Lou Reed: BERLIN – Berlin, 26.06.2007

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  • #44911  | PERMALINK

    norbert

    Registriert seit: 08.07.2002

    Beiträge: 2,169

    Lou Reed hatte seine Berliner Fans in den letzten Jahren mit einigen guten bis herausragenden Gigs beglückt. Das bisherige Highlight war das Konzert im Berliner Schiller Theater am 14.05.2003.

    Lou’s gestrige Darbietung im Tempodrom bleibt für mich sicherlich auch unvergesslich.
    Der Grund hierfür ist allerdings das Pathos mit dem sein Werk „Berlin“ mit der Unterstützung des New London Childrens Choir und einem Londoner Orchester aufgeführt wurde.

    Die Texte des 1973 veröffentlichten Berlin-Albums sind sicherlich bedrückend.
    Durch die Live-Arrangements mit Orchester und Chor und durch die etwas kitschigen Filmchen im Hintergrund, rutschte die finstere Aussage des Albums allerdings ins Melodram ab. Besonders widerlich süss war der Filmausschnitt, der während „The Kids“ gezeigt wurde: Die Mutter, mit der Ausstrahlung eines Models, umsorgte ihre kleine weiß bekleidete und mit Engelsflügeln ausstaffierte Tochter während Lou sang: „They’re taking her children away because they said she was not a good mother.“

    Das Können sämtlicher mitwirkenden Musiker soll hier nicht in Frage gestellt werden. In dem für sie vorgegebenen Rahmen waren nämlich alle ausgezeichnet.
    Zweifelhaft war lediglich die Inszenierung inklusive des Bühnenbildes mit der herabhängenden ranzigen Couch, die dem Ganzen wohl einen Touch von Boheme geben sollte.

    Nach langem Applaus für „Berlin“ gab es dann als Zugabe noch „Sweet Jane“ – mit einem kleinen Intro à la „ROCK’N’ROLL ANIMAL“, eine (besonders wegen des Chor-Einsatzes) sehr gelungene Version von „Satellite Of Love“ und „Walk On The Wild Side“.

    Wenn es nach meinen Wünschen ginge, sollte das nächste Lou Reed Konzert dann bitte wieder mehr „warhol-esque“ (wie im Schiller Theater) werden.

    --

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    #5764731  | PERMALINK

    norbert

    Registriert seit: 08.07.2002

    Beiträge: 2,169

    Kleiner Nachtrag:

    Der Produzent Bob Ezrin war während des Konzertes anwesend und wurde dem Publikum von Lou vorgestellt.

    Außerdem war der berühmte Steve Hunter an der Lead-Gitarre eine kleine Sensation.

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    #5764733  | PERMALINK

    martin-3862

    Registriert seit: 02.11.2005

    Beiträge: 9,391

    war das ein erlebnis gestern… jung, ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass das konzert so eine perfekte gestalt annimmt. da passte einfach alles. schon als wir die konzerthalle sahen, ein schmuckstück! der aufbau der bühne war so liebevoll gestalltet. links der chor, hinten in der mitte die drums, und rechts das orchester und vorne stande er, lou reed mit seinem keyboarder, gitarristen, seinen 2!! bassisten und backgroundsängerin in rotem kleid. schon als die ersten töne erklangen, die harmonie zw. den rockigen, kraftvollen gitarren und den bläsern oder mädelschor war so wunderschön abgestimmt, man hatte wirklich das gefühl, man ist bei einer, wie lou es schon angekündigt hatte, „großen sache“ dabei. und dann kamen die musiker nochmal für einen begnadeten zugabeblock auf die bühne zurück. als erstes der velvet underground klassiker „sweet jane“. die meisten hatten sich schon längst von ihren stühlen erhoben und drängelten sich dicht vor die bühne. was für ein starke version und so ging es mit satellite of love weiter. der chor passte so perfekt und lou reed hatte richtig spaß dabei, die mädels zu dirigieren. mit „walk on the wild side“ schaffte der einstige vu-frontman es, das konzert unvergessen abzuschließen. es gab minuten lange standing ovations und lou spielte sich nicht einmal in den mittelpunkt. er huldigte genau so wie die fans seinen mitmusikern und verbeugte sich oftmals. ich hätte es nicht für möglich gehalten, aber gestern abend habe ich mein bisher schönstes konzert erlebt, noch vor the who, bob dylan oder den rolling stones!

