Renaud

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  • #21831  | PERMALINK

    loplop

    Registriert seit: 08.07.2002

    Beiträge: 1,949

    Hier endlich der Renaud-Thread. Ein Portrait dieses großartigen französischen Chanson-Songwriters und Sängers: Renaud Pierre Manuel Séchan, geboren am 11. Mai 1952.

    Einflüsse: traditionelle Chansons von Straßensängern (Aristide Bruant – in D wohl am ehesten durch das Toulouse-Lautrec-Poster bekannt, Fréhel und andere) welche meist über Alkohol, Liebe und die „kleinen Leute“ sangen. Vor allem aber: Georges Brassens und Léo Ferré, die großen „literarischen“ Chansonsänger:

    Renaud lässt sich am besten mit Kurzbeschreibungen seiner Platten vorstellen, das habe ich auch vor, auch wenn es ein Monolog wird! Wer sich für Renaud interessiert, PN an mich, kann euch eine Greatest-Hits-cd schicken.

    Erste LP: „Amoureux de Paname“ 1975:

    Noch war er als Straßensänger mit Gitarre und Akkordeonbegleitung unterwegs. Diese erste Platte ist magisch in Ihrer Naivität und Rohheit, aber auch lyrischen Brillianz. Das Cover zeigt Renaud als „Gavroche“, einer Romanfigur aus Hugos „Les misérables“ – die romantische Vorstellung vom anarchischen Pariser Schlitzohr. Das rote Halstuch wird weiterhin sein Markenzeichen bleiben. Die Unschuld steht ihm im Gesicht geschrieben, so greift er das korrupte Establishment an, welches Demonstranten verprügelt und den 68er Traum, welchen er als 16jähriger mitgeträumt hat, gnadenlos auslöscht. Im Stile des „Chanson réaliste“ von Bruant beschreibt Renaud hier das Leben aus der Sicht des Außenseiters im urbanen Dschungel Paris. Die großen Themen dieses Albums: der Haß auf das System, die Liebe zu Paris und seiner Vergangenheit. Seine Mittel sind in dieser frühen Phase: aggressive Kritik (mit Bereitschaft zum Friedensschluß), Ironie (-Selbstironie) und Humor. Die Texte sind schwer zu verstehen und übersetzen, sind oft im Slang. Musikalisch noch sehr knapp und roh, wunderbar das „Musette“ Akkordeon. Das Meisterwerk dieser Platte ist „Hexagone“. Renaud greift die „Grande Nation“ De Gaulles erbarmungslos an. Für jeden Monat ein Kritikpunkt, eine Anklage. Dieses Lied ist sein Programm, sein Manifest. Großartig auch der Titelsong, seine Hommage an Paris (Paname).

    Hier Amoureux de Paname, übersetzt von Tobias Scheer:

    1. Amoureux de Paname

    Ecoutez-moi vous les ringards
    Ecologistes du samedi soir
    Cette chanson-là vaut pas un clou
    Mais je la chanterai rien que pour vous
    Vous qui voulez du beau gazon
    Des belles pelouses, des petits moutons
    Des feuilles de vigne et des petites fleurs
    Faudrait remettre vos montres à l’heure

    Refrain:
    Moi je suis amoureux de Paname
    Du béton et du macadam
    Sous les pavés ouais c’est la plage
    Mais le bitume, c’est mon paysage
    Le bitume, c’est mon paysage

    Ecoutez-moi vous les ringards
    Ecologistes des bouelvards
    Vos beaux discours il y en a plein le dos
    Il y a du soleil dans les ruisseaux
    La Tour Montparnasse elle est belle
    Et moi j’adore la Tour Eiffel
    Il y a plein d’amour dans les ruelles
    Et de poésie dans les gratte-ciel

    Refrain:
    Moi je suis amoureux de Paname
    Du béton et du macadam
    Sous les pavés ouais c’est la plage
    Mais le bitume, c’est mon paysage
    Le bitume, c’est mon paysage

    Ecoutez-moi vous les ringards
    Ecologistes des grands soirs
    La pollution n’est pas dans l’air
    Elle est sur vos visages blèmes
    Moi j’aime encore les pissotières
    J’aime encore l’odeur des poubelles
    Je me parfume pas à l’oxygène
    Le gaz carbonique c’est mon hygiène

    Refrain:
    Moi je suis amoureux de Paname
    Du béton et du macadam
    Sous les pavés ouais c’est la plage
    Mais le bitume, c’est mon paysage
    Le bitume, c’est mon paysage

    1. Verliebt in Paris

    Hört zu, ihr Spießer,
    Ihr Glitzer-Grünen,
    Das Lied hier ist keinen Pfifferling wert,
    Aber ich singe es allein für euch.
    Ihr, die ihr den schönen Rasen wollt,
    Hübsche Weiden, kleine Schafe,
    Weinblätter und kleine Blümchen,
    Ihr müßt mal eure Uhren nachstellen.

