Aus Dogears Singles Kiste

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  • #7472875  | PERMALINK

    dogear

    Registriert seit: 24.02.2008

    Beiträge: 1,334

    Terry und Phil – die Spector Connection
    Terry Day: I Waited Too Long/That’s All I Want (US, 1962) Columbia 42427
    with Jack Nitche (sic!) and his Orchestra, written and produced by Ali Hassan

    Da wollte Columbia wohl ihrem Superstar eine Freude machen und Sohn Terry durfte eine Platte besingen. Spectors Kumpel Ali Hassan, der es kurz darauf auf das Label des Meisters schaffte (Malaguena/Chopsticks, US 1962, Philles 103) schrieb beide Songs, Jack Nitzsche (der am meisten falsch geschriebene Name im Business) übernahm die musikalische Leitung – das Resultat ist ein typischer früher 60er mid-tempo Teensong a la Paul Anka, allerdings mit mehr Ecken und Kanten. Die A-Seite kommt einem gleich recht bekannt vor und richtig Frankreichs Hervé Villard hat sich da einiges für sein „Capri, c’est fini“ (1965) abgeschaut. Nitzsche arrangiert hier sehr zurückhaltend (Drums, Bass, Bläser) und Melcher schlägt sich stimmlich recht gut – natürlich hat er zu lange gewartet und jetzt hat ihm jemand seine Flamme weggeschnappt -Teenage Depression.
    Die uptempo B-Seite duettiert den Sänger mit dem typischen Girl Background, der durchgehend seine Gesangszeile wiederholt, Posaunen und Trompeten bestreiten den Mittelteil und man wartet (vergeblich) darauf, dass Melcher anfängt zu shouten – als Erstling durchaus gelungen.

    Emil O’Connor: Some Of Your Lovin’/There Is A Time (US, 1962) Columbia 42617
    arranged and conducted by Jack Nitzsche, produced by Terry Melcher

    Terry Melcher sitzt hier zum ersten Mal auf der anderen Seite der Glasscheibe, unterstützt von Nitzsche hat er sich hier direkt bei Phil Spector bedient, der die Rhythm and Bluesige A-Seite schrieb und bereits Monate vorher mit Johnny Nash aufgenommen hatte (ABC 10181). O’Connor, ein schwarzer Rock’n’Roller aus San Franzisco klingt wie der junge Wilson Pickett und hätte gut auf das Atlantic Label gepasst. Die B-Seite, ein O’Connor Original, fällt etwas ab, vor allem dadurch, dass er zu sehr von den Backing Vocals (Gracia Nitzsche) dominiert wird. Die A-Seite ist aber ein Klassiker, mittlerweile rar und teuer ($ 40). Leider blieben weitere Aufnahmen „in the can“ – meines Wissens ist dies O’Connors einzige Veröffentlichung.

    Terry Day: Be A Soldier/I Love You Betty (US, 1963) Columbia 42678
    arranged by Jack Nitzsche, produced by Phil Spector

    Endlich, jetzt aber richtig, hier hat der damals noch nicht so große Phil selbst die Regie übernommen und heraus kommt …. eine ziemliche Enttäuschung, zumindest wenn man etwas Wall-Of Sound-artiges erwartet. So bleibt die A-Seite, und das ist ja auch schon etwas, ein eingängiger 08/15 Rocker, durchaus mit Ohrwurm Potenzial. I Love You Betty hingegen ist ein Tearjerker, der Bobby Vee oder Pat Boone gut zu Gesicht gestanden hätte. Hier bestimmen Nitzsches Strings den Sound, das Schlagzeug ist mit reichlich Hall versehen und lässt Spectors Handschrift dann doch erkennen. Nach dem gesprochenen Mittelteil, singt Melcher dann gedoppelt weiter, was die Theatralik des Songs noch steigert – für mich die stärkere Seite.
    Beide Terry Day Singles kamen mit Picture Sleeve, die allein liegen heute aber bei etwa $40 – da muss der Aufschwung, der ja in aller Munde ist, erstmal bei mir ankommen!!

