Die etwas anderen "must haves"…

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  • #69955  | PERMALINK

    katharsis

    Registriert seit: 05.11.2005

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    Man stolpert ja oft über Listen, welche Platten man unbedingt besitzen müsste, welche Sessions unsterblich sind und daher in jedem Regal stehen sollten. Darunter fallen so Meilensteine oder gut verkaufte Alben wie „Kind of Blue“, „Concert by the sea“ oder „Somethin‘ else“.

    Doch wie sieht es mit Alben aus, denen der kommerzielle Erfolg versagt blieb, oder die es nie in eine solche Liste schaffen, aber dennoch nahezu unentbehrlich für eine anständige Plattensammlung sind?!

    Mir ist die Idee zu diesem Thread recht kurzfristig gekommen, daher habe ich noch keine wirkliche Liste im Kopf, aber ich werde mich bemühen.
    Vielleicht gibt es in der Zwischenzeit schon Vorschläge, Ideen, oder ganze Listen?

    --

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    #7656687  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Registriert seit: 25.01.2010

    Beiträge: 67,007

    Die Apokryphen der Jazzgeschichte?

    Ist ja irgendwie schwierig, zu beurteilen, was denn nun die „anderen“ Must-Haves sind. Leute wie Hank Mobley, Grant Green oder Sonny Clark hatten ja nie grossen Erfolg bzw. gehörten nie zu den ganz grossen Namen, aber uns sind sie wohl allen sehr vertraut…

    Ich kann keinesfalls mit einer Liste dienen, aber mal als eine Art Anstoss: könnte man das irgendwie regional/stilistisch machen?
    Z.B. „Black California“: Teddy Edwards, Sonny Criss, Curtis Amy, Dupree Bolton, Harold Land, Gerald Wilson, Jimmy Woods, Joe Gordon…
    Oder redbeans‘ Spezialgebiet, der „NY Cool“: Tony Fruscella, Don Ferrara, Phil Sunkel, Eddie Bert, Frank Rehak…

    Einen ziemlich quer in der Landschaft stehenden Zugang zur Jazzgeschichte bietet Allen Lowe mit seiner Serie „That Devilin‘ Tune“, vier 9CD-Sets mit ausführlichen Booklets.
    Hab damit noch nicht wirklich begonnen – man braucht ja dazu einige Zeit… und mit dem Lesen müsste man auch dranbleiben… auch wenn die Booklets nur CD-Format haben sind sie doch ziemlich umfassend. Hab allerdings mal ganz vorne angefangen, als ich die vier Sets gekauft hatte, und fand die Texte kombiniert mit der Musik sehr spannend!

    --

    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #151: Neuheiten aus dem Archiv – 09.04., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #7656689  | PERMALINK

    katharsis

    Registriert seit: 05.11.2005

    Beiträge: 1,737

    Ich hab‘ das eher so verstanden, dass man Alben nennt, die man immer wieder gerne auflegt, die zu absoluten Klassikern in der eigenen Sammlung gehören, die aber so gut wie nie bei Tips und Listen auftauchen, wenn es um den Aufbau/Neustart einer Jazz-Audiothek geht.
    Also weniger regional oder stilistisch, sondern eher als Werkkanon gedacht.

    Vielleicht als Anfang:
    Viele sagen, dass man Blakey’s „Moanin“ unbedingt besitzen sollte.
    Ich finde, dass man unbedingt auch „This here is Bobby Timmons“ sein eigen nennen sollte.

    --

    "There is a wealth of musical richness in the air if we will only pay attention." Grachan Moncur III
    #7656691  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
    Moderator
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    Registriert seit: 25.01.2010

    Beiträge: 67,007

    ok… spontan, ohne langes Überlegen:

    Tony Fruscella (ohne Titel)
    J.R. Monterose – The Message
    Red Rodney – Fiery
    Yusef Lateef – Eastern Sounds
    Lee Morgan – Search of the New Land
    Barney Wilen – Barney / Live at Club St-Germain-des-Pres
    Jimmy Woods – Conflict
    Prince Lasha & Sonny Simmons – Firebirds

    Das ist jetzt alles von ca. ’55-’65, aber danach wird für mich die „Klassiker“-Dichte eh dünner, bzw. weniger eindeutig.

