Rolf Dieter Brinkmann

Ansicht von 15 Beiträgen - 1 bis 15 (von insgesamt 50)
  • Autor
    Beiträge
  • #23273  | PERMALINK

    dr-nihil

    Registriert seit: 08.07.2002

    Beiträge: 15,356

    Da viele womöglich nicht in den Radio-Tipps-Thread gucken und weil ich hoffe, es vielleicht nicht als einziger mir hier anzuhören, setze ich es nochmal in einen Extra-Thread (damit es aber nicht dabei bleibt, werde ich irgendwann auch mal mehr zu Brinkmann hier hineinschreiben):

    Vielleicht etwas für für manche Literaturinteressierten im Forum:

    Ab Heute sendet Bayern 2 (http://www.br-online.de/bayern2radio/) die nächsten Freitage unter dem Titel „Wörter Sex Schnitt“ Originaltonaufnahmen von Rolf Dieter Brinkmann, welche die Witwe des Schriftstellers nun dem Radiosender aus Brinkmanns Nachlass zur Verfügung gestellt hat.
    Für mich, da ich mich zurzeit auch für das Studium mit dem 1975 verstorbenen Brinkmann beschäftige, ist das sehr interessant, aber vielleicht auch für den ein oder anderen (der möglicherweise Brinkmann noch gar nicht kennt) hier im Forum.

    Hier mal die Termine:

    01.04. und 08.04., 20.30 Uhr: „Der Tierplanet“

    15.04., 20.30 Uhr „: „Besuch in einer sterbenden Stadt“

    22.04.: „Schnitte“

    29.04., 20.30 Uhr „To a world filled with compromise we make no contribution“

    06.05., 20.30 Uhr „Auf der Schwelle“, danach „The Last One“

    Alles auch über Internet zu empfangen.

    --

    Highlights von Rolling-Stone.de
    Werbung
    #2718117  | PERMALINK

    dr-nihil

    Registriert seit: 08.07.2002

    Beiträge: 15,356

    Nach den Originaltonaufnahmen von Brinkmann, die letzte Woche gesendet wurden, folgt heute um 20.30 Uhr das Hörspiel „Der Tierplanet“.

    Die Aufnahmen von letzter Woche waren doch sehr interessant zu hören (so dass ich mir vielleicht die erscheinende CD mit diesen Aufnahmen kaufen würde). Teils leicht aufgesetzt experimentell, teils die fast obligatorischen Wutausbrüche. Aber zwischendurch gelang es Brinkmann im Zusammenspiel von Wort und Ton immer wieder solche kleinen subjektiven Momentaufnahmen (meist beängstigend und beklemmend) zu schaffen, wie ich sie von den Bild-Text-Collagen aus „Schnitte“ kenne, dem nach „Erkundungen für die Präzisierung des Gefühls für einen Aufstand: Reise Zeit Magazin (Tagebuch)“ und „Rom, Blicke“ dritten Tagebuch Brinkmanns, welches erst viele Jahr nach dem frühen Tode des Schriftstellers erschien.

    Ich bin gespannt auf „Der Tierplanet“, obwohl ich nicht genau weiß, ob Brinkmann selbst auch sprechend an diesem Hörspiel beteiligt war.

    --

    #2718119  | PERMALINK

    Anonym
    Inaktiv

    Registriert seit: 01.01.1970

    Beiträge: 0

    ähm, wer ist eigentlich Rolf Dieter Brinkmann?

    --

    #2718121  | PERMALINK

    marcos-valle

    Registriert seit: 27.08.2002

    Beiträge: 2,587

    ich könnte jetzt ja kalauern (aber ich geh lieber beatlebum holen….)

    --

    "Können Sie Klavier spielen?" "Weiß nicht, mal versuchen."
    #2718123  | PERMALINK

    dr-nihil

    Registriert seit: 08.07.2002

    Beiträge: 15,356

    NiteOwlähm, wer ist eigentlich Rolf Dieter Brinkmann?

    Ich kenne selbst nicht so viel von ihm, aber ich versuche es mal:

    Kurz: nichts für dich, vermute ich mal.

