Female Voices in Jazz (war: 25 feine Damenstimmen)

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  • #5308227  | PERMALINK

    kingberzerk

    Registriert seit: 10.03.2008

    Beiträge: 2,068

    Anita O’Day – Anita sings the most (1956) *****
    Helen Merrill with Clifford Brown (1954) ****½

    Meine Favoritin gerade: Sathima Bea Benjamin

    --

    Tout en haut d'une forteresse, offerte aux vents les plus clairs, totalement soumise au soleil, aveuglée par la lumière et jamais dans les coins d'ombre, j'écoute.
    Highlights von Rolling-Stone.de
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    #5308229  | PERMALINK

    m-c

    Registriert seit: 13.11.2007

    Beiträge: 979

    @ Friedrich

    Dein Beitrag über Anita O’Day, liest sich wie das Urteil eines Sittenpolizisten.
    Anita O’Day wurde mehrmals mit Gras erwischt. Das sie wg. Grasrauchens „mehrmals einen Entzug machen mußte“, fällt mir dann doch schwer zu glauben. „Zügellos“… naja. Im Vergleich zu Deiner Mutter sicherlich.
    Billie Holiday würde ich auch nicht als „zügellos“ abwerten wollten.
    Zügellos waren wohl eher die Umstände, welche sie in die Sucht und in den grauenhaften Tod getrieben haben.
    Ausser Musik, sehe ich zwischen den beiden Damen keinerlei Gemeinsamkeiten.

    PS: Anita O’Day ist 2006 verstorben

    --

    "Schönheit lockt Diebe schneller noch als Geld" William Shakespeare ( 1564 - 1616 )
    #5308231  | PERMALINK

    friedrich

    Registriert seit: 28.06.2008

    Beiträge: 4,877

    m.c.@ Friedrich

    Dein Beitrag über Anita O’Day, liest sich wie das Urteil eines Sittenpolizisten.
    Anita O’Day wurde mehrmals mit Gras erwischt. Das sie wg. Grasrauchens „mehrmals einen Entzug machen mußte“, fällt mir dann doch schwer zu glauben. „Zügellos“… naja. Im Vergleich zu Deiner Mutter sicherlich.
    Billie Holiday würde ich auch nicht als „zügellos“ abwerten wollten.
    Zügellos waren wohl eher die Umstände, welche sie in die Sucht und in den grauenhaften Tod getrieben haben.
    Ausser Musik, sehe ich zwischen den beiden Damen keinerlei Gemeinsamkeiten.

    PS: Anita O’Day ist 2006 verstorben

    Okay, ich gebe zu, dass ich mich etwas drastisch ausgedrückt habe, insbesondere das Wort „zügellos“ ist etwas unangemessen, zumindest in Zusammenhang mit Billie Holiday. Bei ihr ist auf jeden Fall auch immer sehr viel persönliche Tragik mit im Spiel. Das Wort „unkontrolliert“ wäre wohl passender.

    Ich finde es aber immer irgendwie verlogen, Drogenprobleme entweder

    A) ausschließlich auf die tragischen Lebensumstände zu schieben (das würde bedeuten, dass ein Großteil der Jazzmusiker der 20er bis 60 Jahre, von Bix Beiderbecke über Bubber Miley, Bird, Gene Ammons, Miles, Rollins, Chet, Mulligan, Coltrane bis zu Stan Getz, usw. usf. alle eine schwere Kindheit hatten)

    oder

    B) sie zu verharmlosen und schön zu reden.

    Drogen waren damals vermutlich eine Art Schmiermittel in der Musikerszene. Kennst Du MANTECA von Dizzy Gillespie? Ich glaube wörtlich übersetzt heit MANTECA „Fett“ oder „Butter“. Glaubst Du Diz hat ein Musikstück „Butter“ genannt und damit auch „Butter“ gemeint? Soweit ich weiß, war das ein Slang-Ausdruck für Heroin! Und MANTECA klingt in meinen Ohren nicht gerade tragisch. Das klingt nach Party! Der Rock’n’Roll-Lifestyle ist keineswegs von den Rolling Stones erfunden worden … ;-)

    ANITA O’DAY

    Ein Blick in die englischsprachige Wikipwedia verrät mit folgendes:

    O’Day’s long-term problems with heroin and alcohol addiction and her often erratic behavior related to those problems earned her the nickname „The Jezebel of Jazz“.