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    #5764735  | PERMALINK

    elston-gunn

    Registriert seit: 13.10.2006

    Beiträge: 611

    Wow, dachte ich, Tony Levin ist neuerdings schwarz? Und bedeckt seine schöne Glatze mit einem Kopftuch? Doch weit gefehlt – hatte in diesem Fall nicht ich, sondern das beliebte Berliner U-Bahn-Fernsehen, das vor zwei, drei Wochen stolz rumposaunte, Lou Reed werde bei seinem Berliner „Berlin“-Konzert von keinen Geringeren als Jack Bruce (sic!), Steve Winwood (sicsic!) und eben Tony Levin (sicadisicsic!) begleitet. Aber, ach: einen Jack oder Bruce gab’s höchstens unter den namenlosen, THX-mäßig gekleideten Orchestraten, der schwarze Tony Levin hieß eigentlich Fernando Saunders (E-Bass und Gospelgenöle), der einzige echte Tony war Smith an den Drums, und statt Steve Winwood gab’s (gottseidank) Steve Hunter, natürlich an der Gitarre.

    Es begann mit einem geisterhaften Anhauch von „Sad Song“, ein bißchen Akustikklampfe, ein bisschen Mädchenchor – gleiche Klamotten wie’s Orchester –, dann die vertraut schiefen Partygeräusche, „Happy Birthday“, im Hintergrund eine Videoprojektion (Regie: Julian Schnabel), die irgendwas Partymäßiges zeigte. Konnte man leider nicht genau erkennen, die Projektionsfläche war an den Seiten angeschrägt, außerdem penetrant dunkel gemasert und mit einem Vorhang zugehängt, so dass man vom Bild möglichst wenig erkennen konnte. War aber auch okay; denn was war da schon groß zu sehen? Bei „Oh Jim“ gab’s nen Mann, bei „Caroline Says“ ne Frau, beim Wort „Alaska“ Eisberge und bei „The Kids“ – na? – richtig: Kinder. Ich weiß schon, wieso ich bei „Before Night Falls“ (Regie: Julian Schnabel) eingeschlafen bin…

    Ich konzentrierte mich also auf die Musik. Daran gab es anfangs nichts auszusetzen. Was ja nicht gerade ein Kompliment ist. Der berühmte Auftakt („In Berlin by the wall…“) kam souverän und plattengetreu rüber, obwohl ich zuvor in einem Interview gehört hatte, Reed habe nie in seinem Leben Dubonnet getrunken. „Lady Day“ und „Men of Good Fortune“ waren beide massig und druckvoll, allerdings übertrieb Hunter es das ein oder andere Mal mit den Soli. Klar waren die scharf und elektrisierend, aber teilweise wurden sie so lange ausgewälzt, dass man schon irgendwann auselektrisiert war und langsam wegdämmerte. Wohin? Zum Kontrabassisten, dem irgendwas hingefallen war; in Folge musste ein grünbekappter Techniker eine Zeitlang auf der Bühne rumfuhrwerken. Gerade bei einer so durchorganisierten Perfomance ziemlich ablenkend. „Caroline Says I“ und „How Do You Think It Feels“ gefielen mir beide besser als auf dem Album, Ähnliches gilt für „Oh Jim“. Onkel Lou war in diesem ersten Teil des Konzerts schon recht gut unterwegs: er dirigierte die Band mit kleinen und großen Gesten, die manchmal wie der Hitlergruß aussahen und manchmal wie was Sozialistisches; er lieferte sich nette kleine Gitarrenduelle mit Hunter, sang jederzeit ausdrucksstark, pointiert, teilweise dezidiert gegen den Strich – um einen ganz widerlichen Ausdruck zu verwenden: Er „lebte“ das Album geradezu. Aber: alles noch nichts gegen die restlichen vier Songs.

