Mikkos LP Faves

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    mikko
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    Moderator / Juontaja

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    Lange angekündigt und nun doch endlich wahr gemacht. Meine „LPs für die Insel“ sozusagen. Dass ich ausgerechnet mit meiner Lieblings-LP beginne, hat was mit dem Jubiläum der Platte und mit einem schon vor Monaten gegebenen Versprechen zu tun.

    BeatlesRev.jpg

    The Beatles – Revolver (Parlophone, 1966)

    Aus mehr oder weniger aktuellem Anlass beginne ich mit dieser LP, die sogar auch noch seit Jahren meine absolute Lieblingsplatte ist. Warum das so ist, will ich nun versuchen zu verdeutlichen. Am 5. August 1966 erschien diese LP im UK, das siebente reguläre Beatles Album. D.h. von Album sprach man damals noch nicht. Dieser Begriff machte erst ein paar Jahre später aus LPs mit 10-14 relativ zufällig kompilierten gerade aktuellen Songs Alben, die gleich viel mehr Bedeutung erlangten. In diesem Sinn ist „Revolver“ dann wohl doch schon ein Album. Einerseits spiegeln diese 14 Tracks den Zustand der zu jener Zeit erfolgreichsten Beatband der Welt. Andererseits liefern diese Tracks die Blaupause, die Anleitung für viele Innovationen in der Popmusik, für Veränderungen und grandiose Neuerungen. „Revolver“ fängt den Moment dieser Transition von der popmusikalischen Unschuld zu psychedelischer Exaltiertheit einerseits und dem Ausverkauf der Beatmusik andererseits auf die wunderbarste Weise ein. Diese Platte ist vielschichtig, abwechslungsreich, absolut auf der Höhe ihrer Zeit und sie wird mir niemals langweilig. Obwohl ich beinahe jeden Ton dieser LP auswendig kenne, werde ich nie müde, sie immer und immer wieder zu hören.

    Los geht’s mit George Harrisons sarkastischer Hommage an den Steuereintreiber, den Finanzbeamten, den „Taxman“. Knackiger Bass, klasse Gitarrenarbeit! Ein typisches Modstück. Mit seinem Offbeat lädt es sofort zum Tanzen ein. Und es ist der ideale Opener für diese LP. Es folgt „Eleanor Rigby“. Für einen Popsong damals ungewöhnlich erwachsen und ernst. Wer auch immer die Idee mit dem Streichquartett hatte, diese Idee ist genial. Ich denke, ich muss jetzt nicht in aller Ausführlichkeit die Songs erläutern und interpretieren. In der aktuellen Ausgabe von Mojo (Nr. 152 vom Juli 2006) wird genau das auf rund sechs Seiten getan. „I’m Only Sleeping“ ist wundervoll mit seinen kleinen psychedelischen Effekten wie rückwärts laufenden Gitarren, aber auch von seiner Grundstimmung. Dieser Track setzt Maßstäbe für unzählige relaxte Psych-Pop Nummern, die in den nächsten zwei Jahren folgten. Mit „Love You To“ taucht George erstmals richtig in seine indische Musikwelt. Die Aufnahme ist gerade exotisch genug und noch ausreichend konventionell im Songwriting, um einen anzutörnen und mitzunehmen auf die Reise in neue musikalische Gefilde. „Here, There And Everywhere“ lässt mich die Augen schließen und selig träumen. Eine wunderschöne Melodie, sehr angemessen sparsam arrangiert. Ein perfekter Lovesong! Danach wache ich wieder auf und gehe an Bord des „Yellow Submarine“. Natürlich ist das eher ein Kinderlied, das man mit einem gewissen Schmunzeln und Augenzwinkern zur Kenntnis nimmt. Und doch ist es absolut adäquat und genial umgesetzt. Ich liebe diesen Track imgrunde nicht weniger als die anderen auf dieser LP. Weiter geht es mit „She Said She Said“. Ein ziemlicher Schnellschuss, wie ich jetzt las. Nun, dafür ist es ausgesprochen gelungen! Ich liebe diese Rhythmik und diese harmonischen Wendungen. Die Gitarre ist wundervoll. Proto-Raga-Rock, wenn man so will. Mit „Good Day Sunshine“ folgt ein weiterer Track, der von vielen eher abschätzig bewertet wird. Dabei ist das doch der ideale gute-Laune-mir-kann-keiner Popsong! Absolut treffend intoniert und vorgetragen. „And Your Bird Can Sing“ setzt die formidable Stimmung fort und noch einen drauf. Vortrefflicher Jingle Jangle Gitarrenpop! Danach wird es wieder nachdenklich bei „For No One“, fast hätte ich gesagt besinnlich. Aber warum nicht? Wenn eine Beziehung in die Brüche geht, die Liebe erlischt, dann ist es Zeit, sich zu besinnen. Musikalisch ist auch dies sehr einfühlsam und für damalige Popmusik Verhältnisse auch sehr innovativ umgesetzt mit diesem Cembalo (?) und dem englischen Horn. „Doctor Robert“ verbindet wieder ausgesprochen genial schlichten Mod Beat mit dezenter Psychedelia. Keine Ahnung wie sie diesen Gitarrensound hinkriegen. Klingt jedenfalls großartig. Bei „I Want To Tell You“ bedient sich George bei einigen Soundideen, die man heute wohl mit Northern Soul assoziieren würde. Wundervoller Song im übrigen. Weiter in Richtung Soul lehnt sich Paul beim folgenden „Got To Get You Into My Life“, das ich gerade wegen dieses Arrangements mit Bläsern anfangs nicht so sehr mochte. Inzwischen liebe ich auch diese Aufnahme, die ungemein vorwärts drängt und enorme positive Energie versprüht. Der Höhepunkt, wenn man so will, kommt zum Schluss. Mit dieser Aufnahme haben The Beatles Maßstäbe gesetzt! „Tomorrow Never Knows“ ist in jeder Beziehung absolut großartig und genial! Ringos Drums, die Tape Loops, der entrückte Gesang, die Lyrics – alles genau so, wie es sein soll, möchte ich meinen. Und dabei betraten die Vier vollkommenes Neuland mit dieser Produktion. Danach kann nichts mehr kommen, was das noch übertreffen könnte.