    Refrain:
    Ich bin verliebt in Paris,
    In den Beton und den Asphalt,
    Unter den Pflastersteinen, ja, da ist der Strand,
    Und die Autobahn ist meine Heimat,
    Die Autobahn ist meine Heimat.

    Hört zu, ihr Spießer,
    Ihr geschniegelten Glitzer-Grünen,
    Von euren schönen Reden hab‘ ich die Schnauze voll:
    In den Rinnsteinen scheint die Sonne,
    Der Tour Montparnasse ist schön,
    Den Eiffelturm vergöttere ich,
    Die Gassen sind voll Liebe,
    Die Wolkenkratzer voll Poesie.

    Refrain:
    Ich bin verliebt in Paris,
    In den Beton und den Asphalt,
    Unter den Pflastersteinen, ja, da ist der Strand,
    Und die Autobahn ist meine Heimat,
    Die Autobahn ist meine Heimat.

    Hört mich an, ihr Spießer,
    Ihr Highsociety-Grünen,
    Nicht die Luft ist verschmutzt,
    Sondern eure bleichen Visagen;
    Ich liebe noch die Pissoirs,
    Den Geruch der Mülleimer,
    Ich parfümier mich nicht mit Sauerstoff,
    Und zum Waschen nehm ich CO2.

    Refrain:
    Ich bin verliebt in Paris,
    In den Beton und den Asphalt,
    Unter den Pflastersteinen, ja, da ist der Strand,
    Und die Autobahn ist meine Heimat,
    Die Autobahn ist meine Heimat.

    --

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    #2627275  | PERMALINK

    e-l

    Registriert seit: 25.05.2004

    Beiträge: 10,000

    Habe heute Le Meilleur de Renaud II (les chansons préférées de Loplop) gehört.
    Danke – ist großartig.

    Ich überlege ja u.a. wegen Renaud am 2.Juli nicht nach Berlin, sondern zu live 8 nach Paris zu fahren. :) . Muss nur masureneagle noch überzeugen.

    --

    Man braucht nur ein klein bisschen Glück, dann beginnt alles wieder von vorn.
    #2627277  | PERMALINK

    loplop

    Registriert seit: 08.07.2002

    Beiträge: 1,949

    Das freut mich aber. Das meiste auf dieser cd ist aus seiner späteren, reiferen Phase. Seine Stimme hat durch Zigaretten gelitten, ist aber dafür wärmer geworden. Werde bald seine Bio hier mal vervollständigen.
    Wusste gar nicht, dass er da auftritt. Mach das, gibt bestimmt viele interessante Künstler-unter anderem ist seine Duet-Partnerin bei Manhattan-Kaboul, Axelle Red, dabei.

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    #2627279  | PERMALINK

    loplop

    Registriert seit: 08.07.2002

    Beiträge: 1,949

    Laisse Beton (1977) ****1/2

    Vom Lausbub mit Baskenmütze wird er jetzt zum Schwarz-Leder-Vorstadtcowboy. Die wichtigsten Erkennungszeichen nach der Lederjacke sind die Santiags – Lederstiefeletten, la mob – das Mofa und la bande – die Gang von gleichgesinnten copains. Renaud als „Loubard“-als ausgegrenzter Jugendlicher aus den Beton-Slums rund um Paris, die nächsten paar Platten bewegen sich in diesem Milieu. Der Titeltrack ist ein kleines Kabinettstückchen, wie ein kleiner Film, man hört hier auch Country-Klänge, das ganze könnte aus einem Lucky-Luke-Comic stammen. Die Idee hatte auch Juillard – in „Bande d’Enfer“ – eine Sammlung von Comic-Strips, welche von jeweils einem Renaud – Song inspiriert wurden, bzw. seine Geschichte erzählen (Verlag Delcourt). Dann kommt als nächstes „Le Blues de la Porte D’Orléans“ – hier fordert er die Unabhängigkeit seines Heim-Viertels, des 14ten Arr.. So einzigartig ist das 14te nicht, wenn man hinfährt aber das merkt man wohl nicht, als Besucher. Ein Blues-Lied jedenfalls – dieses Album ist musikalisch variabler, das Akkordeon ist aber nie weit weg.

    Ma Gonzesse (1979) ***1/2

    Wenn Renaud ein etwas schwächeres Album hat, dann wohl dieses. Er übertreibt es hier ein wenig mit den verschiedenen musikalischen Stilen. In „Chanson pour Pierrot“, welches zu seinen schönsten Liedern gehört, besingt er seinen noch ungeborenen Sohn. In diesem wie auch in den vorigen Alben fällt die Ähnlichkeit der Texte mit den frühen Phillipe Djian-Büchern auf. Das Tempo, die frechen Metapher, der Slang, die Lebensfreude und die durchschimmernde Melancholie – vor allem auch im Gedicht, welches dieses Album abschließt: „Peau aime“. Es erinnert mich auch an Dylan, an „Last Thoughts on Woody Guthrie“ eine Offenbarung der eigenen Seele.

