Element Of Crime – Weißes Papier

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    kritikersliebling

    Registriert seit: 08.07.2002

    Beiträge: 18,340

    1991. Ich war der perfekte Lebenspartner, das hatte ich jahrelang trainiert und perfektioniert, um dann endlich bei ihr zu landen, die mir erst vor ein paar Wochen über den Weg lief. Zu „Run To You“ von Bryan Adams kam es zum ersten Kontakt.
    Sie kam eines Tages zu mir, sah in meinen Augen gut wie immer aus und sagte nach einer halben Stunde Rumdruckserei und Schweigen: „Ich mag Dich nur noch so wie einen Bruder.“ Mir war sofort klar, was das bedeuten würde. Es war aus. Ein halbes Jahr nach dem Blitzstart verglühten alle schönen Dinge irgendwo im Off. „… wie einen Bruder.“ hallte es zwei Jahre nach. Das tat weh, denn ein guter Bruder war ich damals noch nicht. Ich hätte einer sein können, fand aber keine Gelegenheit dazu.
    1993. Ich saß rauchend mit aufgesetzten Kopfhörern im CD-Laden und legte diese CD von dieser komischen Band ein: Element Of Crime. Komischer Sound, jetzt mit Trompete. Oh, die singen ja deutsch. Oh, die singen ja meine Gedanken. Woher… woher weiß der Sänger das alles? Ich hatte die Erinnerung an sie noch längst nicht begraben, denn ich war mit dem Denken darüber noch nicht fertig und nun hörte ich den Soundtrack meiner Seele.
    Ich nahm die CD aus dem Player, kaufte sie und trug sie nach Hause wie einen Schatz. Das war etwas besonderes. Mein CD-Player spielte das Album auch ab, wenn ich es gar nicht eingelegt hatte. Und wenn ich weit weg von Musik war, lief das Album in meinem Kopf weiter.
    Was hatte ich in den letzten zwei Jahren für Flüche erdacht, wie viel stille Hoffnungslosigkeit erlebt, wie oft versucht, sie noch mal anzurufen. Überall erkundigte ich mich nach ihr. Sie konnte sich doch mir nicht einfach so entziehen. Ich wünschte, dass dieser Schmerz, der nicht messbar war endlich aufhört. Aber er hörte nicht auf. Egal, was ich tat, ich hielt immer einen Platz für sie frei, obwohl ich es besser wusste und sie gar nicht kommen würde.
    Doch nun hatte ich endlich ein Gegenmittel für ihr Gift gefunden. „Ihr Herz ist kalt wie ein gefrorenes Hühnchen, ihre Schönheit überzuckert mit Gewalt…“ Voller Wonne prostete ich mir im Spiegel zu: „Jaaa.“ Ein paar Lieder später: „… denn schmerzhaft wird es erst hinterher wenn wieder hochkommt, was früher mal war. Dann lieber so rein und so dumm wie weißes Papier.“ Ich bog mir meine Wahrheiten zurecht. „Ich warte am Bahndamm zwischen den Gleisen bis entweder ein Zug kommt oder ein Zeichen von Dir. Ob das Erpressung ist, ist mir doch egal, Du wirst geliebt, Du hast die Wahl.“ Niemals wurde Sehnsucht und Verzweiflung schöner beschrieben. Jeden Abend hörte ich das Album rauf und runter und verquirlte die Texte mit meinen Gefühlen und am Ende kam immer sie dabei raus. Dann lieber so rein und so dumm sein wie weißes Papier.

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    Das fiel mir ein als ich ausstieg.
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      #5994259  | PERMALINK

      declan-macmanus

      Registriert seit: 07.01.2003

      Beiträge: 14,707

      Ich habe auch schon mit dem Gedanken gespielt, hier über diese Platte zu schreiben, aber nun bist du mir zuvorgekommen. Egal, wäre wahrscheinlich eh zu persönlich geworden.

      Jedenfalls sehr schön beschrieben und bestens nachempfinbar, KL!

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      Lately I've been seeing things / They look like they float at the back of my head room[/B] [/SIZE][/FONT]
      #5994261  | PERMALINK

      flatted-fifth
      Moderator

      Registriert seit: 02.09.2003

      Beiträge: 6,027

      Ich glaube, Element of Crime sind in Geschichten vieler vertreten, so auch bei mir (allerdings mit „Romantik“). Schön, KL und ja – bestens nachempfindbar…

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      You can't fool the flat man!
      #5994263  | PERMALINK

      themagneticfield

      Registriert seit: 25.04.2003

      Beiträge: 33,907

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      Daumen hoch

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      "Man kann nicht verhindern, dass man verletzt wird, aber man kann mitbestimmen von wem. Was berührt, das bleibt!
      #5994265  | PERMALINK

      themagneticfield

      Registriert seit: 25.04.2003

      Beiträge: 33,907

      sehr schöne Worte für ein sehr schönes Album

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      "Man kann nicht verhindern, dass man verletzt wird, aber man kann mitbestimmen von wem. Was berührt, das bleibt!
      #5994267  | PERMALINK

      grandandt

      Registriert seit: 10.10.2007

      Beiträge: 24,622

      Ja, war bei mir genauso, nur daß ich zwei Platten hatte, die mir halfen. Diese hier und Blood on the tracks von Dylan. Sehr schön geschrieben. Ich danke Dir!

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      Je suis Charlie Sometimes it is better to light a flamethrower than curse the darkness. T.P.
      #5994269  | PERMALINK

      realman

      Registriert seit: 06.03.2004

      Beiträge: 3,594

      ja sehr schön beschrieben
      Wie würdet ihr eigentlich die Inhalte der beiden Songs „Weisses papier“ und “ Und Du wartest“ interpretieren ?
      Habe mich anfangs immer sehr schwer getan, diese Lieder zu deuten. Dabei sind es meine absoluten Favoriten auf dem Album.

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      #5994271  | PERMALINK

      travis-bickle

      Registriert seit: 30.06.2007

      Beiträge: 7,552

      Danke, sehr schön geschrieben. Die Platte muss ich gleich morgen mal wieder auflegen.

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      When shit hit the fan, is you still a fan?
      #5994273  | PERMALINK

      rupert

      Registriert seit: 05.02.2007

      Beiträge: 607

      ganz tolle Platte mit super-Texten, meine Nummer 1 von EOC….. hab´sie oft live gesehen und gottseidank auch bei der Tour !

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      In love we are and the thrushes know they're unable to keep in the news so they're singing ( Copyright Rupert 2007 )
      #5994275  | PERMALINK

      loplop

      Registriert seit: 08.07.2002

      Beiträge: 1,949

      Sehr schön geschrieben. Mein Bezug war nicht ganz so direkt, das war eher bei „Romantik“ der Fall. Das war mein EOC „Erlebnis“, wobei Weißes Papier schon ganz knapp die bessere Platte ist. Beide sind Schätze!

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