    Eine zierliche, mollene Pianomelodie läutet den Übergang zum Niedergang ein, die ersten Tupfer von „Caroline Says II“ erklingen – und von da an türmen sich die Momente, die sich einfräsen, so schmerzhaft und schön sind sie. Reeds Stimme scheint an manchen Stellen kurz davor, zu brechen, er geht über in ein einziges langes, trauriges Requiem für Caroline. In „The Kids“ skandiert er anklagende Zeilen wie „That miserable rotten slut couldn’t turn anyone away“ wie ein boshafter Richter, um danach mit hilflosem Mitgefühl zu singen: „I’m just a tired man, no words to say“ (dass bei den Worten „tired man“ aus dem Publikum „Oh yeeeah!“ geschrien wurde, übergehe ich gnädig). Der Höhepunkt der Albums war für mich auch der Höhepunkt des Abends: „The Bed“. Lous Stimme, laut, klar, ganz nah, nur von einer leisen Gitarre unterspielt. Im Publikum Totenstille (bis auf den einen unverbesserlichen Johler, der dankenswerterweise von seiner Umgebung sofort zurecht gewiesen wurde & sogleich still war). „This is the place where she cut her wrists“: er spricht die Zeile intim wie eine Beichte, und wenn ab der zweiten Strophe das „Oh, oh, oh, what a feeling“ vom Chor übernommen wird und Lou nur noch ein geflüstertes „What a feeling“ hinterherschickt, wird der Song endgültig zur sakralen Erfahrung. Der „Sad Song“ schließt den Kreis, das Orchester spielt sich zusammen mit Hunter in donnernd-theatralische Höhen auf, bis am Ende die Lichter eins nach dem anderen verlöschen. Es ist getan. Das Publikum rast, Reed sieht plötzlich klein aus und sehr bescheiden und irgendwie glücklich, er beklatscht die Band, beklatscht das Orchester, bedankt sich bei seinen Musikern, bei seinen Technikern, holt noch kurz Bob Ezrin auf die Bühne, bedankt sich dann auch beim Publikum. Abgang.

    Danach noch drei Zugaben, die anachronistisch wirkten nach diesem endgültigen Ende; fast wie ein neues Konzert. Die Menschen strömten von ihren Stühlen direkt vor die Bühne, ich war auf dem Rang an meinen ungemütlichen Platz gefesselt und entsprechend genervt, dass ich zu „Sweet Jane“ nur mit den Hinterbacken tanzen durfte. Danach „Satellite of Love“, in einer langsamen Version, Saunders an den Vocals mit einer Art Al-Green-Parodie; Reed machte sich einen Spaß daraus, ihm mit dem Zeigefinger Tonhöhe und –länge zu dirigieren, worauf Saunders wie ein dressiertes Äffchen reagierte und die Tonleiter rauf- und runterleierte. Gequältes Lachen meinerseits sowie Aufatmen, als der Song zum Ende hin Fahrt aufnimmt, um beinah nahtlos in „Walk on the Wild Side“ zu münden. Die girls waren zwar nicht coloured, aber doop-doo-doo machen konnten sie trotzdem. Ein schöner Abschluss, nur, wie gesagt, irgendwie neben der Spur. Genau wie Reeds letzte Worte: erst ein kurzes deutsches „Danke schön“, dann erhob er den Zeigefinger, schwenkte ihn hin und her und brummte kryptisch: „Berlin, Berlin.“ Und war weg.

    Was will mir das sagen, „Berlin, Berlin“? Warnung? Mahnung? Drohung, gar? Vielleicht löst er’s noch auf – spätestens bei der „Metal Machine Music Tour 2017“.

    --

    #5764737  | PERMALINK

    elston-gunn

    Registriert seit: 13.10.2006

    Beiträge: 611

    Sorry, Thread gibt’s schon. Kann das jemand beheben?