    (…)

    O’Day’s drug problems began to surface late in 1947, when she and her husband Carl Hoff were arrested for possession of marijuana and sentenced to 90 days in jail.

    (…)

    She recorded infrequently after the expiration of her Verve contract in 1962 and her career seemed over when she nearly died of a heroin overdose in 1968. After kicking the habit, she made a comeback at the 1970 Berlin Jazz Festival.

    (…)

    O’Day spoke candidly about her drug addiction in her 1981 memoir High Times, Hard Times.

    Das Leben meiner Mutter sieht in der Tat anders aus.

    Friedrich

    --

    „Für mich ist Rock’n’Roll nach wie vor das beste Mittel, um Freundschaften zu schließen.“ (Greil Marcus)
    #5308233  | PERMALINK

    vorgarten

    Registriert seit: 07.10.2007

    Beiträge: 12,007

    FriedrichDas Wort „unkontrolliert“ wäre wohl passender.

    da kann man auf jeden fall von einer langjährigen suchtgeschichte sprechen – mir fällt es allerdings schwer, das in ihrer musik wiederzufinden oder herauszuhören…
    klingt alles eher nach party, viel ironie und einer zeit, in der frauen im jazz etwas mehr erotische freiräume hatten als im kirchenchor.
    ich finde anita in allen aufnahmen, die ich kenne (also bis zum ende der 60er) immer hochvirtuos, intelligent (nicht weniger als merril), beinahe perfekt, gerade auch auf der ALL THE SAD YOUNG MEN mit ihren hochkomplexen arrangements (das muss man erst mal singen können!). das das bei ihr immer alles so leicht klingt, hat wohl nicht unbedingt etwas mit naivität, eher mit selbstbewusstsein zu tun.
    toll, wie sie aus der männerfantasie „THE GIRL FROM IPANEMA“ konsequent einen ipanema-boy gemacht hat – sehr sexy.

    ein schöner thread ürbigens. allerdings finde ich – obwohl ich die meisten vorgestellten damen kenne – meine sämtlichen lieblingssängerinnen nicht:
    abbey lincoln, jeanne lee, shirley horn, betty carter und karin krog. und auch sheila jordan sollte man erwähnen, oder?

    --

    #5308235  | PERMALINK

    vorgarten

    Registriert seit: 07.10.2007

    Beiträge: 12,007

    m.c.
    Ausser Musik, sehe ich zwischen den beiden Damen keinerlei Gemeinsamkeiten.

    es gibt natürlich den billie-holiday-tribut von anita, TRAV’LIN‘ LIGHT (verve 1961). da werden einige gemeinsamkeiten deutlich. musikalische natürlich.

    --

    #5308237  | PERMALINK

    friedrich

    Registriert seit: 28.06.2008

    Beiträge: 4,877

    vorgartenda kann man auf jeden fall von einer langjährigen suchtgeschichte sprechen – mir fällt es allerdings schwer, das in ihrer musik wiederzufinden oder herauszuhören…
    klingt alles eher nach party, viel ironie und einer zeit, in der frauen im jazz etwas mehr erotische freiräume hatten als im kirchenchor.
    (…)
    toll, wie sie aus der männerfantasie „THE GIRL FROM IPANEMA“ konsequent einen ipanema-boy gemacht hat – sehr sexy.

    Ich muss mich da erst mal begrifflich herantasten: Vielleicht höre ich das auch gar nicht heraus, sondern hinein! Da ich den Lebenswandel von Anita O’Day kenne, höre ich bei aller Party-Stimmung auch immer das mit, worauf es bei ihr hinauslief. Ich höre Selbstbewusstsein, Übermut und Hedonismus – und den tiefen Fall der darauf folgte. Für mich macht das A O’D sogar noch um einiges interessanter, da dadurch noch eine weitere Dimension hinzukommt. Das bekommt etwas vom Tanz auf dem Vulkan. Aber wie gesagt: Das ist hineingehört.

    Hier ist ein Trailer zu einer Doku über Anita: YouTube – ANITA O’Day: INDESTRUCTIBLE mit diesem Zitat über die *Partydroge* Heroin: „Hey, that’s better than a Martini! That’s better than sex!“

    Apropos sexy: Kennst Du auch das Stück „AN OCCASIONAL MAN“ von ihr? Eine Frauenfantasie …

    vorgartenein schöner thread ürbigens. allerdings finde ich – obwohl ich die meisten vorgestellten damen kenne – meine sämtlichen lieblingssängerinnen nicht:
    abbey lincoln, jeanne lee, shirley horn, betty carter und karin krog. und auch sheila jordan sollte man erwähnen, oder?

