Re: Eure Album-Top100

#211853  | PERMALINK

napoleon-dynamite
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Danke für die ausführlichen Anmerkungen, tops. Im Einzelnen:

Ad Trane: Für die fruchtbarste Periode Coltanes als Leader halte ich die Jahre 1960 / 61, jene Zeit mithin, die das klassische Quartett formte, die Elvin Jones komplex-impulsive Blues-kicks and shots mit McCoy Tyners klugem, jedoch niemals prätentiösem Spiel sowie Garrisons schwerer Introvertiertheit kombinierte und Eric Dolphy als Erweiterung in Konzeption, Komposition und Spiel integrierte. Nach der Zeit im Village Vanguard nahm Trane eine Fülle guter bis exzellenter Platten auf, bis auf „Interstellar Space“ aber nie wieder etwas in so vollendet konzentrierter und dichter Musikalität. Warum ich gerade diese Platte schätze, darüber wurde schon andernorts gesprochen, vielleicht noch ein paar Worte, warum keine anderen Aufnahmen dies mehr erreichen. Zunächst stieß die Geschlossenheit und Konzeption der Stücke bisweilen noch an kompositorische Grenzen, die erst später beseitigt wurden. Einleuchtendstes Beispiel ist natürlich „A Love Supreme“, ein sehr langes Stück, dem ein schlichtes Thema aus vier Tönen zugrunde liegt. In der 1964er Studioaufnahme noch von zu viel unzulänglicher Ratlosigkeit und füllendem Leerlauf gezeichnet, ein Jahr später live schon beseelt von rumorender Fülle. Solchen Problemen war Coltrane noch einige Male ausgesetzt, spannend nachzuvollziehen, nicht immer befriedigend im Ergebnis. Darüber hinaus erreichte das Spiel der einzelnen Musiker nicht immer die erforderliche Klasse, natürlich gerade aufgrund einiger personaler Umstrukturierungen und mangelnder Integration. Wurde Jones noch nahezu adäquat durch Rashied Ali ersetzt, so hinterließ das Fortgehen von Tyner eine nicht mehr füllbare Lücke. Bei einigen, wenigen Spielern war Coltrane auch schlichtweg schlecht beraten. Es stören: Das Brimborium und der Tand engagierter Percussionisten, bisweilen Sanders‘ roher Ton, der keine große Unterscheidung zwischen intensiv und überladen, großartig und unnötig machte, leider auch Tranes eigenen Exkurse in spiritualistisch wohl befriedigenden Bedächtigkeitskitsch und natürlich das Spiel von Alice Coltrane, der Gattin und Inspirationsbezieherin aus dem Orkus des esoterischen Schmu. Im besten Fall nicht vernehmbar, im schlimmsten die Gehörgänge mit Tastenimpressionismus malträtierend. Niemals gut. Anders verhält es sich mit Jimmy Garrison, dessen Beiträge in allen mir bekannten Aufnahmen essentiell sind und der Musik eine unglaubliche rhythmische Fundierung und impulsive Spannung geben: Ein schwerer, dunkel flirrender Ton, so in sich gekehrt wie sparsam schlicht. Schlichtweg unvergleichlich. Die gelungsten Aufnahmen dieser Zeit sind für mich sämtliche Live-Aufnahmen (besonders „Live In Seattle“, wie auch einige der nachgelassenen Aufnahmen aus Japan), die hervorragendsten Studio-LPs „Sun Ship“, „Ascension“, „Expression“ (Don’t judge records by their titles, I know they suck) und „Ballads“. Wert gehört zu werden sind in meinen Ohren alle Coltrane Aufnahmen.

Ad Miles: Ja, das Ranking erfolgt nach persönlichen Vorlieben, aber auch im Versuch, die einzelnen Werke in ihrer Funktionalität als verdichtetes, zusammenhängendes Album und nicht als Session-Zusammenstellung zu bewerten. Die klar besten Alben sind hier für mich „Steamin'“ und „Relaxin'“, letzte wie aus einem Guß, erste dafür gewagter und dabei noch erfüllender. „Cookin'“ fällt für mich im Vergleich dazu in der Tat beträchtlich ab, aber eben mühelos noch auf einer sehr hohen Qualität jeder einzelnen Aufnahmen. Was hältst du von einer solchen Vorgehensweise? Wie man die vier Werke listen soll, wurde ja schon des öfteren ausserhalb des Forums unter zahlreichen Membern diskutiert.

Ad Stones: Da befindet sich noch einiges in Bewegung. Vor einigen Monaten befand sich „Sticky Fingers“ noch in einer Position vor „Exile“, ca. 100 Hördurchläufe später sieht dies anders aus. Außerdem kratzt „Some Girls“ momentan gewaltig an einem Aufstieg. Den ganzen, langen Sommer habe ich für die Stones verschwendet und es wird sicherlich noch ein langer, „cold, cold winter“. Yeah.

Ad Randy Newman: Jep, für mich die beste unter vielen großartigen LPs.

Ad Emmylou Harris: Gefolgt von „Roses In The Snow“, „Luxury Liner“ und „Elite Hotel“. Vieles andere muß ich von ihr noch näher kennenlernen.

Ad Joni: Ich kenne keine Platte, auf der so klar und poetisch vielschichtig den eigenen Emotionen ins Auge geblickt wird wie „Hissing Of Summer Lawns“, musikalisch am vollendesten im fließenden „Shades Of Scarlett Conquering“. Keine Frage, von Joni mag ich noch so vieles mehr. Pure Bewunderung.

Ad Ramones: Oh ja, danke!

Ad June: Zuerst käme noch bei mir „Airs And Graces“.

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A Kiss in the Dreamhouse