    Und davor ist das ja schwierig, weil man da nicht von Alben reden kann (oder von Reissues reden müsste, z.B.:

    Henry „Red“ Allen – 1927-1933 (Chronological Classics)
    Jabbo Smith – 1929-1938 (Chronological Classics)
    Luis Russell – The Luis Russell Story 1929-1934 (Retrieval)
    Lester Young – The Complete Aladdin Recordings (Blue Note/Capitol/EMI/whatever)
    Lester Young – The Kansas City Sessions (Keynote)

    Ob die jetzt unter grossen Kennern von 20er und 30er Jazz absolut anerkannt wären und in jeder Liste auftauchen weiss ich nicht, da ich mich da selbst noch nicht sehr auskenne (aber zunehmend fasziniert bin).
    Ich erwähne diese paar Favoriten aber hier doch mal, weil mir die Jazz-Diskussionen hier ja doch ziemlich stark auf den klassischen „Modern Jazz“ und den „Free Jazz“ konzentriert scheinen.

    Ich hab das ja schon einige Male gesagt, es macht mir immer wieder Mühe, dass mit der Beschränkung auf „Alben“ soviel grossartige Musik verloren geht, die nicht in solche Listen passt!

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    #7656693  | PERMALINK

    stefane
    Silver Stallion

    Registriert seit: 24.07.2006

    Beiträge: 6,755

    katharsisAlben …, die man immer wieder gerne auflegt, die zu absoluten Klassikern in der eigenen Sammlung gehören, die aber so gut wie nie bei Tips und Listen auftauchen, wenn es um den Aufbau/Neustart einer Jazz-Audiothek geht.

    Das wären bei mir:

    Philip Catherine – I Remember You (Criss Cross, 1990)

    Tommy Flanagan – Thelonica (Enja, 1982)

    Rahsaan Roland Kirk – Here Comes the Whistleman (Atlantic, 1966) – von ihm tauchen ja meist „Volunteered Slavery“ oder „The Inflated Tear“ in entsprechenden Listen auf

    Anita O’Day – Pick Yourself Up with Anita O’Day (Verve, 1956)

    Archie Shepp – A Sea of Faces (Black Saint, 1975) – von Archie Shepp werden ja meist seine Mitt 60er Impulse-Alben in derartigen Faves-Listen genannt

    Archie Shepp & Horace Parlan – Goin‘ Home (SteepleChase, 1977)

    Mal Waldron – Blues for Lady Day (Black Lion, 1972)

    Attila Zoller – Common Cause (Enja, 1979)

    Und noch eine, die ich rein musikalisch nicht mit reinnehmen würde; hier habe ich aber glücklicherweise die Original-Vinyl-Pressung, die dermaßen phantastisch klingt (endlose Dynamik und wunderbar weiträumig), daß ich sie oft auflege:
    Chris Connor & Maynard Ferguson – Double Exposure (Atlantic, 1961)

    --

    "Bird is not dead; he's hiding out somewhere, and will be back with some new shit that'll scare everybody to death." (Charles Mingus)
    #7656695  | PERMALINK

    katharsis

    Registriert seit: 05.11.2005

    Beiträge: 1,737

    Oh ja, genau so hatte ich mir das vorgestellt!

    --

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    #7656697  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Registriert seit: 25.01.2010

    Beiträge: 67,007

    Chris Connor – At the Village Gate (FM/Roulette/Capitol, 1963)

    eine unglaublich emotionale, mitreissende Live-Aufnahme, auf der Connor schon nicht mehr der sorgenfreie Songbird (Come Back to Sorrento) ist, tiefer, irgendwie kaputter klingt, ihre Stimme Dimensionen erreicht, die Grösse und Tiefe haben.

