Stefan Diestelmann

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    blues-pfaffe

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    Stefan Diestelmann
    ”Wir waren eine richtig dufte Gruppe“, erinnert sich Bernd Kleinow an die ersten Konzerte der Stefan Diestelmann Folk Blues Band, ”aber die Besetzung war so untypisch, dass alle erst mal guckten: Was machen die denn da?“
    Neben dem Sänger und Gitarristen Diestelmann und Kleinow an der Mundharmonika spielten Dietrich Petzold (Geige) und Rüdiger Philipp (Kontrabass). Es gab keine Elektrogitarre und kein Schlagzeug. Für das normale Rockpublikum war das erst mal ein Schock. Und keiner klatschte.
    ”In der Pause vom zweiten Konzert im ’Blauen Klub’ in der Prenzlauer Allee, als die wieder alle wie tot vor uns saßen, habe ich gesagt: So, Jungs, das war’s, wir reißen den Rest noch runter und begraben das Ganze.“ Doch dazu ist’s dann doch nicht gekommen. Die Menge begann zu toben.
    Diestelmann, damals 28 Jahre alt, wurde zu einer Leitfigur für den Blues in der DDR. Gleichzeitig war er ein Geschichtenerzähler nicht nur in seinen Liedern, was die Suche nach der Wahrheit ziemlich schwer macht.
    Begonnen hatte seine Geschichte recht ungewöhnlich. Geboren wurde er in München. Sein Vater war Schauspieler und seit 1956 bei der DEFA unter Vertrag. Nach dem Mauerbau holte er seine Familie in den Osten. Der Bayer in Berlin ist schon wegen des Dialekts ein Außenseiter. Und erst mit dem Spielen auf Gitarre und Mundharmonika wird er akzeptiert. Er spielt bei Amateurbands wie den Teddys und macht eine Fotografenlehre. Die DDR empfindet er aber als ”das modernste Gefängnis der Welt“. Und so redet er schon als 19jähriger davon abzuhauen. Am 5.3.67 wurde er wegen Vorbereitung zum ungesetzlichen Verlassen der DDR verhaftet.
    Er wurde zu 10 Monaten verurteilt, die auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurden. Diestelmann selbst hat immer wieder erzählt, er wäre zu drei Jahren Haft verurteilt worden ”wegen Staatsverleumdung und Untertgrabung der Volksmacht“.
    Er erzählt von der Zeit im Umerziehungslager Regis-Breitingen, obwohl nichts davon wahr ist. Doch es passt zum Image des unangepassten Bluesers.
    1975 schließlich bot sich ihm die Chance, bei Vai Hu mitzumachen. Zwei Jahre dauert die Zeit einschließlich eines kurzen Gastspiels bei Engerling. 1977 schließlich die eigene Band. Die ungewöhnliche Gruppe begeistert die Massen. Und der Staat wird hellhörig.
    ”Einerseits müssen wir davon ausgehen, dass der Blues im Rahmen unseres vielseitigen musikalischen Angebotes seinen Platz gefunden hat“, schreibt der Berliner Magistrat, ”andererseits wissen wir auch über die Probleme, die sich speziell bei der Orientierung auf dieses musikalische Gebiet ergeben.“
    Gemeint ist damit: Bluesfans sind langhaarige unangepassten Typen, die jedes Wochenende zu Konzerten trampen, massenhaft Alkohol zu sich nehmen und keine wirklichen Sozialisten sind. Immer wieder kommt es bei Diestelmanns Konzerten zu Rangeleien, muss die Polizei gerufen werden. Diestelmann wird ”bewusstes Anheizen der Stimmung“ und ”Aufmunterung zum Randalieren“ vorgeworfen. Der gleiche Vorwurf, den auch Renft und andere hatten über sich ergehen lassen müssen. Diestelmanns Anhänger wurden pauschal als Asoziale abgestempelt. Doch der Musiker fand dennoch Zutritt zur offiziellen DDR-Kultur. Er lernt Alexis Korner kennen und tritt gemeinsam mit Memphis Slim im Palast der Republik auf. 1978 kam seine erste Platte in den Handel und wurde über Nacht ein Hit. Endlich erhielt er einen befristeten Berufsausweis. Neben hunderten Konzerten schreibt er Soundtracks für Hörspiele und Filme und steht selbst mit Dean Reed in ”Sing Cowboy Sing“ vor der Kamera.
    Doch trotz 200.000 verkauften Platten sind es 1979 schon sieben von vierzehn Bezirke, wo er nicht auftreten darf, weil sein Publikum Ordnung und Sicherheit gefährdeten. Als er nach dem ersten Album für ”Hofmusik“ deutsche Texte schreibt, verschärft sich die Lage noch. ”Der Alte und die Kneipe“ entspricht wirklich nicht dem sozialistischen Menschenbild. Und doch kommt das Lied in der Jahreshitparade 1980 immerhin auf Platz 16. Die neuen Lieder entwickeln sich fort vom traditionellen Blues hin zu mehr Liedermacherklängen. Noch mehr als auf ”Hofmusik“ wird diese Tendenz auf seiner dritten Platte ”Folk Blues & Boogie“ deutlich.
    Auf der Bühne lästert er über die Puhdys und die DDR zur Freude der Fans und zum Ärger der Behörden. Zeitweise werden geplante Konzerte kurzfristig abgesagt.
    Dann wieder tritt er bei Rock für den Frieden und dem Festival des politischen Liedes auf. Das ergibt kein wirklich stimmiges Bild dieses Musikers, der sich selbst gern als nach Biermanns Rauswurf ”gefährlichsten Musiker der DDR“ gesehen hat. Doch viel eher ist er eine seltsame Mischung aus Staatskünstler und Staatsfeind.