    --

    #5764739  | PERMALINK

    observer

    Registriert seit: 27.03.2003

    Beiträge: 6,709

    Elston GunnSorry, Thread gibt’s schon. Kann das jemand beheben?

    Erledigt. :wave:
    Ich hoffe, Norbert kann mit dem etwas geänderten Threadtitel leben. Wenn nicht, kurze Info an mich.

    --

    Wake up! It`s t-shirt weather.
    #5764741  | PERMALINK

    norbert

    Registriert seit: 08.07.2002

    Beiträge: 2,169

    Observer, mit dem geänderten Threadtitel kann ich gut leben. ;-)

    Sehr schön rezensiert, Elton Gunn.
    Deinem Bericht entnehme ich, dass Du die Darbietung nicht als zu melodramatisch empfunden hast.
    In meiner Einschätzung des Konzerts schwanke ich immer noch zwischen den Auffassungen: „Schön, dass er wieder mal etwas Neues ausprobiert“ und „prätentiöser Bombast“.

    --

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    #5764743  | PERMALINK

    norbert

    Registriert seit: 08.07.2002

    Beiträge: 2,169

    Herr Observer, bitte doch noch eine kleine Korrektur im Threadtitel vornehmen: Das Konzert fand am 26.06.2007 statt.

    --

    Blog: http://noirberts-artige-fotos.com Fotoalbum: Reggaekonzerte im Berlin der frühen 80er Jahre http://forum.rollingstone.de/album.php?albumid=755
    #5764745  | PERMALINK

    norbert

    Registriert seit: 08.07.2002

    Beiträge: 2,169

    Aus der Berliner Morgenpost vom 28. Juni 2007
    Michael Pilz schrieb:

    Lou Reeds Hymne an die Frontstadt
    Der New Yorker Musiker führte nach 34 Jahren seine Rockoper „Berlin“ auf. Im Tempodrom in Kreuzberg

    Der Mantel der Geschichte weht durchs Tempodrom: Lou Reed beim „Berlin“-Konzert

    Es ist in Rockkonzerten Brauch, die Gäste mit dem jeweiligen Städtenamen anzureden. Man wird dann als Stadt befragt, wie es so geht. Als sich Lou Reed am Ende seines Auftritts allerdings ein Auge wischt und sich für Gastfreundschaft und Zuspruch bei Berlin bedankt, fühlt man sich gern als Stadt. Der Mantel der Geschichte weht durchs Tempodrom in Kreuzberg: 1973 kam „Berlin“ heraus. Ein Album, mit dem sich Lou Reed fast vorsätzlich vom glamourösen Rock abwandte und dafür entsprechend von Kritik und Publikum missachtet wurde.

    33 Jahre lang verweigerte Lou Reed dem undankbaren Volk seine zehn Songs über eine bedauernswerte Liebe in Berlin. Erst im vergangenen Jahr wurde der mittlerweile 65-jährige umgestimmt. Auch weil ihm Freunde wie der Künstler Julian Schnabel bei der späten Uraufführung halfen. Sie fand kürzlich in New York statt.

    Rockboheme der frühen Siebziger
    Selbstverständlich geht es in „Berlin“ auch weniger um Berlin als um eine urbane Rockboheme der frühen Siebzigerjahre. Aber West-Berliner Lederjackenträgern schmeichelt es noch heute, dass Lou Reed Gewalt und Drogenmissbrauch, Sex und Selbstmord hier verortet hat. Das ganze gegenkulturelle Drama. Auf den Rängen freuen sich manch alte Frontstadt-Helden über diese wahre Weltpremiere. Juppi von der UFA-Fabrik oder Wim Wenders, der Lou Reed im Film „In weiter Ferne so nah“ besetzte. Seither reist der Sänger regelmäßig in die Stadt und schaut mit Wenders in den Himmel über ihr. „Berlin“ war noch ohne Besuch entstanden. Aber für Lou Reed war Kunst schon immer wichtiger als Wirklichkeit, was sich wieder als großes Glück herausstellt.