    Bemerkung zum Schluss:

    Um Terry Melchers Schaffen scheint sich noch niemand intensiver zu kümmern – keine Discographie, keine Biographie, nur 7 knappe Seiten auf der Spectropop website – dabei umfasst meine TM Discographie mittlerweile ca. 180 Einträge!

    Zu Jack Nitzsche sind die beiden folgenden CDs empfehlenswert:
    Hearing Is Believing The Jack Nitzsche Story I (Ace 1030)
    Hard Workin‘ Man The Jack Nitzsche Story II (Ace 1130)

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    Der Rock ist ein Gebrauchswert (Karl Marx)
    Highlights von Rolling-Stone.de
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      #7472877  | PERMALINK

      dogear

      Registriert seit: 24.02.2008

      Beiträge: 1,334

      und nochmal: Melcher – Nitzsche

      Frankie Laine: Don’t Make My Baby Blue/The Moment Of Truth (US, 1963) Columbia 42767
      arranged and conducted by Jack Nitzsche, produced by Terry Melcher

      Sechs Jahre war es her seit „Cowboysänger“ Frankie Laine („Rawhide“) zuletzt in den Charts war und Columbias Bosse gaben ihm die letzte Chance mit einem jungen Team sein Western Image loszuwerden. Aus dem Katalog der Hitschreiber Barry Mann und Cythia Weill wurde der Song der A-Seite ausgewählt (als Füller für die B-Seite musste ein Song seiner letzten LP herhalten), mit einem zeitgemäßen Arrangement versehen (famale Backing Vocals, verzerrte Rhythmus- und Leadgitarren, ein voller Bass und mexikanische Trompeten) war der ein Aufbruch in neue Gefilde für Laine, aber doch nicht zu progressiv um seine Anhänger abzuschrecken – es kam eine mittlere Chartplazierung heraus. Deswegen bekam das Team Melcher/Nitzsche auch drei Monate später den Folgeauftrag, bei dem sie aber wesentlich mehr zur Sache kamen.

      Frankie Laine: I’m Gonna Be Strong/Take Her (US, 1963) Columbia 42884
      arranged and conducted by Jack Nitzsche, produced by Terry Melcher

      Wieder ein Mann/Weill Song für die A-Seite, hätte gut für Gene Pitney gepasst, wieder Midtempo, von der Melodie eingängiger und auch glatter instrumentiert. Weitaus überraschender ist die B-Seite: der noch unbekannte Randy Newman verkaufte hier einen seiner ersten Songs, den er selbst meines Wissens nie aufnahm und der auch von niemandem sonst gecovert wurde. „Take Her, she’s mine – Take her, I’ll resign – She’s cute as she can be – but that little girl’s much too much for me… although she looks like an angel, and her smile’s so divine underneath that smile you find the devil who drives you out of your mind“. Ähnlich Struktur wie später bei „Move Over Darling“, erst singen die Backing Sängerinnen, dann kommt quasi als Antwort der Leadgesang – Fuzzgitarrensolo im Mittelteil.
      Diese Single floppte allerdings – Ende der Frankie Laine Connection.

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      Der Rock ist ein Gebrauchswert (Karl Marx)
      #7472879  | PERMALINK

      herr-rossi
      Moderator
      -

      Registriert seit: 15.05.2005

      Beiträge: 84,872

      Wieder sehr interessante Texte!

      dogear
      hätte gut für Gene Pitney gepasst

      Er hat den Song auch aufgenommen, sogar recht erfolgreich (US # 9).

      --

      #7472881  | PERMALINK

      dogear

      Registriert seit: 24.02.2008

      Beiträge: 1,334

      Herr RossiWieder sehr interessante Texte!

      Er hat den Song auch aufgenommen, sogar recht erfolgreich (US # 9).

      Davor oder danach?? Die Laine Aufnahme datiert vom 2. Juli 1963

      --

      Der Rock ist ein Gebrauchswert (Karl Marx)
      #7472883  | PERMALINK

      herr-rossi
      Moderator
      -

      Registriert seit: 15.05.2005

      Beiträge: 84,872

      Danach, kam im Juni 1964 in die Billboard-Charts.

