Was macht einen guten Song (nicht Track!) aus?

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  • #7377407  | PERMALINK

    norbert

    Registriert seit: 08.07.2002

    Beiträge: 2,169

    MistadobalinaKennt ihr wirklich viele Komponisten, die eine Melodie auf einen Text schreiben? Außer Elton John fällt mir da überhaupt niemand ein. Auch in meiner Praxis im Musikverlag habe ich es meistens so erlebt, dass erst die Musik entsteht und dann der Text. Viele Komponisten können auch gar nicht texten und umgekehrt – sind also auf einen „zweiten Mann“ angewiesen.

    Ich vermute einfach mal, dass Bob Dylan zuerst die Texte schreibt und hiernach die Tonfolge anpasst.
    Wie Otis schon sagte, wird das in dieser Reihenfolge bei vielen Singer- Songwritern der Fall sein.

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    #7377409  | PERMALINK

    parlophone

    Registriert seit: 08.09.2009

    Beiträge: 1,423

    Axl Rose macht es glaub ich auch so.

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    I'm like a walking razor Don't you watch my size I'm dangerous ...
    #7377411  | PERMALINK

    go1
    Gang of One

    Registriert seit: 03.11.2004

    Beiträge: 5,625

    Die Frage, was ein Song ist, würde ich so beantworten wie Mikko. Diese enge Definition bedeutet, dass ein Teil der populären Musik gut ohne Songs auskommt.

    Was ein guter Song ist, hängt vom Genre ab. Das entscheidet zum Beispiel über die Bedeutung des Textes. Ein Folksong ist oft dann gut, wenn er eine gute Geschichte in melodisch einprägsamer Form erzählt; bei anderen Arten von Song reichen ein paar Slogans oder eine einzelne gute Zeile völlig aus. Bei Popsongs im engeren Sinne spielt das Geschichtenerzählen nur selten eine Rolle. Ein guter Popsong braucht in erster Linie „hooks“, die sich gleich im Ohr festsetzen, aber auch nach häufiger Wiederholung einen Reiz behalten. (Solche melodischen Elemente gehören zum Song dazu, nicht nur die Gesangsmelodie.)

    Dennoch kann man nach allgemeinen Merkmalen fragen. Und was bullschuetz dazu vorschlägt, ist wie immer interessant:

    bullschuetzEin guter Song klingt vertraut und doch nicht geklaut. Man hört ihn und glaubt, ihn schon immer zu kennen. Und doch ist er nicht bloß eine Variation von etwas, das man tatsächlich schon kennt. Ein guter Song schafft auf wundersame Weise den Tanz auf dem schmalen Grat zwischen abgegriffenen melodischen Klischees und der Prägnanz des So-eben-doch-noch-nie-Dagewesenen. Die besten Songs finden zu großer Markanz und Unverwechselbarkeit, obwohl, nein, weil sie ohne eine Fülle abgefahrener Akkorde und schrägster Tonsprünge auskommen. Sie sind zugleich „0815“, was das musikalisch analysierbare Material betrifft, und einzigartig.

    Schlechte Songs kippen dagegen in die eine oder andere Richtung vom Grat: sind überladen, überkonstruiert, forciert auf Prägnanz, Markanz, Einzigartigkeit getrimmt; oder erschöpfen sich reißbrettartig in der billigen Variation von Kniffen, die sich bewährt haben. Ein guter Song ist zugänglich, ohne darüber verwechselbar zu werden.

    Ganz einfach sein und ganz besonders – darin liegt für mich der Zauber eines guten Songs.

    Das ist sehr allgemein, trifft es aber prinzipiell: Ein guter Song muss sowohl einprägsam, wiedererkennbar als auch etwas Besonderes sein.

    Ich würde die Einfachheit etwas weniger betonen und mehr die Prägnanz, die „gute Gestalt“, die einem das Gefühl gibt: „Das muss so sein.“ („Einfachheit“ ist für mich mehrdeutig. Die Popmusik mag generell mit relativ einfachem Material arbeiten, aber ihre Melodien sollten nicht auf die Art einfach sein, wie es die Lieder sind, die von Soldaten auf ihren Märschen gesungen werden. Solche Songs empfinde ich nicht als gut.)

    Ein guter Song muss nicht unbedingt einen guten Text haben, aber wenn der Text richtig schlecht ist, dann ist der Song insgesamt nicht gut. (Wenn man den Text nicht versteht, kann man immer noch beurteilen, ob die Worte gut klingen – oft kommt es gerade darauf an.)

    --

    To Hell with Poverty
    #7377413  | PERMALINK

    bender-rodriguez

    Registriert seit: 07.09.2005

    Beiträge: 4,310

    Go1 Diese enge Definition bedeutet, dass ein Teil der populären Musik gut ohne Songs auskommt.