    Etwas ausführlicher: Bevor man in den 90ern Autoren wie Stuckrad-Barre, Kracht, etc. „Pop-Literaten“ nannte , gab es schon mal eine Reihe von deutschen Schriftstellern, deren Werke als „Pop-Literatur“ bezeichnet wurden. Der bekannteste von ihnen war wohl der 1940 geborene und 1975 bei einem Autounfall ums Leben gekommene Rolf Dieter Brinkmann. Ob damals der Begriff „Pop-Literatur“ schon geläufig war (otis meinte, glaube ich, einmal, dass dies nicht der Fall gewesen sei), weiß ich gar nicht genau, allerdings gefiel Brinkmann für das, was er machte, der Ausdruck „Pop“ sehr gut, wie in seinem Essay „Der Film in Worten“ nachzulesen ist.
    Für Leute, die sich ein bisschen mit Brinkmanns Literatur beschäftigen wollen, ist genau dieser Essay eine gar nicht so falsche Einstiegslektüre, wie ich meine, bekommt man in ihm doch einerseits des Autors Sichtweise zum Thema Literatur und deren gegenwärtigen (also damaligen) Zustand geliefert, andererseits aber auch gleich einen zumindest kleinen Eindruck von dem Stil vermittelt, der Brinkmanns spätere Literatur prägen sollte. In „Der Film in Worten“ nimmt Brinkmann eindeutig eine Gegenposition zu Hans Magnus Enzensberger ein, welcher kurze Zeit zuvor die Literatur für tot proklamierte und sie fortan nur noch als politische gerechtfertigt sah. Politisches Stellungbeziehen oder überhaupt eine derartige Inhaltslastigkeit lehnte Brinkmann ab und setzte stattdessen auf reinste Subjektivität und Sinnlichkeit. In „Schnitte“ wird dies beispielsweise sehr gut deutlich: große Inhalte und Themen scheint es nicht mehr zu geben, keine zusammenhängenden Erzählungen, dafür Sprach-, Satz- und Textfetzen, scheinbar wahllose Collagen, Cut-Up, Zitate etc. oder man kann sagen: kleine subjektive Momente, die zusammen einen Overkill an Eindrücken bedeuten, welcher schon mal in seiner bedrückenden Weise ein sehr ungutes Gefühl hinterlassen kann. Solche Momentaufnahmen sind auch die späten Gedichte Brinkmanns, die ich insbesondere aus dem fantastischen, kurz nach Brinkmanns Tod erschienenen Gedichtband „Westwärts 1 & 2“ kenne.

    Konventioneller und damit sicherlich auch leichter zu verdauen sind hingegen, soviel ich weiß (kenne davon nur vereinzelte Gedichte), Brinkmanns frühe Arbeiten, so z.B. sein einziger Roman „Keiner weiß mehr“.

    Und natürlich muss im Zusammenhang mit Brinkmann auch darauf hingewiesen werden, dass die amerikanische Underground- und Beat-Literatur jener Zeit auf ihn einen sicherlich entscheidenden Einfluss ausübte (zumindest der Einfluss von William S. Burroughs scheint mir unverkennbar zu sein). So war Brinkmann zusammen mit Ralf Rainer Rygulla der Herausgeber der beiden Anthologien „Silverscreen“ und (der bekannteren) „Acid“, die einen Überblick über besagte amerikanische Literatur boten. Im übrigen ist in „Acid“ auch der angesprochene Essay „Der Film in Worten“ enthalten.

    --

    #2718125  | PERMALINK

    napoleon-dynamite
    Moderator

    Registriert seit: 09.11.2002

    Beiträge: 21,857

    DR.Nihil(…)gab es schon mal eine Reihe von deutschen Schriftstellern, deren Werke als „Pop-Literatur“ bezeichnet wurden.

    Spontan fallen mir noch die Namen Wolf Wondtraschek (gut bis ok, liess sich von einer reichen Dame aushalten und begünstigen) und Jörg Fauser (grossartiger Poet) ein. Die „Acid“ Anthologie ist natürlich fein. Hatte ich mal, aber dann beim Umzug verloren. Gibt es da wieder neuere Auflagen?