    Nur zu, nur zu!

    Friedrich

    --

    „Für mich ist Rock’n’Roll nach wie vor das beste Mittel, um Freundschaften zu schließen.“ (Greil Marcus)
    #5308239  | PERMALINK

    vorgarten

    Registriert seit: 07.10.2007

    Beiträge: 12,007

    Friedrich
    Hier ist ein Trailer zu einer Doku über Anita: YouTube – ANITA O’Day: INDESTRUCTIBLE

    ich kann diesen talking-heads-mist nicht mehr sehen! wer sind denn all diese opis, die sich bei sätzen abwechseln we „oh, she was like…uhm…fantastic!“ schnarch…
    aber das nur nebenbei. martini wäre übrigens das erste, woran ich denke würde, wenn ich jemandem anita o‘ days gesang beschreiben sollte…

    FriedrichApropos sexy: Kennst Du auch das Stück „AN OCCASIONAL MAN“ von ihr? Eine Frauenfantasie …

    naja, „wearing nothing but a great big smile“ – eine frauenfantasie, von einem mann fantasiert… aber toll. ich kenne das von anita’s TEA FOR TWO aufnahme mit cal tjader, bin, was das lied angeht, aber völlig festgelegt auf die version von abbey lincoln (auf IT’S MAGIC). da höre ich wirklich sex, während frau day sich sehr auf den latin-rhythmus konzentriert. was nicht unerotisch ist.
    anita hat ja wie auch julie london oder chris connor eher diese sophisticated erotik – hausfrauenfrisuren, dekolletés, die aus sekundären geschlechtsmerkmalen etwas machen, was nicht wirklich zum körper zugehörig erscheint, aber dazu eine textinterpretation, die jedes wort auf die goldwaage legt…

    Friedrich
    Nur zu, nur zu!
    Friedrich

    darf man das denn so ohne weiteres als überzeugter rassistischer sittenpolizist?

    --

    #5308241  | PERMALINK

    friedrich

    Registriert seit: 28.06.2008

    Beiträge: 4,877

    vorgarten ich kann diesen talking-heads-mist nicht mehr sehen! wer sind denn all diese opis, die sich bei sätzen abwechseln we „oh, she was like…uhm…fantastic!“ schnarch…

    Mag sein. Habe weder den Trailer noch die Doku selbst gemacht, insofern trifft mich Dein vernichtender Totalveriss zum Glück herzlich wenig. Ging mir in erster Linie um die paar Konzertausschnitte und den Interviewausschnitt mit der auch im hohen Alter erstaunlich rüstigen und temperamentvollen AO’D.

    vorgarten aber das nur nebenbei. martini wäre übrigens das erste, woran ich denke würde, wenn ich jemandem anita o‘ days gesang beschreiben sollte…

    Da bin ich mehr für einen raffinierten Cocktail mit Lametta. Einen trockenen Martini würde ich mir lieber zu Helen Merrill schmecken lassen.

    vorgarten naja, „wearing nothing but a great big smile“ – eine frauenfantasie, von einem mann fantasiert… aber toll. ich kenne das von anita’s TEA FOR TWO aufnahme mit cal tjader, bin, was das lied angeht, aber völlig festgelegt auf die version von abbey lincoln (auf IT’S MAGIC). da höre ich wirklich sex, während frau day sich sehr auf den latin-rhythmus konzentriert. was nicht unerotisch ist….

    Dr. Vorgarten wie man ihn kennt und schätzt: Messerscharf analytisch sezierend und unerbittlich im Urteil! Ich gehe davon aus, dass ich von Abbey Lincoln noch hören werde …

    vorgartenanita hat ja wie auch julie london oder chris connor eher diese sophisticated erotik – hausfrauenfrisuren, dekolletés, die aus sekundären geschlechtsmerkmalen etwas machen, was nicht wirklich zum körper zugehörig erscheint, aber dazu eine textinterpretation, die jedes wort auf die goldwaage legt…

    Wahrscheinlich eine Zeiterscheinung der 50er/60er Jahre, diese unzerstörbaren Betonfrisuren und Drahtkorb-BHs, die an nukleare Sprengköpfe von Interkontinentalraketen denken lassen. Die Autos hatten damals ein ganz ähnliches Design wie die Frauen. Beide wurden wahrscheinlich von Männern für Männer entworfen und gefertigt. Die Raketen sowieso.

    vorgartendarf man das denn so ohne weiteres als überzeugter rassistischer sittenpolizist?