    Pfingsten 1984, die dritte LP ist eingespielt und als Kassette schon im Handel,
    bleibt Diestelmann nach erlaubten Konzerten in der BRD im Westen und meldet sich bei Gottfried Böttcher, dem ehemaligen Pianisten von Udo Lindenberg. Er erzählt von neun Millionen, die die Stasi ihm gestohlen habe, von einer wertvollen
    Antiquitätensammlung. Doch davon ist nichts wahr, wie sich Alexander Blume, sein
    langjähriger Pianist erinnert: Diestelmann habe ihn gebeten, seine Plattensammlung zu verkaufen und die Schulden zu bezahlen. Das Geld habe dafür nicht ganz gereicht.
    Im Westen nimmt Diestelmann noch einige Platten auf. Kurzzeitig ist er Songschreiber beim Schlagerproduzenten Ralph Siegel. Nach der Wende kommt es noch zu einigen Konzerten in den neuen Bundesländern. Heute aber hat er mit der Musik ziemlich abgeschlossen und produziert mit seiner Firma Diestelfilm Präsentationsfilme für Hotels in aller Welt. Sofern er nicht auch dieses Kapitel seiner Biografie mittlerweile abgeschlossen hat. Denn die Homepage seiner Firma diestelfilm.de ist inzwischen abgemeldet, und die Domain steht zum Verkauf.
    (Ausschnitt aus dem Buch „Talkin‘ My Blues Pt.1“)

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      #6524385  | PERMALINK

      alex8529

      Registriert seit: 12.03.2005

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      seine Konzerte waren immer ein Highlight :liebe:

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      Wenn einem die Argumente ausgehen, sollte man zur Beleidigung greifen (A.Schopenhauer) Hilfe gibbed hier: http://www.amazon.de/beleidigen-Kleines-Brevier-sprachlicher-Grobheiten/dp/3406511252
      #6524387  | PERMALINK

      blues-pfaffe

      Registriert seit: 28.09.2003

      Beiträge: 1,350

      alex8529seine Konzerte waren immer ein Highlight :liebe:

      Ich hab ihn leider nie live gesehen – als er nach der Wende mal in Greifswald war, musste ich grad zu meinen Eltern in den Süden fahren…

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      #6524389  | PERMALINK

      the-wistler

      Registriert seit: 17.03.2008

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      Meine Top Songs vom Stefan:

      Ma Babe
      Caldonia
      Der Alte und Die Kneipe
      Blues Geschichte
      Blues von der guten Erziehung

      ….“Und drüben an der Hauswand steht noch immer “ Will–helm ist doof“

      --

      Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum.
      #6524391  | PERMALINK

      blues-pfaffe

      Registriert seit: 28.09.2003

      Beiträge: 1,350

      The WistlerMeine Top Songs vom Stefan:

      Ma Babe
      Caldonia
      Der Alte und Die Kneipe
      Blues Geschichte
      Blues von der guten Erziehung

      ….“Und drüben an der Hauswand steht noch immer “ Will–helm ist doof“

      Ich würde das noch ergänzen um den „Reichsbahnblues“ und den „Blues von Blauen Club“ von seiner „Folk Blues & Boogie“.

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      #6524393  | PERMALINK

      the-wistler

      Registriert seit: 17.03.2008

      Beiträge: 2,270

      Blues-PfaffeIch würde das noch ergänzen um den „Reichsbahnblues“ und den „Blues von Blauen Club“ von seiner „Folk Blues & Boogie“.

      Ohne Zweifel zwei gute Titel, vor allem „Reichsbahnblues“ ist schon Kult!
      Ich wollt halt nur 5Titel nennen.
      Super gefällt mir auch die Greifswalder Internetseite (gleich Bookmark gesetzt).
      Werde mich die nächsten Tage auch noch fürs Forum registrieren.

      ….“Sag mal heizt Du oder fährst Du?“

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      Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum.
      #6524395  | PERMALINK

      blues-pfaffe

      Registriert seit: 28.09.2003

      Beiträge: 1,350

      The WistlerOhne Zweifel zwei gute Titel, vor allem „Reichsbahnblues“ ist schon Kult!
      Ich wollt halt nur 5Titel nennen.
      Super gefällt mir auch die Greifswalder Internetseite (gleich Bookmark gesetzt).
      Werde mich die nächsten Tage auch noch fürs Forum registrieren.