    Und die Nennung von Zoller oben bringt mich auf den nächsten unbekannten Klassiker:

    Oscar Pettiford – Vienna Blues (Black Lion, 1959)

    Eine Quartett-Aufnahme mit Zoller, Pettiford, Hans Koller und Jimmy Pratt. Auf den beiden Cello-Stücken spielt da übrigens Zoller Bass! Ein sehr schönes Album, das irgendwie nirgends reinpasst – es ist cool, es ist bluesig, es hat Drive… wie manche Savoy oder Bethlehem Alben der späten 50er scheint es sich nicht um die Stil-Schubladen zu kümmern. Und es ist toll!

    und dann würd ich noch eins reinwerfen, das ev. auch manchen Listen auftaucht, das aber dennoch bemerkenswert ist:

    Lucky Thompson – Lord, Lord, Am I Ever Gonna Know (Candid, 1961)

    Ein hervorragendes Quartett aus Thompson, Martial Solal, Peter Trunk und Daniel Humair. Drei der allerbesten europäischen Jazzer jener Zeit treffen auf einen der ganz grossen Meister. Gerade Trunk ist eine Freude, zu hören…

    Joachim Ernst Berendt:

    Ich erinnere mich an ein SWF-Konzert mit Lucky Thompson, dem grossen amerikanischen Tenorsaxophonisten, das wir in Konstanz veranstalteten. Wie immer in solchen Fällen fragte ich Lucky, mit welchen Musikern er zusammenspielen wollte. Lucky darauf, wie aus der Pistole geschossen: Am wichtigsten sei ihm Peter Trunk, der sei der beste Bassist, den er in Europa kenne. Damals entstanden eine Reihe wunderbarer Duos mit Lucky Thompson auf dem Tenor- bzw. Sopransaxophon und Peter Trunk am Bass – Duos, die man um so höher einschätzen wird, wenn man sich vergegenwärtigt, dass Luckys ursprünglicher, amerikanischer Duio-Partner in den fünfziger Jahren eben Oscar Pettiford gewesen ist!

    J.E. Berendt: „In Memoriam Peter Trunk“, aus: Ders.: Ein Fenster aus Jazz. Essays – Portraits – Reflexionen, Überarbeitete Ausgabe, Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuchverlag, 159-162, Zitat S. 159f.

    Die Expressivität, die Berendt in seinem Aufsatz mehrmals betont ist in der Tat nicht zu leugnen!

    Und wenn wir grad beim europäischen Jazz um 1960 sind…

    Joki Freund – Yogi Jazz (L+R, 1963)

    Diese wunderbare Scheibe wurde kürzlich auf CD wiederaufgelegt. Freund und Emil Mangelsdorff spiele Saxophone, Wolfgang Dauner Piano, Peter Baumeister ist am Schlagzeug, und Eberhard Weber sowie Karl-Theodor Geier spielen Bässe (beide zugleich). Ein Album, das einen wunderbaren, offenen Groove schafft, irgendwo auf halber Strecke zwischen Hardbop und einer Art lyrischen Free Jazz, wie sie ein klein wenig später die Spezialität des Hauses Blue Note werden sollte.
    Wenn Ihr die mal bei Zweitausendeins sichtet, greift zu!

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    #7656699  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Registriert seit: 25.01.2010

    Beiträge: 67,007

    Se penchant sur les „oubliés“ du jazz, Cannonball Adderley écrit dans The Amsterdam News : „L’actuel ’star system‘ en jazz et la vogue dont bénéficient certains musiciens auprès du public des jeunes ont contuit à cet état des choses consternant. Parmi ces oubliés, relevons Hank Jones, Clark Terry, Thad Jones, Harry Edison, Paul Gonsalves, Frank Foster, Frank Rosolino, Stan Levy [sic!], Oscar Peterson et bien d’autres.“ Cannonball est à la fois trop sévère et trop indulgent : Peterson, par exemple, est loin d’être un oublié; les noms qu’il donne ne sont pas parmi les plus représentatifs des habitants de ce purgatoire. Et commee le fait remarquer Stanley Dance (Jazz Journal), Cannonball lui-même doit se demander dans combien de temps il passera de ce côté-là.