      --

      #7472885  | PERMALINK

      dogear

      Registriert seit: 24.02.2008

      Beiträge: 1,334

      Herr RossiDanach, kam im Juni 1964 in die Billboard-Charts.

      Danke für die Info.

      --

      Der Rock ist ein Gebrauchswert (Karl Marx)
      #7472887  | PERMALINK

      nickgrillo

      Registriert seit: 24.02.2010

      Beiträge: 200

      Verwenden Laine´s deutsch-gesungene Versionen von „I`m Gonna Be Strong“ (= Ich lass Dich gehn) und „Don´t Make My Baby Blue“ (= Die Welt war niemals so schön“) eigentlich die Melcher-produzierten Backing Tracks?

      (Wenn ich die Bear Family 9 CD Box „Rawhide“ hätte, wüßte ich die Antwort. Habe ich aber leider nicht.)

      --

      #7472889  | PERMALINK

      dogear

      Registriert seit: 24.02.2008

      Beiträge: 1,334

      NickGrilloVerwenden Laine´s deutsch-gesungene Versionen von „I`m Gonna Be Strong“ (= Ich lass Dich gehn) und „Don´t Make My Baby Blue“ (= Die Welt war niemals so schön“) eigentlich die Melcher-produzierten Backing Tracks?

      (Wenn ich die Bear Family 9 CD Box „Rawhide“ hätte, wüßte ich die Antwort. Habe ich aber leider nicht.)

      Ich auch nicht, ist aber anzunehmen.

      --

      Der Rock ist ein Gebrauchswert (Karl Marx)
      #7472891  | PERMALINK

      dogear

      Registriert seit: 24.02.2008

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      Van Dyke Parks: Wall Street/Money Is King (US, 2011) Banastan B-4500
      co-produced by Van Dyke Parks and Matthew Cartsonis

      “The oldest thing on the label” bekam in den 80ern, als Warner Brothers das Opfer von Wall Street Yuppies geworden war, einer der neuen Manager auf seine Frage zu hören „Who is Van Dyke Parks?“
      Mit diesem Status will sich Parks wohl nicht mehr zufrieden geben und nimmt sein Schaffen jetzt endlich in die eigene Hand. Die beiden ersten von 5 Singles, die alle noch dieses Jahr erscheinen sollen, sind jetzt erhältlich und wahrlich das Warten hat sich gelohnt. Das wiederbelebte Medium präsentiert ebensolche Musik in toll gestalteten Sleeves moderner Künstler.
      Parks war nie ein begnadeter Sänger oder Songschreiber, sondern vor allem ein Toparrangeur und hier brennt er ein wahres Feuerwerk ab.
      „Wall Street“ könnte aktueller nicht sein, Art Spiegelmans Covergraphik, die den Kauf der Single allein schon wert ist, zeigt sich aus dem Fenster stürzende Banker, die Banknoten „Confetti colored with blood“. Der Song hat den Black-Friday-Charme der Zwanziger/Dreißiger Jahre, erinnert stark an Kurt Weill, an dessen Tribute Album Parks in den 80ern beteiligt war. Thematisch ähnlich die B-Seiten „Money Is King“, die kommt aber als Calypso daher, wer erinnert sich da nicht an eine der besten Parks LP-Produktionen „Hot And Sweet“ vom ‚Mighty Sparrow’ Slinger Francisco (1974). Tanzbare Kapitalismuskritik oder Geld regiert die Welt.

      Van Dyke Parks: Dreaming Of Paris/Wedding In Madagascar (US, 2011) Banastan B-4501
      co-produced by Van Dyke Parks and Matthew Cartsonis

      „Dreaming of Paris“ knüpft an seine Kollaboration mit Brian Wilson auf „Orange Crate Art“ an – die typische Kombination von Streichern, Akkordion, Marimba und weiblichen Backing Sängerinnen, Tempiwechsel, französiche Sprachfetzen und Parks eigene Sprachakrobatik verweben sich zu einem erst eingängigen dann aber auch überraschend abwechslungsreichen Ohrwurm.
      Instrumental geht es weiter mit „Wedding in Madagaskar“ – ein Traditional, das Parks’ nächsten Stärke zeigt: in Vergessenheit zu geratendes Liedgut in neuem Gewand überleben zu lassen. Karibisches Feeling wie auf seinen Alben „Discover America“ oder „Clang of the Yankee Reaper“, angereichert mit Bläsern erinnert die Produktion auch an seine frühen Arbeiten mit Ry Cooder – in Vergleich zur A-Seite bleibt das nicht gleich hängen, sondern verlangt danach den Tonarm gleich nochmal auf die Einlaufrille zu setzen. Schön, dass es noch solch handgemachte Musik gibt.
      “They don’t make records like these anymore.” – “They don’t – but Van Dyke Parks does!”