    Wie gesagt, diese LP fasziniert mich seit Jahren schon. Eigentlich seit Jahrzehnten. Kennen gelernt habe ich sie allerdings nicht zum Zeitpunkt ihres Erscheinens und auch nicht als erste Beatles LP. Genau kann ich mich nicht mehr erinnern, aber ich glaube es muss irgendwann 1968 gewesen sein, dass ich diese Platte zum ersten Mal als Ganzes wahrnahm. Gekauft habe ich sie mir aber erst in den frühen 70ern. Da besaß ich von den Beatles bereits einige andere LPs. Richtig oft gehört habe ich die Platte dann so um 1971/72 und vor allem später wieder in den 80er Jahren. Zu meiner Lieblingsplatte hat sich „Revolver“ auch erst dann entwickelt. Für mich ist das die perfekte Pop LP mit allen wesentlichen Aspekten und Facetten, die ich an Popmusik besonders liebe. Das heißt nicht, dass ich andere Platten mit anderen stilistischen und soundmäßigen Schwerpunkten nicht auch schätze. Aber wenn ich eine Wahl zu treffen habe, dann ist dies die Nummer Eins.

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    Twang-Bang-Wah-Wah-Zoing! - Die nächste Guitars Galore Rundfunk Übertragung ist am Donnerstag, 19. September 2019 von 20-21 Uhr auf der Berliner UKW Frequenz 91,0 Mhz, im Berliner Kabel 92,6 Mhz oder als Livestream über www.alex-berlin.de mit neuen Schallplatten und Konzert Tipps! - Die nächste Guitars Galore Sendung auf radio stone.fm ist am Dienstag, 17. September 2019 von 20 - 21 Uhr mit US Garage & Psychedelic Sounds der Sixties!
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      #5217833  | PERMALINK

      Anonym
      Inaktiv

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      Beiträge: 0

      Sehr, sehr cool, Mikko! „Revolver“ gehört zwar nicht zu meinen persönlichen Favoriten, aber der Text ist super und ich freue mich schon auf die nächsten LPs!