    Wer sagt das?

    F.

    --

    „Für mich ist Rock’n’Roll nach wie vor das beste Mittel, um Freundschaften zu schließen.“ (Greil Marcus)
    #5308243  | PERMALINK

    m-c

    Registriert seit: 13.11.2007

    Beiträge: 979

    Friedrich

    Wahrscheinlich eine Zeiterscheinung der 50er/60er Jahre, diese unzerstörbaren Betonfrisuren und Drahtkorb-BHs, die an nukleare Sprengköpfe von Interkontinentalraketen denken lassen. Die Autos hatten damals ein ganz ähnliches Design wie die Frauen. Beide wurden wahrscheinlich von Männern für Männer entworfen und gefertigt. Die Raketen sowieso.

    F.

    Ja, diese BHs hat Howard Hughes entworfen.

    --

    "Schönheit lockt Diebe schneller noch als Geld" William Shakespeare ( 1564 - 1616 )
    #5308245  | PERMALINK

    friedrich

    Registriert seit: 28.06.2008

    Beiträge: 4,877

    vorgartennaja, „wearing nothing but a great big smile“ – eine frauenfantasie, von einem mann fantasiert… aber toll.

    Hmmm, ich gebe zu, ich habe niemals wirklich auf den Text geachtet. Die Zeile „An occasional man“ klang für mich toll. Wie würde man das auf deutsch sagen? „Dann und wann mal einen Mann“?

    Ist es nicht bezeichnend, dass fast alle Jazz-Sängerinnen fast ausschließlich Songs singen, die von Männern geschrieben wurden? Und dass die meisten in Form von Männerfantasien daherkommen? Ausnahmen gibt es natürlich, spontan würden mir Nina Simone (vor der hat man ja Angst) und Helen Merrill einfallen (die will mit einem diskutieren), Ella Fitzgerald (hat sowas Mütterliches), bei Billie Holiday hört man, dass sie mit ihrer Rolle nicht klar kam, aber dieser auch nicht entfliehen konnte. „If my man got no money / and I say, take all of mine, honey / ain’t nobodys business, if I do“. Ist das jetzt souverän oder hilflos? Ich gehe davon aus, dass BH das oft genauso gehandhabt hat und es Männer gab, die das oft genug parasitär ausgenutzt haben.

    Wie ist das denn heute? Cassandra Wilson, Rebekka Bakken, Norah Jones, mal ganz unabhängig von deren musikalischen Qualitäten betrachtet, die werden doch alle über ihr Aussehen verkauft. Gibt es namhafte Jazz-Sängerinnen, die ihr Image selbst bestimmen und die sogar ihre Songs selber schreiben? Wo ist sie, die emanzipierte Jazz-Sängerin?

    m.c.Ja, diese BHs hat Howard Hughes entworfen.

    Kann gut hinkommen. Dieser Mann wusste, was er wollte!

    F.

    --

    „Für mich ist Rock’n’Roll nach wie vor das beste Mittel, um Freundschaften zu schließen.“ (Greil Marcus)
    #5308247  | PERMALINK

    vorgarten

    Registriert seit: 07.10.2007

    Beiträge: 12,007

    FriedrichHmmm, ich gebe zu, ich habe niemals wirklich auf den Text geachtet. Die Zeile „An occasional man“ klang für mich toll. Wie würde man das auf deutsch sagen? „Dann und wann mal einen Mann“?

    das ist auf der einen seite eine weibliche paradies-fantasie: eine insel zu besitzen und sich – wenn einem gerade danach ist – eine papaya oder einen mann zu nehmen. auf der anderen seite entsteht aber beim hörer das bild einer nackten frau vor südseeinsel-kulisse (und das war in den 50ern wahrscheinlich die stärkere fantasie…)

    Friedrich
    Ist es nicht bezeichnend, dass fast alle Jazz-Sängerinnen fast ausschließlich Songs singen, die von Männern geschrieben wurden? Und dass die meisten in Form von Männerfantasien daherkommen?