    --

    I'm making jokes for single digits now.
    #2718127  | PERMALINK

    dr-nihil

    Registriert seit: 08.07.2002

    Beiträge: 15,356

    Napoleon DynamiteSpontan fallen mir noch die Namen Wolf Wondtraschek (gut bis ok, liess sich von einer reichen Dame aushalten und begünstigen) und Jörg Fauser (grossartiger Poet) ein.

    Sehr gerne würde ich mal „Der Paralleldenker“ von Heinz von Cramer lesen. Müsste ich allerdings wahrscheinlich im Antiquariat gucken.

    Die „Acid“ Anthologie ist natürlich fein. Hatte ich mal, aber dann beim Umzug verloren. Gibt es da wieder neuere Auflagen?

    Ja, gibt es als Taschenbuch von Rowohlt und in gebundener Ausgabe vom März-Verlag. Das ist auch die Ausgabe, die ich habe. Sollte man bei nur 5 Euro Preisunterschied, wenn möglich, einer Taschenbuch-Ausgabe vorziehen.

    --

    #2718129  | PERMALINK

    anne-pohl

    Registriert seit: 12.07.2002

    Beiträge: 5,438

    Ich hab „Keiner weiß mehr“ in der Schule „durchgenommen“ und hatte später einen Freund, der Brinkmann-Fan war. Da habe ich auch den Rest gelesen und sogar mal eine Reise auf den Spuren von „Rom, Blicke“ gemacht (das während Brinkmanns Villa Massimo-Stipendiums entstand).
    – Das nannte man glaube ich nicht Pop-Literatur, den Begriff habe ich jedenfalls damals nicht gehört. Aber es gab damals durchaus Leute, die es als Trivialliteratur bezeichneten. ;)

    --

    #2718131  | PERMALINK

    Anonym
    Inaktiv

    Registriert seit: 01.01.1970

    Beiträge: 0

    danke.

    Nach kurzen googeln erinnere ich mich, zumindest „Rom, Blicke“ schonmal in der Hand gehabt zu haben – ob ichs auch aufgeschlagen habe, weiss ich nicht mehr. Jedenfalls nicht unbedingt meine Richtung, da hast du recht. Das Wort „Collage“ kommt übrigens gleich nach „Gruppenarbeit“, was Schule nicht alles versauen kann….

    --

    #2718133  | PERMALINK

    otis
    Moderator

    Registriert seit: 08.07.2002

    Beiträge: 22,557

    Anne Pohl Das nannte man glaube ich nicht Pop-Literatur, den Begriff habe ich jedenfalls damals nicht gehört. Aber es gab damals durchaus Leute, die es als Trivialliteratur bezeichneten. ;)

    Trivialliteratur habe ich im Zusammenhang mit ihm nicht in Erinnerung. Er wurde schon seeehr ernst genommen. Mir zu sehr.
    Hubert Fichte ist dieser Tage gestorben, auch so ein jemand aus dieser Zeit mit ähnlich radikaler Attitüde. Die ZEIT, deren Kulturteil ich damals intensiv las, nahm diese Literaten schon sehr ernst. Selbst in der „Welt der Literatur“ des Springer-Blattes „Welt“ kamen sie vor, wenn ich mich recht erinnere.
    „Brinkmann“ lebte halt auch von seinem frühen Tod. Damals galt man noch was, wenn man früh starb. Ach, es war vieles so angestrengt damals. Nicht zuletzt dieser Free Jazz, der mir in diesem Zusammenhang einfäält. Fichte hat auch mal so eine Platte gemacht, Jazz und Literatur o.ä.
    Mit anderen Worten: Pop war es schon deshalb nicht, weil es wertiger als Pop sein wollte.

    --

    FAVOURITES
    #2718135  | PERMALINK

    napoleon-dynamite
    Moderator

    Registriert seit: 09.11.2002

    Beiträge: 21,857

    Hubert Fichte ist aber grossartig, und hat m.e. nichts in diesem Umfeld zu suchen.

