Was liest der Forumianer im Moment?

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  • #445917  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Mir fiel es wirklich wie Schuppen von den Augen … ist ja an sich nichts Neues, aber die Schilderung ist eindringlich und direkt, und man kann sich in etwa vorstellen (es gibt auch Schilderungen von der Elterngeneration, sowohl von Coates‘ eigener Erziehung – mit dem Gürtel des Vaters – wie auch Eindrücke aus früheren Erinnerungen der älteren Generation und deren eigener Jugend/Lebenswelt), wie das damals gewesen sein muss, als all die „grossen“ Jazzmusiker unterwegs waren und welcher kulturellen Prägung sie ausgesetzt waren. Man versteht dann auch wirklich jeden, der meint, Weisse könnten keinen Jazz … und man versteht möglicherweise sogar z.B. Stanley Crouch etwas besser. Allerdings heisst verstehen ja nicht, dass man einverstanden ist oder etwas rechtfertigt, das macht Coates selbst auch klar, so gesehen ist das Buch wirklich beeindruckend, denn es umgeht all die möglichen Fallstricke auf souveräne Weise, ohne von eigenen Schwächen und Fehlern abzulenken.

    Als kleine Warnung: Coates ist erklärter Atheist und stellt sich damit auch ausserhalb eines Grossteils der „schwarzen“ Kultur der USA – er reflektiert das allerdings wiederum auf zumal für mich sehr nachvollziehbare Weise.

    Aber ja, verdammt, jeder, der sich auch nur ein Körnchen für Popkultur interessiert (und ich denke, das ist jeder, der hier im Forum angemeldet ist oder auch zufällig draufstösst und still mitliest) sollte das Buch lesen. Kanonbildung ist ja nichts, was ich toll finde (es sei denn, der Kanon darf riesig sein, ausufern und wuchern und an allen Rändern amöbenartig ausfransen, sich überdehnen und alles was nicht kanonisch ist auch noch miteinbeziehen), aber das Buch ist wirklich ein Augenöffner und ein Schlüssel, der so manches, was man ahnte oder halbwegs schon wusste, erklärt und begreifbar – wenngleich, zum Glück, nicht erfahrbar – macht. Aber die Erfahrung, die der schwarze Körper in Amerika macht, wird vermittelt, und das auf äusserst eindringliche – und dennoch, es handelt sich ja um eine Art Brief an Coates‘ halbwüchsigen Sohn, auch auf liebenswürdige, sehr, man muss es so sagen, menschliche, Art (das ist, wie wenn James Brown im Interview sagt, er wolle keinen Respekt, er wolle nicht, dass jemand ihm irgendwas geben, es reiche, wenn einer die Tür aufmache, er hole es sich dann selbst, „I’m a man“).

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #150: Neuheiten 2023/24 – 12.3., 22:00; #151: Neuheiten aus dem Archiv – 09.04., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
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      #445919  | PERMALINK

      redbeansandrice

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      Coates kommt ja quasi aus der Kindergeneration von Baraka, Crouch, und so Leuten (also, nehme an das kommt auch im Buch vor, die Firma seines Vaters) – und da er ziemlich schlau und eloquent ist, gibt das einen ziemlich einzigartigen Blickwinkel… die Elterngeneration war garantiert gnadenlos diskussionsfreudig und hat bei Zeiten auch viel komisches Zeug geredet… aber dass sie irgendwo einen Punkt hatte, war beim Betrachten der Aussenwelt wohl auch kaum zu übersehen

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      #445921  | PERMALINK

      soulpope
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      gypsy tail wind

      Ta-Nehisi Coates – Between the World and Me

      lange nicht mehr so tief beeindruckt von einem Buch – eine verstörende Geschichtsstunde

      http://www.nytimes.com/2015/08/17/books/review/ta-nehisi-coates-between-the-world-and-me.html?_r=0

      IMO eine interessante Besprechung ….

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        "Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" (K. Valentin)
      #445923  | PERMALINK

      gypsy-tail-wind
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      soulpopehttp://www.nytimes.com/2015/08/17/books/review/ta-nehisi-coates-between-the-world-and-me.html?_r=0

      IMO eine interessante Besprechung ….

      Hm, gut, ich bin nicht Elternteil schwarzer Kinder in den USA, die wohl vor dem Hintergrund (und dem Baldwin-Vergleich) zu sehende Erwartungshaltung der Rezensentin teile ich gar nicht.