    sicher. wobei man es ja mit darstellender kunst zu tun hat – und die sängerin, die „ich“ singt, nicht unbedingt aus ihrem leben erzählt (sondern eine rolle verkörpert). das „lyrische ich“, wie man aus dem deutschunterricht weiß…
    ich glaube, dass viele dieser broadway-musical-texte gerade damit spielen, dass man sich als sänger(In) nicht mit ihnen identifiziert – als ein allgemeines, elegantes spiel mit allgemeinplätzen über die liebe. und wenn eine ella fitzgerald einen song (und text) von cole porter singt, ist das ja auch sehr komplex – denn was wusste cole porter schon von frauen…?

    witzig und entlarvend finde ich, wie gesagt, anita o’days BOY FROM IPANEMA – weil sie damit (wie es die männer immer mit frauen gemacht haben) ein objekt der begierde völlig auf seinen körper reduziert:
    „When he walks, he’s like a samba / That swings so cool and sways so gentle / That when he passes, each one he passes goes – ooh“.

    FriedrichAusnahmen gibt es natürlich, spontan würden mir Nina Simone (vor der hat man ja Angst) und Helen Merrill einfallen (die will mit einem diskutieren), Ella Fitzgerald (hat sowas Mütterliches), bei Billie Holiday hört man, dass sie mit ihrer Rolle nicht klar kam

    mir fällt da sofort abbey lincoln ein, die, als sie coltrane und monk kennen gelernt hat, auch sofort damit anfing, texte für deren kompositionen zu schreiben (AFRICA / BLUE MONK). die teilweise jahre an einem song komponiert und ihn damit mit ihrer eigenen geschichte aufgeladen hat (DOWN HERE BELOW und THROW IT AWAY), allerdings wieder so, dass auch andere sängerinnen ihn übernommen haben. es gibt mittlerweile ein abbey-lincoln-songbook, wynton marsalis hat ende der 90er 3 tage lang abbey mit ihren songs am lincoln center auftreten lassen (unterstützt von joe lovano und steve coleman), kendra shank hat ein ganzes abbey-lincoln-album aufgenommen (A SPIRIT FREE) und cassandra wilson hat auf GLAMOURED THROW IT AWAY interpretiert.

    Friedrich
    Wie ist das denn heute? Cassandra Wilson, Rebekka Bakken, Norah Jones, mal ganz unabhängig von deren musikalischen Qualitäten betrachtet, die werden doch alle über ihr Aussehen verkauft. Gibt es namhafte Jazz-Sängerinnen, die ihr Image selbst bestimmen und die sogar ihre Songs selber schreiben? Wo ist sie, die emanzipierte Jazz-Sängerin?

    cassandra wilson würde ich da schon ausnehmen wollen – die ist doch eher von den blonden skandinavierinnen und ihrer konträr-erotik ins abseits gedrängt worden, hat zumindest die richtung ihrer musik selbst eingeschlagen (durch M-BASE, die auseinandersetzung mit robert johnson und die zusammenarbeit mit ihrem ungewöhnlichen produzenten) – und wie gesagt: emanzipation muss nach meiner ansicht nach im gesangsbereich nicht damit zu tun haben, dass man eigene lieder textet. blues ist ja auch rollenprosa!

    übrigens finde ich es schlimm, wenn du billie holiday mit „BH“ abkürzt“…

    --

    #5308249  | PERMALINK

    friedrich

    Registriert seit: 28.06.2008

    Beiträge: 4,877

    vorgarten cassandra wilson würde ich da schon ausnehmen wollen – die ist doch eher von den blonden skandinavierinnen und ihrer konträr-erotik ins abseits gedrängt worden, hat zumindest die richtung ihrer musik selbst eingeschlagen (durch M-BASE, die auseinandersetzung mit robert johnson und die zusammenarbeit mit ihrem ungewöhnlichen produzenten) – und wie gesagt: emanzipation muss nach meiner ansicht nach im gesangsbereich nicht damit zu tun haben, dass man eigene lieder textet. blues ist ja auch rollenprosa!