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      #5217835  | PERMALINK

      vega4

      Registriert seit: 29.01.2003

      Beiträge: 8,667

      Sehr schöner Text!! Werde mir heute wieder mal „Revolver“ anhören… :-)

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      Der Teufel ist ein Optimist, wenn er glaubt, dass er die Menschen schlechter machen kann. "Fackel" - Karl Kraus
      #5217837  | PERMALINK

      meloy

      Registriert seit: 07.01.2006

      Beiträge: 1,378

      Schöner Text und ein sensationelles Album, das ich erst vor kurzem für mich entdeckt habe.
      Shame on me… ;-)

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      #5217839  | PERMALINK

      tina-toledo
      Moderator

      Registriert seit: 15.06.2005

      Beiträge: 13,392

      Toller Text, Mikko! Bei allen Tracks treffend auf den Punkt gebracht, was sie jeweils auszeichnet, und auch schön, dass du die Platte in der Einleitung kurz im Kontext der Zeit betrachtest und die „Album als Gesamtwerk“- Problematik erwähnst. Ein unfassbar großartiges Album, ebenfalls wohl mein liebstes Album aller Zeiten. Freu mich auf deine nächsten Texte!

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      Sir, I'm going to have to ask you to exit the donut!
      #5217841  | PERMALINK

      latho
      No pretty face

      Registriert seit: 04.05.2003

      Beiträge: 36,823

      kramerSehr, sehr cool, Mikko! „Revolver“ gehört zwar nicht zu meinen persönlichen Favoriten, aber der Text ist super und ich freue mich schon auf die nächsten LPs!

      Ich schließe mich in allem an und werde mich demnächst einmal mit der Platte näher beschäftigen.

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      If you talk bad about country music, it's like saying bad things about my momma. Them's fightin' words.
      #5217843  | PERMALINK

      nite-flights

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      #5217845  | PERMALINK

      beatlebum

      Registriert seit: 11.07.2002

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      nite flightsSicherlich nicht mein Lieblingsalbum der Beatles, aber aus meiner Sicht wohl ihr wegweisendstes Werk.

      Welches ist das Lieblingsalbum?

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      Captain Beefheart to audience: Is everyone feeling all right? Audience: Yeahhhhh!!! awright...!!! Captain Beefheart: That's not a soulful question, that's a medical question. It's too hot in here.
      #5217847  | PERMALINK

      clau
      Coffee Bar Cat

      Registriert seit: 18.03.2005

      Beiträge: 91,363

      Jawoll Mikko!
      Fürwahr eines der ganz ganz großen Meisterwerke. Bahnbrechend. Gute Beschreibungen, ich höre die Platte ähnlich wie Du.

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      How does it feel to be one of the beautiful people?
      #5217849  | PERMALINK

      nite-flights

      Registriert seit: 15.07.2004

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      #5217851  | PERMALINK

      mikko
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      Moderator / Juontaja

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      Eigentlich wollte ich in diesem Thread ja meine absoluten Favoriten vorstellen. Und es werden sicher auch LPs dabei sein, die zu meinen Lieblingsplatten gehören.
      Aber zunächst stelle ich hier nun einfach mal Platten vor, auf die ich – nicht zuletzt duch das Forum hier – aufmerksam wurde und die ich zumindest für hörenswert halte.

      Gypsy – s/t (DoLP, Metromedia, www.gypsy-queen.net)