    Auf der Bühne nimmt ein 12-köpfiger Damenchor in Büßerhemden schwankend den „Sad Song“ vorweg, der ja das Werk beschließt. Damit erhält der Liederabend seine Ouvertüre und verwandelt sich sofort in eine Rockoper. Die Band fällt mit dem Song „Berlin“ ein, weitere sieben Musiker besetzen das Orchester, man sieht Tonmeister am Rand durch blinkende Gerätegärten huschen.

    Deprimierender Bruch im Lebenswerk
    Wieder trägt Lou Reed eins seiner Muskelshirts, diesmal ein braunes. Und so singt er auch und spielt Gitarre. Hätten Songs wie „Lady Day“ schon 1973 weniger chansonesk und dafür stark nach Rockrevue geklungen, niemandem wäre „Berlin“ als etwas deprimierender Bruch im Lebenswerk Lou Reeds erschienen. Julian Schnabel hat dazu hinter die Bühne Stoffbahnen gehängt und sie mit Plattencover-Ornamenten marmoriert. Darauf werden die Bilder und die Filme ausgestrahlt, mit denen Schnabel die zehn Stücke illustriert.

    Zum Abschied gibt es auch „Sweet Jane“
    Man sieht ein blondes Mädchen, denkt ans tote deutsche Model Nico Päffgen und nimmt endlich Anteil an Lou Reeds Geschichte über Einsamkeit, Geschlechterkampf, Prostitution und den gescheiterten Versuch, den Zwängen eines bürgerlichen Daseins zu entfliehen. Jeder weiß: Es endet damit, dass der armen Caroline die Kinder weggenommen werden, woraufhin sie sich die Pulsadern aufschneidet. Das ist lange her. Boheme spielen jetzt viele in Berlin, bürgerlich, meistens ohne Kinder.

    Dass „Berlin“ ganz offensichtlich einer fernen Zeit entstammt, der populären Klassik sozusagen, lässt das Album heute umso größer wirken. Es wird festlich auf CD-Länge gebracht und mündet im Finale, wo der Chor im „Sad Song“ wieder feststellt, dass es nichts zu Lachen gibt. Aber zu Feiern: Weil Berlin so dankbar ist, zeigt sich Lou Reed erkenntlich und belohnt die Stadt zum Abschied mit „Sweet Jane“, „Satellite Of Love“, „Walk On The Wild Side“. Manchmal ist man froh, Berlin zu heißen.

    --

    Blog: http://noirberts-artige-fotos.com Fotoalbum: Reggaekonzerte im Berlin der frühen 80er Jahre http://forum.rollingstone.de/album.php?albumid=755
    #5764747  | PERMALINK

    dock

    Registriert seit: 09.07.2002

    Beiträge: 4,485

    Ein Abend in der Hölle
    Lou Reed spielt im Tempodrom sein „Berlin“-Album

    Jens Balzer

    BERLIN. Am Dienstag hat Lou Reed im Tempodrom in Berlin sein 34 Jahre altes Album „Berlin“ zu Gehör gebracht. Es war ein historischer Abend: das schlechteste, grauenerregendste Konzert, das seit langem auf einer Berliner Bühne zu sehen war; ein künstlerischer Bankrott, wie man ihn selbst von dem zeit seiner Karriere immer mal wieder zu Ausrutschern neigenden Reed nicht erwartet hätte.

    „Berlin“ erzählt in zehn Liedern die Geschichte einer scheiternden Liebesbeziehung. „In Berlin by the wall“ treffen sich Caroline und Jim; erst küssen sie sich, dann schlagen sie sich, später schlitzt sich Caroline die Pulsadern auf. Im Original trägt Reed diese erschröckliche Geschichte im nüchternen Moritatenton vor. Auch wenn „Berlin“ nicht sein bestes Album ist – diese Kühle, dieser spartanische Stil sind immerhin interessant.

