Philosophie und Fußball (Martin Gessmann)

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  • #69837  | PERMALINK

    atom
    Moderator

    Registriert seit: 10.09.2003

    Beiträge: 21,880

    Martin Gessmann
    Philosophie und Fußball
    Warum die Holländer den modernsten Fußball spielen,
    die Engländer im Grunde immer noch Rugby
    und die Deutschen den Libero erfinden mussten

    6c5ae73662.jpg

    Den aktuellen Essay des Heidelberger Philosophen Martin Gessmann über „Philosophie und Fußball“ kann man hier kostenlos als PDF herunterladen.

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    Hey man, why don't we make a tune... just playin' the melody, not play the solos...
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    #7652883  | PERMALINK

    tokyoeye

    Registriert seit: 22.10.2008

    Beiträge: 1,819

    Dankeschön. Werd ich mir in einer Spielpause zu Gemüte führen. :-)

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    #7652885  | PERMALINK

    icculus66

    Registriert seit: 09.01.2007

    Beiträge: 2,378

    Danke für den Tipp, atom!

    … richtig modern wird der Fussball da, wo er seit den 1970er,
    spätestens 1980er Jahren eine systemtheoretische Variante ins Spiel
    bringt. Die Mannschaften müssen demnach als autopoietische Einheiten
    der Selbstorganisation verstanden werden, die sich in ihrer Spielanlage
    als System einer wechselnden Umwelt gegnerischer Mannschaften
    anpassen müssen. Der Clou dieser Spielauffassung besteht darin, die
    Dinge weder der Eigeninitiative der einzelnen Spieler noch einem
    Ausnahmetalent und Spielmacher zu überlassen, sondern der
    situationsabhängigen Ausformung des Spiels als System selbst. Wer
    einmal Van Gaals Philosophie der kleinsten Dreiecke verstanden hat,
    nach der jeweils drei Spieler untereinander ein in sich bewegliches
    Anspielsystem bilden, das immer den sicheren Pass erlaubt, der hat
    auch gleich verstanden, dass hier nicht mehr Spieler spielen, sondern
    sich Systeme selbst organisieren – Systeme, deren erste und letzte
    Aufgabe das Überleben im Sinne des sicheren Ballhaltens in den eigenen
    Reihen ist, solange, bis der Ball sich im Tor des Gegners befindet.
    Solche Spielanlagen und ihre spezifischen Spielzüge sind am besten
    aus einer Totalen mitzuverfolgen, die wie im Beobachterstatus
    des Systems einen distanzierten Überblick bieten – und so ist klar,
    dass der zugehörige Autor des holländischen Spiels nur Niklas Luhmann
    sein kann. …

    Luhmann würde Teile dieser Auffassung sicherlich bestreiten. Insbesondere
    bestehen (autopoietische) Sozialsysteme nicht aus „Mannschaften“ und
    „Spielern“, sondern aus Kommunikation. Die einzige Aufgabe ist nicht das
    Überleben, sondern – ganz im Gegenteil – der Dauerzerfall. Eine Kommunikation
    hat im autopoietischen (Selbst-)bezug nur die Aufgabe, die nächste
    Kommunikation zu ermöglichen. Sonst nichts.

    Schön ist das Bild vom Beobachterstatus des Systems. Beobachter beim
    Beobachten beobachten (Beobachtung zweiter Ordnung)! Hier bezieht sich
    Luhmann übrigens auf Heinz von Foerster.

    Ein Tipp für soziologisch interessierte Foris:
    Hartmut Esser: Der Doppelpass als soziales System
    Wohl eine der besten „wissenschaftlichen Satiren“ überhaupt.
    Luhmann auf den Doppelpass angewandt! Köstlich!;-)
    Den Aufsatz kann man hier für Euro 1,31 lesen:
    http://www.campus-digibook.de/interfaces/navigator/reader.php4?qsId=1006&id=14&fl=1&pi=0&pn=10&pgnr=151&cart=no&query=Hartmut+Esser

    Zur „Dreieck-Philosophie“ habe ich hier was gefunden:
    http://www.zfw.uni-dortmund.de/wilkesmann/fussball/_publi/OrganisationstheoretischeBetr.pdf
    … ab Seite 10 … man könnte sagen: „überlappende Dreiecke“

    Wissen, das kein Mensch braucht. (Ob Jogi Löw Luhmanns Systemtheorie kennt?) :lol:

    Literatur:
    Niklas Luhmann: Soziale Systeme. Grundriss einer allgemeinen Theorie
    Heinz von Foerster: Sicht und Einsicht. Versuche zu einer operativen Erkenntnistheorie
    und das hier:
    http://www.zfw.uni-dortmund.de/wilkesmann/fussball/index.htm

    --

    Free Jazz doesn't seem to care about getting paid, it sounds like truth. (Henry Rollins, Jan. 2013)
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