    Wenn diese enge Definition dies bedeutet, so entspricht das ganz meiner Herangehensweise, meinem Verständnis und Rezeption von Musik. Oder: ein „guter Song“ hat mich noch nie vorrangig interessiert. Diese „just good songs“-Philosophie und der manchmal anzutreffende Purismus, der damit einhergeht, ist für mich zwar in grossen Teilen nachvollziehbar, ich lehne diesen jedoch kategorisch für mich persönlich ab.
    Natürlich liebe ich auch einfach „gute Songs“. Jedoch sind mir (ganz allgemein gesprochen) die Sounds mindestens genau so wichtig – wenn nicht gar wichtiger!

    In vielen Fällen finde ich sogar das exakte Gegenteil spannender: die Auflösung, bzw. Dekonstruktion sämtlicher Songstrukturen. Dabei ebenfalls (und selbstverständlicherweise) wichtig:

    hängt vom Genre ab.

    Was die ganze Definition eines „guten Songs“ doch so ungeheuer interessant werden lässt, ist das Auffinden derer in Genres, die allgemein als nicht besonders „songkompatibel“ gelten…

    Ein guter Song muss nicht unbedingt einen guten Text haben, aber wenn der Text richtig schlecht ist, dann ist der Song insgesamt nicht gut. (Wenn man den Text nicht versteht, kann man immer noch beurteilen, ob die Worte gut klingen – oft kommt es gerade darauf an.)

    D.h., ein „guter Song“ kann auch mit einem rein dadaistischen Text versehen sein – was für mein Dafürhalten durchaus o.k. geht…

    --

    I mean, being a robot's great - but we don't have emotions and sometimes that makes me very sad
    #7377415  | PERMALINK

    malibu

    Registriert seit: 12.12.2005

    Beiträge: 3,280

    Bender RodriguezOder: ein „guter Song“ hat mich noch nie vorrangig interessiert. Diese „just good songs“-Philosophie und der manchmal anzutreffende Purismus, der damit einhergeht, ist für mich zwar in grossen Teilen nachvollziehbar, ich lehne diesen jedoch kategorisch für mich persönlich ab.
    Natürlich liebe ich auch einfach „gute Songs“. Jedoch sind mir (ganz allgemein gesprochen) die Sounds mindestens genau so wichtig – wenn nicht gar wichtiger!

    Ich glaube, das ist mein vorläufiges Fazit aus diesem Thread, außer dass ich Grooves und Leidenschaft noch wichtiger als Sounds finde.
    Ich werde folglich den Versuch, das Songwriting von James Browns Sex Machine zu besternen, einfach sein lassen..

    Aber auch sonst sind hier viele interessante Sachen geschrieben worden, mir ist vieles klarer geworden, macht bitte weiter so!

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    #7377417  | PERMALINK

    tina-toledo
    Moderator

    Registriert seit: 15.06.2005

    Beiträge: 13,392

    MalibuIch glaube, das ist mein vorläufiges Fazit aus diesem Thread, außer dass ich Grooves und Leidenschaft noch wichtiger als Sounds finde.

    Aber „Groove“ gehört doch genauso zum Aspekt Sounds, oder verstehe ich Dich falsch?

    --

    Sir, I'm going to have to ask you to exit the donut!
    #7377419  | PERMALINK

    bullschuetz

    Registriert seit: 16.12.2008

    Beiträge: 2,106

    Go1Die Frage, was ein Song ist, würde ich so beantworten wie Mikko. Diese enge Definition bedeutet, dass ein Teil der populären Musik gut ohne Songs auskommt.

    Eine wichtige Tatsache, die oft stillschweigend ignoriert wird. Gute Popmusik braucht beileibe nicht unbedingt ein lagerfeuerwandergitarrenkompatibles „Song“-Rückgrat. Mein Lieblingsbeispiel: James Brown.

    --

    #7377421  | PERMALINK

    reino

    Registriert seit: 20.06.2008

    Beiträge: 5,699

    Go1Die Frage, was ein Song ist, würde ich so beantworten wie Mikko.

    Und ich beantworte die Frage mit den „Nachrichtern“, die schon 1932 formulierten:
    „Wenn man gut singen kann, singt man ein Lied, wenn man weniger gut singen kann, singt man ein Chanson. Wenn man gar nicht singen kann, singt man einen Song. Wir singen nun einen Song.“

    --

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    #7377423  | PERMALINK

    staggerlee

    Registriert seit: 04.02.2007

    Beiträge: 738

    In gewisser Hinsicht widerspreche ich Bender, was natürlich nicht bedeutet, daß es nicht auch anders geht (es gibt etliche Gegenbeispiele, wie James Brown etc.- aber es scheint mir doch eher nicht die Regel zu sein). Denn seine Argumentation läßt außer acht, daß Popmusik wenn, dann eins ist: Kommerziell. Somit ist der Widererkennungswert/ Einprägsamkeit/Qualität des Songs an für sich schon von beachtlicher Bedeutung.