      Durch das Leserforum des Rolling Stone wurde ich auf diese Band und Platte aufmerksam. Und nun habe ich die originale Debüt Doppel-LP der Band relativ günstig bei eBay erstanden. Neugierig gemacht hat mich zunächst das Cover, das – typisch für Zeit und Ort – ein Frauenporträt des tschechischen Jugendstil Malers Alfons Mucha verwendet. Die Band stammt ursprünglich aus Minnesota, war aber 1969/70 die Hausband im „Whisky A Go Go“ in Hollywood. Ihre erste Single „Gypsy Queen“ wurde im Sommer 1970 in den Billboard Charts notiert. Das Doppelalbum „Gypsy“ erschien im selben Jahr. Die Musik darauf ist ausgesprochen zeittypisch. Auch wenn die Band heute als Progressive Act bezeichnet wird, ist sie eher eine typische Westcoast Band mit einem Hang zu schönen, gefälligen Sounds und Harmonien. Die Songs wurden überwiegend vom inzwischen verstorbenen Gitarristen der Band Enrico Rosenbaum geschrieben. Zusammen mit dem Keyboarder Joe Walsh zeichnete er auch für Arrangements und Produktion verantwortlich. Die Stücke auf dem Debüt sind meist recht komplex. Klassische Songstrukturen werden ergänzt durch immer wieder prägnante Solo Passagen von Gitarre oder Orgel, die jedoch nie ausufern oder zum Selbstzweck verkommen. Immer wieder gibt es sehr schöne Vokal Harmonien, die an Beach Boys oder reine Vokal Gruppen wie The Fifth Dimension erinnern. Streicher Arrangements treten hier und da hinzu, und bei den längeren Tracks – immerhin drei der 13 Tracks auf dem Album sind deutlich über sechs Minuten lang – gibt es dann auch diese für Prog Rock typischen mäandernden Keyboard Passagen, die aber immer in sehr schöne Vokal Parts münden und den Eindruck von Hippie Harmonie und Seligkeit noch bestärken. Songwriting und Arrangement sind letztlich näher and Crosby, Stills & Nash als an Genesis. Die komplexen Streicher und Keyboard Passagen bei „The Vision“ zum Beispiel erinnern eher an Broadway Musicals als an die fantastischen Visionen britischer Prog Rocker. Auch der längste Track der Platte „Dead And Gone“ beginnt zunächst als flotte Westcoast Folkrock Nummer, um dann im zweiten Teil Tempo und Stimmung deutlich zu drosseln mit ruhigen Keyboard Clustern. Schließlich werden beide Stränge am Ende zu einem vereint, was bei mir Erinnerungen an „It’s A Beautiful Day“ beschwört. Beim letzten Track der LP werden dann noch mal alle Register gezogen. Es ist der bombastischste und eigentlich musikalisch übertriebenste Track der Platte mit heftigem Phasing auf dem Drums nach dem Vorbild von „In-A-Gadda-Da-Vida“. Auch wenn mir die kürzeren Stücke eher zusagen, diese Platte ist ein gelungenes Gesamtkunstwerk. ***1/2

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      #5217853  | PERMALINK

      mikko
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      The Inner Space – Agilok & Blubbo (LP, Wah Wah Records, www.wah-wahsupersonic.com)

      The Inner Space sind niemand anderes als Can in einer ersten Inkarnation zwischen Beat, Krautrock, Psychedelia und früher Elektronik. „Agilok & Blubbo“ ist ein Film, ein deutscher Underground Film aus dem Jahr 1968. Die Debütarbeit von Peter Schneider. Und das hier ist der Soundtrack dieses Films. In dieser Form wird die Filmmusik hier zum ersten Mal veröffentlicht. 1968 erschien lediglich eine 7“45 mit dem Titeltrack des Films und dem „Kamera Song“ auf der B-Seite, gesungen von Model Rosi-Rosi, die auch die Hauptrolle im Film spielte. Der Film erzählt eine völlig überdrehte Geschichte aus der linksalternativen Popart Bohéme München-Schwabings. Die wirren Pläne zweier kauziger Revoluzzer werden von dem Model Michaela (Rosi-Rosi) durchkreuzt. Rosi-Rosi spielte im Schwabing der späten Sixties eine ähnliche Rolle wie Uschi Obermaier. Nur wurde sie nicht so bekannt. Ich kenne den Film leider nur aus der Zusammenfassung des Plattencovers. Er ist zur Zeit in keinem Verleih oder auf DVD erhältlich. Den wenigen Ausschnitten nach zu urteilen, die bei YouTube mal zu sehen waren, muss er eine Mischung aus Psych-Out, Blow-Up und Rote Sonne sein. Der Soundtrack hier ist jedenfalls etwas ganz Besonderes. Die Musik ist mal reine Filmmusik, elektronisch zumeist und den Sounds nicht unähnlich, die David Vorhaus und Delia Derbyshire etwa zur gleichen Zeit mit The White Noise produzierten. Dann wieder ist es Sixties Pop, Sunshine Pop mit einem Hang zu Lounge, Easy Listening. Der „Kamera Song“ sticht natürlich heraus. Mit seinem ganz eigenen bizarren Charme erinnert er entfernt an Nico bei Velvet Underground oder auch an französischen Yé Yé Pop. Noch seltsamer ist das „Revolutionslied“, das ebenso gut von Witthüser & Westrupp stammen könnte. Und schließlich hört man dem Soundtrack die klassische und Jazzausbildung der Herren Irmin Schmidt, Holger Czukay und Jaki Liebezeit an. Mit der Musik, die sie nur wenig später als Can machten, hat das noch wenig zu tun. Etwas nervtötend ist das über 10-minütige „Apokalypse“ am Schluss der Platte mit seinen dissonanten Flötentönen über einem treibenden Beat. Das aber ist wohl Absicht. ***1/2