      Reading the book the second time, I held no expectation that the big questions would be answered. I knew they wouldn’t be. It seemed that Coates was doing for his son what his own father had done for him: demand that he wrestle with the questions himself. The second time around I could see that maybe, just maybe, this is what is most needed right now — a book that offers no answers but instead challenges us to wrestle with the questions on our own. Maybe this is the time for questioning, searching and struggling without really believing the struggle can be won.

      Das fasst dann wohl in meinen Augen die Stärke des Textes zusammen. Auch da: ich masse mir in keinster Weise an, die „korrekten“ (aus Coates‘ Sicht, aus der Perspektive der „schwarzen“ Kultur der USA) Schlüsse zu ziehen – aber gerade die Offenheit des Essays führt dazu, dass man als Leser tief ins Nachdenken kommt.

      Und Hoffnungslosigkeit (die die Rezensentin Coates ja auch nur halbherzig unterstellen mag) empfand ich trotz allem gar nicht bei der Lektüre. Im Gegenteil, was mich beeindruckte war gerade die tiefe Menschlichkeit. Und wenn es um die Frage nach den Antworten geht, die Coates uns möglicherweise vorbehalte … ich bin mir nicht sicher, dass die jemand hören will, in ihrer letzten Konsequenz. Sie könnten nämlich so aussehen wie die Watts rebellion (bitte nicht „riots“, das ist wie „Reichkristallnacht“).

      Doch wenn man den Faden der Besprechung etwas fortspinnt könnte man auf den Gedanken kommen, dass das Buch möglicherweise eben gerade DOCH an die „Weissen“ gerichtet ist, quasi als untergejubeltes Osterei. Denn es gibt ja andere Antworten als bewaffnete Aufstände, doch – das macht Coates wenigstens an einer Stelle klar (ich habe das Buch bereits weitergereicht, wird wohl ein paar Wochen dauern, bis ich es wieder griffbereit habe) – müssten diese Antworten eben von der Majoritätsgesellschaft (denjenigen, die sich für weiss halten, den „Dreamers“) ausgehen. Das mag nun nicht die Antwort sein, die afro-amerikanische Aktivistinnen hören wollen, die an die Möglichkeit von Veränderung glauben (gar noch mit gewaltlosen Mitteln – Coates‘ Schilderung der Ausdruckslosigkeit der Gesichter der Protestierenden in den Sechzigern ist eindringlich … aber dasitzen und warten reicht eben irgendwann nicht mehr, die Zeiten haben sich unglaublich beschleunigt). Aber – es handelt sich ja immerhin um einen „New York Times Bestseller“ – vielleicht ist ja gerade der „liberale“ (US-Terminologie) Teil der „Dreamers“ gemeint, der im Buch immer wieder sein Fett weg kriegt (und zurecht, möchte man Coates zurufen).

      Keine Ahnung, schwierige Fragen jedenfalls, aber mit Sicherheit eine der bewegendsten Lektüren seit langem, in ihrer Schonungslosigkeit und tiefen Menschlichkeit.

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      #445925  | PERMALINK

      Anonym
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      Falls es noch jemanden geben sollte, der es nicht gelesen hat, ergeht hiermit die Empfehlung, es zu lesen. Aus Gründen.

      http://www.amazon.de/Leitfaden-britische-Soldaten-Deutschland-1944/dp/3462046349

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      #445927  | PERMALINK

      shanks

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      „Winternähe“ von Mirna Funk

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      #445929  | PERMALINK

      soulpope
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        "Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" (K. Valentin)
      #445931  | PERMALINK

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      PRIMO LEVI – Das periodische System

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      #445933  | PERMALINK

      soulpope
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        "Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" (K. Valentin)
      #445935  | PERMALINK

      the-imposter
      na gut

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      Charlie Huston – Ein gefährlicher Mann (A Dangerous Man)

      Teil 3 der Hank Thompson Trilogie

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      out of the blue
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      Auch die aktuelle Wochenausgabe der ZEIT wieder ein ergiebiges Lesematerial ….

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        "Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" (K. Valentin)
      #445939  | PERMALINK

      shanks

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      „Die Stunde zwischen Frau und Gitarre“ von Clemens J. Setz

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      #445941  | PERMALINK

      soulpope
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      #445943  | PERMALINK

      soulpope
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      #445945  | PERMALINK

      the-imposter
      na gut

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      Dennis Lehane – Kein Kinderspiel (Gone, Baby, Gone)

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      out of the blue
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