    Hier ein Zitat aus Kureishi/Savage: „If there is not a cover that takes your fancy the trick is construct your song out of disgiuised, modified and enhanced parts of previous smashes, so that those Radio One producers, T.V. youth programme researchers and multipe-chain record stock buyers will subliminally warm to your track and feel at ease with it“.(The Timelords, The Manual (How to Have a Number one the easy Way), aus: Kureishi/Savage, The Faber Book of Pop). Als Beispiel wird hier u.a. die komplette Bluestradition angeführt. Richtig ist natürlich, daß der Song für sich genommen nur ein kleiner Teil aus dem gesamten Produktionsprozess ist und somit ein Kriterium von mehreren.

    --

    #7377425  | PERMALINK

    malibu

    Registriert seit: 12.12.2005

    Beiträge: 3,280

    tina toledoAber „Groove“ gehört doch genauso zum Aspekt Sounds, oder verstehe ich Dich falsch?

    Hatte ich immer als etwas Getrenntes gesehen und ich bekomme das auch nicht zusammen. Mal ganz trocken: Das rhythmischen Grundmuster (Groove) bleibt doch das Gleiche, auch wenn sich die Klanglichkeit (Sound) ändert? (Ein Funkgroove bleibt der gleiche Funkgroove, ob er in einem Housetrack auf einer 909er Drummachine oder bei Tom Waits auf einem Mülleimer gekloppt wird.) Oder verstehe ich da etwas falsch?

    --

    #7377427  | PERMALINK

    malibu

    Registriert seit: 12.12.2005

    Beiträge: 3,280

    bullschuetzEine wichtige Tatsache, die oft stillschweigend ignoriert wird. Gute Popmusik braucht beileibe nicht unbedingt ein lagerfeuerwandergitarrenkompatibles „Song“-Rückgrat. Mein Lieblingsbeispiel: James Brown.

    Einer meiner Gedanken, die mich zu der Grundfrage hier geführt haben, war, wie gut denn das Songwriting von ‚Sexmachine‘ ist.
    Damit ist natürlich auch die abgenudelte Kritik, ‚Die können ja gar keine richtigen Songs schreiben‘ völlig hinfällig. Müsste man jetzt nur allen erklären..

    --

    #7377429  | PERMALINK

    reino

    Registriert seit: 20.06.2008

    Beiträge: 5,699

    StaggerleeDenn seine Argumentation läßt außer acht, daß Popmusik wenn, dann eins ist: Kommerziell. Somit ist der Widererkennungswert/ Einprägsamkeit/Qualität des Songs an für sich schon von beachtlicher Bedeutung.

    Das hieße ja, jeder erfolgreiche Song ist auch gut. Da wage ich doch, Bedenken zu äußern.
    Ist zum Beispiel „Ein bißchen Frieden“ ein guter Song?

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    #7377431  | PERMALINK

    staggerlee

    Registriert seit: 04.02.2007

    Beiträge: 738

    Nein, natürlich nicht. Aber a) halte ich es für bedenklich von Ausnahmen (wie James Brown) auf die Regel zu schließen b) hat Pop nun mal implizit den Willen von möglichst vielen gehört zu werden, weswegen a eben die Ausnahme ist. Somit ist die Songqualität für das Gros eben sehr wohl ein wesentliches Kriterium zur Beurteilung.

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    #7377433  | PERMALINK

    parlophone

    Registriert seit: 08.09.2009

    Beiträge: 1,423

    Irgendwie hängt sich das Thema doch an dem Wort „gut“ auf. Es gibt ja keine Skala, an der man ablesen kann wie gut irgendwas nun wirklich ist. Ich denke, dass man die Güte eines Songs entsprechend der Funktionalität beurteilen muss.

    Unter diesem Gesichtspunkt ist Barbie Girl von Aqua ein eben so guter Song wie wie Lee Morgans Sidewinder, obwohl beides verglichen miteinander absolut unvereinbar ist.

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    #7377435  | PERMALINK

    malibu

    Registriert seit: 12.12.2005

    Beiträge: 3,280

    StaggerleeNein, natürlich nicht. Aber a) halte ich es für bedenklich von Ausnahmen (wie James Brown) auf die Regel zu schließen b) hat Pop nun mal implizit den Willen von möglichst vielen gehört zu werden, weswegen a eben die Ausnahme ist. Somit ist die Songqualität für das Gros eben sehr wohl ein wesentliches Kriterium zur Beurteilung.

    Kann sein, dass ich dich falsch verstehe, aber James Brown war nun wirklich kein Underground Act. Den absoluten Willen zu Pop haben durchaus auch Tracks ohne klassische Song Struktur. Und ob sie so sehr die Ausnahme sind, wage ich auch zu bezweifeln.

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