      --

      Der Rock ist ein Gebrauchswert (Karl Marx)
      #7472893  | PERMALINK

      dogear

      Registriert seit: 24.02.2008

      Beiträge: 1,334

      Van Dyke Parks: Hold Back Time/Amazing Graces (US, 2011) Bananastan B-4502
      produced by Van Dyke Parks

      Dies ist die zweite 45er-Lieferung auf Parks eigenem Label und kommt in ähnlich eindrucksvoller Verpackung wie die ersten beiden Singles. Portrait/Self Portrait sind die in weiß gehaltenen Miniaturfiguren von Charles Ray auf dem Cover benannt, passend zur Musik, denn beide Songs gab es schon einmal. Die A-Seite stammt – damals von Brian Wilson gesungen – von deren Duo-LP „Orange Crate Art“. Dort einer der schwächsten Songs, wirkt er auch hier zuerst etwas sperrig, was die Melodieführung angeht, allerdings geht dies gut zusammen mit Parks Gesang, der nicht gerade seine Stärke ist – aber kombiniert mit den weiblichen Backing Sängerinnen und der typischen Untermalung von Streichern, Balalaikas und Mandolinen gewinnt er nach mehrmaligem Hören doch Statur, wenn auch nicht Ohrwurmqualitäten wie die A-Seiten der beiden Vorgänger.
      „Amazing Grace“ gab es auch schon einmal als Outtake aus „The Clang Of The Yankee Reaper“ in zwei Versionen. Die dritte hier ist in zwei Variationsblöcke aufgespalten – der erste in getragenem Orchesterarrangement, der zweite noch verlangsamter als Akkordeon Solo mit Overdubs – gewöhnungsbedürftig, zumal mir die Aufnahme etwas zu eiern scheint.

      Van Dyke Parks: Black Gold/Aquarium (US, 2011) Bananastan B-4503
      produced by Van Dyke Parks

      Smile Booklet Designer Frank Holmes ist für die Hülle der Wasser bezogenen zwei Songs auf der vierten Single der Reihe verantwortliche – ein geborstener Tanker, der seine Ladung in den Ocean entlässt und eine Ölleitung in der Figur eines Petrodollars lassen ahnen, worum es geht. Nach elegischer Einleitung – erinnernd an Parks Arrangement von „Water Wolves“ der leider in Vergessenheit geratenen Chills – geht es in Richtung eines Brecht/Weill’schen Protestsongs. Parks Vocals passen hier wunderbar zur Machart und Message des Stücks: Black Gold – an agony of ebony and steel schwappt an die Strände – wehmütige Steeldrums decken die Katastophe zu wie ein Totentuch.
      Steeldrums sind die Instrumente der B-Seite, die bereits auf dem „Esso Trinidad Steelband“ Album (1972) veröffentlict wurde. Hier wählte er aber nicht etwa eine heitere Karibiknummer aus, sondern ein klassisches Stück von Saint Seans – nicht für dieses Instrument gedacht, aber perfekt als Abgesang auf die Thematik der A-Seite.

      Fazit: die zweite Lieferung hält nicht ganz das Niveau der ersten, es bedarf wesentlich längerer Einhörzeit – allerdings hat Parks mit „Black Gold“ seinem Gesamtwerk einen weiteren Klassiker hinzugefügt – auf die Fortsetzung der Reihe darf man gespannt sein!

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      Der Rock ist ein Gebrauchswert (Karl Marx)
    Ansicht von 10 Beiträgen - 16 bis 25 (von insgesamt 25)

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