    Marche à l’ombre (1980) ****1/2

    Wieder ein grossartiges Album, mit sehr wichtigen Liedern. Mein persönliches Highlight von dieser Platte ist La Teigne, wunderbarer kleiner Chanson, todtraurig, aber wunderbar. Sonst gibt es hier wie immer Witz und Nonsens- „It is not because you are“ und sogar Aggressivität in einigen Liedern. Um die Zeit, 1980, wird er zum großen Star in Frankreich.

    Le retour de Gérard Lambert (1981) ****1/2

    Die letzte Platte aus der Vorstadt, sozusagen. Renaud hat inzwischen eine Familie, hier kommt auch häusliches vor, Fernsehen und der Weihnachtsmann. Manu- sein Alter Ego hat jetzt Liebeskummer:

    Heh, Manu, geh‘ heim,
    Dein Bier ist schon voller Tränen,
    Die Kneipe macht zu,
    Und du nervst nur die Wirtin.
    Ich dachte, daß ein Lederjacken-Kerl
    Gar nicht heulen kann,
    Ich dachte sogar, daß dir
    Kummer unbekannt ist.
    Ich vergaß, daß deine Tätowierungen
    Und deine Messerklinge
    Vor allem eine Panzerung
    Für dein zartes Herz sind.

    Refrain:
    Eh, flipp nicht aus, Manu,
    Schneid‘ dir nicht die Pulsadern auf,
    Eine verlorene Mieze
    Heißt, zehn Kumpels wiederzufinden.

    Sein Kumpel versichert ihm dann lässig:

    Ich sag‘ dir mal was: wir sind Wölfe,
    Geboren fürs Rudelleben,
    Aber doch nicht für ein Leben zu zweit,
    Oder wenn, dann wenigstens nicht lange.
    Wir haben schon lange
    Unsere Bräute abgegeben,
    Und du hältst deine noch fest
    Und hast ständig Angst dabei.
    Heh, Manu, frei leben
    Heißt oft allein leben,
    Das schlägt vielleicht manchmal auf den Bauch,
    Aber dafür räumt’s im Kopf auf.

    Refrain:
    Eh, flipp nicht aus, Manu,
    Haß nützt da gar nichts,
    Eine verlorene Mieze
    Heißt, zehn Kumpels wiederzufinden.

    (Übersetzung: Tobias Scheer)

    Morgane de Toi (1983) *****

    Das nächste Cover zeigt Renauds Transformation. Ein schönes Bild, mit E-Gitarre und kleiner Tochter, die Santiags in der Hand. Außerdem hat er jetzt ein Boot und hat das Meer entdeckt: „Dès que le vent soufflera…“man fühlt den Seewind in diesem Song, Paris, sonst immer der Schauplatz, ist weit weg. „Deuxième Génération“ – die Zuwanderer-„Problematik“ kommt nicht allzu oft bei ihm vor, aber dieses Lied sagt schon alles, es sollte Pflichtstoff in der Schule werden. In „Morgane de Toi“ warnt er seine kleine Tochter vor Sandkasten-Playboys-wunderschön, und dann:

    Oh wie ich genug davon habe, mich mit Bildchen vollzutätowieren,
    Die meine Haut zum Comic machen.
    Deinen Namen hab‘ ich mit Goldnieten, eine nach der andern,
    Hinten auf meine Lederjacke geschrieben.

    Du bist das einzige Weibsbild, das ich auf meinen Armen tragen kann,
    Ohne mir die Schulter auszurenken und unter dem Gewicht zusammenzubrechen.
    Du wiegst weniger als ein Spatz, der nichts frißt;
    Entfalte nie deine Flügel, Lolita, entfliege mir niemals!
    (Übersetzung: Tobias Scheer)

    In „En Cloque“ eins der zärtlichsten und schönsten Lieder, die ich kenne, besingt er seine schwangere Frau. In „Déserteur“ schreibt er dem Präsidenten einen Brief, in welchem er die Menschen- und Naturrechte einfordert, aber ohne Haß, wie früher. Mit seine beste Platte, auch produktionstechnisch (er nahm erstmals mit Studio-Profis in L.A. auf). Hier treffen sich die schönsten Melodien und genialsten Texte. Für Renaud-Einsteiger ein guter Kauf.

    Fortsetzung folgt.

    --

    #2627281  | PERMALINK

    loplop

    Registriert seit: 08.07.2002

    Beiträge: 1,949

    Auch wenn ich die Renaud-Bio nicht weitergeführt habe (kann noch werden) hier eine wunderbare Nachricht: seine neue Platte „Rouge Sang“ ist seit 02 Okt. erschienen!! Es gibt sie in der Doppel-cd und Einzel- Ausfertigung. Beide sind über Amazon.de zu kaufen.

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