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      mikko
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      The Mandrake Memorial – Puzzle
      (LP, Wah Wah Records, www.mandrakememorial.com)

      Die dritte und letzte LP der Band aus Philadelphia (USA) erschien im Original 1969. Zu diesem Zeitpunkt war die Band bereits zum Trio geschrumpft. Trotzdem ist diese LP ihr aufwändigstes, vielschichtigstes Album. Ein psychedelisches Konzeptalbum mit klassischen Einflüssen und einem Charakter von Barock-Artrock, der mit typisch britischem Progrock jedoch gar nichts zu tun hat. Vergleiche mit Ars Nova und dem Boston Rock Sound der späten Sixties drängen sich auf. Aber auch die Electric Prunes der David Axelrod Phase fallen mir dazu ein. Vielleicht etwas zu prätentiös, zu opulent das Ganze. Andererseits gibt es da so filigrane feine Parts und Verästelungen, die wiederum aufhorchen lassen. Auf derartige Sounds und Arrangements kam man wohl tatsächlich nur in den ausgehenden Sixties. Inwiefern das Coverbild die Musik inspiriert hat, entzieht sich meiner Kenntnis. Jedenfalls passt dieses Gemälde von MC Escher sehr gut zu der Platte. Die Musik ist ähnlich verschachtelt und in unendlichem Auf und Ab ineinander verwoben. Stellenweise wirkt sie fast folkloristisch improvisiert. Eine Art Happening mit offenem Ausgang und zugleich ein Puzzle, das vollendet, aufgelöst zu werden trachtet. Jedoch scheint dies völlig unmöglich. Immer wieder öffnet sich ein weiterer Pfad, eine neue Melodie, eine rhythmische Abzweigung. Vor 40 Jahren hätte mich diese Platte in einem abgedunkelten Raum bei Kerzenschein oder Stroboskoplicht und in entsprechender Stimmung gehört in Verzückung versetzt. Heute finde ich sie einfach etwas sehr „strange“. Aber doch auch sympathisch auf ihre Art. ***1/2

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      #5217857  | PERMALINK

      mikko
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      The Pretty Things – Philippe DeBarge (LP, Ugly Things, www.ugly-things.com)

      Diese Platte erschien bereits im Jahr 2008, und die Vinylausgabe ist inzwischen weitgehend vergriffen. Obwohl ich ja regelmäßiger Käufer und Leser von Mike Staxs „Ugly Things“ Fanzine (Buch trifft es ja eher) bin, ist mir die Platte fast entgangen. Kurz gesagt, sie stellt das Bindeglied dar zwischen „SF Sorrow“ und „Parachute“. Entstanden sind die hier versammelten Aufnahmen im Spätsommer 1969 in einem kleinen Studio in London. Das Kuriose daran ist vor allem, dass der Franzose Philippe DeBarge, ein Playboy mit finanzkräftigem familiären Background und einem Faible für britische Popmusik im Allgemeinen und The Pretty Things im Besonderen, nicht nur die Sessions komplett finanzierte und der Band im Vorfeld einen Kurzurlaub in St.Tropez ermöglichte, sondern auch als Leadsänger fungierte. Dick Taylor hatte die Band kurz zuvor verlassen. Aber Phil May und Wally Waller hatten ständig neue Songs zusammen geschrieben, so dass an Material für die Sessions in den Nova Studios kein Mangel herrschte. Produziert wurden die Aufnahmen von May und Waller selbst. Obwohl DeBarge keine musikalischen Erfahrungen hatte, sang er die Leadstimme mehr als passabel. May übte aber auch täglich mit ihm, wie in den Liner Notes zur Platte nachzulesen ist. Die meisten Songs, die damals aufgenommen wurden, spielte die Band später höchstens noch gelegentlich live. Und keiner davon kam auf eine spätere Platte der Pretty Things. Das heißt jedoch keineswegs, dass wir es hier mit Ausschuss zu tun haben. Im Gegenteil! Diese LP ist ein kleines Juwel. Sie knüpft sehr schön an das ja leider ziemlich unterbewertete „SF Sorrow“ an und enthält 12 wunderbare zeittypische Popsongs, die auf’s Vortrefflichste die Atmosphäre zwischen Swinging London und Woodstock einfangen. Dabei klingen die Aufnahmen sogar erstaunlich modern für damalige Verhältnisse. Oder anders gesagt, sie klingen heute überhaupt nicht altbacken, sondern teilweise ganz so, als wären sie erst kürzlich in einem britischen Studio entstanden. Die Platte erschien damals dann doch nicht. DeBarge ging zwar das Geld nicht aus, aber er hatte wohl einige andere Probleme. Bedauerlicherweise starb Philippe DeBarge bereits 1998. Es hätte ihn bestimmt gefreut, dass sein Baby nach fast 40 Jahren doch noch das Licht der Welt erblickt. ***1/2