      ….“Sag mal heizt Du oder fährst Du?“

      Ich fahre natürlich :wave: – schön, dass dir die Seite gefällt.
      Für die ganzen Top 5 oder 10 oder… bin ich immer zu entscheidungsschwach. Da fällt mir auf den letzten Metern immer noch was neues ein, was unbedingt noch reinmuss.

      --

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      #6524397  | PERMALINK

      muffymann16

      Registriert seit: 15.01.2004

      Beiträge: 4

      Hallo!

      Ich bin auch ein großer Freund der alten Musik von Stefan Diestelmann. Kann mir jemand sagen, wo ich die Musik der dritten AMIGA-Scheibe (”Folk Blues & Boogie“) bekommen kann? Ich hatte bisher kein Glück bei der Suche, wende mich deswegen an das Forum.

      Besten Dank im voraus.

      --

      #6524399  | PERMALINK

      alex8529

      Registriert seit: 12.03.2005

      Beiträge: 4,753

      gibts hier:

      http://www.amazon.de/Folk-blues-Boogie-Stefan-Diestelmann/dp/B0012NUHCU

      und wenn Du mal dort bist, wirf mal einen Blick auf den alten Kerth, das ist auch ein super Blueser

      --

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      #6524401  | PERMALINK

      spreewilder

      Registriert seit: 12.11.2009

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      The WistlerSuper gefällt mir auch die Greifswalder Internetseite (gleich Bookmark gesetzt).
      Werde mich die nächsten Tage auch noch fürs Forum registrieren.

      ….“Sag mal heizt Du oder fährst Du?“

      Ich heize…;-) Welche Greifswalder Seite meint ihr denn?

      Zu S. D. habe ich seitdem ich öfters mit den Engerlingen und anderen DDR – Bluesern gesprochen habe ein gespaltenes Verhältnis.

      Zu DDR – Zeiten war das natürlich nicht so, wir wussten ja nicht was so bei den Musikern Sache war…bzgl. Staatstreue, StaSi usw. usf.

      --

      Musik ist das Beste!
      #6524403  | PERMALINK

      blues-pfaffe

      Registriert seit: 28.09.2003

      Beiträge: 1,350

      spreewilderIch heize…;-) Welche Greifswalder Seite meint ihr denn?

      Zu S. D. habe ich seitdem ich öfters mit den Engerlingen und anderen DDR – Bluesern gesprochen habe ein gespaltenes Verhältnis.

      Zu DDR – Zeiten war das natürlich nicht so, wir wussten ja nicht was so bei den Musikern Sache war…bzgl. Staatstreue, StaSi usw. usf.

      Diestelmann war ein zwiespältiger Typ – hat eigentlich jemand ne Ahnung, ob er noch lebt? Seine Diestel-Film-Homepage existiert jedenfalls nicht mehr…

      --

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      #6524405  | PERMALINK

      alex8529

      Registriert seit: 12.03.2005

      Beiträge: 4,753

      lt. Wiki lebt er noch

      http://lmgtfy.com/?q=http%3A%2F%2Fde.wikipedia.org%2Fwiki%2FStefan_Diestelmann

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      Wenn einem die Argumente ausgehen, sollte man zur Beleidigung greifen (A.Schopenhauer) Hilfe gibbed hier: http://www.amazon.de/beleidigen-Kleines-Brevier-sprachlicher-Grobheiten/dp/3406511252
      #6524407  | PERMALINK

      spreewilder

      Registriert seit: 12.11.2009

      Beiträge: 315

      Blues-PfaffeDiestelmann war ein zwiespältiger Typ – hat eigentlich jemand ne Ahnung, ob er noch lebt? Seine Diestel-Film-Homepage existiert jedenfalls nicht mehr…

      Hmmm, müsste man mal näher recherchieren. Keine Ahnung…

      --

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      #6524409  | PERMALINK

      macmoldis

      Registriert seit: 14.02.2011

      Beiträge: 1

      Blues-PfaffeDiestelmann war ein zwiespältiger Typ – hat eigentlich jemand ne Ahnung, ob er noch lebt? Seine Diestel-Film-Homepage existiert jedenfalls nicht mehr…

      gerade in den Kommentaren bei youtube gelesen, Stefan starb vor 2 Jahren, traurig
      noch trauriger, keiner hat’s gemerkt

      --

      #6524411  | PERMALINK

      blues-pfaffe

      Registriert seit: 28.09.2003

      Beiträge: 1,350

      also vor zwei Jahren – da bin ich mir nicht so ganz sicher. Allerdings ist nach Auskunft von Thomas Stelzer (Pianist/Sänger aus Dresden, der endlich Kleinow zu einer Soloplatte überreden konnte) Diestelmann tatsächlich gestorben. Allerdings starb er wohl in einem Hotel in Ägypten, wo er die letzte Zeit gelebt haben soll. Ich versuche jetzt, die Fakten zu recherchieren. Denn einen ordentlichen Nachruf hat Diestelmann ja mindestens verdient.

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