    Ja, stimmt, ich mag die ja ganz gerne. Mir fiel allerdings auf, dass es manchmal eine eigenartige Diskrepanz zwischen dem auf z.B. Plattencovern von ihr vermittelten Bild und ihrer Musik gibt. BLUE LIGHT TIL DAWN geht ja noch, wenngleich das Cover auch als Werbung für L’Oreal funktionieren würde. NEW MOON DAUGHTER? Da gibt’s einiges an nackter Haut. Habe ich ja nichts dagegen, aber dann höre ich auf BLTD das Lied HELLHOUND ON MY TRAIL und frage mich: „L’Oreal und der Höllenhund? Wie geht das zusammen?“ Mir scheint, das Hochglanzcover mit Lippenstift und nackter Haut muss wohl sein, sonst kannst Du in Konkurrenz mit all den blonden Hübschchen überhaupt keine Platte mehr verkaufen.

    Mit der Rollenprosa hast Du natürlich recht. Bei mir liegt der Deutschunterricht halt schon ein paar Jahre zurück.

    vorgartenübrigens finde ich es schlimm, wenn du billie holiday mit „BH“ abkürzt“…

    Hahaha! Ist mir auch aufgefallen, zumal ich die Abkürzung ja auch noch für
    was anderes verwendet habe. Aber dann fand ich es so schön blöde, dass es schon wieder lustig wurde. Nennen wir sie doch einfach Billie!

    F.

    --

    „Für mich ist Rock’n’Roll nach wie vor das beste Mittel, um Freundschaften zu schließen.“ (Greil Marcus)
    #5308251  | PERMALINK

    friedrich

    Registriert seit: 28.06.2008

    Beiträge: 4,877

    Wäre doch ein Jammer, wenn dieser Thread einschliefe. 25 Sängerinnen waren von asdfjkö (was für ein schöner und einprägsamer Nickname!) angekündigt, aber nach Nummer 20 verstummte er. Schade!

    Freund vorgarten erwähnte noch ein paar Sängerinnen, die es wert sind entdeckt und gehört zu werden. Dank einer ebenso amüsanten wie geistreichen kleinen Fortbildung habe ich zumindest oberflächliche Bekanntschaft mit der einen oder anderen Kandidatin gemacht. Ich habe nicht schlecht Lust, diese Serie ein bisschen fortzusetzen. Meine Kenntnisse sind jedoch nur rudimentär, denn ich entdecke selbst noch. Learning by listening. Man verzeihe mir also Ungenauigkeiten und Irrtümer. Ergänzungen und Kommentare sind erwünscht.

    Teil 21 : Karin Krog

    Karin Krog ist die bislang erste Europäerin in diesen Reihen. Täusche ich mich oder ist sie auch die bislang erste, die noch unter den Lebenden weilt?

    Geboren 1937 in Oslo, Norwegen.

    Seit Mitte der 50er Auftritte als Sängerin in lokalen Clubs, erstes Solo-Album BY MYSELF im Jahr 1964.

    Erfolge auf europäischen Festivals, sie spielt mit späteren Größen des skandinavischen Jazz wie Jan Gabarek und Niels-Henning Orsted Petersen, später auch mit anderen europäischen Musikern.

    1967 nennt DOWN BEAT sie „Artist Deserving Wider Recognition“. Anfang der 70er USA-Besuche, zurück in Oslo Auftritte und Aufnahmen mit solch Musikern wie Dexter Gordon und Kenny Drew, die von Amerika ins europäische Exil gegangen waren.

    In den 80ern weiterhin Aufnahmen und Tourneen. 1987 gründet sie ihr eigenes Label MEANTIME RECORDS.

    Nicht unerwähnt soll bleiben: 2005 wird Karin Krog von König Harald V mit dem Sankt-Olavs-Orden Erster Klasse ausgezeichnet. :lol:

    Warum kennt außerhalb Skandinaviens kaum jemand Karin Krog?

    Eigentlich war sie zur rechten Zeit am rechten Ort. Man stelle sich mal vor, welch katalytische Wirkung die Anwesenheit von Leuten wie Dexter Gordon auf die skandinavische Szene hatte! Um eine große Swing-Sängerin zu werden, war sie aber definitiv zu spät dran und Oslo ist dafür wohl auch nicht der beste Ort. Blöderweise wurde die gerade aufgeblühte Jazz-Szene Ende der 60er auch schon wieder vom Rock überrollt und Jazz-Gesang hatte keine Konjunktur mehr. Für den Boom der skandinavischen Sängerinnen ist sie dann aber auch schon wieder ein-zwei Generationen zu alt. Pech! Das sagt aber gar nichts über die Klasse ihrer Musik aus.