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      mikko
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      Mad River – s/t (LP, Capitol, 1968)

      Eine der seltsamsten und eigenwilligsten Bands der psychedelischen Ära war diese fünfköpfige Gruppe aus der San Francisco Bay Area. Während die meisten Musikgruppen dieser Szene eine eher optimistische, oft naiv fröhliche Grundeinstellung mitbrachten, war das bei Lawrence Hammond und seinen Mitstreitern anders. Nicht nur klangen deren zum Teil sehr filigrane Kompositionen äußerst abgehoben, sie ließen zumeist auch eine eher dunkle Seite der Psyche erkennen, was sich sowohl in Texten als auch in der Musik manifestiert. Am deutlichsten wird das hier auf ihrem Debütalbum bei „War Goes On“, einem wie improvisiert wirkenden Parforce Ritt durch Jazz, Raga und Blues, der natürlich den endlosen und sinnlosen Vietnamkrieg widerspiegelt bzw. kommentiert. Wohl eher schwer verdaulich diese 12:30 Minuten. Aber schon der Album Opener „Merciful Monks“, obwohl nur 3:40 lang, macht klar, dass es hier nicht um radiofreundliche happy-go-lucky Popmusike geht. Die Gitarren klingen hier und auch beim folgenden „All Time High“ im besten Sinn psychedelisch. So muss man sich Acid Rock vorstellen. Dazu die hohe, schneidende Stimme von Hammond. Immerhin ist der Sound hier schon etwas weniger schrill und höhenlastig als bei der allerersten 7“EP, die bereits 1967 erschien. Bis auf einen wurden die Songs für das Debütalbum 1968 neu eingespielt. Aber auch so behält „Amphetamine Gazelle“ diese völlig überdrehte und gehetzt wirkende Atmosphäre, als wäre die Band auf Speed und Acid gleichzeitig. „Eastern Light“ dagegen hat ein fast abgeklärt majestätische Aura, getragen nicht nur von den Acid Gitarren sondern auch von Piano und Flöte, während Hammonds Stimme über allem thront. Der schönste Track des Albums ist jedoch „Wind Chimes“ mit beinahe indisch anmutenden acid Gitarren über hypnotischen monotonen Rhythmen und den schwebenden Flötentönen im zweiten Teil des Tracks. Das auf seltsame Art verloren wirkende Schlaflied „Hush Julian“ am Ende der LP ist mit 1:10 leider viel zu kurz. Die Platte war ein veritabler Flop seinerzeit. Und auch dieses Re-Issue wird sicher kein Bestseller werden. Es wird jedoch Zeit, dass sich auch bisher Nichteingeweihte mal mit dieser Band und ihrer ungewöhnlichen Musik beschäftigen. Die LP ist übrigens Richard Brautigan gewidmet, einem damals durchaus erfolgreichen Szene Poeten, der die Band nicht nur sehr schätzte sondern auch hin und wieder materiell unterstützte. ****

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