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Ein Thread für diesen umtriebigsten aller amerikanischer B-Filmer und Stangenproduzenten ist schon lange fällig. Mit „New World Pictures“ quasi der Begründer einer Low-Budget-Filmindustrie mit eigenem Vertrieb, war Corman seit den späten 50’s einer der wichtigsten Antriebsmotoren der amerikanischen Filmbranche und bot diversen Filmemachern und Schauspielern des späteren „New Hollywood“ (Coppola, Scorsese, Nicholson, Demme, Bogdanovich) zu preisgünstigen Konditionen die Möglichkeit sich technische Skills zu erwerben und im Gewerbe Fuß zu fassen. „Easy Rider“ wäre ohne ihn nicht vorstellbar, „Taxi Driver“, aber auch generell die Regeneration des Horrorgenres in den 70’s durch Romero et al.

Gut 350 Filme hat er produziert, selber mehr als vier Dutzend Streifen gedreht. Da gilt’s einen Überblick über seine eigenen Werke zu bekommen. Alles spontan niedergeschrieben auf Nihils Frage im „Der letzte Film..“-Thread. Also fragt am besten nach, wenn ihr zu irgendetwas mehr wissen wollt.
Begonnen hat Corman mit schundigen C-Western für’s Bahnhofskino. Sehr sleazy für damalige Verhältnisse werden bekannte Western-Topoi umgedreht indem sich Frauen als Lasso und Hüften kreisende Gunfighters in rauhen Verhältnissen behaupten. Einige bekannte Gesichter aus besseren Tagen (John Ireland, Beverly Garland, Dorothy Malone), viel gemäßigte Nudities, ich mag daraus sehr gerne „Gunslinger“. Lots of fun.
Daneben und vor allem in den nächsten Jahren drehte Corman sehr viele programmatische Horrorfilme im Jack Arnold-Style, also Filme, die mit der Angst vor Endzeitkatastrophen dealen oder der Mutation biologischer Versuche. Die Titel sprechen Bände: „The Wasp Woman“, „Attack Of The Crab Monsters“, „Day The World Ended“, „Teenage Cave Man“. Alles nicht übel, aber generell von der Stange, im Dutzend billiger und weit weg von Arnolds Subversion. Ordentlicher Thrill für Teens im Autokino halt. 1959 dann allerdings endlich sein erstes, düsterhumoriges Meisterwerk, „A Bucket Of Blood“. Gallig am Zeitgeist spielt der große, große Dick Miller (In den letzten 40 Jahren überall als Nebendarsteller zu bewundern, bitte näher auf ihn achten. Ein Gigant!) einen sozial eher unbegabten Loser, der in einem Beatnik Café auf den Geschmack des gesellschaftlichen Lebens kommt und in der Szene mit naturalistischen Plastiken und Statuen von sich reden macht. Was niemand weiß: Dick schlachtet privatim Menschen hin und gipst sie einfach ein. Art for fame’s sake. Ausgezeichneter Shocker, der endlich wieder ausgegraben und wiederentdeckt werden sollte.

Und los geht’s mit den fabulösen Poe-Verfilmungen, die Corman in den nächsten Jahren schuf, und die ihm zurecht seinen legendären Ruf eingebracht haben. Gothic horror vom feinsten! Wer die doppelbödigen Erzählungen Poes kennt, weiß was Sache ist. Corman gab ihnen mit Price, Lorre, Nicholson, Steele Gesichter, die aus dem kollektiven Pop Gedächtnis nie wieder verschwinden werden. Besonders Vincent Prices großartiges, durch einen Hauch von Schnurrbart ins Dämonische verdedelte Profil war eine Meisterleistung. Innerhalb von zwei Jahrzehnten in diversen Noirs und Psychodramen (Premingers „Laura“!) als Charaktermime doch eher langsam ins Hintertreffen geraten, gab ihm Corman einen Karrierepush, der ihn zusammen mit Christopher Lees zeitgleicher Wiedergeburt als Dracula zur markantesten Horrorgestalt seit Karloff & Lugosi machte. Oder die absolut wunderbare Barbara Steele! Ein unfaßbar schönes, dunkles Gesicht mit absonderlich dunklen Haaren. Sie ging später nach Italien und begründete dort mit der steten Wiederholung ihrer Rolle aus Cormans‘ „Pit And The Pendulum“ ein europäisches Horrorrevival. Im Alter hatte sie noch einen wunderbaren Auftritt in „Piranha“, dem Debüt von, genau, Corman-Schüler Joe Dante.
Toll sind die Poe Verfilmungen alle, satt sehen kann man sich an ihrer atmosphärischen Technicolor Pracht niemals. „House Of Usher“ ist der ernsthafteste (und leicht steifste), bei „Pit And The Pendulum“ spielt sich die Steele ihre ganzen Goth Queen Fähigkeiten von der Seele und Price in die Geisteskrankheit. In „Premature Burial“ treibt Ray Milland die Angst vor dem Sterben in die absonderlichsten Obsessionen, „Tales Of Terror“ ist ein wunderbarer Episodenfilm (Saufspiele mit Peter Lorre!), in „The Raven“ bitten Price, Karloff, Jack Nicholson und Lorre zum Duell der Zauberer, „The Tomb Of Ligeia“ ist ganz schön unheimlich und spleenig, und schließlich „The Mask Of Red Death“, ein wiederum leider vergessenes Meisterstück über eine infernalische Pestseuche, schon mit höherem Gore-Gehalt als frühere Poe-Verfilmungen, vor allem bestechend durch die ästhetisch vollkommen überragende Kameraarbeit des eigenbrötlerischen, späteren Regisseurs Nicholas Roeg. My ass, diese roten Tücher, ich kriege heute noch Schauer davon!

