THROWING MUSES – Untitled (Throwing Muses) (1986)

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    go1
    Gang of One

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    Throwing Muses wurden in den frühen 80ern von Kristin Hersh (Jahrgang 1966) und Tanya Donelly gegründet (beide: Gesang und Gitarre), als sie noch auf der High School waren. Kurz darauf schloss sich ihnen ihr Schulfreund David Narcizo (Schlagzeug) an und als Bassistin kam später Leslie Langston dazu. Eine selbstvertriebene Kassette von 1985 (The Doghouse Cassette) kam Ivo Watts-Russell zu Ohren, der die Gruppe unter Vertrag nahm – als erste amerikanische Band auf 4AD. Ihr Debütalbum, um das es hier geht, erschien 1986 (dem Label zufolge heißt es Throwing Muses, der Band zufolge trägt es keinen Titel). Wiederveröffentlicht wurde es 1998 als Teil der Compilation In a Doghouse, mit der Doghouse Cassette und der exzellenten Chains Changed EP.

    Auf diesem Album machten sich die Muses daran, inneren Aufruhr und intensive Gefühle in fließende, unkonventionelle Songs zu gießen – Songs, die plötzlich Tempo, Tonart und Richtung wechseln können, wenn die volatilen Gefühle, die sie ausdrücken, danach verlangen. Es sind zum größten Teil Kristin Hershs Geschöpfe; nur einer wurde von Tanya Donelly geschrieben („Green“, der wohl hübscheste und poppigste Song der Platte). Die Stimmungen sind meist verdüstert, denn das Thema des Albums ist teenage angst, sind die Schwierigkeiten des Erwachsenwerdens: Begehren und Enttäuschungen, Ungenügen und Entfremdung. „Throwing Muses (…) captures the angst of a gifted, strong-willed adolescent struggling not to get swallowed into the compromises of womanhood“ (Evelyn McDonnell, SPIN Alternative Record Guide). Als wäre die Adoleszenz nicht schwer genug, hatte Kristin Hersh mit besonderen Dämonen zu kämpfen: bei ihr wurde eine bipolare Störung diagnostiziert (das manisch-depressive Syndrom), verbunden mit akustischen Halluzinationen (Stimmenhören). Umso bemerkenswerter, dass es ihr und den anderen gelungen ist, eine Musikerkarriere zu starten und ein solches Kunstwerk zu schaffen.

    Musikalisch kann man The Velvet Underground, R.E.M., Mission of Burma, Hüsker Dü und X als Einflüsse vermuten; die Band verbindet Punk, Post-Punk und Folk-Rock (und ein bißchen Rockabilly) zu einem Sound, der zugleich eigen ist und vertraut wirkt, wenn man mit Alternative Rock aufgewachsen ist. Dank des unkonventionellen Songwritings und vieler überraschender Wendungen ist ein Album entstanden, dessen ich nie müde werde, das ich immer wieder hören kann – kraftvoll und rhythmisch vielseitig, intensiv, dunkel und beunruhigend, ebenso abwechslungsreich wie in sich geschlossen. Alle zehn Tracks sind gut; der beste ist „Hate my Way“ – auch nach 22 Jahren der ultimative teenage angst-Song. Ein weiteres Highlight ist „Vicky’s Box“, das einen beschwingten Basslauf mit Sonic Youth-Gitarren kombiniert. Fans von Sleater-Kinney weise ich besonders auf „Fear“ hin: Da klingen Hersh und Donelly schon ein bißchen so wie später das Team Tucker/Brownstein.

    Im Zentrum des Albums steht Kristin Hershs entfesselte Vokalperformance, die mich immer wieder fasziniert. Es sind nicht die Worte, die sie singt (meist kryptisch, manchmal seltsam), die mich überzeugen; es ist die Art, wie sie singt und ihre Stimme einsetzt – die Kraft liegt ganz im Vortrag selbst. Auch ohne die Einzelheiten zu verstehen, fühlt man sich als Zeuge eines Psychodramas. Ihre Stimme ist charaktervoll und unverkennbar; sie trägt ihre Songs ohne Rücksicht auf Verluste vor, mit teils beängstigender Intensität. „Hersh moans, screams and shakes her voice in a death-rattle vibrato“ (Evelyn McDonnell). Ihren Gesang und ihr Songwriting auf diesem Album hat Simon Reynolds sehr gut beschrieben (in seiner „Lobrede“ auf The Smiths im Melody Maker vom 26. September 1987):
    „Compare The Smiths with Throwing Muses. Both Morrissey and Kristin Hersh work with and within the flux of adolescence – the vacillation between agoraphobia and claustrophobia, possibility and constraint, the feeling that one’s body, and the cultural meanings attributed to it, are a cage. Morrissey crystallizes that flux, turns it into couplets, quips, aphorisms, insights, a wisdom we can draw comfort from. Hersh reproduces that fraught flux, her voice is flux. The Smiths are a synopsis of pain, a resolution – awkwardness and alienation enobled, given poise. Hersh is the presence of pain, of falling apart; her voice, the intolerable stress ist inflicts on the words, is the sound of the inconsolable wrestling with the insoluble. The difference is between commentary and embodying, identification and voyeurism. It’s the reason why The Smiths are more powerful as a pop institution, and why Throwing Muses are more powerful as art.“

    Das Debütalbum von Throwing Muses ist eines der drei besten Alben seines Jahrgangs und ein alternativer Klassiker der 80er Jahre. Aber Vorsicht! Es ist ein Album für Indie/Alternative-Hörer, die mit eigenwilligem, grenzgängerischem Gesang zurechtkommen. Mainstream-Typen schalten nach wenigen Songs genervt ab – und das ist auch gut so. Und die Platte eignet sich garantiert nicht zum Nebenbeihören; man muss sich darauf einlassen.

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    To Hell with Poverty
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      john-the-relevator

      Registriert seit: 16.04.2005

      Beiträge: 8,071

      Ah! Die habe ich schon fast vergessen. Habe sie Ende der 80´(1988) in New York zusammen mit den Pixies gesehen. Atemberaubend!
      Werde sie mal wieder aus den Tiefen meines Regals hervorzaubern!

      THX GO1!

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      Music is like a river, It's supposed to flow and wash away the dust of everyday life. - Art Blakey
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