit nur winzig kleinen Funken Ayler’scher Grandezza (2-3 Soli). Wundert mich doch sehr, dass dir das Album zu gefallen scheint.

      Doch, ich bleibe sehr dabei, dass mich das Album fasziniert. Ich behaupte sogar, dass selbst in Spiritual Unity melodiöse Momente drin sind, die gar nicht so sehr weit entfernt sind von NG.

      Gleichzeitig kann ich Deine Kritikpunkte teilweise absolut nachvollziehen (wenngleich ich mich viel weniger daran zu stören scheine) – in der Tat sind die R&B-Arrangements bisweilen fast Realsatire in ihrer klischeehaften Billigkeit. Und das Wort „Hampelmannsmütze“ trifft den schrägen Appeal eigentlich ganz gut. Aber hey, Soul-Crooning willst Du diesen irren, ulkigen, in Intonation, Phrasierung und Melodiegebung absolut kauzig-eigenen Gesang doch nicht im Ernst nennen?

      Ich finde gerade diese Mischung aus disparaten Teilen – Purdies endlos groovendes Drumming, tolle Saxophon-Soli, exaltierter und teilweise hörbar nur halbgekonnter, aber umso hingebungsvollerer Gesang, dazu diese Genre-Arrangements – sehr ansteckend, ohne dass ich Dir im Geringsten widersprechen würde, wenn Du behaupten würdest, dass das künstlerisch unausgegoren, bsiweilen brüchig, nicht überall gleich gelungen und natürlich unterm Strich Welten entfernt ist vom beeindruckend schlüssigen Wurf Spiritual Unity (vom musikalischen Grundton zu schweigen). Dass NG damals für orthodoxe Aylerianer ein Schock gewesen sein muss, glaube ich gerne.

      Und dennoch, und dennoch …

      Dass hier der gute Albert von bösen Produzenten missbraucht und vergewaltigt wurde, mag ich nur zum Teil glauben (wobei ich mich da größtenteils bloß auf die Lektüre von gypsys Beitrag stützen kann). Offenbar wurde NG ja nachträglich glattgebügelt – Bläsersätze overdubbed, die Background-Chöre aufgemotzt und gängigen Hörgewohnheiten angepasst etc. Aber die Basis des Projekts, die Idee, etwas Zugängliches, harmonisch ganz konventionell Geerdetes zu machen, scheint doch wohl durchaus authentisch Aylersch zu sein. Oder? Experten, bitte melden …

      Deshalb auch mein Verweis auf Thank God For Women – derselbe Ansatz, aber viel unbehauener, lässig hingerotzt, turbulent und mit einer Musizierlust, bei der die selbstkritische Kontrollinstanz ganz ausgeschaltet scheint. Keine bolidenhaften R&B-Bläsersatzklischees draufgepappt, die Backing-Gesänge herrlich schräg. Spaß im tiefsten Sinne. TGfW = NG minus Bügelproduktion. Bin hingerissen!

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      #7834195  | PERMALINK

      nail75

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      @bullschuetz: Gypsy hat zu New Grass einen epischen Text geschrieben. Die Demos kann man auf CD6 der Ayler-Box hören, die sowieso jeder lebende Mensch besitzen sollte. Und auch als Grabbeigabe wäre sie nicht verkehrt.

      Ich bin dennoch eher jemand, der das Album als sehr flach empfindet. Gypsy hat Recht, wenn er die Ansätze dafür klar bei Ayler sieht, aber der „corporate whitewash“ ist schon ziemlich übel und nimmt mir trotz der immer wieder durchscheinenden musikalischen Persönlichkeit von Ayler die Freude an dem Werk.

      --

      Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.
      #7834197  | PERMALINK

      Anonym
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      bullschuetz Aber die Basis des Projekts, die Idee, etwas Zugängliches, harmonisch ganz konventionell Geerdetes zu machen, scheint doch wohl durchaus authentisch Aylersch zu sein. Oder?

      Ja, und das war ja auch nicht der letzte Fehltritt, den Ayler in seiner Karriere tun sollte. Durch Personen wie Mary Maria Parks u.a. ließ er sich nach „New Grass“ noch zu weiteren seltsamen Albenprojekten hinreißen, die zwar ebenfalls hilflos klangen, aber doch nicht ganz so plump und anonym wie besagtes „Soul-Album“.
      Ich finde Aylers (musikalische) Vita viel zu tragisch um mich an trashigen Attributen wie „irre“, „ulkig“, „kauzig-eigen“ erfreuen zu können. Genau das hat man Aylers Musik ja immer vorgeworfen: dass sein spiritueller Funke mehr Scharlatanerie denn Weisheit verkörpere. Irgendwann hat er halt resigniert und versucht, mit den Wölfen zu heulen. Bis man ihn aus dem East-River gefischt hat.

      --

      #7834199  | PERMALINK

      bullschuetz

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      Oh nein, „ulkig“ und „eigen“ will ich als Komplimente verstanden wissen – „anonym“, wie Du es nennst, klingt NG für mich nun wirklich gar nicht. Ich höre in NG eine Quirligkeit und Turbulenz, die mit R&B-Malen-nach-Zahlen überhaupt nichts zu tun hat. Wie gesagt, Kritik am nachträglichen Bügelvorgang kann ich schon nachvollziehen – aber ich tippe fast, der originale Ansatz, wie man ihn auf „Thank God for Women“ hören kann, würde Dir womöglich sogar noch weniger gefallen, oder?

      --

      #7834201  | PERMALINK

      bullschuetz

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      nail75Die Demos kann man auf CD6 der Ayler-Box hören, die sowieso jeder lebende Mensch besitzen sollte.

      So gut? In der Tat hatte ich nach Lektüre von Gypsys Texten den Gedanken, diese Box vielleicht haben zu wollen.

      --

      #7834203  | PERMALINK

      Anonym
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      Beiträge: 0

      bullschuetzIch höre in NG eine Quirligkeit und Turbulenz, die mit R&B-Malen-nach-Zahlen überhaupt nichts zu tun hat.

      Ich will dich nicht ärgern, aber „New Grass“ ist für mich das Paradebeispiel für R&B nach dem Setzkastenprinzip. Es trieft ja förmlich vor Klischees und Unvermögen.

      Mir der großen Ayler CD-Box „Holy Ghost“ flirte ich auch schon seit Ewigkeiten, ohne sie mir aber jemals gekauft zu haben. Jetzt ist es vermutlich 5 vor 12 und das Teil gibts fast nur noch zum Sammlerpreis.

      --

      #7834205  | PERMALINK

      gypsy-tail-wind
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      Na ja, so einfach ist die Geschichte nicht … vielleicht ist es ja ein mir inhärenter Defekt, dass ich stets alles verstehen will, aber mir scheinen die Bemerkungen Ben Youngs, wie ich sie eingangs im obigen Post zum Album zitieren, doch bedenkenswürdig. Dass Ayler an der Sache, dem Album, gelegen war, heisst wiederum natürlich nicht, dass es deshalt besser ist, aber es rückt es für mich doch in ein etwas anderes Licht.

      Vielleicht findet sich im Free Funk-Thread etwas, was bullschuetz gefallen könnte? Weit gediehen ist er noch nicht, aber das kann ja noch werden!

      --

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