    Jazz Magazine, Février 1962, N° 79, 19

    Das bringt mich grad auf weitere Ideen für diesen Thread:

    Thad Jones – The Fabulous Thad Jones (Debut, 1954)
    Thad Jones – The Magnificient Thad Jones (Blue Note, 1956)
    Thad Jones – Motor City Scene (United Artists, 1959)

    Da sind eine Reihe solcher zu wenig bekannter Leute zu hören (neben dem Leader, der zwar nicht unbekannt ist, aber für seine musikalische Grösse eben doch viel zu schlecht bekannt, v.a. was seine Small Group Aufnahmen betrifft!), etwas Frank Wess auf dem Debut-Album, und Billy Mitchell auf den anderen beiden. Auf dem United Artists Album ist überdies Al Grey mit von der Partie.

    Frank Foster – Here Comes Frank Foster / New Faces, New Sounds (Blue Note 10 inch, 1954)

    Ein wunderbares Album, im Quintett mit Benny Powell und Gildo Mahones (zwei weiteren Kandidaten), sowie Percy Heath und Kenny Clarke.

    Auf CD erschien das Album mit einem anderen Blue Note 10 inch Album, das äusserst hörenswert ist und in diesen Thread pass:

    George Wallington – Showcase (Blue Note, 1954)

    Neben Dave Burns, Jimmy Cleveland und Frank Foster ist hier auch der kürzlich verstorbene Danny Bank solistisch zu hören. Die Rhythmusgruppe ist auch hier erstklassig: Oscar Pettiford und wieder Kenny Clarke.

    Dann weiter, inspiriert von Cannonball:

    Stan Levey – This Time The Drum’s On Me (Bethlehem, 1955)

    Ein wunderbares Album, ein Mix aus East- und West-Coast. Levey war ja einer der ersten Drummer, die Bop verstanden, hier leitet er eine tolle Band aus Conte Candoli, Frank Rosolino, Dexter Gordon, sowie Lou Levy (ein weiterer „unsung hero“ – man höre die West Coast Sessions von Stan Getz!) und Leroy Vinnegar.

    Harry „Sweets“ Edison – Sweets (Verve, 1956)

    Edison ist ja wohl ein Fehlgriff in Cannonballs Liste (wie Peterson, Terry und Jones… allerdings kann ich mir bei Jones und Edison gut vorstellen, dass die 1962 etwas im Schatten standen, bei Terry weiss ich’s nicht, bei Peterson ist’s schlicht falsch), aber dieses Album ist grandios und ich hab’s noch nie in irgendwelchen Bestenlisten gesehen. Die Band: Edison, Ben Webster, Jimmy Rowles, Barney Kessel, Joe Mondragon und Alvin Stoller… mit dieser Klasse-Rhythmusgruppe spielen Ben und Sweets (die ja mehrmals zusammen aufnahmen) in höchst entspannter Form, und das Resultat ist mehr als stimmig. Auch macht es immer Spass, Jimmy Rowles zu hören!

    Und das letzte für den Moment, für mich ein absoluter Klassiker:

    Paul Gonsalves – Gettin‘ Together (Jazzland, 1960)

    Der „mexican bandit“ war wohl der einzige Ellingtonian, der sich in einer solchen durch und durch „modernen“ Band zuhause fühlen konnte (Terry konnte das auch, aber er klang dann doch immer gleich und passt irgendwie am Ende eben doch nicht wirklich… Monk war ja eher eine Ausnahme, aber Monk ist ja eben auch sehr stark im älteren Jazz verwurzelt).
    Die Band: Nat Adderley, Wynton Kelly, Sam Jones und Jimmy Cobb – erstklassig! Gonsalves dankt es mit ebensolchem Spiel… ein sehr stimmiges Album, das auch die meisten Hardbop Klischee-Klippen mühelos umschifft.

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #151: Neuheiten aus dem Archiv – 09.04., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
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