    Nicht so im Gedächtniskonzert: Hierfür hat sich Reed von dem Produzenten Hal Willner ein ultradickes Classic-Rock-Arrangement schneidern lassen, das mit den abgegriffensten Mitteln versucht, der Musik Groove und Fülle zu stiften. Unter den traurigen Weisen gurgelt jetzt unablässig ein Schulmädchenchor in bläulich-weißen Gewändern; eine voluminöse Frau mit soulvoller Stimme kreischt sich öde die Seele aus dem Leib. Ein Bläserquartett behupt jeden Taktwechsel, als befände man sich in einem „Blues Brothers“-Film; der schon bei früheren Lou-Reed-Tourneen unangenehm aufgefallene Fernando Saunders klebt mit seinem weichen Bass von unten an der Musik wie Schlick an einem Dampfer.

    So zeitlos die „Berlin“-Songs in den Siebzigerjahren auch klangen, so verrottet wirkt jetzt ihr Retro-Makeup. Im Hintergrund flimmern Videofilmchen, in denen zwei Schauspieler die Story nachstellen – allerdings spielen sie nicht in Berlin, sondern in irgendeiner amerikanischen Stadt. Das Konzert hingegen findet direkt in der Hölle statt: in einer Hölle, in der die Betrunkenen ihren Banknachbarn hundert Mal erzählen, dass „der Lou“ jetzt bestimmt gleich seinen „Klassiker“ spielen wird, „Take the ride on the wild road, damit isser berühmt geworden in den Sechzigern, düd-de-düd-dü-düd-düd-düd“; in einer Hölle, in der Zombies mit Pferdeschwänzen und in schlabbernden Lederhosen noch die leisesten Stellen durch unermüdliches „Lou“-Rufen zerfetzen. „Ich hätte niemals begonnen“, singt Lou Reed am Schluss von „Berlin“, „hätte ich gewusst, wie das endet.“
    Berliner Zeitung, 28.06.2007

    --

    #5764749  | PERMALINK

    nail75

    Registriert seit: 16.10.2006

    Beiträge: 44,711

    Ok, auch welchem der beiden Konzerte wart ihr denn jeweils? Oder findet Ihr Euch weder bei der MoPo noch bei der Berliner Zeitung wieder? Mich würde ja der Tagesspiegel interessieren…;-)

    --

    Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.
    #5764751  | PERMALINK

    dr-music

    Registriert seit: 08.07.2002

    Beiträge: 70,283

    nail75Ok, auf welchem der beiden Konzerte wart ihr denn jeweils?

    Ich fürchte mal wieder: Auf gar keinem, der Dock zumindest.:krank:

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    Jetzt schon 62 Jahre Rock 'n' Roll
    #5764753  | PERMALINK

    the-imposter
    na gut

    Registriert seit: 05.04.2005

    Beiträge: 38,727

    nail75Mich würde ja der Tagesspiegel interessieren…

    bitteschön ..

    [B]Dem Mythos entkommen

    --

    out of the blue
    #5764755  | PERMALINK

    norbert

    Registriert seit: 08.07.2002

    Beiträge: 2,169

    nail75Ok, auch welchem der beiden Konzerte wart ihr denn jeweils? Oder findet Ihr Euch weder bei der MoPo noch bei der Berliner Zeitung wieder? Mich würde ja der Tagesspiegel interessieren…;-)

    Die Kritik in der Berliner Zeitung ist sicherlich überspitzt.
    Manche Schreiberlinge toben sich halt gerne aus. Man kann fast alles beifallsheischend ins Lächerliche ziehen.
    Das Konzert aus meiner Perspektive habe ich bereits im Eingangspost rezensiert.
    Zusammenfassend waren die für dieses „Projekt“ verantwortlichen Personen m.E. zu überambitioniert.
    Am meisten haben mich jedoch die Filme zu den einzelnen Songtiteln gestört.
    Ich möchte Lou Reed nicht mehr in einem solchen Bombast erleben.

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    #5764757  | PERMALINK

    norbert

    Registriert seit: 08.07.2002

    Beiträge: 2,169

    Wie ist die Show denn eigentlich beim Düsseldorfer Publikum angekommen?
    War einer von Euch dort?

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