Und: Zeitgleich entstanden noch drei andere, große Horrorfilme ohne Poe-Bezug. Der allseits geliebte „Little Shop Of Horrors“, ein überdrehtes Stück Pop Art über menschenfressende Pflanzen. „The Haunted Palace“, eine nicht sonderlich werkgetreue Lovecraft-Verfilmung mit Price als ewigem Wiederkehrer. Und besonders „X: The Man With The X-Ray Eyes“, meiner Meinung nach Corman großartigster Film, in dem Ray Millands Selbstversuche mit Röntgenstrahlen ihn über die üblichen „Frauen unter den Schlüpfer schauen“ – Phantasien zu düsteren Heilandswünschen & Reichtumsanhäufungen und vollkommenem Wahnsinn treiben. In der letzten Szene reißt er sich in einem Wanderprediger Zelt vor den Toren Las Vegas‘ die Augen heraus. Vollkommen irrsinniger, unvergleichlicher Film.

Das waren die guten Jahre, denn derart ausgezeichnete Werke sollten Corman ab den späten 60’s leider nicht mehr gelingen. Mit „The Wild Angels“ und einigen weiteren Filmen reanimierte er das Leder-Biker-Genre aus dem Geiste Kenneth Angers. Zwar durchaus mit aparter Besetzung (Nancy Sinatra, Bruce Dern, der geniale Peter Fonda, Ralph Meeker), aber leider aus heutiger Sicht doch recht altbacken, wichtigtuerisch und redundant. Ist halt eine Todgeburt, dieses Motorradgeschiebe, wenn nicht, wie bei Anger oder Kathryn Bigelows „The Loveless“, Sexyness am Lenkrad sitzt.
Ab den 70’s verlegte sich Corman hautpsächlich auf’s Produzieren, ua. vieler fabelhafter Kracher wie „The Big Doll House“, „Women In Cages“, Lalouxs „Planete Sauvage“ oder Monte Hellmans „Cockfighter“-Elegie. Aber dazu vielleicht später mal, das ist ein eigenes, sehr umfangreiches Kapitel. Die Empfehlung geht noch an eine späte, recht schöne Regiearbeit: „The Red Baron“, ein schickes Luftballet über Baron von Richthofen. Feines Teil.
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WerbungSchööööner Text über Corman den ewig Produzierenden.
Napoleon Dynamite[…]in „The Raven“ bitten Price, Karloff, Jack Nicholson und Lorre zum Duell der Zauberer, „The Tomb Of Ligeia“ ist ganz schön unheimlich und spleenig, und schließlich „The Mask Of Red Death“, ein wiederum leider vergessenes Meisterstück über eine infernalische Pestseuche, schon mit höherem Gore-Gehalt als frühere Poe-Verfilmungen, vor allem bestechend durch die ästhetisch vollkommen überragende Kameraarbeit des eigenbrötlerischen, späteren Regisseurs Nicholas Roeg. My ass, diese roten Tücher, ich kriege heute noch Schauer davon!
[…]Volle Zustimmung, das Rot brennt sich in die Augen ein und Jack Nicholson auf dem Kutschbock in The Raven ist bitteschön einer seiner besten Auftritte.
Ich habe hier noch Bloody Mama liegen, sieht aus wie Bonny and Clyde ohne Clyde aber mit Shelley Winters als maschine gun mama.
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If you talk bad about country music, it's like saying bad things about my momma. Them's fightin' words.Gigantisch viele Corman-Fans hier im Forum…
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If you talk bad about country music, it's like saying bad things about my momma. Them's fightin' words.
AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
Beiträge: 0
Ich zolle stillschweigenden Respekt für Napos von A-Z tollen, gelungenen und kenntnisreichen Text.
Von Corman selber favorisiere ich ebenfalls „The Man with the X-Ray Eyes“, neben „Bucket of Blood“ und der ein oder anderen Poe-Verfilmung („Pit and the Pendulum“ ist ganz famos). Ich mag sogar „The Wild Angels“ irgendwie sehr gerne und diesen einen bestimmten, dessen Name mir gerade nicht einfällt, den aber Frank Zappa auf „Roxy & Elsewhere“ in einem Monolog durch die Kaffeesahne zieht. „It conquered the World“ war das, glaub ich.
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Ich bin auch ein großer Liebhaber der Filme von Roger Corman.
Ich hätte da mal eine Meinungsfrage an alle Mit-Interessierten…
Die Produktionsfirma American Internation Pictures spezialisierte sich ja auf Filme fürs Autokino, die direkt auf Teenager zugeschnitten waren. Mit die erfolgreichsten Filme waren die Poe-Adaptionen Corman’s, die aber ja eher mit dem klassischen Gruselfilm verwurzelt waren. Meint ihr, dass genau deshalb Ende der 60er dann Schluss damit war, Corman die Entwicklung zum blutigeren Horrorfilm (bspw. „The Witchfinder General“) nicht mit machen wollte und ins Produzenten-Fach wechselte? Es fällt ja schon auf, dass sich Corman als Regisseur zurück zog gerade ab der Zeit, als der „neue Horrorfilm“ mit „Night of the living Dead“ usw. geboren wurde.
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"Ich würde lieber einen Film über jemand machen, der seinen Hund ausführt, als über den Kaiser von China." - Jim JarmuschHouse of Usher * * * 1/2
Pit and the Pendulum * * * *
Premature Burial * * * 1/2
Tales of Terror * * *
The Raven * * * 1/2
X * * * 1/2
The Masque of the Red Death * * *
The St. Valentine’s Day Massacre * * *werde mich jetzt an ‚A Bucket of Blood‘ und ‚The Little Shop of Horrors‘ machen.
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