    --

    I'm making jokes for single digits now.
    #2718137  | PERMALINK

    dr-nihil

    Registriert seit: 08.07.2002

    Beiträge: 15,356

    otisMit anderen Worten: Pop war es schon deshalb nicht, weil es wertiger als Pop sein wollte.

    Da muss ich dir recht geben (die Bezeichnung „Pop-Literatur“ stammt in diesem Zusammenhang ja nicht von mir). Bevor ich ein bisschen Brinkmann las, hatte ich einiges von Burroughs gelesen. Ich finde, dass Brinkmann oft Burroughs sehr ähnlich ist, der Unterschied ist, dass da wo Burroughs eine ungemeine Leichtigkeit und Gleichgültigkeit an den Tag legt (vielleicht liege ich damit auch daneben, ich habe den Begriff „Pop“ nicht studiert, aber Burroughs ist für mich Pop), Brinkmann doch eher angestrengt wirkt.
    Nichtsdestotrotz halte ich in jedem Fall „Westwärts 1 & 2“ für sehr stark.

    --

    #2718139  | PERMALINK

    anne-pohl

    Registriert seit: 12.07.2002

    Beiträge: 5,438

    Ich hab gerade gesehen, dass er am 23.4.05 30 Jahre tot ist und dieses Jahr 60 geworden wäre, deswegen wahrcheinlich die Radiosendungen…

    otisTrivialliteratur habe ich im Zusammenhang mit ihm nicht in Erinnerung. Er wurde schon seeehr ernst genommen. Mir zu sehr.

    Anfang der 80er Jahre hatten wir „Keiner weiß mehr“ in der Schule, bei einem Ex-Apo-Lehrer. Wenig später an der Uni kam er nicht vor im Kanon, galt als Trivialliteratur.
    Das „zu Ernst nehmen“ kenne ich aber auch – der Freund, mit dem ich die „Rom, Blicke“-Reise machte, ist das beste Beispiel (ich könnte da noch Sachen erzählen…). Man fährt nach Dublin, klar – aber nach Rom? ;) Der Brinkmann hatte so eine Art Kultstatus bei manchen, der sich natürlich seinem frühen Tod verdankte. Dann hatte Brinkmann noch einen anderen deutschen Schriftsteller zum Feind, mit dem er damals zusammen das Stipendium in Rom gemacht hatte (der Fichte war da auch). Den musste man für die korrekte Brinkmann-Exegese dann auch komplett gelesen haben.
    Mich hat übrigens immer genervt, dass sein Schaffen so *gereizt* war – der mochte auch nichts und niemanden.

    --

    #2718141  | PERMALINK

    dr-nihil

    Registriert seit: 08.07.2002

    Beiträge: 15,356

    Anne PohlAnfang der 80er Jahre hatten wir „Keiner weiß mehr“ in der Schule, bei einem Ex-Apo-Lehrer. Wenig später an der Uni kam er nicht vor im Kanon, galt als Trivialliteratur.

    Letztes Semester wurde bei uns an der Uni ein Seminar zu ihm angeboten, an welchem ich allerdings nicht teilnahm.

    --

    #2718143  | PERMALINK

    otis
    Moderator

    Registriert seit: 08.07.2002

    Beiträge: 22,557

    Hubert Fichte hat zumindest in diesem zeitlichen und geistigen Umfeld was zu suchen. Was magst du an Fichte, Napo, die Unbedingtheit?

    Beat, Nihil, Beat passt. Nicht Pop. (Beat hat in diesem Zusammenhang hat natürlich nichts mit Mersey- oder 60´s-Beat zu tun)

    Irgendwie bringe ich im Kopf immer Brinkamnn und Bachmann zusammen, obwohl die zwanzig Jahre älter gewesen sein mag. Bemüht beide und begabt. Ist das so falsch, Kenner?

    Ach ja, Anne, was in den 80s trivial gewesen sein mag, mag Anfang der 70s große Kunst gewesen sein. Wundert mich aber dennoch. Wo hast du studiert?

    --

    FAVOURITES
Ansicht von 15 Beiträgen - 1 bis 15 (von insgesamt 50)

Schlagwörter: 

Du musst angemeldet sein, um auf dieses Thema antworten zu können.