    Auch ich hatte bis vor einer Woche gerade mal ihren Namen gehört. Beim Begriff „Skandinavische Jazzängerin“ zucke ich normalerweise instinktiv mit den Schultern. Aber Karin Krog kann man eben nicht mit der gegenwärtigen Flut gefällig singender Blondinen aus dem Norden in Verbindung bringen. Hier haben wir es mit einer Frau von ganz anderen Format zu tun, die ihre Karriere begann, als Jazz in Europa seine ersten Schritte wagte und die in ihrem Heimatland und später auch darüberhinaus nicht nur eine treibende Kraft war sondern auch ihren sehr individuellen Gesangsstil entwickelt hat.

    Sehr empfehlenswert ist die Platte SOME OTHER SPRING (Meantime) von 1970 mit keinem geringeren als Dexter Gordon als Co-Leader, Kenny Drew am Piano, NHOP am Bass u.a. Karin Krogs Stil ist immer etwas keck, tongue-in-cheek, aber lässig, cool, unterkühlt sexy und waaahnsinnig hip! Man sieht es förmlich vor dem geistigen Auge, wie sie bei manchen Passagen eine Augenbraue (aber nur eine!) hoch zieht. Schon wie sie auf dem Titelstück bei den Zeilen „Sun shines around me / but deep in my heart / it’s cold as ice“ das Wort “Ice“ phrasiert, ist so unnachahmlich cool, dass sich alleine deswegen die Anschaffung der Platte lohnt. Ich weiß nicht genau, wie ich das nennen soll: Ist das Ironie? Cleverness? Das Thema „Lyrisches Ich“ hatten wir ja schon mal … Wie auch immer, auf dem Alternate-Take von SOS verzichtet sie jedenfalls auf diesen Effekt und das Stück verliert sofort an Reiz. Das sind nicht nur Kabinettstückchen (so vordergründig kommen sie auch nicht), sondern genau das macht den Reiz von KKs Gesang aus.

    Für mich verblüffend auf SOS ist aber auch ihr völlig unironisches Tribut an den Sänger Jimmy Scott* (mit den Stücken I WISH I KNEW und EVERYBODY’S SOMEBODY’S FOOL), dessen Gesangsstil eigentlich ihrem eigenen diametral gegenübersteht. Ihre Hausaufgaben hat sie also auch auf jeden Fall gemacht.

    Weitere Platten kenne ich noch nicht. Könnte sich aber lohnen.

    F.

    * Jimmy Scott ist ein us-amerikanischer Sänger, der aufgrund einer Erbkrankheit nicht in den Stimmbruch kam und daher in Sopran-Lage singt. In den 50er/60ern war er erfolgreich, kam dann aufgrund vertraglicher Probleme unter die Räder und hatte erst in den 90ern ein Comeback. JS kann herzergreifend jammern und klagen ohne seinen Stolz zu verlieren. Ein Thema für sich.

    --

    „Für mich ist Rock’n’Roll nach wie vor das beste Mittel, um Freundschaften zu schließen.“ (Greil Marcus)
    #5308253  | PERMALINK

    icculus66

    Registriert seit: 09.01.2007

    Beiträge: 2,276

    Sind nur 25 erlaubt?

    Während ich das hier in die Tasten haue, läuft gerade Dianne Reeves im TV.
    Eine Aufzeichnung von den Stuttgarter Jazz Open 2008 auf 3sat.

    Feine Mucke!

    --

    Free Jazz doesn't seem to care about getting paid, it sounds like truth. (Henry Rollins, Jan. 2013)
    #5308255  | PERMALINK

    friedrich

    Registriert seit: 28.06.2008

    Beiträge: 4,877

    icculus66Sind nur 25 erlaubt?

    Dianne Reeves

    Feine Mucke!

    Hallo!

    Erlaubt ist was gefällt!

    Eine Untergrenze von mindestens 500 Zeichen für Posts ist von der Jazzpolizei noch nicht festgelegt worden. Ein bisschen mehr als die bloße Erwähnung eines Namens wäre aber trotzdem schön. ;-)

    F.

    --

    „Für mich ist Rock’n’Roll nach wie vor das beste Mittel, um Freundschaften zu schließen.“ (Greil Marcus)
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